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D. Leutner Pdagogische Interventionen 1
Pdagogische Interventionen:Grundlagen- und
Anwendungsforschung
contra pdagogische Folklore zur Fundierung pdagogischer
Praxis
Detlev Leutner
AGBFN-Tagung, Wien, 13./14.9.2010
Dank an: Beate Schreiber, Anke Barthel, Claudia Leopold, Viola
den Elzen-Rump & viele andere..
Universitt Duisburg-Essen Campus Essen - Lehrstuhl fr
Lehr-Lernpsychologie
Die Arbeiten wurden bzw. werden gefrdert im -
DFG-Schwerpunktprogramm Bildungsqualitt von Schule-
DFG-Schwerpunktprogramm Kompetenzmodelle- DFG-Graduiertenkolleg
Naturwissenschaftlicher Unterricht
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berblick
Einleitung
Pdagogische Intervention
Pdagogische Interventionsforschung Beispiel:
Lernstrategietraining
Perspektiven Pdagogischer Interventionsforschungzwischen
Grundlagen- und Anwendungsforschung
Fazit: Pdagogische Folklore zur Fundierung pdagogischer
Praxis?
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Einleitung
Deutlich sichtbare Probleme des dt. Bildungssystems (TIMSS,
PISA)
Bildungsforschung Beitrag zur Lsung von Problemen der
pdagogischen Praxis
Erfordert, um generalisierend berzeugen zu knnen: Theoretische
Fundierung im Einklang mit internationalem Stand der Forschung
Nachweis der Wirksamkeit von Bildungsmanahmen
Ansonsten: Pdagogische Folklore
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Bildungsmanahmen als Interventionen
Intervention= Jede gezielte Vernderung/ jeder gezielte Eingriff
in System oder Prozess
Ebenen Mikro-Ebene: z.B. kognitive, motivationale &
sozial-emotionale Aspekte des Lernens
Meso-Ebene: z.B. systematische Fortbildungsstrukturen fr
Lehrkrfte, Gesundheitsprogramme fr Schlerinnen & Schler
Makro-Ebene: Einfhrung von Bildungsstandards &
Bildungsmonitoring
Intervention erfordert Bestandsaufnahme Diagnostik/Assessment
bzw. Feststellung einer Gruppenzugehrigkeit/eines Typus
Abgrenzung von Prvention,
aber: prventive Intervention mglich
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Interventionsforschung als Bildungsforschung:Grundlagen- &
Anwendungsorientierung
Grundlagenorientiert: allgemeines Erkenntnisinteresse Z.B. Rolle
der Metakognition bei Lernstrategietrainings
Wissenschaftliche Grundlagen fr erfolgreiche Intervention
Wirkungsprinzipien; Gestaltungsoptionen
Aptitude-Treatment-Interaction (ATI): Was wirkt bei wem?
Beispiel Medizin
Bercksichtigung von ATI als Grundlage fr reflektierte
pdagogische Praxis
Anwendungsorientiert: spezifisches Interesse an direkter
Verbesserung pd. Praxis Z.B. Metakognitionstraining durch Lehrkrfte
im alltglichen Unterricht Effekte auf Schlerebene
Effektivitt & Effizienz implementierter Intervention
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Beispiel: Lernstrategietraining
Selbstreguliertes Lernen aus Sachtexten zentrale
fcherbergreifende Kompetenz
erfordert kognitive & metakognitive Teilkompetenzen
Boekaerts (1999), Pintrich (2000), Zimmerman (2000)(vgl. auch
Mandl & Friedrich, 2006)
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Theoretisches Modell (Boekaerts, 1999)
70Selbstreguliertes Lernen Wahl kognitiver Strategien
(oberflchen-, tiefenorientiert)
Gebrauch metakognitiven Wissens zur Steuerung des Lernens
Wahl von Zielen und Ressourcen
SelegierenOrganisierenElaborieren
PlanenberwachenRegulieren
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PISA 2000 (national)
Geringe Korrelation von Lernstrategiewissen und selbst
berichteter Lernstrategienutzung
Lesekompetenz durch Lernstrategiewissen besser vorhersagbar:
Qualitt des Strategiewissens und der Strategienutzung von
zentraler Bedeutung!
.15
Lernstrategie-wissen
Selbst berichteterStrategieeinsatz
Elaborations-
strategien
Kontroll-
strategien
Interesse amLesen
SelbstkonzeptLesen
.10
.19
.48
.20 .05
.21
.21
.18
.21
.29
.63 .68
Lese-kompetenz
.36
(Artelt et al., 2001, Figure 6.10, p. 294)
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Qualitt des Strategieeinsatzes: Bsp. Textmarkieren
Wenig markiert Viel markiert
Sachtext ber Wasser: Zwei Schler, zwei Markierungsmuster..
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Konzeption eines TrainingsansatzesTheoretisch begrndetes
Training ausgewhlter kognitiver Lernstrategien & deren
metakognitiver Kontrolle (=Selbstregulation) Deklaratives,
prozedurales, kontextuelles Wissen ber einzelne (untergeordnete)
Lernstrategien
Befhigung zur zielfhrenden Regulation des
Lernstrategie-Einsatzes (bergeordnete L-Strat.)
(Schreiber, 1998;Leutner & Leopold, 2006)
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Umsetzung des Trainingsansatzes (CBT)2. Kognitive
Lernstrategie
3. Metakognitive Lernstrategie
1. Fallbeispiel
Text-markieren
Mapping
Visuali-sieren
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Phase 1: Feldexperimentelle Studien(10. Klasse GY:
Textmarkieren, N=78/ Mapping, N=104/ Visualisieren, N=82)
CBTohne SR
CBTmit SR
Trainerohne SR
Trainermit SR
Anwenden:Text lesen(30 min)
Test:Textverstndnis
(sofort)Vortest
Test:Textverstndnis(3 Monate)
Kontroll-bedingung
Randomisieren Trainieren (90 min) Wirksamkeit testen
UV: Art des Trainings
AV: Textverstndnis nach Anwendung der trainierten
Lernstrategie
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Ergebnis-Beispiel: Textmarkierungstraining
Verstehen und Behalten der Textinhalte
Trainingsinhalt: F(1,51) = 15.36, p
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Phase 2: Implementationsstudie
Vorgehen:
Teilnehmer: 50 Lehrkrfte aus drei Bundeslndern mit je zwei
Parallelklassen (2306 SchlerInnen)
Trainings-/ Kontrollklasse randomisiert (durch
WissenschaftlerInnen)
Implementations-Check (wchentlich, per email) 27 Lehrkrfte (mit
1134 SchlerInnen haben Implementationsvorgaben erfllt
April 05 Juni 05 Aug./Sept. 05 ab Sept. 05 Febr. 06 Mai 06
Vor-studie
Lehrer-fortbildungen
Pr-TestTraining + Implementation
Post-Test Follow-upherkmmlicher Unterricht
Implementations-Check
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Ergebnis
RM-Anova: Statist. sign. Interaktion Art des Unterrichts x
Messzeitpunkt,F(1,1125) = 5.89; p = .015
Einzelvergleiche: Post-Test: F(1,1125) = 2.27; p=.130;
d=0.07
Follow-up-Test:F(1,1125) = 12.48; p
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Diskussion der Beispielstudien
Fhigkeit zur metakognitiven Kontrolle des Einsatzes von
Lernstrategien notwendige Voraussetzung fr Selbstreguliertes
Lernen
systematisch trainierbar: feldexperimentelle Studien, Training
durch Wissenschaftler
implementierbar in alltglichen Unterricht:
Implementationsstudie, Training & Untersttzung durch
Lehrkrfte
Sonstiges Lernstrategietraining in Schulen? Sinn & Unsinn
von Methodentagen.
Entwicklung evidenz-basierter Trainingsprogramme Vgl. Landmann,
M. & Schmitz, B. (Hrsg.). (2007). Selbstregulation erfolgreich
frdern. Praxisnahe Trainingsprogramme fr effektives Lernen.
Stuttgart: Kohlhammer.
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Perspektiven pdagogischer InterventionsforschungZiele:
Gegenwrtig: Primat angewandter Fragen; Evaluation konkreter
Interventionen, Effekt & Effizienz
Aber: Erheblicher Bedarf an systematischer,
interventionsbezogener Grundlagenforschung zur Entwicklung
erfolgreicher Interventionen Theoretische Analyse des Problems
Aufarbeitung des Forschungsstandes, insbes. Sichtung/ ggf.
Berechnung Metaanalysen
Labor- und kontrollierte Feldstudien: Effekt, Effizienz,
Moderation (ATI), Mediation, Langzeitwirkung
Forschungsmethoden: Knigsweg: randomized controlled studies
(Slavin, 2002)
Auch bei primr anwendungsorientierter Interventionsforschung
Aber auch: systematische Einzelfallstudien Baseline-Messung
Intervention Post-Messung (Borckardt et al., 2008)
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Fazit
Andauernde Interventionen im Bildungssystem Oft ohne
theoretische Stringenz & empirische Evidenz fr Wirksamkeit
Wissenschaftliche Fundierung dringend erforderlich
"Es gibt nichts praktischeres als eine gute Theorie. (Lewin,
1951, S. 169)
Pdagogische Professionalitt als (wissenschaftlich) fundiertes
Wissen ber Wirkungen und Nebenwirkungen pdagogischer
Interventionen
Auch im Wege individueller Erfahrungen aus der pdagogischen
Praxis heraus entwickelbar Aber: Charakter von zu prfenden
Hypothesen berprfung mit wissenschaftlichen Methoden erforderlich,
um das Wissen systematisch lehrbar zu machen (z.B. in der
Lehrerbildung)
Ansonsten bleibt das Wissen nicht mehr als von Generation zu
Generation berlieferbare "pdagogische Folklore".
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detlev.leutner@uni-due.de
http://www.uni-due.de/llpsych
Nachlesbar Leutner, D. (2010). Perspektiven pdagogischer
Interventionsforschung. In T. Hascher & B. Schmitz (Hrsg.),
Pdagogische Interventionsforschung. Theoretische Grundlagen und
empirisches Handlungswissen (S. 63-72). Weinheim: Juventa.
Leopold, C., Den Elzen-Rump, V. & Leutner, D. (2006).
Selbstreguliertes Lernen aus Sachtexten. In M. Prenzel & L.
Allolio-Ncke (Hrsg.), Untersuchungen zur Bildungsqualitt von
Schule. Abschlussbericht des DFG-Schwerpunktprogramms (S. 268-288).
Mnster: Waxmann.
Hinweis: DFG-Programminitiative Erkenntnistransfer
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Paradigmen empirischer Bildungsforschung
Beschreiben Was? Prozesse & Ergebnisse/ verschiedene Ebenen/
verschiedene Akteure
Wie? Qualitativ & quantitativ/ Einzelfallstudie &
Large-Scale Assessment
Erklren Was? Prfung von Theorien und Hypothesen ber
Wirkmechanismen
(Warum?; Was geschieht, wenn?)
Wie? Das Experiment (i.S. von randomized controlled study) als
Knigs-Paradigma
Vorhersagen Was? Prfen prskriptiver Aussagen (Um x zu erreichen,
ist y zu tun.)
Wie? Kontrollierte Interventions- und Implementationsstudien
Enge Verzahnung von Theorie & Empirie, von
Grundlagenforschung & Anwendungsforschung zur Gestaltung von
Praxis