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Technische Universität Bergakademie Freiberg Fakultät für Geowiss., Geotechnik und Bergbau Institut für Geotechnik Lehrstuhl für Felsmechanik Partikelmethoden - Eine Übersicht - DEM-Simulation eines Schneidprozesses (Quelle: Lehrstuhl für Felsmechanik, TU BAF) Dipl.-Geophys. Christian Jakob, Prof. Dr.-Ing. habil. Heinz Konietzky Freiberg, den 23. Oktober 2012
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Partikelmethoden - TU Bergakademie Freiberg · 2 Diskrete Elemente Die Diskrete-Element-Methode (DEM) ist eine Partikelmethode, die auf den Newton’schen Bewegungsgesetzen basiert.

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Page 1: Partikelmethoden - TU Bergakademie Freiberg · 2 Diskrete Elemente Die Diskrete-Element-Methode (DEM) ist eine Partikelmethode, die auf den Newton’schen Bewegungsgesetzen basiert.

Technische Universität Bergakademie FreibergFakultät für Geowiss., Geotechnik und BergbauInstitut für GeotechnikLehrstuhl für Felsmechanik

Partikelmethoden

- Eine Übersicht -

DEM-Simulation eines Schneidprozesses (Quelle: Lehrstuhl für Felsmechanik, TU BAF)

Dipl.-Geophys. Christian Jakob,Prof. Dr.-Ing. habil. Heinz Konietzky

Freiberg, den 23. Oktober 2012

Page 2: Partikelmethoden - TU Bergakademie Freiberg · 2 Diskrete Elemente Die Diskrete-Element-Methode (DEM) ist eine Partikelmethode, die auf den Newton’schen Bewegungsgesetzen basiert.

Inhaltsverzeichnis1 Einleitung 2

2 Diskrete Elemente 32.1 Kontaktdetektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2 Kontaktgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.3 Physik DEM-Partikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.4 Zeitintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.5 Komplexere Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.6 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3 Smoothed Particles 123.1 Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123.2 Physik SPH-Partikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

4 Lattice Boltzmann 154.1 Boltzmann Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154.2 Zeitrelaxation nach Bhatnagar, Gross und Krook . . . . . . . . . 164.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

5 Molekulardynamik 195.1 Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195.2 Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195.3 Physik MD-Partikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Literatur 22

1

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1 Einleitung

Was sind Partikelmethoden?

Numerische Berechnungsverfahren lassen sich prinzipiell einteilen in:

- Explizite und implizite Verfahren bzgl. der zeitlichen Diskretisierung

- Kontinuumsmechanische (netzbehaftete) und diskontinuumsmechanische(netzfreie) Verfahren bzgl. der räumlichen Diskretisierung

Alle Verfahren können unabhänging von der räumlichen Diskretisierung als impli-zite oder explizite Berechnung ausgeführt werden. Typische Vertreter der netzbe-hafteten Verfahren sind die FEM (Finite-Elemente-Verfahren), die REM (Rand-Elemente-Verfahren) oder auch die VEM (Volumen-Elemente-Verfahren). Ty-pische Vertreter der netzfreien Methoden sind die DEM (Diskrete-Elemente-Methode), die SPH (Smooth-Particle-Hydrodynamics) oder auch die MD(Molecular-Dynamics).

Während bei der klassischen Kontinuumsmechanik der Zusammenhalt des Kör-pers (Kontinuum) erhalten bleibt (Nachbarschaftsbeziehungen bleiben erhaltenbzw. werden vordefiniert), erlaubt die Diskontinuumsmechanik die Betrachtungder Wechselwirkung mehrere einzelner Körper (Kontinua). Dafür benötigen dieseMethoden einen automatischen Kontakt-Detektions-Algorithmus sowie entspre-chende Kontaktstoffgesetze, die bei Wechselwirkung (physisch oder als Feldkraftüber weitere Entfernungen) aktiv werden.

Abbildung 1: Modellbeispiele für finite (links) und diskrete Elemente (rechts)(Quelle: Lehrstuhl für Felsmechanik, TU BAF)

Wo finden Partikelmethoden Anwendung?

- Simulation granularer Medien und Festgesteine (DEM)- Fluidsimulation (SPH, LBM)- Simulation von Molekülen und Nanopartikeln (MD)- Berechnungen in der Astrophysik (SPH)

2

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2 Diskrete ElementeDie Diskrete-Element-Methode (DEM) ist eine Partikelmethode, die auf denNewton’schen Bewegungsgesetzen basiert. Die Partikel können sich mit sechsFreiheitsgraden bewegen (drei für die Translation und drei für die Rotation).Die Partikel sind starr und somit nicht deformierbar. Prinzipiell können die Par-tikel jede beliebige geometrische Form haben, wobei die Kugelform numerischam effizientesten ist. Wenn sich Partikel berühren wirken Kräfte, die vom Kon-taktgesetz abhängig sind. Weiterhin können äußere Kräfte (z.B. Gravitation) aufdie Partikel wirken. Während einer Modellrechnung können sich Kontakte bildenoder auflösen. Daher ist eine effiziente automatische Kontaktdetektierung eineder Kernkomponenten einer DEM-Software.Die Modellierung mit diskreten Elementen erfolgt in sechs Phasen:

1. Generierung der Partikel + Definition der Rand- und Anfangsbedingungen2. Ermittlung der Kontakte (zw. Partikeln und zw. Partikel und Rand)3. Berechnung der Kräfte F und der Momente M aller Partikel4. Berechnung der Beschleunigungen u und ω, der Geschwindigkeiten u undω, und der Verschiebungen u und Rotation aller Partikel

5. Berechnung der neuen Positionen x aller Partikel6. Punkt 2. bis 5. in jedem Zeitschritt ∆t bis zum Abbruchkriterium wieder-

holen

Pionierarbeit bei der Entwicklung von diskreten bzw. distinkten Elementen leiste-te hauptsächlich Peter A. Cundall, der in zahlreichen Publikationen die Methodeimmer weiter verbessert und erweitert hat. Seit 1995 ist die DEM-Software PFC(Particle Flow Code) der Firma Itasca auf dem Markt. Es lassen sich damitsowohl zweidimensionale (PFC2D), als auch dreidimensionale (PFC3D) Modellerechnen. In der folgenden Beschreibung wird sich ausschließlich auf diese Softwarebezogen.

2.1 Kontaktdetektion

Der Rechenaufwand zur Kontaktermittlung steigt quadratisch mit der Anzahlder Partikel im Modell. Daher ist es notwendig einen rechenzeitoptimierten Al-gorithmus für die DEM zu verwenden. Dabei werden im ersten Schritt alle nicht-möglichen Kontakte in einer Vorsortierung ausgeschlossen. Im zweiten Schrittwird dann genauer (und somit rechenintensiver) berechnet, ob die restlichen mög-lichen Kontakte wirklich vorhandene Kontakte sind. Bei wirklich vorhandenenKontakten (engl. real contacts) wird das Kontaktgesetz angewendet, um die aufdie Partikel wirkenden Kontaktkräfte zu berechnen (s. Abschnitt 2.2).Man unterscheidet bei der Vorsortierung, die mögliche von nicht-möglichen Kon-takten trennt, in zellenbasierte Methoden und Methoden mit Verlet-Listen. Zel-lenbasierte Methoden teilen das Modell in kleinere Zellen auf, die parallel zuden Raumachsen sind (engl. axis-aligned bounding box). Je grösser eine Zelleist, desto mehr mögliche Kontakte werden vorsortiert. Dadurch erhöht sich derRechenaufwand. Je kleiner die Zellen sind, desto mehr Zellen müssen durchsucht

3

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werden, wodurch ebenfalls mehr Rechenzeit benötigt wird. In den meisten DEM-Codes wird deshalb bei Initialisieren eines Modells die optimale Zellengröße durchein heuristisches Verfahren abgeschätzt. Bei der Methode mit Verletlisten wirdjedem Partikel ein Beobachtungsradius zugeordnet, in dem sich alle möglichenKontaktpartner finden.

~r

Abbildung 2: Zellenbasierte Methode (links) und Methode mit Verlet-Listen (rechts)

2.2 Kontaktgesetze

Bei Kontakt zweier Partikel werden die wirkenden Kräfte nach einem Kontaktge-setz (auch Stoffgesetz genannt) berechnet. Kontaktgesetze werden aus verschie-denen Basiselementen zusammengebaut, die mit einem Schaltplan visualisiertwerden können. Die Basiselemente sind dabei die Feder (engl. spring) , derviskose Dämpfer (engl. dashpot) und der Reibungswiderstand (engl. frictionalslider, frictional resistance oder auch shear slider) . Im einem rein elastischenGesetz wird die Kontaktkraft durch zwei Federn mit den Steifigkeiten kn (für dieNormalrichtung) und ks (für die Scherrichtung) beschrieben (s. Abb. 3).

Partikel 1

Partikel 2

kn

Partikel 1

Partikel 2

ks

Abbildung 3: Elastisches Kontaktgesetz

Die Normalkontaktkraft Fn ist beim linear-elastischen Kontaktgesetz das Pro-dukt aus der konstanten Normalsteifigkeit kn und dem Überlappungsbetrag un.

Fn = knun (1)

Die aktuelle Scherkontaktkraft F neus ergibt sich aus der Summe der Scherkon-

taktkraft des vorhergehenden Zeitschritts F alts und ∆Fs.

F neus = F alt

s + ∆Fs mit ∆Fs = −ks ·∆us (2)

Beim nicht-linearen Hertz-Mindlin-Kontaktgesetz werden die Steifigkeiten kn undks in Abhängigkeit von den Eingangsparametern Schermodul G und Poissonver-hältnis ν, den Radien der Partikel R1 und R2 und dem Überlappungsbetrag un

4

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berechnet.

kn =

(G√

2Rd

(1− ν)

)√un mit Rd =

2R1R2

R1 +R2

(3)

ks =

(2 (3G2(1− ν)Rd)

13

2− ν

)· (Fn)

13 (4)

Jedes mechanische System „verliert“ Energie (z.B. in Form von Wärme durchReibung oder plastischer Verformung). Um den Energieverlust beim Kontaktvon Partikeln im Modell zu berücksichtigen, wird im Kontaktgesetz ein Dämp-fungselement parallel zur Feder geschaltet. Im Falle einer Scherung geht Energieaufgrund der Gleitreibung verloren. Daher wird im Kontaktgesetz zusätzlich einReibungswiderstand in Reihe geschaltet (s. Abb.4).

Partikel 1

Partikel 2

kn cn

Partikel 1

Partikel 2

ks

cs

µ

Abbildung 4: Kontaktgesetz mit viskoser Dämpfung und Reibungswiderstand

Die Dämpfung wirkt geschwindigkeitsproportional auf die NormalkontaktkraftFn, wodurch diese um den Anteil der viskosen Dämpfung cnun ergänzt wird.

Fn = knun − cnun (5)

Im gedämpften Fall setzt sich die zu aktualisierende Scherkontaktkraft ∆Fs ausks∆us und dem Anteil der viskosen Dämpfung cs∆us zusammen.

∆Fs = −ks ·∆us − cs ·∆us (6)

Dabei sind cn und cs die Normal- und Scherdämpfungskoeffizienten. cn (bzw. cs)ist das Produkt aus dem Dämpfungsverhältnis βn (bzw. βs) und der kritischenDämpfungskonstante ckritn (bzw. ckrits ). Es gilt

cn = βnckritn = 2βn

√mkn, (7)

wobei m die effektive Systemmasse ist. Die Berechnung für cs erfolgt analog.Das Gleitverhalten bei Scherbewegung wird durch den Reibungskoeffizienten µbeschrieben. µ ist definiert als das Verhältnis aus maximaler ScherkontaktkraftFmaxs und Normalkontaktkraft und limitiert im Falle des Gleitens die Scherkon-

taktkraft aufFmaxs = µ |Fn| . (8)

5

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2.3 Physik DEM-Partikel

Im Folgenden wird sich aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Betrachtungeines Kontaktes zwischen zwei Partikeln beschränkt. Die verwendeten Bezeich-nungen sind in Abb. 5 dargestellt.

R1

R2

~x1 ~x2~xc

da

un~n

~t

Abbildung 5: Kontakt zweier Partikel im PFC-Modell

Die Vektoren ~x1 und ~x2 sind die Ortsvektoren zu den Mittelpunkten der Partikelund ~n und ~t bezeichnen den Normal- bzw. Tangenteneinheitsvektor. Aus der inAbb. 5 gezeigten Geometrie ergeben sich folgende Zusammenhänge.

da = |~x2 − ~x1| ~n =~x2 − ~x1

daun = R1 +R2 − da (9)

Der Ortsvektor des Kontaktpunkts ~xc ergibt sich dann wie folgt.

~xc = ~x1 + (R1 − 1/2 · un) · ~n (10)

Mit den Steifigkeiten kn und ks werden die Normal- und die Scherkomponenteder Kontaktkraft Fc ermittelt. Die Normalkomponente wird direkt bei Kontakt-bildung errechnet. Die Scherkomponente ist bei Kontaktbildung Null. Sie wirdbei jedem Zeitschritt um ∆Fs vergrößert (bzw. verkleinert).

∆Fs = −ks ·∆us und Fn = knun (11)

Der Scherverschiebungsanteil bei jedem Zeitschritt ∆us wird am Ende des Ab-schnitts in Gl. (21) beschrieben. Die Kontaktkraft zwischen zwei Partikeln wirddann durch

~Fc = Fn · ~n+ Fs · ~t (12)

bestimmt. Die Gesamtkraft ~F (= Fi), die auf ein Partikel wirkt, setzt sich zu-sammen aus der Summe aller Kontaktkräfte durch die Nachbarpartikel und derSchwerkraft ~Fg = m · ~g.

~F =∑c

~Fc + ~Fg (13)

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Die Gesamtkraft in i-Richtung (i ∈ 1, 2, 3) Fi, die auf ein Partikel wirkt, wirdnach dem zweiten Gesetz von Newton (Gesetz der Dynamik einer Masse) be-stimmt. Sie berechnet sich durch Multiplikation der Masse m des Partikels mitder Summe seiner Beschleunigungen (ui und gi).

Fi = m · (ui + gi) (14)

Nach Umstellen der Gleichung (14) ergibt sich

ui =Fim− gi. (15)

Durch zweifache Integration nach der Zeit t wird die Geschwindigkeit ui und dieVerschiebung ui bestimmt.

ui =

∫uidt und ui =

∫uidt (16)

Für die Beschreibung der Rotationsbewegung wird der Vektor ~rc eingeführt. Erverbindet das Zentrum des Partikels mit dem Punkt, wo die Kontaktkraft ~Fc amPartikel angreift. Das Drehmoment ~M ergibt sich somit aus folgender Beziehung.

~M =∑c

(~rc × ~Fc

)mit ~rc = ~xc − ~x und ~x = ~x1 (für Partikel 1) (17)

Das Drehmoment in i-Richtung Mi wird aus Multiplikation des Trägheitsmo-ments J mit der Winkelbeschleunigung ωi bestimmt.

Mi = J · ωi (18)

Da alle Partikel Kugeln sind, ist das Trägheitsmoment gegeben durch J = 2/5 ·mR2. Durch Umstellen und Integration nach t ergibt sich die Winkelgeschwin-digkeit ωi des Partikels.

ωi =

∫5Mi

2mR2dt (19)

Mit den ermittelten Geschwindigkeiten ~v1 = ui1 und ~v2 = ui2 und den Winkelge-schwindigkeiten ~ω1 und ~ω2 wird nun die Relativgeschwindigkeit ~vrel errechnet.

~vrel = (~v2 + ~ω2 × (~xc − ~x2))− (~v1 + ~ω1 × (~xc − ~x1)) (20)

Der Scherverschiebungsanteil bei jedem Zeitschritt ∆us aus Gl. (11) wird ausMultiplikation der Schergeschwindigkeit vs mit der Schrittweite ∆t bestimmt.vs wiederum berechnet sich aus der Relativgeschwindigkeit vrel = |~vrel| durchSubtrahieren der Normalgeschwindigkeit.

∆us = vs∆t mit vs = vrel − vn und vn = |~vrel · ~n| (21)

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2.4 Zeitintegration

PFC berechnet die Geschwindigkeiten xi und ωi zu den mittleren Zeitintervallent ± n∆t/2 und die Werte für xi, xi, ωi, Fi und Mi zu den primären Intervallent± n∆t. Die numerische Lösung der Integrationen aus Gl. (16) und (19) erfolgtüber die zentralen Differenzenquotienten

u(t)i = 1

∆t

(u

(t+∆t/2)i − u(t−∆t/2)

i

)und

ω(t)i = 1

∆t

(t+∆t/2)i − ω(t−∆t/2)

i

).

(22)

Aus den Gleichungen (22), (15) und (18) werden die „neuen“ Geschwindigkeitenzum Zeitpunkt t+ ∆t/2

u(t+∆t/2)i = u

(t−∆t/2)i +

(F

(t)i

m+ gi

)∆t und

ω(t+∆t/2)i = ω

(t−∆t/2)i +

(5M

(t)i

2mR2

)∆t

(23)

und die „neuen“ Partikelpositionen zum Zeitpunkt t+ ∆t bestimmt.

x(t+∆t)i = x

(t)i + u

(t+∆t/2)i ∆t (24)

Mit den neuen Positionen der Partikel werden, wieder bei Gl. (9) beginnend,die Kräfte und Verschiebungen für den nächsten Zeitschritt berechnet. Für einevollständige numerische Beschreibung des Bewegungs- und Kontaktverhaltenswird auf das Handbuch Itasca (2008) verwiesen.

2.5 Komplexere Ansätze

Die auf starren Kugeln basierenden Partikelansätze können in mehrfacher Hin-sicht erweitert werden:

Clumps können aus zwei oder mehreren Partikeln gebildet und damit komple-xere Partikelformen erzeugt werden.

Abbildung 6: Beispiele für clumps erzeugt durch sich überlappende Kugeln (Quelle:Lehrstuhl für Felsmechanik, TU BAF)

8

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Bonds sind Bindungen mit denen die Partikel kohäsiv miteinander verbundenwerden. Mehrere Partikel können so zu einem Korn (oder Cluster) verbundenwerden, welches bei entsprechender Einwirkung entlang der kohäsiven Bindungenaufbrechen kann. Somit ist es möglich Festgesteine und auch Festkörperbrückenzwischen granularen Medien zu simulieren.

Abbildung 7: Festkörper bestehend aus kugelförmigen Einzelpartikeln undverschiedenen größeren Partikeln, die aus mehreren Kugeln aufgebaut sind (Cluster)

(Quelle: Lehrstuhl für Felsmechanik, TU BAF)

Modellränder werden durch Flächen oder durch Partikel selbst definiert. Flä-chen können aus Vierecken bestehen, aber auch komplexere Geometrien (beste-hend aus dreieckigen Teilflächen) haben. Partikel können als Berandung ver-wendet werden, indem man sie fixiert (Beschränkung der Freiheitsgrade) oderperiodische Ränder definiert. Bei periodischen Rändern bilden Partikel, die dieBerandung berühren die Masterpartikel. Diese generieren auf der gegenüberlie-genden Seite der Berandung ein Slavepartikel. Dadurch stützt sich das Modellam Rand selbst.

Abbildung 8: DEM-Modell mit verschiedenen Modellrändern, ebene Flächen (links)und periodische Ränder (rechts)

9

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2.6 Beispiele

Die DEM ermöglicht es einen Festkörper hinsichtlich seines Deformations-,Spannungs- und Festigkeitsverhalten inklusive Rissausbreitung zu untersuchen(s. Abb. 9).

Abbildung 9: Eindringen eines Keils in einem Festkörper, bestehend ausVoronoi-Partikeln, mit Rissbildung (Quelle: Lehrstuhl für Felsmechanik, TU BAF)

Durch bonds können Verkittungen zwischen Sandkörnern, wie sie beim Sandsteinvorhanden sind, simuliert werden. Folgendes Beispiel zeigt die Probe (links) unddie durch einen Scherbruch aufgelösten Bindungen (visualisiert durch graue Zy-linder).

Abbildung 10: Sandsteinprobe, Aufbau (links) und kohäsive Bindungen nachScherbruch (rechts), (Quelle: Lehrstuhl für Felsmechanik, TU BAF)

10

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Weitere Beispiele sind in folgender Tabelle aufgelistet.

Anwendung Literaturhinweis

Nukleartest te Kamp u. a. (1998)

Mikromechanik Ton te Kamp und Konietzky (2002)

ineinander greifende Geogitter Konietzky u. a. (2004)b

Ermüdung bei Metalen Konietzky u. a. (2004)a

Schneid-/Bohrprozess Lunow und Konietzky (2009)

Deckwerk/Uferböschung Herbst u. a. (2010)

Zerkleinerungsprozess Al-Khasawneh und Konietzky (2010)

Bruchprozess/Mikromechanik Beton Groh u. a. (2011)

Sand/granulare Materialien Stahl und Konietzky (2011)

Bodenverflüssigung/HM Kopplung Jakob u. a. (2012)

Tabelle 1: Liste von DEM-Anwendungen mit Literaturhinweisen

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3 Smoothed ParticlesDie Methode Smoothed Particle Hydrodynamics (SPH) wurde von Monaghan(1988) zur Berechnung von astrophysikalischen Phänomenen eingeführt. Die Me-thode wurde weiterentwickelt und es ist möglich damit Flüssigkeiten jeglicherArt zu simulieren. Dabei wird das zu untersuchende Kontinuum durch diskretePartikel approximiert. Jedes SPH-Partikel hat einen Kern, der durch eine Kern-funktion W (x, h) (engl. smoothing kernel, kernel function oder interpolating ker-nel) beschrieben wird. Dabei ist h der Wirkungsbereich des Partikels und x derAbstand von Mittelpunkt. Die Kernfunktion kann im eindimensionalen Fall zumBeispiel eine Gaußverteilung sein (s. Abb. 11).

x

WW (x, h) = 1

h√πe−

x2

h2

Abbildung 11: Gaußkern

Den Partikeln werden die physikalischen Größen Dichte ρ, Position ~x und Ge-schwindigkeit ~v zugeordnet. Diese müssen in jedem Zeitschritt neu berechnetwerden.

3.1 Interpolation

Die Integralinterpolierende einer beliebigen Funktion A(~x) ist definiert durch

A(~x) =

∫A(~x′)W (~x− ~x′, h)d~x′, (25)

wobei über den gesamten Raum integriert wird und die KernfunktionW folgendeEigenschaften besitzt (Monaghan (1992)).∫

W (~x− ~x′, h)d~x′ = 1 und limh→0

W (~x− ~x′, h) = δ(~x− ~x′) (26)

Die Integralinterpolierende der Feldvariablen A eines SPH-Partikels an der Posi-tion ~x kann durch eine Summationsinterpolation seiner Nachbarpartikel (b) ap-proximiert werden.

A(~x) =∑b

Abmb

ρbW (~x− ~xb, h) (27)

Dabei sind mb, ρb, Ab und ~xb die Masse, die Dichte, der Wert der Feldvariable undder Ortsvektor der Nachbarpartikel. Der Gradient von A wird durch

∇A(~x) =∑b

Abmb

ρb∇W (~x− ~xb, h) (28)

bestimmt. Daher ist zur Berechnung partieller Ableitungen mit der SPH-Methodekein Gitter notwendig.

12

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3.2 Physik SPH-Partikel

Die für die Massenerhaltung (Kontinuitätsgleichung)

∂ρ

∂t+ ρ∇ · ~v = 0 (29)

und die Impulserhaltung∂~v

∂t+

1

ρ∇p = 0 (30)

notwendigen Ableitungen ∇ · ~v und ∇p ergeben sich mit ~vba = ~vb − ~va undWab = W (~xa − ~xb) durch Summationsinterpolation (s. Gl.(28)). Es gilt für allePartikel a

(∇ · ~v)a =∑b

mb

ρb~vba∇Wab (31)

und(∇~p)a =

∑b

mb

ρb~pb∇Wab, (32)

wobei die Dichte durch

ρ(~x) =∑b

mb∇W (~x− ~xb, h) (33)

gegeben ist. Somit ist die diskrete Form der Kontinuitätsgleichung gegeben durch

∂ρa∂t

= ρa∑b

mb

ρb~vab∇Wab (34)

und die diskrete Form der Impulserhaltung durch

∂~va∂t

= − 1

ρa

∑b

mb

ρb~pb∇Wab. (35)

Die Geschwindigkeit ~v der Partikel ergibt sich aus der Ableitung

~va =∂~xa∂t

. (36)

13

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3.3 Beispiele

SPH kommt häufig bei Computeranimationen mit Wasser zum Einsatz, da manmit SPH sehr realistisch wirkende Ergebnisse erzielen kann.

Abbildung 12: Wassersimulation mit SPH (Quelle: Bell u. a. (2005))

Ein weiteres Beispiel zeigt die sogenannte „Millenium Simulation“, die die Ent-stehung großskaliger Massenverteilungen (Galaxien und Galaxienhaufen) simu-liert. Es wurden für die Rechnung mehr als 10 Milliarden Partikel verwendet (s.http://www.mpa-garching.mpg.de/galform/millennium/).

Abbildung 13: „Millenium Simulation“ mit > 1010 Partikeln (Quelle: Springel u. a.(2005))

14

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4 Lattice BoltzmannDie Lattice-Boltzmann Methode (LBM) basiert auf der Theorie von LudwigBoltzmann (1844-1906). Boltzmann betrachtete ein Gas als Medium, dass ausmiteinander wechselwirkenden Partikeln (Moleküle oder Atome) besteht, die mitder klassischen Mechanik und einer statistischen Betrachtung beschrieben wer-den können. Diese Grundidee wurde in die LBM übernommen, wo Gase durchStrömungsvorgänge und Kollisionen von Partikeln simuliert werden (Sukop undThorne (2006)). Der Ansatz ist auf die Simulation von Fluiden (Gase und Flüs-sigkeiten) erweitert worden.

~e1

~e2

~e3

~e4

~e5~e6

~e7 ~e8

node

lattice cell

lattice unit

Abbildung 14: Gitteranordnung für ein D2Q9 Modell

Für die LBM wird ein Gitter bestehend aus Knotenpunkten (engl. nodes) benö-tigt. In Abbildung 14 ist die Gitteranordnung für ein D2Q9 Modell (2 Dimen-sionen, 9 Knotenpunkte) dargestellt. Die Vektoren ~ei bezeichnen die Partikel-geschwindigkeiten in Richtung i. Im einfachsten Ansatz haben die Partikel eineeinheitliche Masse (mu - mass unit) und das Gitter einen einheitlichen Gitterab-stand (lu - lattice unit).

4.1 Boltzmann Gleichung

Ein System ausN Partikeln (Molekülen) kann durch eine Dichtefunktion F (~x,~e, t)beschrieben werden. Wenn die Positionen ~x und Geschwindigkeiten ~e aller Parti-kel (Moleküle) zum Zeitpunkt t bekannt sind, so ist es (zumindest hypothetisch)möglich Vorhersagen zur Mechanik des Systems zu treffen. Angenommen eineexterne Kraft f wirkt auf die Partikel, dann haben die Partikel zum Zeitpunktt + dt die Positionen ~x + ~edt und die Geschwindigkeiten ~e + fdt. Wenn keineKollisionen stattfanden, dann gilt

F (~x,~e, t)d~xd~e = F (~x+ ~edt, ~e+ fdt, t+ dt)d~xd~e. (37)

Wenn es zu Kollisionen kommt, wird in Gl. (37) ein Kollisionsterm Ω hinzuge-fügt, welcher die Änderungsrate zwischen End- und Anfangszustand des Systems

15

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beschreibt (Mohamad (2007)).

F (~x,~e, t)d~xd~e = F (~x+ ~edt, ~e+ fdt, t+ dt)d~xd~e+ Ω(F )d~xd~edt (38)

Die zeitliche Ableitung von Gl. (38) ergibt

dF

dt= Ω(F ), (39)

d.h. die totale Änderungsrate der Dichtefunktion ist gleich der Kollisionsrate. IstF eine Funktion von ~x, ~e und t, dann gilt

dF =∂F

∂~xd~x+

∂F

∂~ed~e+

∂F

∂tdt (40)

Wird Gl. (40) durch dt dividiert, erhält man

dF

dt=∂F

∂~x

d~x

dt+∂F

∂~e

d~e

dt+∂F

∂t. (41)

Mit der Geschwindigkeit ~e = d~x/dt, der Beschleunigung ~a = d~e/dt, des zwei-ten Newton’schen Gesetzes ~a = f/m (Masse m) und Gl. (39) ergibt sich dieBoltzmann’sche Bewegungsgleichung (Mohamad (2007)).

∂F

∂t+∂F

∂~x~e+

f

m

∂F

∂~e= Ω (42)

4.2 Zeitrelaxation nach Bhatnagar, Gross und Krook

Die genaue Berechnung des Kollisionsterms Ω in Gl. (42) ist aufgrund seinerKomplexität sehr schwierig. Deshalb wird Ω durch einen einfacheren Operatorapproximiert, der aber keine signifikanten Fehler in die Lösung einbringt. Bhat-nagar, Gross und Krook (BGK) stellten 1954 erstmals ein vereinfachtes Modellfür den Kollisionsoperator vor (Mohamad (2007)). Dabei werden die lokale Aus-gleichsdichteverteilung (engl. equilibrium distribution function) F eq und ein Re-laxationsfaktor τ eingeführt.

Ω =1

τ(F eq − F ) (43)

Mit dieser Approximation (s. Gl.(38)) und Diskretisierung (Index i) erhält mandie linearisierte BGK-Relaxationsform der LB Gleichung (Cook und Noble (2004)).

Fi(~x+ ~eidt, t+ dt) = Fi(~x, t)︸ ︷︷ ︸Strömung

− dtτ

(Fi(~x, t)− F eqi (~x, t))︸ ︷︷ ︸

Kollision

(44)

Die Gleichung (44) besteht aus einen Strömungs- und einem Kollisionsteil. Anjedem Knotenpunkt gibt es acht Dichteverteilungen Fi und eine RestverteilungF0. Die Gleichgewichtsbedingungen sind, bezogen auf Sukop und Thorne (2006),durch

F eqi (~x) = aiρ(~x)

(1 + 3

~ei · ~vfc2

+9

2

(~ei · ~vf )2

c4− 3

2

~v2f

c2

)(45)

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gegeben. Die Wichtungen ai sind 4/9 für die Restpartikel mit i = 0, 1/9 für i ∈1,2,3,4 und 1/36 für i ∈ 5,6,7,8. c ist die Grundgeschwindigkeit auf dem Git-ter und die makroskopische Dichte ρ ist definiert als Summe über alle gerichtetenDichten (ρ =

∑i Fi). Die makroskopische Geschwindigkeit ~vf ist der Durchschnitt

der mikroskopischen Geschwindigkeiten ~ei, gewichtet mit den Dichten Fi.

~vf =1

ρ

8∑i=0

Fi~ei (46)

4.3 Beispiele

Die LBM-Anwendung von Schenkengel und Vrettos (2011) simuliert eine indu-zierte Bodenverflüssigung. Das 2D-Modell besteht aus 300 × 60 Gitterpunktenund stellt eine Böschung mit einem Böschungswinkel von 18 dar. Eine Explo-sion innerhalb der Böschung führt zum Böschungsversagen, wobei das Materialverflüssigt. Folgende Abbildung zeigt die Geschwindigkeiten im Material zu denZeitpunkten t = 0, 01s, t = 0, 29s und t = 1, 17s während der Verflüssigung.

Abbildung 15: 2D-LBM Modell einer Explosion innerhalb einer Böschung,Geschwindigkeiten im LBM-Gitter sowohl als Vektoren, als auch farblich dargestellt

(Quelle: Schenkengel und Vrettos (2011))

Mit dem Modell von Schenkengel und Vrettos (2011) wurde erstmalig der rheolo-gische Übergang von fest nach flüssig mit einem LBM-Ansatz gelöst und in einem

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Modell umgesetzt.

Ein weiteres Beispiel zeigt eine Phasenseparation zweier Fluide mit unterschied-licher Dichte.

Abbildung 16: Phasenseparation zweier Fluide (Quelle:http://www.bgce.de/curriculum/projects/patilgmeiner/)

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5 MolekulardynamikMit der Molekulardynamik (MD, auch Moleküldynamik genannt) können Wech-selwirkungen zwischen Teilchen im atomaren Bereich (Atome, Moleküle, Nano-partikel, etc.) simuliert werden. Die Gesetze der klassischen Mechanik finden hierkeine Gültigkeit mehr. Zur Beschreibung der Mechanik der Partikel müssen dieGesetze der Quantenmechanik herangezogen werden. Trotzdem sind sich DEMund MD sehr ähnlich.Die erste Anwendung der MD ist mit einem Artikel von Alder und Wainwrightauf das Jahr 1957 datiert. Somit ist die MD die älteste angewandte Partikelme-thode. Im Gegensatz zur DEM, wo die Newtonschen Gleichungen als Grundlageder Bewegungsbeschreibung der Partikel dient, basiert die MD auf der Schrö-dingergleichung. Diese ist sehr komplex und kann nur in den seltensten Fällenanalytisch gelöst werden. Selbst numerische Ansätze beschränken die Anwendungder Schrödingergleichung auf sehr einfache Systeme und wenige Partikel. Daherwerden Näherungsverfahren verwendet, um das Lösen der Gleichung zu vereinfa-chen (Griebel u. a. (2004)).

5.1 Schrödingergleichung

In quantenmechanischen Systemen lassen sich Aussagen über den Zustand desSystems aus der Zustandsfunktion Ψ (auch Wellenfunktion genannt) ableiten.Ein System aus N Kernen und K Elektronen mit den Variablen Ri bzw. ri istdurch seine Zustandsfunktion wie folgt charakterisiert (Griebel u. a. (2004)).

Ψ = Ψ(R1, ..., RN , r1, ..., rK , t) (47)

Die Variable t kennzeichnet die Zeitabhängigkeit der Zustandsfunktion. Ψ ergibtsich aus der Lösung der Schrödingergleichung (mit R = R1, ..., RN und r =r1, ..., rK).

i~∂Ψ(R, r, t)

∂t= HΨ(R, r, t) (48)

Dabei ist i die imaginäre Einheit, H der Hamiltonoperator und ~ = h/2π mit hdem Plank’schen Wirkungsquantum. Der Hamiltonoperator beschreibt die zeitli-che Entwicklung der möglichen Energiemesswerte im System basierend auf dessenPotentialen.

5.2 Potentiale

Wechselwirkungen zwischen zwei Partikeln, die nur vom Abstand der Partikelabhängen, werden durch Paar-Potentiale beschrieben. Solche Potentiale sind z.B.das Gravitationspotential, das Coulomb-Potential (elektrische Punktladung), dasvan-der-Waals-Potential (schwache Anziehung bei Edelgasen) und das Lennard-Jones-Potential (ungeladene, nicht gebundene Atome).Das Lennard-Jones-Potential

U(rij) = αε

[(σ

rij

)n−(σ

rij

)m],m < n (49)

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mit α = 1n−m( nn

mm )1

n−m wird durch σ und ε parametrisiert. ε definiert dabei dieStärke der Abstoßungs- bzw. Anziehungskräfte. Dadurch können Materialien ver-schiedener Festigkeit simuliert werden. σ gibt den Nulldurchgang des Potentialsan. Abb. 17 zeigt ein Lennard-Jones-Potential für n = 12 und m = 6.

rij

U(rij)

1 1.5 2 2.5 3

−1

−0.5

0

0.5

1

1.5

σ

ε

Abbildung 17: Lennard-Jones-Potential mit ε = 1 und σ = 1

Bewegt sich ein Partikel in einem Potential, so ergibt sich die zugehörige poten-tielle Energie wie folgt.

Epot(R) =N∑i=1

N∑j=1,j>i

Uij(rij) (50)

Dabei ist rij = ||Rj −Ri|| der Abstand beider Partikel. Als Potentialfunktion fürdas Lennard-Jones-Potential mit n = 12 und m = 6 erhält man dann

Epot(R) = 4 · εN∑i=1

N∑j=1,j>i

[(σ

rij

)12

−(σ

rij

)6]. (51)

Die zugehörige Kraft ~Fi, die auf das Partikel i wirkt, ergibt sich durch Gradien-tenbildung nach Ri.

~Fi = −∇RiEpot(R) (52)

Für das Lennard-Jones-Potential ist die Kraft also durch die Gleichung

~Fi = 24 · εN∑

j=1,j 6=i

1

r2ij

·(σ

rij

)6

·

(1− 2 ·

rij

)6)~rij (53)

gegeben, wobei ~rij der Richtungsvektor zwischen den Partikeln i und j ist (Griebelu. a. (2004)).

5.3 Physik MD-Partikel

Die Physik der MD-Partikel ist im Wesentlichen die Gleiche wie bei den DEM-Partikeln (s. 2.3). Über das zweite Newtonsche Gesetz lassen sich Beschleuni-gungen, Geschwindigkeiten und Verschiebungen (nach Zeitintegration) ermitteln.

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Damit erhält man die neuen Positionen der Partikel. Im Gegensatz zur DEM ha-ben MD-Partikel einen Abschneideradius, der aus der Reichweite des Potentialsresultiert. Als Vereinfachung wirken keine Kräfte auf das Partikel, wenn sich keineweiteren Partikel im Einflußbereich liegen.

5.4 Beispiele

In Abb. 18 ist eine Kollision zweier Körper dargestellt. Die Partikelgeschwindig-keiten sind farbcodiert (rot - hohe Geschwindigkeit, blau - niedrige Geschwindig-keit).

Abbildung 18: Kollision zweier Körper, zeitliche Entwicklung der Partikelverteilung(Quelle: http://wissrech.ins.uni-bonn.de)

Lipidmoleküle im Wasser bilden typischerweise Doppelschichtmembranen, da einEnde hydrophil und das andere hydrophob ist (Bsp. Ölteppich). Diese Mem-branen bilden spontan Blasen oder Vesikel aus. Folgende Abbildung zeigt dieSimulation einer Fusion eines solchen Vesikels mit einer Lipidmembran.

Abbildung 19: Fusion eines Vesikels mit einer Membran aus 2018Diblock-Copolymeren, Vesikeldurchmesser 40 nm (Quelle: http://www.mpg.de)

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