Top Banner
Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen Script zur WDR-Sendereihe Quarks&Co Weitere Scripte finden Sie unter www.quarks.de
14

Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage....

Feb 06, 2018

Download

Documents

hatruc
Welcome message from author
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
Page 1: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen

Script zur WDR-Sendereihe Quarks&CoWeitere Scripte finden Sie unter www.quarks.de

Page 2: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

5

Weitergehende Informationen zu diesem Thema,sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unsererHomepage unter:

www.quarks.de

4

Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen

Inhalt

S. 4 Die DIN-MacherS. 8 Die optimale KücheS. 12 Der Kampf um die KleidergrößenS. 15 Wussten Sie schon, dass...S. 16 Wenn Knochen erzählen S. 19 Andere Länder – andere GrößenS. 20 Kinder heute – immer größer? Immer dicker? S. 23 Verbrecherjagd mit Körpermaßen: Alphonse Bertillon S. 26 Jeder ist anders

Impressum

Text: Johanna Bayer, Jakob Kneser, Marion Kerstholt,Jan-Henner Reitze, Silke Uebelstädt

Redaktion und

Koordination: Claudia HeissCopyright: WDR, Februar 2006

Gestaltung: Designbureau Kremer & Mahler, Köln

Der Einleitungstext und „Wussten Sie schon, dass...“ entstand in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Wissen-schaftsjournalismus Dortmund.

Bildnachweisealle Abbildungen WDR außer:

S. 22 KIGGS-Logo; Rechte – Robert-Koch-InstitutS. 23 Alphonse Bertillon; Rechte – UllsteinS. 24 Vincente Perrugia; Rechte – Ullstein

Beim Hosenkauf fängt das Problem schon an: Man wählt die vermeintlichpassende Größe, doch die gewünschte Hose will einfach nicht sitzen. Sie istgleichzeitig zu groß und zu klein, am Bund zu locker, während die Hosenbeinezu kurz ausfallen. Und schnell kommt in der Umkleidekabine Verzweiflung auf:Liegt es an der Hose oder ist man womöglich selbst falsch gebaut?

Quarks & Co kann hier trösten: Offenbar entspricht der eigene Körper in vie-len Fällen einfach nicht dem Standard-Maß der Bekleidungsindustrie. Wie sol-che Standards ermittelt werden und wo die Grenzen der „Maße aus demDurchschnitt der Massen“ liegen, beschreiben wir in diesem Skript. Denn inanderen Industriezweigen ist die Frage nach dem richtigen Maß von enormerBedeutung: Ohne Normen könnten weder Klodeckel, noch Autositze oderBabyschnuller passend produziert werden.

Der Mensch hat mittlerweile sich und seine Umwelt auf alle nur erdenklichenArten ausgemessen und viele Dinge des Alltags standardisiert. Und doch gibtes die kleinen Unterschiede: Spezialisten können selbst eineiige Zwillinge anäußeren Merkmalen unterscheiden und die Polizei macht mithilfe von Finger-abdrücken und anderen biometrischen Daten Jagd auf Verbrecher.

Nach der Lektüre können Sie jedenfalls sicher sein: Auch Sie sind einzigartig– und das nicht nur beim Hosenkauf! Viel Spaß wünscht Ihr Quarks-Team!

Page 3: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

DIN wie DIN A4

Den meisten Menschen bekannt ist das Wort DINdurch die Normung der Papiermaße. Das Format DINA4 gibt es seit 1922. Damals wurde die Norm 476 überPapierformate veröffentlicht. Darin steckt viel Mathe-matik. Das Ausgangsmaß A0 hat eine Fläche voneinem Quadratmeter. Und das Verhältnis der Seiten-längen jedes Blattes im DIN-Format beträgt ca. 1 divi-diert durch 1,4142, oder mathematisch ausgedrückt:Eins zur Quadratwurzel 2. Der praktische Nutzen diesesSeitenverhältnisses ist, dass beim Halbieren eines sol-chen Blattes zwei Blätter im gleichen Seitenverhältnisentstehen. Auf diese Weise geht jedes kleinere Formatdurch einmaliges Falten aus dem jeweils größerenFormat hervor. Heute gibt es das Papierformat DIN A4in der ganzen Welt, nur in Nordamerika und Chinaexistieren daneben noch weitere Papierformate.

Normen regeln, standardisieren und helfen, etwas zuvereinfachen. Allerdings sind Normen keine Gesetze.Jedes Unternehmen kann frei entscheiden, ob es eineNorm umsetzt oder nicht. So gibt es bereits seit 1975eine Schuhgrößen-Norm, die auch die Fußbreite be-rücksichtigt – das so genannte Mondopoint-System.Doch kaum ein Schuhhersteller setzt die Norm um. DieFolge: Jeder Schuh fällt anders aus, man muss immerwieder neu probieren.

Auch wenn man im Ausland ist, kennt man dieseProbleme: Das mit dem Stecker und der Steckdosegeht dann nicht mehr so einfach. Denn es ist nichtgelungen, eine international gültige Steckernorm abzu-schließen. Es wäre nämlich zu teuer gewesen, alleeuropäischen Stecker und Steckdosen umzurüsten.Deshalb braucht man in Ländern wie Großbritannien,Australien oder in den USA dafür einen Adapter.

7

Warum passt der Stecker in die Steckdose?

Über manche Dinge macht man sich im normalenLeben einfach keine Gedanken: Warum passt derStecker in die Steckdose? Dass das reibungslos klappt,ob zuhause, im Hotelzimmer oder im Büro, liegt anDIN-Normen – es gibt eine für den Stecker und eine fürdie Steckdose. Die Normen sind untereinander abge-stimmt und dann passt es. Die Abkürzung DIN stehtdabei für „Deutsches Institut für Normung“ in Berlin –die Institution, die dafür sorgt, dass Normen festge-legt und veröffentlicht werden.

Total normal, oder ganz einfach 08/15

Die DIN-Normen gibt es seit 1918. Damals erschien dieNorm Nummer 1 über Kegelstifte, das sind kleine Me-tallstifte, die Maschinenteile zusammenhalten.

Als Mutter aller Normen gilt allerdings das Maschi-nengewehr 08/15 aus dem ersten Weltkrieg. Das deut-sche Militär benötigte damals massenhaft Gewehre.Viele Fabriken wurden zur Waffenproduktion umgerüs-tet, sie sollten Einzelteile für das leichte Maschinen-gewehr 08/15 liefern. Doch es gab keine Richtlinien,die eine einheitliche Herstellung regelten, so dass dieTeile auch zusammen passten. Daraufhin wurde ineiner Turnhalle in Berlin-Spandau das königliche Fabri-kationsbüro gegründet. Es entwickelte Pläne für dieMassenfertigung von Waffen, indem die einzelnenKomponenten standardisiert wurden.

Nach dem Krieg übernahm der Normenausschuss derdeutschen Industrie das Prinzip und übertrug es aufden außermilitärischen Bereich. 1976 wurde schließlichdas Deutsche Institut für Normung gegründet, als eineingetragener Verein.

6

Die DIN-Macher

Dahinter steckt die

DIN-Norm 49441

Die Papierformatnorm gibt es

bereits seit 1922

Page 4: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

Zehn Prozent der Deutschen sind sehr groß oder sehr klein

Die Körpermaße von Menschen wurden seit 1986 alsGrundlage für Normen systematisch erfasst. DieDaten stammten jedoch noch aus der Zeit um 1970.Seitdem sind die Deutschen größer geworden, dahermussten die Maße angepasst werden. Auch die ande-ren Normen werden regelmäßig überprüft, und zwaralle fünf Jahre. Sind sie nicht mehr aktuell, werdensie angepasst.

Bei der letzten Überprüfung der Körpermaßnormwurde festgestellt, dass die Bevölkerung so starkgewachsen ist, dass die Norm komplett überarbeitetwerden muss. Außerdem waren in der alten Normkeine Zuwanderer erfasst, die zum Teil etwas ab-weichende Körpermaße haben. Das wurde nun geän-dert. Die Menschen wurden neu vermessen, in einergroßen Stichprobe von 6000 speziell ausgewähltenPersonen. Im Dezember 2005 ist nun die neueKörpermaß-Norm erschienen. Danach sind 90 Prozentder deutschen Frauen zwischen 1,53 und 1,72 groß,90 Prozent der deutschen Männer zwischen 1,65 und1,85 groß.

Für die überwiegende Mehrheit der Deutschen funk-tionieren also die genormten Dinge des Alltags –Türhöhen, Schreibtische oder Fahrradhelme – gut.Wer zu den 10 Prozent der Deutschen gehört, dieunter oder über diesen Maßen liegen, hat es nichtmehr ganz so einfach. Aber dafür ist man dann auchnicht wie alle anderen.

9

Vermessene Körper

Bis heute hat das Deutsche Institut für Normung fast30.000 Normen herausgebracht. Darunter ist auch dieNorm über die Körpermaße des Menschen mit derNummer 33402-2. Darin sind 56 Körpermaße, von derDaumenbreite über den Halsumfang bis hin zurAugenhöhe im Sitzen erfasst. Für jedes Maß stehtdarin ein Spektrum, in dem die Körpermaße in derBevölkerung variieren. 90 Prozent der Deutschenmüssen in diesen Normbereich fallen. Nur die ganzGroßen und die ganz Kleinen fehlen, also 10 % derBevölkerung werden hier vernachlässigt.

Das Spektrum der Körpermaße wird in so genanntenPerzentilen ausgedrückt. Die Perzentile geben an, wieviel Prozent der Bevölkerung kleiner oder größer sindals der jeweilige Wert. Bei der Körpergröße vonFrauen zum Beispiel liegt das 95. Perzentil bei 1,72Meter. Das heißt – 95 Prozent der deutschen Frauensind kleiner als dieser Wert. Viele Normen für Pro-dukte sind an diese Körpermaßnorm angelehnt. Sosind zum Beispiel Fußball-Schienbeinschoner, Kon-dome oder Baby-Schnuller auf Körpermaße genormt.

Wenn es allerdings um die Sicherheit geht, müssendie Normen für mehr Menschen gelten: BeiSicherheitsnormen, die für Unternehmen Pflicht sind,werden nicht nur 90 Prozent der Bevölkerung berück-sichtigt, sondern 99 Prozent aller Menschen – d.h.vom 1. bis 99. Perzentil. Damit im Notfall möglichstviele Menschen einen Not-Schalter erreichen können.

8

6.000 Menschen wurden

neu vermessen

Auch Kondome sind in einer DIN-

Norm beschrieben

Page 5: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

11

Allerlei Empfehlungen für den Hausgebrauch

Jedes Haus und jede Wohnung steckt voll vonNormen: von der Breite der Türen bis zur Spülung imKlo. Baunormen, Normen, die sich an Körpermaßenund Gewicht der Bewohner orientieren, und allerleiVorschriften, die die ganze Bandbreite menschlichenVerhaltens berücksichtigen, sind darunter. Nicht alleEmpfehlungen sind dabei vom DIN-Institut als Normverfasst, aber nützlich ist es doch, wenn bestimmteMaße aufeinander abgestimmt sind: Wenn zumBeispiel die Spülmaschine beim Umzug nicht durch dieKüchentür passt, weil die Tür keine Normbreite von 86Zentimetern hat, kann das für die Bewohner rechtunangenehm sein. Oder wenn sich der Hausherr maleben auf die Toilette stellt, um eine neue Glühbirne indie Deckenlampe einzuschrauben, und die Toiletten-schüssel dann herunter bricht, weil sie nicht, wie vor-geschrieben, eine Belastung von 400 Kilo aushält. Dieentsteht nämlich, wenn ein Mensch mit Schwung aufsKlo steigt. Andere Empfehlungen berücksichtigen eherdie Gesundheit oder sinnvolle Arbeitsabläufe. So istdie Höhe von Arbeitstheken in der Küche zum Beispieldaran angepasst, welche Körperhaltung die geringsteBelastung für die Wirbelsäule ergibt.

Die Werkstatt der Hausfrau

Die Küche ist der Bereich in der Wohnung, in derMaße, Höhen und Empfehlungen meist die größte Rollespielen. Denn eigentlich ist die Küche nach wie vornichts weniger als ein Arbeitsplatz, an dem vor allemFrauen im Durchschnitt mindestens zwei Stunden täg-lich beschäftigt sind. Doch selten ist dieser Arbeits-platz so geplant, dass alles sinnvoll organisiert ist undauf die wirklichen Abläufe abgestimmt ist. Mit der rich-tigen Planung kann man dagegen nicht nur Rücken undGelenke schonen, sondern auch Zeit und Platz sparen.Das Zauberwort heißt hier Ergonomie – die sinnvolleund die Gesundheit schonende Gestaltung des Ar-beitsplatzes Küche.

Küchenforschung schon im 19. Jahrhundert

In der Frühzeit der Haushaltsforschung haben sich naturgemäß vor allemFrauen selbst um die Ergonomie in der Küche gekümmert – Pionierinnen derHauswirtschaftsforschung. Ihre Ideen waren inspiriert vom Boom derIndustrialisierung und der Idee, dass Bewegungsabläufe rationalisiert werdenkönnen. Catherine Beecher, Schwester der Schriftstellerin Harriet Beecher-Stowe, nahm 1869 die durchgeplanten Küchen auf Schiffen als Vorbild für einesinnvolle Anordnung in der Haushaltsküche. Sie ordnete die Küchenbereichebestimmten Arbeitsschritten zu und forderte als erste, die Küche ergono-misch durchzuorganisieren. Eine weitere Vorreiterin der Haushaltsergonomiewar Christine Frederick, sie erstellt zwischen 1915 und 1922 eine genaueAnalyse der Arbeitsschritte in der Küche. Auch sie orientierte sich an denProfi-Küchen in den Speisewagen der Eisenbahn: Die logistischeHerausforderung, 100 Essen am Tag in einer Küchenkoje von wenigenQuadratmetern zuzubereiten, faszinierte sie. Dazu wandte sie betriebswirt-schaftliche Kriterien auf die Küchenarbeit an.

Mit dem Faden am Fuß

Legendär ist Fredericks Fadenstudie, mit der sie maß,wie viele Meter eine Hausfrau pro Tag zurücklegenmuss. Sie band dazu einer Probandin einen Faden anden Fuß, der sich nach und nach abrollte und an demsie ablesen konnte, welche Distanz die Frau am Tagzurücklegte. Es ergab sich ein Gitternetz, das kreuz undquer durch den Raum führte. Nachdem Frederick dieMöbel nach Arbeitseinheiten umgestellt hatte, war dasMuster viel einfacher. Frederick stellte dafür eineAnordnung nach Arbeitszonen her, so gruppierte sieGeschirrschränke zur Spüle und die Vorräte zum Herd.

Die Mutter der modernen Einbauküche

Fredericks Prinzipien der modernen Haushaltsführung,1922 ins Deutsche übersetzt, wurden zu einem Stan-dardwerk für Architekten – auch für eine junge Wienerin,die in den 20er Jahren einen Großauftrag für Arbeiter-siedlungen bekommen hatte und auf engem RaumKüchen planen musste. Margarete Schütte-Lihotzky entwarf

10

Jeden Tag laufen für mehrere

Mahlzeiten – in 20 Jahren, das ist

die Lebensdauer einer normalen

Küche, läuft eine Hausfrau viermal

um den Bodensee

In jedem Haus stecken viele

Normen – vom Schallschutz über

die Entwässerung und die Höhe

der Fensterbretter bis zum Klo

Die optimale Küche – auch aufErgonomie kommt es an

Nach der Umstellung ist zu erken-

nen, dass sich die Wege deutlich

vereinfacht haben

Die legendäre Fadenstudie: das

Ergebnis vor der neuen Möbelan-

ordnung, ein wirres Kreuz und Quer

Page 6: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

13

die berühmte Frankfurter Küche für den sozialen Wohnungsbau der Zeit. In die-sen kleinen, funktionalen Werkstatt-Küchen war alles auf engstem Raum sinnvollangeordnet. Sie wurden zum Vorbild der modernen Einbauküche.

Altes Wissen neu entdeckt

Doch auch heute noch scheinen viele Küchen falschgeplant zu sein. So klagt zum Beispiel der Fachverband„Arbeitsgemeinschaft moderne Küche“ sind Küchenentweder Prestige-Projekt, durchgestylt und hochge-rüstet mit Elektronik, oder es muss gespart werdenund eine Standard-Lösung wird angeschafft – in beidenFällen kommt es aber auf die Details an, und die sindnicht immer gut geplant. Andreas Fink vom Arbeits-kreis moderne Küche dazu: „Meistens geht es bei denKunden nach Tradition oder Geldbeutel. Da wollen dieLeute unbedingt Schränke vom Boden bis zur Decke,um Platz auszunutzen. Aber sie denken nicht daran,

dass sie an die Sachen ja auch ranmüssen – und dann auf den Stuhl steigenoder unten in einen Schrank kriechen müssen.“ Dabei ist das alte Wissen derKüchenpionierinnen ja vorhanden – es müsste nur konsequent angewendetwerden. Stattdessen sind viele Küchen heute schlecht geplant oder nichtergonomisch, weil weder nach den Bedürfnissen der jeweiligen Benutzergefragt wurde noch die einfachsten Prinzipien beachtet wurden.

Wichtige Fragen werden bei der Küche oft vergessen

Gerade in kleinen Küchen ist die Frage, was wo gearbeitet und verstaut wird, kei-neswegs egal. Eine falsche Aufteilung kann Zeit kosten, finden die Küchenforscherder Julius Blum AG. Sie beobachten ständig rund 100 private Küchen, und er-fassen zum Beispiel mit Zählgeräten, wie oft darin die Schränke und Türen geöff-net werden. Per Video wird dokumentiert, wie die Hausfrauen sich in der Küchebewegen, Befragungen zeigen, welche Bedürfnisse und Fragen sie haben. Pla-nungsfehler wirken sich auf die Zeit und sogar die Gesundheit aus – Türen gehenzur falschen Seite auf, wegen täglich benötigter Zutaten muss die Hausfrau querdurch den Raum laufen, oder schwere Töpfe sind in Unterschränken schwer zuerreichen.

12

Die so genannte Frankfurter

Küche von 1926 ist die Mutter

der modernen Einbauküche

Was wo steht, ist nicht egal

Die Küchenplaner der Firma Blum haben sich am Wissen der frühenKüchenforscherinnen orientiert und fünf Arbeitszonen in der Küche definiert:

Diese fünf Zonen sollten so angeordnet werden, dasssie der Reihenfolge der Arbeitsschritte entsprechen.Das variiert natürlich je nach Grundriss des Raums,doch einige Grundregeln lassen sich definieren:• Dinge dort aufbewahren, wo man sie braucht• Die Zonen nicht mischen – Vorräte bei Vorräten

lassen, also den Vorratsschrank beim Kühlschrank• Beim Herd auch den Platz für Gewürze, Öl,

Backzutaten und Arbeitsgeräte einplanen. Auch Töpfe und Backformen gehören in die Nähe des Herdes

• Ess-Besteck und Geschirr nicht mitArbeitsbesteck mischen

Teure Geräte sind nicht nötig – die gute Planung zählt

Zahlreiche andere Ratschläge gehören dazu: So sollteman die Einteilung von Schubladen und Schränkengenau überlegen, und den Platzbedarf berechnen: Beieinem Mehrpersonen-Haushalt, eventuell noch mitKleinkindern und Tieren, muss ausreichend Stauraumfür Vorräte, Tiernahrung und Krimskrams wie Müll-beutel, Spülmittel, Ersatzschwämme und Streichhölzereinplant werden. Die Person, die die Küche hauptsächlichbenutzt, sollte gefragt werden, ob sie Linkshänderin oderRechtshänderin ist. Denn entsprechend sollten dieSchränke angeordnet sein. Unterschränke mit Türen, indie man buchstäblich reinkriechen muss, um Töpfe oderVorräte zu suchen, belasten den Rücken. Besser sind sogenannte Auszüge – große Schubladen, die man nach vorne aufzieht und die aufeinen Blick alles sichtbar machen. Eine wirklich gute Küchenorganisation hängtnicht von teuren Luxusgeräten ab, aber spart bis zu 25 Prozent Arbeitszeit amTag. Ein Trost für all die, die sich keine edle Designer-Küche leisten können:Wenn die Küche gut geplant ist, kann das Kochen leichter von der Hand gehenals in einer falsch geplanten Luxus-Küche. Vor allem Frauen mit derDoppelbelastung von Beruf und Haushalt sollten das zu schätzen wissen.

Auszüge sind günstiger als Unter-

schränke – sie schonen den Rücken,

und helfen sich darin schnell zu

orientieren

Die 5 Arbeitszonen in der Küche

Spülen

Spülbecken, Spülmaschine

Kochen

Herd, Backofen, Mikrowelle

Vorbereiten

Arbeitsflächen

Vorräte halten

Schränke und Stauraum

Aufbewahren

Geschirr und Arbeitsgeräte

Page 7: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

Maßnehmen früher und heute

Ein neues Kleid – früher musste dafür ein SchneiderMaß nehmen und es dann mühsam von Hand zusam-mennähen. Doch das änderte sich gegen Ende des18. Jahrhunderts. Die Kleiderordnungen und Zunft-gesetze wurden abgeschafft, erste Manufakturen ent-standen, die Kleider und Wäsche auf Vorrat herstell-ten. 1824 gründete Pierre Parissot das erste großeKonfektionsgeschäft, „La Belle Jardinière“ in Paris.Der Amerikaner Ebenezer Butterick erfand 1863 Papier-schnitte, die sich für jede Größe einrichten ließen.Sie lagen bald Modejournalen bei, so dass die Frauenselbst nach neuesten Entwürfen schneidern konnten.Ab 1900 wurden die Kleidergrößen schließlich ver-einheitlicht – das sollte der Textilindustrie die Arbeiterleichtern. Für die Ladenbesitzer war es dabei selbst-verständlich, beim Verkauf von Konfektionswareimmer ein wenig nachzuarbeiten. Dass ein Stück vonder Stange auf Anhieb passt, setzte niemand einfachvoraus.

Die Körperproportionen ändern sich

Seit 1957 ist in Deutschland sogar ein eigenes Textil-forschungsinstitut damit beschäftigt, Körpermaße fürKleidergrößen zu erfassen: die Hohensteiner Institutein Bönningheim erstellen Körpermaßtabellen für dendeutschen Verband der Damenoberbekleidung (heute:„German Fashion“). Sie sind die Grundlage für dieheute in Deutschland verwendeten Kleidergrößen. InReihenmessungen wurden über Jahrzehnte die Datenvon Zehntausenden Männern und Frauen ermittelt.Der Trend geht dabei zu ausladenderen Körperpro-portionen – die deutschen Frauen sind seit den1950er Jahren größer und vor allem schwerer gewor-den. Im Durchschnitt lag der 1994 von den Hohen-steiner Textilforschern ermittelte Brustumfang um 1,7cm über dem von 1981. Der Taillen- und Hüftumfangnahm im gleichen Zeitraum um 2,2 cm zu, währenddie durchschnittliche Körpergröße nur 0,5 cm zuleg-te. Nach 1994 wurde deshalb für die Kleidergröße 40

1514

Der Kampf mit denKleidergrößen

Traumkleider ...

nur passen müssen sie!

Kleidergrößen sind

nur Richtwerte

der Taillen- und Hüftumfang um jeweils 2 Zentimetervergrößert. Messungen von 1999 belegen, dass diedurchschnittliche deutsche Frau einen Brustumfang von99,7 cm, einen Taillenumfang von 83,7 cm und einenHüftumfang von 104,1 cm hat. Dabei werden die weib-lichen Taillen immer gerader, die Frauenkörper nehmensportlichere Formen an.

Auch der deutsche Mann hat sich verändert. Doch seit1978 hat die Textilindustrie keine Reihenmessung fürMänner mehr in Auftrag gegeben. Der Grund: Mankonnte sich nicht auf ein einheitliches Größensystemfür Herrenkollektionen einigen. Deshalb gelten auchheute noch für IHN die alten Messergebnisse.

Größe 38 ist nicht gleich Größe 38

Doch warum passt eine Frau nicht problemlos in jedesKleid der Größe 38, wenn sie doch diese Größe nor-malerweise trägt? Die Reihenmessung von 1994 hatVerblüffendes zutage gefördert. In die üblichen Stan-dard-Bekleidungsgrößen 36, 38, 40 oder 42 passennur noch 21 Prozent der deutschen Frauen, zehn Jahrezuvor waren es noch 23 Prozent. Das liegt daran, dassdie Schnittkonstruktionen auf einer Körpergröße von168 Zentimetern und einer Figur mit Normalmaßenberuhen – zum Beispiel mit einem Hüftumfang vonetwa 97 cm für Größe 38. Doch die Mehrheit der deut-schen Frauen, nämlich etwa 60 Prozent, hat schmale-re oder stärkere Hüften! Hinzu kommt, dass sich dieGrößen von Hersteller zu Hersteller unterscheiden.Denn: Die Konfektionsgrößen sind keineswegs festvorgeschrieben, sondern nur ein Richtwert. JedemHersteller steht es frei, sich auf einen bestimmtenFrauentyp zu konzentrieren und seine Passformen aufsie auszurichten. Wenn die Zielgruppe einer Modefirmaeher schlanke Frauen sind, dann passt die Größe 38einer etwas kräftigeren Frau eben nicht – sie mussdann schon in Größe 40 schlüpfen. Besonders deutlich

Kleidergrößen variieren oft deutlich

Frauen sind größer und breiter

geworden

97,9 cm

101,7 cm

78,9 cm

99,7 cm

104,1 cm

1972 1999

83,7 cm

Page 8: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

1716

wird das Größenwirrwarr bei besonders körpernaherKleidung. Dabei muss alles genau sitzen, und jederMakel fällt auf. Bei weiten Schnitten haben Fraueninnerhalb ihrer Konfektionsgröße mehr Spielraum.

Streit um Eurogrößen

Noch verwirrender ist es, wenn Modemarken ausdem Ausland kommen und sich auf dortige Größen-tabellen beziehen. Eine französische 38 entsprichtzum Beispiel in Deutschland der Größe 36. SeitJahren versucht deshalb das Europäische Komitee fürNormung, Kleider europaweit einheitlich zu kenn-zeichnen – ein Vorhaben, das bisher gescheitert ist.Derzeit ist ein vierstelliger Code im Gespräch, der dieKörperproportionen besonders genau beschreibt. DerHandel möchte jedoch aus finanziellen Gründen nichtnoch mehr unterschiedliche Konfektionsgrößen vorrä-tig halten. Der Vorschlag stößt bei der deutschenTextilindustrie daher auf wenig Gegenliebe.

Einkaufen in Zukunft

In Zukunft könnte aber die Maßkonfektion wieder auf-leben, vermittelt durch ein besonderes High-Tech-Erlebnis: In einigen deutschen Kaufhäusern gibt esbereits jetzt sogenannte 3D-Bodyscanner, die denKunden berührungslos vermessen. Am Monitor zeigtsich der Körper des Kunden als 3D-Darstellung, dessenDaten auf eine Chipkarte gespeichert werden. Damitkann ein Bekleidungshersteller ein individuelles Klei-dungsstück problemlos industriell herstellen. Für denKunden entfällt das lästige Anprobieren – und das neuerworbene Lieblingsstück passt garantiert.

Ranga Yogeshwar

wird gescannt

... in der ersten Klasse im ICE 1 die Beine neun Zentimeter weiter ausge-streckt werden können als in der zweiten Klasse? Während in der zweitenKlasse zwischen den Sitzen – von Rükenlehne zu Rückenlehne gemessen –92 Zentimeter Platz bleibt, sind es in der ersten Klasse 101 Zentimeter.

... Polizistinnen und Polizisten in Hessen mindestens 1,60 Meter groß seinmüssen? In Brandenburg sind die Einstellungsvorrausetzungen sogar noch„höher“: Frauen müssen mindestens 1,65 Meter, Männer 1,70 Meter großsein. In Nordrhein-Westfalen existiert eine solche Beschränkung nicht. Auchfür Flugbegleiter wird jedoch oft eine Mindestgröße gefordert: Wer bei derLufthansa anheuern möchte, sollte mindestens 1,60 Meter groß sein.

... der längste der Medizin bekannte Mann 2,72 Meter groß war? Er hießRobert Pershing Wadlow, stammte aus den USA und starb 1940 im Alter vonnur 22 Jahren.

... nach Angaben des Deutschen Instituts für Normung (DIN) allein inDeutschland rund 26.000 Menschen beruflich damit beschäftigt sind, Dingezu normen?

... der Oberschenkelknochen mit durchschnittlich 46 Zentimetern Länge dergrößte und stärkste Knochen des Menschen ist? Der größte Oberschen-kelknochen, der je gemessen wurde, war 76 cm lang. Er gehörte einem 2,40Meter großen Mann.

... im Jahr 2004 eine unverheiratete deutsche Frau bei der Geburt ihres erstenKindes durchschnittlich 27,9 Jahre alt war? Verheiratete Frauen bekamen ihrerstes Kind sogar noch später: Sie waren im Schnitt 29,6 Jahre alt.

... einige Maßtabellen für Herrenbekleidung auf Messungen aus den 60erJahren basieren? Um neue Daten zu erheben, werden Männer und Frauenheute im Auftrag der Bekleidungsindustrie mit 3D-Scannern vermessen –nach Angaben entsprechender Institute sind für Herrengrößen beispiels-weise rund 10.000 Männer nötig, um zuverlässige Daten zu erhalten.

Wussten Sie schon, dass...

WUSSTEN

SIE

SCHO

N, DASS…

Page 9: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

1918

Von der Jungsteinzeit bis zur Zeitenwende: Wachstum

Aus der frühen Jungsteinzeit, ca. 5000 v. Chr., stam-men die ältesten Knochen, die Finke und sein Teamvermessen haben. Der durchschnittliche Mann dieserZeit kommt nach den Berechnungen der Anthropologenauf eine Körpergröße von 165,8 cm, die durchschnittli-che Frau auf 156,6 cm – knapp 15 cm unter der Durch-schnittsgröße von heute. In den folgenden Jahrtausen-den wachsen die Menschen: 3000 Jahre später, in derBronzezeit, hat die mittlere Körpergröße schon umfast 5 Zentimeter zugenommen: Männer sind jetzt rund170 cm groß, Frauen etwa 160 cm.

Bis zur Neuzeit geht es wieder bergab

Der Trend hält sich bis in die ersten Jahrhunderte nachder Zeitenwende: zur Zeit der Völkerwanderung im 5. bis6. Jahrhundert n. Chr. kommen die Männer im Mittel-elbe-Saale-Gebiet sogar auf eine Größe von 172,3 Zenti-meter. Doch dann machen die Forscher eine erstaunli-che Entdeckung: im Hochmittelalter, der Zeit zwischendem 11. und 12. Jahrhundert n. Chr., stagniert dasWachstum bei ca. 170 Zentimetern, auch wenn esregionale Schwankungen nach unten oder oben gibt.Die Tendenz wird immer eindeutiger: im späten Mittel-alter und der frühen Neuzeit nimmt die Durchschnitts-größe der Menschen sogar ab. Zwischen dem 16. unddem 18. Jahrhundert sind die Männer durchschnittlichnur noch etwa 169 Zentimeter groß. Und der Trend setztsich fort: die thüringischen Rekruten um 1890 bringen esnur auf eine durchschnittliche Körpergröße zwischen165,9 und 167,1 cm – damit sind sie in etwa so groß wieihre Vorfahren knapp 7000 Jahre zuvor! Erst seit demspäten 19. Jh. kehrt sich der Trend wieder um und dieMenschen werden im Mittel größer. Seitdem kommen inDeutschland, aber auch in anderen westlichen Ländern,Neugeborene mit einer immer höheren Geburtslänge(und mit mehr Geburtsgewicht) zur Welt. Man kann alsosagen: wirklich größer werden wir erst seit guten 100Jahren!

2000 v. Chr.

Körpergröße: ca. 170,3 cm

5000 v. Chr.

Körpergröße: ca. 165,8 cm

1200 n. Chr.

Körpergröße: 170 cm

1600 n. Chr.

Körpergröße: 169 cm

1900 n. Chr.

Körpergröße: 166,5 cm

Lückenloses Knochenarchiv in Jena

Dass die Menschen der Vergangenheit ein Volk vonZwergen gewesen sein müssen – dieser Gedanke hatwohl schon jeden beschlichen, der schon mal zuBesuch in einer mittelalterlichen Burg war und sichüber die niedrigen Türen, winzigen Betten oder klei-nen Rüstungen gewundert hat. Und deshalb ist esgängige Meinung, dass die Menschen im Lauf derGeschichte konstant größer geworden sind. Ob daswirklich stimmt, ist aber fraglich, und entsprechendeUntersuchungen schwierig. Denn es gibt große Unter-schiede zwischen einzelnen Regionen und Bevölke-rungsgruppen. Um die Entwicklung des Größenwachs-tums wirklich beurteilen zu können, braucht manalso eine Reihe von Knochenfunden aus derselbenGegend, und zwar über eine lange Zeit. Das gibt esnur ganz selten – doch zu den Glücklichen, die einelückenlose Dokumentation von Knochenfunden inihrer Gegend aufweisen können, gehören die Paläo-anthropologen der Universität Jena.

Daten aus über 7000 Jahren

An lebenden Menschen gewonnene Messdaten gibt eserst seit dem späten 19. Jahrhundert. Um die Größevergangener Generationen zu bestimmen, müssendaher Knochen herhalten, die aus Ausgrabungen desThüringischen Landesamts für archäologische Boden-denkmalpflege in Weimar stammen. Eine detektivischePuzzlearbeit, denn selten sind die Skelette vollständigerhalten. Deshalb muss die Körpergröße, anders als beilebenden Menschen, anhand von langen Knochen wiedem Oberschenkelknochen mühsam rekonstruiert wer-den. Mehr als zweitausend Skelette von Männern,Frauen und Kindern hat das Jenaer Anthropologen-Team um Dr. Lutz Finke bislang vermessen. Sie allestammen aus dem Mittelelbe-Saale-Gebiet, einem rela-tiv geschlossenen Siedlungsraum zwischen Elbe, Saaleund Unstrut und dem Thüringer Wald. Seit über 7000Jahren haben Menschen diese Gegend durchgängigbewohnt.

Wenn Knochen erzählen

Knochen als Zeugen der Vergan-

genheit: Seit einem halben Jahr-

hundert sind die Paläoanthro-

pologen der Universität Jena dem

Größenwachstum unserer

Vorfahren auf der Spur

Langwierige Knochenarbeit: mit

Mess-Schienen werden Lang-

knochen vermessen – von ihnen

können die Wissenschaftler dann

auf die Gesamtgröße der Menschen

schließen

Page 10: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

2120

Wohlstandsbarometer Körpergröße

Nach Ansicht der meisten Anthropologen sind Umwelt-veränderungen der Grund für das neue Wachstum: ge-sündere Ernährung, verbesserte hygienische Verhält-nisse oder medizinische Versorgung. Entscheidendverändert haben sich diese Bedingungen erst innerhalbder letzten gut hundert Jahre, aber auch die vergleichs-weise geringen Schwankungen der Körpergröße in denvergangen Jahrtausenden können auf die Veränderungder Lebensumstände zurückgeführt werden.

So hat sich die Ernährungslage mit der Sesshaftigkeitder Menschen in der Jungsteinzeit konstant gebessert.Umgekehrt sind schlechtere Lebensbedingungen wahr-scheinlich der Grund dafür, dass die Körpergröße ab derZeitenwende stagnierte und im Mittelalter sogarzurückging. Das galt vor allem für die sich entwickeln-den Städte: Hygiene, Ernährung, Luft und Klima warendort recht ungesund für die Bewohner.

Wir werden nicht immer größer

Die Größen-Entwicklung der Menschen ist also keinekontinuierliche Entwicklung, sondern eher eine Wellen-bewegung durch die Zeit. Ob die Menschen kleineroder größer werden, ist von der Lebensform abhängig.Doch ins Unendliche werden wir auch bei immer bes-seren Lebensbedingungen nicht wachsen: Es gibt einengenetisch vorgegebenen Spielraum für das Längen-wachstum, er kann zwar voll ausgeschöpft, aber nichtüberschritten werden. Und die Anzeichen mehren sich,dass die Maximalwerte des Längen-Wachstums inzwi-schen erreicht sind. Einzig die Korpulenzmaße könntennoch zulegen – wie dick wir werden können, ist heutenoch schwer abzuschätzen.

Größenentwicklung

Männer

Frauen

Kinder

Ernährung ist ein wichtiger Faktor

für die Größenentwicklung der

Menschen. Mit zunehmender

Urbanisierung im Mittelalter wird

die Ernährung schlechter – sicht-

bar auch an den Zähnen

Die durchschnittliche Körpergröße der Menschen in Europa ist unterschied-lich: Zwischen Nord- und Südeuropa gibt es ein Größengefälle. Am kleinstensind die Portugiesen, die größten Europäer leben derzeit in den Nieder-landen.

Eindeutige Erklärungen für diese Unterschiede gibt es nicht, viele Faktorenspielen eine Rolle: Ein Grund liegt in den Genen. Hier ist ein gewisserSpielraum festgelegt, indem die Körpergröße variieren kann. Außerdemspielt für die Größenentwicklung der Bevölkerung die wirtschaftliche undmedizinische Lage eines Landes eine Rolle. Je besser die Menschen ernährtsind und je weniger sie – besonders in der Kindheit – mit Krankheiten zukämpfen haben, desto größer können sie werden. Allerdings wachsenselbst bei bester Ernährung und medizinischer Versorgung die Menschennicht unbegrenzt. Die Deutschen werden bereits seit zehn Jahren nicht mehrgrößer. Das wurde bei Untersuchungen von dreijährigen Kindern festge-stellt, die nicht mehr größer werden als die Vergleichsgruppen zuvor. InIrland dagegen wachsen die Menschen weiterhin. In den Jahren 1996 bis2002 haben sie im Durchschnitt um 1,5 Zentimeter zugelegt. Allerdings lagihre Größe vorher eher im Mittelfeld.

Die EU versucht, einige Produkte an die Größenunterschiede anzupassen,damit sie in ganz Europa vertrieben werden können. So ist beispielsweisein einer EU-Norm für Schreibtische die Höhe von 72 Zentimetern festgelegtworden. In Deutschland galt für Schreibtische zuvor noch eine Höhe von 76Zentimetern. Es gab hier also eine Anpassung an die geringere Durch-schnittsgröße in vielen Ländern.

Andere Länder – andere Größen

Page 11: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

2322

Normkurven für den Nachwuchs

„Ist mein Kind zu groß, zu klein, zu dick oder zu dünn?“Nicht nur Eltern interessiert diese Frage sondern auchÄrzte, sie messen und wiegen bei den routinemäßigenVorsorgeuntersuchungen alle Kinder und notieren dieErgebnisse. Im so genannten „Gelben Heft“ wird danndie gesamte Entwicklung des Kindes dokumentiert.Darin können Ärzte in speziellen Diagrammen dieVeränderung von Größe, Gewicht und Kopfumfang überdie Jahre darstellen. Diese Diagramme, Somatogram-me genannt, enthalten auch ein Spektrum von Norm-werten für die verschiedenen Altersstufen. So lässtsich leicht ablesen, wie viel Prozent der gleichaltrigenKinder größer, kleiner, leichter oder schwerer sind.

Teenies sind heute so groß wie Erwachsene von 1960

Doch die Daten, auf denen die Normkurven der„Gelben Hefte“ basieren, müssen regelmäßig aktuali-siert werden. Langzeituntersuchungen des Instituts fürHumangenetik und Anthropologie der Universität Jenazeigen, dass Schulkinder in den vergangenen 120Jahren rund 15 Zentimeter an Körpergröße zugelegthaben (siehe Grafik S. 18). Eine 14-jährige Schülerin istheute so groß wie eine ausgewachsene Bundes-bürgerin es um 1960 war, nämlich im Durchschnittrund 1,64 Meter. Im Vergleich zum Ende des 19.Jahrhunderts – so weit reichen die Daten der Uni Jenazurück – sind die heutigen Teenies sogar um etwa 15Zentimeter größer geworden. Etwa alle 10 Jahre wer-den Kinder in Deutschland deshalb in repräsentativenStichproben neu vermessen.

Kinder heute: Immer größer? Immer dicker?

Größe und Gewicht

entwickeln sich unter-

schiedlich

Wie gesund werden Kinder in

Deutschland groß? Die KIGGS-Forscher

beschäftigen sich damit

18.000 Kinder werden vermessen

Durchschnittlich: Ein neunjähriges

Mädchen ist mit 1,36 Meter normal

groß für ihr Alter

Die KiGGS-Studie

Aktuell beschäftigt sich das Berliner Robert-Koch-Institut mit dem kindlichem Wachstum. Bis Mai 2006läuft eine umfangreiche Untersuchung von Kindern undJugendlichen im ganzen Bundesgebiet, die Studie zurGesundheit von Kindern und Jugendlichen inDeutschland (KiGGS). Mithilfe dieser Studie wollen dieForscher herausfinden, wie gesund Kinder in Deutsch-land sind und wie gesund sie groß werden. In 167repräsentativ ausgesuchten Gemeinden vermessenund untersuchen sie rund 18.000 Kinder vom Säuglingbis zum 17-Jährigen. Auch Kinder der wichtigstenMigrantengruppen sind dabei. Jedes ausgewählte Kindvertritt etwa 800 Kinder seines Alters.

Mit mobilen Arztpraxen sind die KiGGS-Forscherbereits seit gut zwei Jahren in Deutschland unterwegs.Etwa zwei Stunden lang nehmen die Kinder an diver-sen medizinischen Untersuchungen und Fitness-Teststeil. Die Forscher erfassen ihre Körpermaße und neh-men ihnen auch Blut und Urin ab. Ein ausführlicherFragebogen hilft, die Lebensumstände der Kinder zuermitteln, die Daten werden in Berlin ausgewertet.

Größenwachstum ist nicht unendlich

Erst ab Dezember 2006 rechnen die Forscher mit denendgültigen Ergebnissen, aber schon jetzt können sieeinige Trends bestätigen, die sich schon bei früherenMessungen ergeben haben. Anders als oft vermutet,wachsen die Kinder nicht in den Himmel. Das stetigeGrößenwachstum scheint eine Obergrenze erreicht zuhaben, die Endgröße beider Geschlechter stagniert. Dasbedeutet, dass die jetzige Generation von Kindern ihrenEltern – im Durchschnitt – nicht mehr über den Kopfwächst. Dafür wird sie schneller groß. Und die Pubertät,die den letzten Wachstumsschub der Kindheit einleitet,beginnt inzwischen einige Jahre früher als noch in den60er oder 70er Jahren. Mädchen erreichen inzwischen

Page 12: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

2524

früher ihre Endgröße, nämlich schon mit durchschnitt-lich 16 Jahren. Jungen sind dagegen erst mit durch-schnittlich 19 Jahren ausgewachsen.

Dicke Kinder nehmen noch mehr zu

Der Grund: Die guten hygienische Bedingungen undeine gute Ernährung in der Kindheit. Sie fördern dasGrößenwachstum und sind wohl auch verantwortlichdafür, dass die Pubertät früher einsetzt. Dass sich dieKörpergröße inzwischen einpendelt, liegt nachAnsicht von einigen Anthropologen am hohenLebensstandard in Deutschland. Den haben schon dieEltern der derzeitigen jungen Generation genossen,daher sind auch sie schon relativ groß, und dieKinder wachsen nicht mehr darüber hinaus. DerLebensstandard hat sich seit Jahren auch nicht mehrnennenswert gesteigert. Sollte sich daran auch inZukunft nichts ändern, wird wohl auch dieKindergeneration von morgen nicht mehr wesentlichgrößer werden. Denn es gibt offensichtlich einenatürliche Grenze des Körperwachstums. Wenn derKörper sehr groß ist, überwiegen die körperlichenNachteile. Herz und Kreislauf müssen mehr leisten,das Skelett kann nicht mehr optimal tragen.

Grund zur Sorge gibt den Berliner Forschern aller-dings die Gewichtszunahme in allen Altersstufen.Viele Kinder wiegen mehr als noch vor zehn Jahren.Vor allem in der Risikogruppe der Fettleibigen hatsich das Problem verschärft. Dicke Kinder wiegeninzwischen noch viel mehr als der Durchschnitt. Nochunbekannt ist, wie sich diese Tendenz auf die neueNormverteilung in den „Gelben Heften“ auswirkenwird. Keinesfalls dürfen zu dicke Kinder in Zukunft alsnormalgewichtig gelten, nur weil der Anteil derDickeren zugenommen hat.

Mithilfe der Hautfaltendicke

lässt sich darauf schließen,

wie hoch der Fettanteil im

Körpergewebe ist

Mord und Totschlag an der Seine:

ermordete Bordellbesitzerin im Paris

des neunzehnten Jahrhunderts

Einzelgänger auf Verbrecherjagd:

Alphonse Bertillon, 1853-1914

Wer ist der Mörder?

Die wahre Identität von Personen feststellen zu können,und damit zum Beispiel zu klären, ob die zufällig aufge-griffene Person X möglichweise identisch ist mit demgesuchten Mörder Y: das war schon früh ein Wunsch-traum von Ordnungshütern, besonders in den stürmischwachsenden Metropolen des späten 19. Jahrhunderts.Vom Großstadtdschungel und der neuen Mobilität durchdie Eisenbahn profitierten nämlich auch die Verbrecher.Die Staatsmacht sah sich vor dem Problem, in diesemständigen Kommen und Gehen die Übersicht zu behal-ten. Gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts,dem Zeitalter der überall aufstrebenden Naturwissen-schaften, wurde klar, dass die bisherigen Mittel unzurei-chend waren. Ein junger Mensch aus der PolizeipräfekturParis schaffte Abhilfe – und avancierte so vomHilfsschreiber zum Chef des Erkennungsdienstes.

Gesucht: eine objektive Methode zur Personen-erkennung

Alphonse Bertillion, 1853 als Sohn eines bekanntenPariser Wissenschaftlers geboren, galt schon in frü-hen Jahren als schwierig. Seine Leistungen in derSchule waren äußert mäßig gewesen, nur durchFürsprache seines Vaters hatte er einen Posten alsHilfsschreiber an der Pariser Polizeipräfektur ergatternkönnen. Seine Tätigkeit dort war ebenso ermüdendwie fruchtlos, er hatte Personenbeschreibungen aufKarteikarten festzuhalten. Die Unzulänglichkeit dieserMethoden war offensichtlich: die Beschreibungenwaren rein subjektiv und an Unzuverlässigkeit undUngenauigkeit kaum zu überbieten. Ein objektiveresMittel hoffte man in der Fotografie zu finden, die seit1826 existierte. Aber auch das stellte sich als vergeb-liche Hoffnung heraus, die frühen Fotos waren zuunterschiedlich in der Qualität, und das Erscheinungs-bild der Verdächtigen zu wandelbar. Zudem war es inder nach Personenbeschreibungen geordneten Re-gistratur nahezu unmöglich, gezielt auf Bilder vonVerdächtigen zuzugreifen.

Verbrecherjagd mit Körpermaßen:Alphonse Bertillon

Page 13: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

2726

Gefangene werden vermessen

Tagtäglich mit der Karteikarten-Mühsal konfrontiert, erinnerte sich der jungeBertillon an einen Kollegen seines Vaters, Adolphe Quetelet. Er hatte anthropo-logische Studien getrieben und festgestellt, dass es keine zwei Personen mitgenau denselben Körpermaßen gibt. Dieser Gedanke brachte Bertillon auf eineIdee: Man musste nur eine ausreichende Menge an Maßen abnehmen, umPersonen eindeutig zu beschreiben und damit wiedererkennbar zu machen. Nachanfänglichem Widerstand erhielt Bertillon die Erlaubnis, sein Verfahren dreiMonate lang zu testen. Insgesamt elf Körpermaße sollten nach seinem Systemeinen Menschen umfassend beschreiben: Körperlänge, Armspannweite,Sitzhöhe, Kopflänge, Kopfbreite, Länge des rechten Ohres, Breite des rechtenOhres (später Jochbeinbreite), Länge des linken Fußes, Länge des linken Mittel-und Kleinfingers, Länge des linken Unterarms.

Der Hilfsschreiber wird Chef des Erkennungsdienstes

Bereits nach kurzer Zeit hatte Bertillon über 1.800 neue Karteikarten erstellt. Kurzvor Ende der Testphase gelang ihm, womit keiner gerechnet hatte: ein rück-fälliger Straftäter konnte durch sein System überführt werden. Die Probephasewurde verlängert, Bertillon bekam eine eigene Abteilung und wurde zum Leiterdes Erkennungsdienstes befördert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte sichseine anthropometrische Methode bereits weltweit durchgesetzt. Sie wurde nachihrem Erfinder „Bertillonage“ genannt, und ihre Vorteile waren bestechend: DasSystem war nicht wie bisher nach Namen geordnet, sondern nach den ent-sprechenden Körpermaßen und erlaubte so einen schnellen Zugriff. Und: DieDaten der Bertillonage konnten schnell an jeden beliebigen Ort telegrafiert wer-den.

Finger sind verräterisch

Das anthropometrische System Bertillons blieb jedoch nicht lange ohneKonkurrenz. Die Kriminologen wurden auf eine andere Methode aufmerksam: dasVerfahren der Fingerabdrücke. Schon bei Babyloniern, Assyrern und Chinesenwar die Einzigartigkeit des Fingerabdrucks bekannt. Der Brite Francis Galton wares schließlich, der Anfang der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts die sogenannte Daktyloskopie wissenschaftlich begründete. Sie hatte gewisse Vorteilegegenüber der Bertillonage: das Linienmuster der Fingerkuppen bleibt währenddes ganzen Lebens gleich. Dagegen lassen sich die Körpermaße erst zuverläs-sig erheben, wenn der Mensch ausgewachsen ist, und sie verändern sich imAlter. Jugendliche Täter sind damit schwer zu identifizieren. Außerdem war es

auch viel einfacher, Verdächtigen die Fingerabdrückeabzunehmen. Noch ein wesentlicher Punkt kam hinzu:Fingerabdrücke die am Tatort zurückgelassen wurden,können direkt mit denen der mutmaßlichen Täter ver-glichen werden: 1892 wurde zum ersten Mal eineDoppelmörderin anhand der von ihr am Tatort hinterlas-senen Fingerabdrücke identifiziert. Dagegen machte esdie Bertillonage nur möglich, eine Person wieder zu er-kennen. Um 1900 nahmen mehr und mehr Polizeidienst-stellen auf der ganzen Welt die Fingerabdrücke als erken-nungsdienstliche Methode – auch wenn die meisten inihr noch eine bloße Ergänzung zur Bertillonage sahen.

Der Raub der Mona Lisa

Bertillon selbst war ein ausgesprochener Gegner derneuen Methode, die er nicht für massentauglich hielt.Unterdessen offenbarten sich aber mehr und mehr dieSchwächen seines Systems: Das Verfahren war nicht nuraufwändig, sondern auch abhängig davon, wie genaudie Messung war. Die Gefahr von Verwechslungen warhoch. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundertsschafften immer mehr Länder die Bertillonage zugunstender Fingerabdrücke ab. In Frankreich hielt man, ausRespekt vor dem Vater der Erkennungsmethode, weiter-hin an ihr fest. Bis 1911 ein spektakulärer Raub das Landerschütterte: Die „Mona Lisa“, ein nationales Symbol,wurde aus dem Louvre gestohlen. Erst 1913 konnte derDieb gefasst werden, obwohl er auf der GlasscheibeFingerabdrücke hinterlassen hatte und diese auch aufge-nommen und gespeichert worden waren. Aber in dennach Tausenden von Körpermaßen sortierten Kartei-kästen der Pariser Polizei hatte man sie nicht gefunden.

1914 starb Alphonse Bertillon. Kurz nach seinem Todwurde auch in Frankreich die Bertillonage fast vollstän-dig von der Daktyloskopie abgelöst. Doch Teile seinesSystems sind bis heute fester Bestandteil des erken-nungsdienstlichen Verfahrens: die streng standardisierteFotografie „en face und en profil“ geht auf ihn zurück.

Deutlich unkomplizierter als

das anthropometrische Mess-

verfahren: Abnahme von

Fingerabdrücken

Der Dieb der Mona Lisa konnte

erst nach 3 Jahren gefasst werden,

obwohl seine Fingerabdrücke

polizeilich registriert und am

Tatort aufgefunden worden

waren: Vincente Perrugia

Verbrecher „en profil und en face“

Page 14: Mensch nach Maß? Von DIN-Normen & Körpergrößen · PDF file5 Weitergehende Informationen zu diesem Thema, sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer Homepage unter: 4 Mensch

Venenmuster

Die Verläufe der fein verzweigten Venen stehen schonvor der Geburt fest. Dieses Muster ist auch bei einei-igen Zwillingen unterschiedlich und bleibt bis ins hoheAlter erhalten.

Tippverhalten

Wie jemand etwas tut oder sich bewegt, ist ganz indi-viduell, denn es hängt unter anderem davon ab, wasund wie viel er geübt hat. Solche so genannten ver-haltensbasierten biometrischen Merkmale sind immereinzigartig. So können Biometrieexperten an der Art,wie jemand auf einer Computertastatur schreibt, einePerson zielsicher erkennen. Denn wie lange jemanddie Taste drückt, mit wie vielen Fingern er schreibt –all das ist bei jedem Menschen anders. So kann dasindividuelle Tipp-Muster schon als Sicherheitsmerkmalbei Computern eingebaut werden. Schreibt ein frem-der Benutzer darauf, erkennt das die Tastatur undsperrt sich automatisch.

UnterschriftDer Klassiker: die Unterschrift. Formgebung der Buch-staben, Schwung und Druck bei der Erstellung einerUnterschrift sind einzigartig – selbst bei eineiigenZwillingen.

29

Sicherheitsmerkmal Tippverhalten

Unterschrift: Formgebung,

Schwung und Druck sind

einzigartig

Die Venenmuster sind auch

bei eineiigen Zwillingen

unterschiedlich

Eineiige Zwillinge – Gleich und doch einzigartig

Auf den ersten Blick sehen sie identisch aus. Undsogar ihr Erbgut ist gleich. Doch selbst eineiige Zwil-linge unterscheiden sich in vielen kleinen Merkmalenvoneinander. Wie – das zeigen biometrische Merkmaleund Verfahren. Hier einige Beispiele:

Fingerabdrücke

Die Struktur der Fingerkuppe, die so genannte Papillar-leistenstruktur, besteht aus charakteristischen Schlei-fen, Wirbeln und Bögen. Das individuelle Muster bildetsich in den ersten Monaten der Embryonalentwicklungaus. Sie entsteht vorwiegend zufällig und ist deshalbauch bei eineiigen Zwillingen unterschiedlich.

Irismuster

Die Augenfarbe ist durch die Gene festgelegt – nichtaber der Aufbau der Irisstruktur. Die winzigen Punkteund Muster innerhalb der Regenbogenhaut (Iris) desAuges entstehen ebenfalls noch im Mutterleib. Einehoch auflösende Kamera kann die Anordnung desMusters sichtbar machen und beide Zwillinge als Indi-viduen erkennen.

Gesichtsgeometrie

Man mag es kaum glauben, doch was unser Auge alsgleich empfindet, ist längst nicht gleich. VerschiedeneMerkmale des Gesichts wie die Lage der Augen oderder Abstand zwischen Nase und Augenbraue lassensich durch exakte Vermessung miteinander verglei-chen. Ein Gesichtserkennungssystem, das eineiigeZwillinge unterscheiden soll, muss allerdings sehr lei-stungsfähig sein. Es darf bei der Erkennung der Merk-male nur geringfügige Unterschiede tolerieren.

28

Jeder ist anders

Eineiige Zwillinge: wer ist wer ?

Jedes Irismuster ist individuell

Was gleich scheint, ist nicht

gleich. Eine exakte Vermessung

macht Unterschiede in der

Gesichtsgeometrie deutlich