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Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie kompakt VOR ORT Von drei auf 70 Prozent — Beschäftigte bei Fischer in Katzenelnbogen organisieren sich in der IG BCE TENDENZEN Wie ein ehemaliger Braunkohletagebau Leipzig vor den Fluten gerettet hat TIPPS Welche Apps auf Ihrem Smartphone im Sommerurlaub nicht fehlen dürfen Nr. 07/08 I JULI/AUGUST 2013 www.igbce.de Alle Hände voll zu tun Die Industrie bietet viel zu wenige Arbeitsplätze für Menschen mit Schwerbehinderung.
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kompakt Juli/August 2013

Mar 24, 2016

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IG BCE

In dieser Ausgabe behandeln wir die Schwierigkeiten und Herausforderungen, die Menschen mit einer Schwerbehinderung im Arbeitsleben begegnen. Außerdem haben wir einen Gewerkschafter zu den Protesten in der Türkei befragt und einen Kampfsporttrainer besucht, der Blinde unterrichtet.
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Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

kompakt

vor ort Von drei auf 70 Prozent — Beschäftigte bei Fischer in Katzenelnbogen organisieren sich in der IG BCE

tendenzen Wie ein ehemaliger Braunkohletagebau Leipzig vor den Fluten gerettet hat

tipps Welche Apps auf Ihrem Smartphone im Sommerurlaub nicht fehlen dürfen

Nr. 07/08 I JulI/August 2013 www.igbce.de

Alle Hände voll zu tun

Die Industrie bietet viel zu wenige Arbeitsplätze für Menschen mit

Schwerbehinderung.

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SpendenkontoGewerkschaften helfen e. V.Nord LBKontonummer 015 201 14 90Bankleitzahl 250 500 00Stichwort: Flutopfer 2013 – IG BCE

Es wird dafür gesorgt, dass die Spenden schnell und un-bürokratisch dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Anträge auf Unterstützung können außer-dem von Betroffenen der Flutkatastrophe direkt an den Verein Gewerkschaften helfen e. V. gerichtet werden.

Gewerkschafter helfenDIE FLUtopFEr an Elbe und Donau stehen urplötzlich vor dem Nichts. Hoffnungen wurden weggespült, hart erarbeiteter Wohlstand vernichtet, viele Lebensplanungen ihrer Grundlage beraubt. Die Menschen in den Hoch-wassergebieten sind auf Unterstüt-zung angewiesen. Deshalb ruft die IG BCE dazu auf, mit Spenden soli- darisch und schnell zu helfen.

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>unter uns

ast sind die erschreckenden Bilder der schlimmen Überschwemmungen in vielen Teilen Deutschlands schon wieder vergessen. Aber wo das Hochwasser die Menschen heimgesucht hat, da ist noch nichts wieder

beim Alten. Haus und Heimat sind verloren, Existenzen zerstört und sicher geglaubte Lebensperspektiven einfach hinweg gespült. Die Einschätzung, dass sich eine Jahrhundertflut wie 2002 so schnell nicht wiederholen werde, hat sich als falsch erwiesen. Ob das nun Vorboten der prognostizierten Klimakatastrophe sind oder einfach nur ungewöhnliche Wetterphänomene, das ist für die betrof-fenen Menschen nicht entscheidend. Aber wenn wir etwas aus der diesjährigen Flut lernen können, dann ganz sicher, dass zu einer nachhaltigen Politik immer auch soziale Vorsorge gehört: angefangen beim Deichbau über einen funktionie-renden Versicherungsschutz bis zu zusätzlich ausgewiesenen Überflutungsflächen.

gewerkschafter helfen – unter diesem Motto ruft unsere IG BCE dazu auf, die hochwassergeschädigten Menschen beim Wiederaufbau des Zerstörten zu unterstützen (Seite 2). Auch die Kanzlerin hat ja schon die Welle der gesellschaftlichen Solidarität gelobt, die unmittelbar mit der Flut eingesetzt hat. Es wäre schön, wenn das in unserer schnelllebigen Zeit nicht zu früh wieder abebben würde. Das Wasser geht zurück, die Schäden bleiben.

feuerwehren kommen nicht nur bei solchen Naturkatastrophen zum Einsatz, sondern leisten tagtäglich in unseren Industrien einen unverzicht-baren Beitrag zu einer möglichst sicheren Produk-tion. Über den Arbeitsalltag der Werkfeuerwehr-leute berichten wir in dieser kompakt-Ausgabe genauso wie beispielsweise über die Arbeitsbedin-gungen bei Weleda, einem Hersteller anthroposo-phisch orientierter Kosmetik und Heilmittel. Mit einem Heft, das wieder nah bei unseren Mitgliedern und ihrem Thema sein möchte, verabschieden wir uns in die Sommerpause und wünschen allen Leserinnen und Lesern schöne Ferien.

eine Welle gelebter solidarität

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IMMER IM HEFT

03 Unter uns06 Aktuelles08 Alle Achtung20 Leserforum/Impressum30 Einer von uns40 Rätsel41 Glück & Glosse42 Mein Arbeitsplatz

Titelbild: Carsten Büll

11 StandpunktMichael Vassiliadis über Chancengerechtigkeit.

TITEL12 Alle zusammen

Schwerbehinderung ist für viele Menschen Teil ihres Lebens. Und ihrer Arbeit – wenn sie unterstützt werden.

THEMEN18 »Wir müssen unsere Stimme erheben« Im Interview mit kompakt erklärt Kemal Özkan von industriAll Global Union, was die Proteste in der Türkei ausgelöst hat.

TENDENZEN31 Nah am Alarm

Ständige Alarmbereitschaft und 24-Stunden-Schichten: Der Traumberuf Feuerwehrmann geht auf die Knochen. kompakt hat die Werkfeuerwehr von Henkel besucht.

34 Wasser marschDer Tagebau-Folgesee hat die Stadt Leipzig vor der Flut gerettet – mit einem Hochwasserschutz-Bauwerk der Bergbausanierer LMBV.

TIPPS36 Die weite Welt in der Hosentasche

Auf Reisen kann das Smartphone zum hilfreichen Begleiter werden. kompakt stellt die besten Apps vor.

38 Mehr Betriebsrente Inflationsausgleich steht auch vielen Betriebsrentnern zu. Doch mehr Geld gibt es häufig nur für diejenigen, die darauf bestehen.

VOR ORT 21–29

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Es tut sich was

Mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen – das war das Ziel des Projektes »Frauen – Macht – Erfolg«. IG BCE und Bun-desarbeitgeberverband Chemie haben jetzt nach drei Jahren Bilanz gezogen.

Nur die Abfindung stimmtColgate verlagert die Produktion nach Polen. Bis Dezember werden rund 150 Beschäftigte im Lörracher Gaba-Werk ihren Arbeitsplatz verlieren. Immer-hin: Neben überdurchschnitt-lichen Abfindungen und einer auf zwölf Monate angelegten Transfergesellschaft gibt es großzügige Regelungen für Ältere.

Alles grün hierWo Kräuter und Pflanzen noch aus dem firmeneigenen Gar-ten stammen: Ein Besuch beim Schwäbisch Gmünder Natur-kosmetik- und Arzneimittelher-steller Weleda, der seit 90 Jah-ren auf Natur setzt, damit eine stetig wachsende Kundschaft erreicht – und mit der IG BCE gut zusammenarbeitet.

Industriepark bangtDas Chemieunternehmen Invista will im schwäbischen Industriepark Gersthofen eine komplette Produktionslinie stilllegen. Das gefährdet voraussichtlich die Hälfte der rund 300 Arbeitsplätze.

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>INHALT JuLI/AuguST 2013

12 Alle Hände voll zu tun Nah am Alarm 31

34 Wasser marsch Mein Arbeitsplatz 42

Proteste in der Türkei 18

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Millionen kleiner SklavenSie Schuften in Ziegeleien und auf Bergwerken, als Hausmädchen oder in einer Fabrik: Weltweit müssen 215 Millio-nen Kinder jeden Tag arbeiten, um sich und ihre Familien zu ernähren, schätzt die Internationale Arbeitsorganisation ILO. 115 Millionen Mädchen und Jungen im Alter von fünf bis 17 Jahren verrichten sehr gefährliche Tätigkeiten in Stein- brüchen, Bergwerken oder in der Land-wirtschaft – und das unter dramatischen Bedingungen: Sie arbeiten nachts, werden wie Sklaven gehalten oder zur Prostitu-tion gezwungen. Mehr als zehn Millionen Kinder arbeiten als Hausangestellte, heißt es im jüngsten ILO-Bericht.

BILD DES MONATS

eS begann mit der Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr Mitte Juni: Hunderttausende Brasilianer gehen aus Protest gegen die hohen Kosten der Fußball-Weltmeister-schaft 2014 von 15,5 Milliarden Dollar, staatliche Misswirt-schaft, verrottete Schulen und Krankenhäuser, extreme

Ungleichheit und Korruption auf die Straße. In den Jahren des Aufschwungs konnte der soziale Aufstieg vieler Millio-nen Brasilianer diese negativen Seiten des Systems über-decken. Doch jetzt wächst die Unzufriedenheit vieler Bürger mit der brasilianischen Regierung.

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>AKTUELLES

Kein Ende in Sicht47 Prozent der Beschäftigten gehen davon aus, dass sie nicht bis zum Rentenalter arbeitsfähig sind. Das geht aus dem DgB-Index gute Arbeit hervor, der jährlich vom Deutschen gewerkschaftsbund erhoben wird und sich mit der Arbeitsqualität beschäftig. In diesem Jahr steht die Frage der Arbeitsfähigkeit bis zur Rente im Mittelpunkt der Umfrage.

Bemerkenswert ist, dass nur 44 Prozent der jungen Leute unter 26 Jahren davon ausgehen, dass sie bis zur Rente arbeitsfähig sein werden. Bei den Beschäftigten ab 56 Jahren sind es hingegen 54 Prozent. Abgesehen vom Alter spielt auch die Art der Beschäftigung eine große Rolle. Vor allem Schichtarbeiter (64 Prozent) und Nachtarbeiter (68 Prozent) können sich nicht vorstellen, ihre Arbeit bis zum Ruhestand auszuüben. Auch Arbeit-nehmer mit mehr als 45 Wochenstunden sehen sich nicht bis zur Rente arbeiten.

Entscheidend sind dabei auch die Arbeitsbedingungen im Betrieb. So gehen Beschäftigte mit guten Arbeitsbedin-gungen zu 69 Prozent davon aus, das Rentenalter in ihrem Beruf zu erreichen. Bei schlechten Arbeitsbedingungen sind es nur 18 Prozent. Im Branchenvergleich schneidet die chemische Industrie, laut DgB-Index, besser als der Durchschnitt ab: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten (52 Prozent) glaubt an die Arbeitsfähigkeit bis 67.

betriebsräte stärkenDie ig bce begrüßt den von der SPD eingebrachten Antrag zur Modernisierung des Betriebsverfassungsgesetzes und fordert zu-gleich die anderen im Bundestag vertretenen Parteien auf, sich der sozialdemokratischen Initiative anzuschließen. »Das Gesetz wird wesentlichen Änderungen in der Arbeitswelt nicht mehr ausreichend gerecht. Wir brauchen ein zwingendes Mitbe-

stimmungsrecht der Betriebsräte bei der Fremdbeschäftigung«, sagte der IG-BCE-Vor- sitzende Michael Vas-siliadis auf der Be-triebs- und Personal-rätekonferenz der SPD-Bundestagsfrak-tion am 5. Juni in Berlin. »Im Gesetz müssen dafür die Rah-menbedingungen ver-

bessert werden, die Betriebsräte brauchen Initiativrechte, um sich noch wirkungsvoller um Gute Arbeit starkmachen zu kön-nen«, forderte Vassiliadis. Schließlich geht es darum, den Auf-bau von neuen Arbeitnehmervertretungen zu erleichtern. »Der volle Kündigungsschutz für alle, die einen Betriebsrat gründen wollen, wäre ein ganz wichtiger Schritt.« Er freue sich, dass die SPD die Vorschläge seine Gewerkschaft aufgegriffen habe und hoffe auf eine breite Unterstützung im nächsten Bundestag, unterstrich Vassiliadis.

MELDUNg DES MONATS

60 %ob norDSee, Mallorca oder eine Fernreise – der Sommer-urlaub ist des Deutschen liebstes Kind. Doch die Erholung kostet. Gut, wenn Arbeitnehmer ihre Reisekasse mit Urlaubs-geld aufstocken können. Fast jeder zweite Beschäftigte kann sich zur Ferienzeit auf Urlaubsgeld freuen. Das hat die Hans-Böckler-Stiftung in einer Online-Umfrage unter mehr als 20 000 Beschäftigten ermittelt. Deutlich im Vorteil sind dem-nach Tarifmitarbeiter: Fast 60 Prozent von ihnen erhalten den Zuschlag, unter den nicht Tarifgebundenen ist es nur gut ein Drittel (35 Prozent). Insgesamt bekommen in diesem Jahr 47 Prozent der Befragten die Leistung.

ZAHL DES MONATS

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Michael Vassiliadis, Vorsitzender der ig bce bei der SPD-bundestagsfraktion.

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Wenn Promis und Politiker wis-sen wollen, ob sie es in den Olymp der Bekanntheit ge-

schafft haben, müssen sie sich nur selbst suchen – im Internet. Denn wenn eine Aktion, mittels Foto dokumentiert, be-sonders witzig oder peinlich war, ruft irgendwer ein Blog mit echten und ma-nipulierten Varianten dieses Fotos ins Leben. So erging es Hillary Clinton, die mit Sonnenbrille in einem Flugzeug saß und SMS schrieb. Und plötzlich gab es zahllose erfundene Kurzdialoge von Menschen, die Hillary schrieben und im-mer eine niederschmetternd coole Ant-wort erhielten. Clinton reagierte souve-rän auf das Web-Phänomen, schickte selbst einen erfundenen Dialog ein – und prompt wurde das Blog ihr zu Ehren mit Veröffentlichung ihrer Bildergeschichte geschlossen.

Nicht gaNz so gut kam Kim Jong-il, Nordkoreas 2011 gestorbener Diktator, weg. Ihm wurde ein Blog gewidmet, in dem er Dinge anschaut: gebratene Schweine, Strumpfhosen, Fruchtsaftpäck-

chen. Der Clou: Alle Fotos waren echt und stammten aus der staatlichen Propagan-da-Abteilung.

Bundeswirtschaftsminister, Vize-Kanz-ler und FDP-Chef Philipp Rösler hat eine Vorliebe für Umarmungen. Wer bei drei nicht auf dem nächsten Baum sitzt, wird auf Gedeih und Verderb bekuschelt. So erging es Kristina Schröder, Ursula von der Leyen, Wolfgang Kubicki, Dirk Niebel, Veronica Ferres – und zuletzt BILD-Chefredakteur Kai Diekmann, was Rösler das Blog »Rösler hugging people« einbrachte, in dem er unter anderem Uli Hoeneß und das vom Teufel bessessene Mädchen aus dem Schockerstreifen »Der Exorzist« herzt. Aber besonders das Foto von »Fipsi« und Diekmann in inniger Umarmung verstört nachhaltig, denn Rösler sieht aus, als hole ihn sein Papa nach drei Wochen Ferienlager an der Nordsee vom Bahnhof ab. »Das Foto der beiden Männer ist so befremdlich, weil es belegt, dass die BILD jeden Anspruch aufgege-ben hat, kritisch und distanziert über Politiker zu berichten und weil es zeigt, wie sich der Vize-Kanzler mit ein paar hübschen

Schlagzeilen instrumentalisieren lässt«, schrieb das Magazin stern. RP Online fand das Foto entlarvend: »Die physi-sche Nähe zwischen Rösler und Diek-mann lässt sich zu leicht als Kumpanei zwischen Politik und Medien deuten.« Und selbst dem Springer-Blatt DIe WeLt ging die Herzlichkeit zu weit: Das Bild dokumentiere »eine Übernähe und eine emotionale Übertreibung, die viele Fragen aufwirft«.

RösleR ist dank des Blogs nun also ganz oben – oder eben ganz unten, je nachdem, von wo man schaut. Wie sagte René Weller, ehemaliger Box-Europa-meister und Weltmeister der beschä-menden Selbstinszenierung? »Ich bin immer oben. Und wenn ich einmal un-ten bin, ist unten oben.«

Die Umarmungsmaschine

Illustration: Stefan Hoch

DiRk kiRchbeRgwürde sich weder von Kai Diekmann noch von Philipp Rösler umarmen lassen. Bei Hillary Clinton müsste er neu überlegen.

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>AKTUELLES

Platzsuche

Ohne WahlDie Wahlbeteiligung in Deutschland sinkt, doch die Zufriedenheit mit dem politischen System steigt. Zu die-sem widersprüchlichen Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung und des Instituts für Demoskopie Allensbach. Danach verabschieden sich vor allem ein-kommensschwache und bildungsferne Teile der Bevöl-kerung zunehmend aus der aktiven Teilhabe an Demo-kratie. Wahlenthaltung geschehe der Studie nach jedoch weniger aus Frust und Protest. Stärkste Ursache sei viel-mehr Gleichgültigkeit – je geringer der Sozialstatus und je größer das politische Desinteresse im Freundeskreis, desto unwahrscheinlich wird der Gang zur Wahlurne.

Kein hitzefrei

eltern haben ab 1. August 2013 für Kinder zwi-schen dem ersten und dritten Le-bensjahr ei-nen gesetz-lichen An- spruch auf einen Platz in einer Kinderta-gesstätte oder auf Tagespflege. Doch viele Eltern werden wahrscheinlich zum Stichtag vergebens einen freien Be-treuungsplatz für ihre Kinder suchen. Denn noch im No-vember 2012 fehlten laut Daten des Statistischen Bundes-amtes rund 220 000 Plätze. Wie Eltern ihren Anspruch auf einen Kita-Platz geltend machen können, lesen Sie auf der IG-BCE-Website: www.igbce.de/arbeit/tipps-arbeitnehmer/

an heissen sOmmertagen kann das Büro oder die Werkhalle schnell zur Sauna werden. Doch trotz tropi-scher Wärme gilt generell: Arbeitnehmer haben kein Recht auf Hitzefrei. Auch einen Anspruch auf klimatisierte Arbeitsräume kennt das Arbeitsrecht nicht. Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten aber vor der Hitze schützen.

Mehr Informationen auf: www.igbce.de/39630/hitze-im-buero

Das recht auf Kinderbetreuung stellt in den Kommunen vieles auf den Kopf, denn nach wie vor fehlen tausende Plätz.

Fragen an Ortwin Renn3

In der Stadt Grimma haben Bürgerproteste den Ausbau des Hochwasserschutzes verhindert – mit verheerenden Folgen. Und auch bei anderen Großprojekten formt sich häufig Widerstand. Ist Deutschland technologiefeindlich?Nein, überhaupt nicht. Es ist zwar so, dass die Deutschen in manchen Dingen skeptischer reagieren als andere Länder, aber gerade wenn wir die Konsum- oder Freizeittechnik betrachten, sehen wir, dass die Deutschen so gut ausgestat-tet sind wie kein anderes Land außer Luxemburg. Auch bei der Technik am Arbeitsplatz sind wir Vorreiter in der Welt. Wir führen Technologien zwar oft nicht als Erster ein, nutzen sie aber besonders stark. Generell kann man aber sagen: Je höher das Wohlstandsniveau eines Landes ist, desto kritischer werden Gemeinschaftsprojekte bewertet.

Worin sehen Sie die Ursachen für diese kritische Haltung?In der Akzeptanzforschung sprechen wir von vier Grundele-menten, die vorhanden sein müssen, damit Menschen etwas tolerieren: Einsicht in die Notwendigkeit, Nutzen für uns selbst, erweitert die Technologie meinen Spielraum oder engt sie mich ein und zu guter Letzt Identifikation. Das heißt, wenn das Windkraftwerk in meiner Nachbarschaft von einem fremdem Unternehmen gebaut wird, ist es hässlich und laut. Bin ich aber in einer Genossenschaft und das Wind-kraftwerk gehört mir, sieht die Welt völlig anders aus.

Welche Rolle können Betriebsräte und Gewerkschaft bei Bürgerprotesten – wie etwa in der Braunkohle – spielen?Betriebsräte und Gewerkschaften sind stärker als vielleicht bisher selbst wahrgenommen in einer Vermittlerposition. Auf der einen Seite arbeiten sie im Unternehmen und kennen die Situation dort gut. Gleichzeitig sind sie An- wohner und von den Nebenwirkungen genauso betroffen wie jeder andere. Diese zweifache Bindung wird meiner Meinung nach noch zu wenig genutzt.

Der Risikoforscher und Volkswirt zur AKzEpTANz VoN INDUSTRIE in Deutschland.

Das vollständige Interview finden Sie auf: http://goo.gl/roqtq

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> AKTUELLES>

Kandidaten nominiert

> Jung und arbeitslosDamals wie heute ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa ein wichtiges Thema. Bereits 1983 legte die Europäische Gemeinschaft (EG) eine Analyse zum Thema Jugend-arbeitslosigkeit vor. Damit wider-sprach sie der weitverbreiteten Meinung, »dass die Jugendarbeits-losigkeit nur eine vorübergehende Erscheinung sei«. Durch die gebur-tenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre fehlten überall Arbeitsplätze. »Heute ist noch nicht abzusehen, wo und wie die Arbeitsplätze für diese jungen Menschen entstehen sollen«, berichtete die einheit, die Zeitung für Mitglieder der IG Bergbau und Energie, in ihrer Ausgabe vom 15. Juni 1983. Besonders hervorgehoben wurden dabei auch die unterschiedlichen Chancen, die Jugendliche hatten, um eine gute Erstausbildung oder eine Arbeitsstelle zu bekommen. Junge Menschen aus ärmeren Familien und mit geringerer Bildung hätten es viel schwerer, eine Stelle oder Ausbildung zu finden, als jene aus besser gestellten Haushalten. Diese Jugendlichen wären meist für sich alleine verantwortlich und erwarteten kaum Unterstützung von Staat oder Familie. Die größte Herausforderung der EG sei es, die jungen Leute aus der Arbeitslosigkeit in das Erwerbsleben einzugliedern.

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der Hauptvorstand der IG BCE hat die Kandidatinnen und Kandidaten für die Spitzengremien der Gewerkschaft nominiert. Über den Wahlvorschlag und die künftige Besetzung der gewerkschaft-lichen Führungspositionen werden im Oktober die Delegierten entscheiden, wenn in Hannover der 5. Ordentliche IG-BCE-Kongress tagt.

einstimmig schlägt der Hauptvorstand Michael Vassiliadis zur Wiederwahl und damit für eine weitere Amtszeit von vier Jahren als Vorsitzenden der IG BCE vor.

Der stellvertreten-de Vorsitzende der Gewerkschaft, Ulrich Freese, kandidiert nach 14 Jahren nicht mehr für den ge-schäftsführenden Hauptvorstand der IG BCE. Bei der Bundestags-wahl im Septem-

ber tritt Freese für die SPD im Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße an.

Als neue stellver-tretende Vorsit-zende schlägt der Hauptvorstand Edeltraud Glänzer vor. Die 57-Jäh- rige ist seit 2005 Mitglied des ge-schäftsführenden Hauptvorstands und dort unter anderem zustän-dig für Mitglieder,

Zielgruppen und Bildung.

Zur WiederWaHl in den geschäfts-führenden Hauptvorstand sind Egbert Biermann (Organisation, Arbeitsmarkt und Umwelt) und Peter Hausmann (Tarife und Finanzen) nominiert.

neu für den geschäftsführenden Haupt-vorstand ist Ralf Sikorski nominiert. Der

52-Jährige leitet seit 2008 den Landes-bezirk Rheinland-Pfalz/Saarland.

Aus dem 26- köpfigen ehrenamt-lichen Hauptvor-stand scheiden aus: Martin Becker (DSK, BW Saar), Jo-sef Braun (Koehler AG), Bernd Egner

(Freudenberg NT), Karin Gottschalk (Si-litronic AG), Andreas Schneider (E.ON Kraftwerke GmbH), Wilfried Schreck (Vattenfall Europe Generation), Rainer Staufer (Pilkington, Werk Weiherham-mer), Roswitha Uhlemann (MIBRAG) und Friedhelm Vogt (DSK, BW West).

neu nominiert sind: Michael Bach-mann (Rockwood Lithium GmbH), Bernhard Dausend (Veralli SG Ober-land AG), Dr. Katrin Altmann (Wismut GmbH), Katja Marx (Zschimmer & Schwarz), Frank Gottselig (SCA), Gisela Rama (Rheinbraun Brennstoff GmbH), Karl-Heinz Rupp (Südwest-deutsche Salzwerke AG), Gerald Schneider (TOTAL Raffinerie Mitteldeutschland GmbH) und Uwe Teubner (Vattenfall Europe Mining Technik).

Zur WiederWaHl sind vorge-scHlagen: Lydia Armer (Gerreshei-mer Wilden Medical Plastic Systems GmbH), Dr. Brigitte Bauhoff (Roche Di-agnostics GmbH), Beate Bockelt (Sanofi Aventis), Bärbel Bruns (ContiTech An-triebssysteme GmbH), Wolfgang Daniel (BASF SE), Thomas de Win (Bayer AG), Frank Eschenauer (M-real Zanders GmbH), Renate Hold (Aurubis AG), Manfred Köppl (Wacker Chemie AG), Petra Kronen (Bayer AG), Ludwig Lad-zinski (DSK, BW Prosper-Haniel), Diet-mar Langenfeld (Villeroy & Boch AG), Horst Rohde (Steag, HKW Herne), Jörg Schönfelder (Continental AG), Frank Seidel (Akzo Nobel Functional Chemi-cals GmbH & Co. KG), Cornelia Stock-horst-Köthe (Evonik) und Anna Uhrig (BASF SE).

scheidet aus:ulrich Freese.

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vorgeschlagen für die stellvertretung: edeltraud glänzer.

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steht neu zur Wahl:ralf sikorski.

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Alte Vorurteile endlich aufbrechen

Im internationalen Vergleich ist Deutschland zweifellos ein modernes Land. Wir sind erfolgreich mit neuester Technologie und stolz auf das Gütesiegel »Made in Germany«. In den Unternehmen werden Innova-

tionen prinzipiell gefordert und gefördert, um so weiterhin Wettbewerbs-fähigkeit sicherzustellen. Da macht man in den Chefetagen vieles richtig.

In eInen merkwürdIgen gegensatz dazu tritt allerdings das Un-vermögen in Wirtschaft und Politik, sich genauso dem gesellschaftlichen Fortschritt zu öffnen. Beispielhaft dafür steht die anhaltende Diskriminie-rung von Menschen mit Behinderung. Geradezu krampfhaft wird an der längst widerlegten Vorstellung festgehalten, eine Behinderung bedeute quasi automatisch fehlende Leistungs- und damit Arbeitsfähigkeit. Eine solch stockkonservative Verweigerung, umzudenken und Menschen vor-urteilsfrei wahrzunehmen, steht im eklatanten Widerspruch zum sonst so gern formulierten Innovations- und Modernitätsanspruch.

dIe gesellschaftlIche fortschrIttsblockade zeigt sich ganz ähnlich in der Benachteiligung von Frauen oder von Zuwanderern und ihren Familien. Allenfalls zögerlich reagieren Wirtschaft und Politik auf den wachsenden Unmut der Menschen über diese unfairen Bedingun-gen. Umso mehr werden wir Chancengerechtigkeit einfordern: weil das zum gewerkschaftlichen Grundverständnis gehört und Diskriminierung unserem Menschen- und Gesellschaftsbild widerspricht, aber auch als überfälliges Projekt der Moderne, das unser Land stärker macht.

mIchael VassIlIadIs Vorsitzender der IG [email protected]

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SchwErbEhIndErung ist für viele menschen Teil ihres Lebens. und ihrer Arbeit – wenn sie dabei unterstützt werden.

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D ie Frau im Rollstuhl hat gut zu tun: Morgens trifft sie den Bot-schafter der USA, dann geht

es zu einem Ausbildungszentrum für Forstwirte, schließlich am Nachmittag zur Einweihung eines neuen Block-heizkraftwerkes für eine Mercedes-Benz-Fabrik in Wörth. An manchen Tagen hat sie ein halbes Dutzend sol-cher Ortstermine, dazu leitet sie Kabi-nettssitzungen und nimmt aufmerk-sam an den Debatten im Mainzer Landtag teil. Kaum Zeit zum Durch-atmen also für Malu Dreyer, seit Januar 2013 Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Skeptiker unkten vor ihrer Wahl, sie könne das Amt gar nicht ausüben. Schließlich ist Dreyer chronisch krank, sie leidet unter Multipler Sklerose (MS), einer Erkran-kung des zentralen Nervensystems. Vor sieben Jahren hat sie das in einer Pressekonferenz öffentlich gemacht.

Die Krankheit kommt in Schüben, hat viele Ausprägungen. Manche Be-troffene haben Hör- oder Sehprob-leme, andere verlieren die Kontrolle über ihre Körperbewegungen. Malu Dreyer hat unter anderem Schmerzen beim Gehen, Spaziergänge werden für sie zum Kraftakt, regelmäßig nutzt sie einen Rollstuhl. Doch die SPD-Politikerin absolviert ihren anspruchs-vollen Job mit Bravour. Sie regiert als Schwerbehinderte ein Land. »Die multiple Sklerose gehört zu meinem Leben, aber sie hat nichts mit meiner politischen Arbeit zu tun«, sagt die 51-Jährige. Auf ihre Krankheit re- duziert zu werden, ist für sie das Schlimmste.

Sie ist chronisch krank – und regiert ein Land: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

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gen, dass sie immer mehr zur Norma- lität wird.«

Die IG BCE unterstützt die gewählten Schwerbehindertenvertreter nach Kräf-ten, bietet Seminare und eine Jahres- tagung in ihrem Halterner Bildungs- zentrum an, dazu in einigen Bezirken regionale Arbeitskreise. Mancherorts fällt das auf fruchtbaren Boden.

In BuDenheIM zum Beispiel, einem kleinen Ort bei Wiesbaden. Dort ist die Chemische Fabrik (CFB) der größte Ar-beitgeber. Hier werden vor allem Phos-phate hergestellt; Skeletterkrankungen aufgrund harter körperlicher Arbeit, aber auch wegen schlechter Sitzhaltung bei Bürojobs stehen weit oben in der firmeninternen Krankheitsstatistik.

Wer Schwerbehinderung auf Roll stühle reduziert, irrt

SchWeRBehInDeRt: Wer zu mehr als 50 Prozent behindert ist, gilt als schwerbe-hindert. Auch Menschen mit einem Grad der Behinderung zwischen 30 und 50 Prozent können auf Antrag den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden. Je nach Art und Schwere der Behinderung kann man etwa vergünstigt oder kostenlos Busse und Bahnen oder Behindertenparkplätze nutzen oder von höheren Steuerfreibeträgen profitieren.

BetRIeBLIcheS eInGLIeDeRunGS- MAnAGeMent (BeM): Wer lange krank war, hat in jedem Betrieb das Recht auf eingliede-rung. Gesetzlich nach sechs Wochen, oftmals schon früher, um schweren erkrankungen vorzubeugen. Die erkrankte Person sucht sich einen betrieblichen Ansprechpartner aus und erwägt gemeinsam mit diesem, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und ein Rückfall möglichst verhindert werden kann.

InteGRAtIonSäMteR: unterstützen regional und individuell die teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Bieten je nach Behinderungsart individuelle Beratung und finanzielle unterstützung – etwa durch Finanzierung eines Arbeits-assistenten, der eine blinde Person auf dem Weg zur Arbeit begleitet. entscheiden auch über die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines behinderten Menschen.

InKLuSIon: Der Begriff meint, dass alle Menschen in Kindergärten, Schulen und auch Betrieben gemeinsam und gleichbe-rechtigt lernen und arbeiten – im Gegen-satz zur Integration, bei der eine Gruppe (Behinderte, Ausländer) als »anders« definiert und einer »normalen« Gruppe hinzugefügt werden soll. Konkret: Förder-schulen und Behindertenwerkstätten sollen die Ausnahme und nicht die Regel sein.

Voll im Leben: Klaus Rheingans fährt Rad und kann mit seiner künstlichen hand alles tun, . . .

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MehR ALS SIeBen MILLIonen Men-schen in Deutschland sind schwerbehin-dert. Sie können nicht sehen, kaum hören, ihre Arme und Beine gehorchen ihnen nicht, sie sind schwer depressiv, haben Diabetes oder chronisches Rheu-ma. Schwerbehinderung ist vielfältig, wer sie auf Rollstuhlfahrer reduziert, irrt.

Gesetzlich ist Deutschland bereits sehr weit darin, schwerbehinderten Men-schen auch beruflich die gleichen Chan-cen wie gesunden Menschen einzu- räumen. Die Bundesrepublik hat die UN-Konvention für die Rechte von Men-schen mit Behinderung als erstes Land umgesetzt, Inklusion wird als oberstes Ziel am Arbeitsmarkt ausgegeben. Trotz-dem arbeiten – im Gegensatz zur Minis-terpräsidentin – viele Schwerbehinderte nicht in regulären Beschäftigungsver-hältnissen. Ihre Arbeitslosenquote ist deutlich höher (2012: 14,1 Prozent) als die allgemeine (6,8 Prozent). Vom Auf-schwung der letzten Jahre konnten sie kaum profitieren. Und das, obwohl in dieser Gruppe mehr Menschen Studien- oder Berufsabschluss haben als bei nicht schwerbehinderten Arbeitslosen.

DASS SIch DARAn etWAS änDeRt, möchte auch Hubert Hüppe, der Behin-dertenbeauftragte der Bundesregierung. »Meiner Meinung nach ist dabei das Grundproblem, dass es in den Betrieben Vorbehalte gegen sie gibt. Leider oft nicht nur von den Unternehmen selbst, sondern auch zum Teil bei den nicht be-hinderten Arbeitnehmern. Das liegt vor allem daran, dass schon Kinder mit Be-hinderungen voneinander getrennt wer-

den. Das fängt mit dem Sonderkinder-garten an und geht dann in Schule und Ausbildung weiter.« (Ein ausführliches In-terview mit ihm finden Sie auf www.igbce.de)

»Wir möchten, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Schwer-behinderungen nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden«, sagt auch IG-BCE-Vorstand Egbert Biermann. »Sie sollen stattdessen genauso ihre Chance im Arbeitsleben bekommen wie andere auch. Die Schwerbehindertenvertretun-gen arbeiten jeden Tag daran, das in den Betrieben konkret zu gestalten. Sie be-kommen dabei von der IG BCE jede er-forderliche Hilfe. Wichtig ist: Inklusion ist eine große Herausforderung, die es zu meistern lohnt. Alle sind aufgefor-dert, durch ihr Wirken dazu beizutra-

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»Wer jahrelang schwer geschleppt hat, spürt es eben irgendwann im Rücken. Wir machen zwar Sportangebote und Schulungen«, sagt Schwerbehinderten-vertreter und Betriebsrat Hans-Peter Se-liger. »Aber die werden leider zu wenig genutzt.« Das Unternehmen legt großen Wert auf das Miteinander von gesunden und behinderten Menschen: Von den 700 Mitarbeitern haben 140 einen Be-hinderungsgrad von 30 Prozent oder mehr. Das ist kein Zufall – wer nach ei-ner Erkrankung oder einem Unfall zu-rückkehrt, wird sehr individuell betreut. Oberstes Ziel: Die Arbeitskraft erhalten. Auch mit Schwerbehinderung.

Klaus Rheingans profitiert davon. Er hatte 1996 einen Arbeitsunfall: Beim Reinigen einer Produktionsanlage geriet

Wer Schwerbehinderung auf Roll stühle reduziert, irrt

er mit der rechten Hand zwischen zwei sich drehende Metallteile. Seine Finger, das Handgelenk und Teile des Unterarms wurden zerquetscht und zudem in einer 90 Grad heißen Sus-pension verbrüht. Zwar stoppte ein FI-Notschal-ter die Anlage, aber da war es für die Hand des damals 20-Jährigen be-reits zu spät. »Das Ge-webe war verkocht, es war nichts zu retten«, sagt er. Bis heute hat er keine klaren Erinnerun-gen an den Unfall, stand mehrere Tage unter Schock. Eine Woche lag er auf der Intensivsta-

InteGRAtIonSäMteR: unterstützen regional und individuell die teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Bieten je nach Behinderungsart individuelle Beratung und finanzielle unterstützung – etwa durch Finanzierung eines Arbeits-assistenten, der eine blinde Person auf dem Weg zur Arbeit begleitet. entscheiden auch über die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines behinderten Menschen.

InKLuSIon: Der Begriff meint, dass alle Menschen in Kindergärten, Schulen und auch Betrieben gemeinsam und gleichbe-rechtigt lernen und arbeiten – im Gegen-satz zur Integration, bei der eine Gruppe (Behinderte, Ausländer) als »anders« definiert und einer »normalen« Gruppe hinzugefügt werden soll. Konkret: Förder-schulen und Behindertenwerkstätten sollen die Ausnahme und nicht die Regel sein.

BehInDeRtenquote: Jeder Betrieb mit mehr als 20 Mitarbeitern muss nachweisen, dass mindestens 5 Prozent der Arbeitneh-mer schwerbehindert sind. Ansonsten werden monatliche Ausgleichszahlungen zwischen 115 und 290 euro je fehlendem Arbeitsplatz fällig. Für einen schwerbehinderten Auszubil-denden werden zwei Arbeitsplätze gezählt, auch Aufträge an Behindertenwerkstätten können verrechnet werden. Das nutzen

viele der großen DAX-Konzerne, die da- durch oft auch nur einen geringen Ausgleich zahlen, obwohl sie die quote nicht erfüllen. Als haupthindernis für die einstellung schwerbehinderter Menschen geben sie deren besonderen Kündigungsschutz an. Dabei haben allein 2011 in rund 75 Prozent aller Kündigungsanträge die Integrationsämter dem Kündigungsbegehren zugestimmt. unkündbar kann man das wohl kaum nennen.

tion, nach drei Wochen stellten die Ärzte dann fest, dass nur die Amputation der Hand bliebe. »Dann macht sie halt ab«, sagte er damals lapidar.

Heute hat er eine künstliche Hand, mit der er greifen, drücken und vieles tun kann, das mit einer gesunden Hand auch geht. Die Reinigung von Produk-tionsanlagen machen inzwischen andere, Klaus Rheingans arbei-tet aber immer noch in »seiner« Fabrik – nun eben auf dem Wert-stoffhof. Er sortiert mit seinen Kollegen alle

. . . was seine Kollegen auf dem Wertstoffhof auch machen. Marcel hüppe (ganz rechts) fängt trotz Behinderung im herbst eine Ausbildung an.

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»In der beratung ist es am wichtigsten, ein geduldiger Zuhörer zu sein.« Barbara Rüth, Schwerbehinder-tenvertreterin bei bioscientia

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> TITEL ArbEITEn mIT bEhIndErung

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ausgeleerten Verpackungen, verfrachtet sie von Hand in eine Presse und fährt die Paletten mit dem Stapler weg. Seine Handprothese ist ein Meisterwerk der Technik – aber dennoch auf den ersten Blick zu erkennen. »Ich bin inzwischen daran gewöhnt, dass mich Menschen anglotzen«, sagt Rheingans. »Manch-mal frage ich sie, ob sie ein Autogramm haben wollen, aber meistens ignoriere ich das einfach. Kindern dagegen erklä-re ich sehr gern, was mit meiner Hand los ist. Die sind ehrlich interessiert und haben keine Scheu.« Wenn er bei ihnen richtig punkten will, lässt er seine Hand einmal um das Handgelenk kreisen. »Das kannst du mit deiner nicht«, sagt er dann und lacht laut.

Sein Unfall kann heute wohl nie-mand anderem mehr passieren: Bei jeder Reinigung wird inzwischen eine

Reißleine gezogen, die Maschine ange-halten.

ALS SchWeRBehInDeRte ist Heike Ehscheidt wahrlich nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Dabei ist gerade das eines ihrer Probleme: Mit dem rechten Auge kann die 42-Jährige fast gar nicht mehr sehen, dort verbleiben nach einer Netzhauteinblutung nur noch 10 Pro-zent Sehfähigkeit. Auf dem linken Auge plagt sie mehrmals im Jahr eine Regenbogenhautentzündung, die mit ei-ner Cortisontherapie behandelt werden muss. Sie hat zudem Morbus Bechte-rew, eine sehr schmerzhafte chronische Krankheit, die Hüfte und Rücken steif werden lässt und nur mit viel Ausdauer und Gymnastik gelindert werden kann. Umso wichtiger ist für sie ihr Job beim Medizinlabordienstleister Bioscientia in

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Kommen die Schmerzen, hält Ar beit sie über Wasser

7,3 Millionen schwerbehinderte Menschen lebten zum Jahresende 2011 in Deutschland, zu diesem Zeitpunkt 8,9 Prozent der gesamten Bevölkerung.

Schwerbehinderungen nach Behinderungsart (Stand ende 2011)

erkrankungen der inneren organe oder organsysteme 25 Prozent

Funktionseinschränkung der Arme und Beine 13 Prozent

Funktionseinschränkung von Rumpf und Wirbelsäule 12 Prozent

Geistige/Seelische Behinderung 11 Prozent

Zerebrale Störungen (etwa Spastik) 9 Prozent

Blindheit/Sehbehinderung: 5 Prozent

Schwerhörigkeit/Gehörlosigkeit/Sprachstörungen 4 Prozent

Andere 18 Prozent

(eindeutige Abgrenzungen zwischen körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen sind kaum möglich, etwa weil aufgrund starker körperlicher einschränkungen auch seelische Probleme entstehen oder umgekehrt)

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Die meisten Behinderungen – etwa 83 Prozent – werden durch eine Krankheit verursacht. Fast zwei Drittel der schwerbehinderten Menschen haben eine körperliche Behinderung. etwa 29 Prozent der schwerbehinderten Menschen sind 75 Jahre und älter. Fast die hälfte zählt zur Altersgruppe zwischen 55 und 75 Jahren. Zwei Prozent sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

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Kommen die Schmerzen, hält Ar beit sie über Wasser

Warum bist du Schwer- behindertenvertreterin?wenn man krank wird, braucht man unterstützung. Ich bin selbst schwerbehindert und weiß, wovon ich spreche. wir besuchen kranke Kollegen zu hause, helfen beim Papierkram. wenn jemand zum beispiel nach einem unfall im rollstuhl sitzt, kümmern wir uns darum, dass in enger Abstimmung mit dem Arbeitgeber rampen gebaut werden, neue Türen, ein höhenver-stellbarer Tisch. Es ist wichtig, dass jemand diese dinge anpackt.

Keine schöne Aufgabe, ständig mit den unterschiedlichsten Erkrankungen zu tun zu haben . . . Stimmt gar nicht! wer schwerbe-hindert ist, ist ja nicht halb tot. Viele können genauso viel leisten wie gesunde mitarbeiter, brauchen aber einfach mehr Absprachen oder spezielle hilfsmittel. das muss man untereinander klären. Ein schöner nebeneffekt unserer Arbeit ist deshalb, dass viel miteinander geredet wird. man wird gemeinsam kreativ, findet Lösungen für schier unlösbare Probleme. und wird viel sensibler. das finde ich toll.

Haben es Großunternehmen nicht viel leichter, Arbeitsplätze für Schwerbehinderte zu schaffen?Automatisch geht gar nichts. Jedes unternehmen muss das wollen, auch wenn es sich umbauten und betreu-ung leisten kann und zudem viel finanzielle und fachliche unterstüt-zung vom Staat bekommt. Aber klar ist auch: Kleinere betriebe haben es schwerer, schon weil oft gar keine Zeit für die vielen Anträge ist.

Die 35-Jährige ist stellver-tretende Schwerbehinderten-vertreterin bei Bayer health-care in Bergkamen

Fragen an

Eveline Leitmann3

Ingelheim, wo sie Urin- und Stuhlpro-ben an andere Labore verschickt. Ein höhenverstellbarer Schreibtisch und teure Spezialstühle erleichern ihr das Arbeiten. »Wir unterstützen sie, wo es geht«, sagt Bioscientia-Schwerbehinder-tenvertreterin Barbara Rüth. Im letzten Jahr blieb Heike Ehscheidt wegen einer Tablettentherapie monatelang zu Hau-se, hatte kaum Kontakt zu Freunden und Bekannten. »Da sind Beziehungen zerbrochen«, sagt sie. »Einsam und krank, das war furchtbar.«

Das Team ist klein, dass ihre Kol- legen wenig Verständnis für häufige Krankheitstage haben, leuchtet Heike Ehscheidt ein. Arbeitszeit zu reduzieren sei aber auch schwierig, sagt sie: »Das ist finanziell eigentlich nicht drin.« Ihr Hausarzt wundert sich bis heute, war-um sie unbedingt arbeiten will. Die Ar- beit mache ihr einfach großen Spaß, sagt sie: »Sie hält mich über Wasser, wenn die Schmerzen zu groß werden.«

DAS MIteInAnDeR von gesunden und schwerbehinderten Menschen im Be-trieb – wie kann es gelingen? Indem früh angefangen wird. Marcel Hüppe ist dafür ein Beispiel. Der 18-Jährige ist körperlich und geistig behindert und fängt im September eine Ausbildung bei Bayer HealthCare in Bergkamen an. Er hat zunächst ein Praktikum gemacht, dann ein Berufsvorbereitungsjahr – nun weiß man genau, wo Marcel während der Ausbildung zum Lageristen gezielte Förderung brauchen wird. Und was er zurückgeben wird. »Er ist ein so positi-ver Mensch«, sagt Betriebsrätin Eveline Leitmann. »Die Abteilung blüht förm-lich auf, wenn er da ist.«

Alexander Nortrup

Sie hat den Durchblick – trotz schlechter Augen: heike ehscheidt verschickt Labor-proben und hat wegen ihrer chronischen Schmerzen einen speziellen Schreibtisch.

Foto: norbert reh

Auf www.igbce.de gibt es ein Interview mit dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung und eine Broschüre mit tipps zum Arbeiten mit Behinderung; mehr Infos: www.integrationsaemter.de

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> INTERVIEW KEmal ÖzKaN

Kemal ÖzKan hofft darauf, dass türkische Gewerkschaften den moment nutzen und sich gemeinsam mit der protestierenden zivilgesellschaft für arbeitnehmerrechte einsetzen.

Geht es bei den Protesten in der Türkei nur um den geplanten Bau eines Einkaufszentrums und einer Kaserne?Nein, die Gegend rund um den Taksim-Platz und den Gezi-Park ist zwar der letzte grüne Fleck im Herzen der Stadt. Und als die Menschen erfuhren, dass gerade dort ein Einkaufszen-trum und eine Kaserne gebaut werden sollten – was übrigens nie in der Öffentlichkeit diskutiert worden war –, stellten sie sich in den Weg und verhinderten die Baumaßnahmen. Aber abseits des Umweltaspekts wird der Taksim-Platz als das Zen-trum Istanbuls und als Versammlungsplatz angesehen, ge-rade von den Gewerkschaften.

Wieso hat der Platz diesen Symbolcharakter?Das hat einen historischen Hintergrund: Am 1. Mai 1977 kam es auf dem Taksim-Platz zu einem Massaker, bei dem 34 Menschen getötet wurden, als bis heute unbekannte Täter mit automatischen Waffen wahllos in die Menge schossen. Als die Polizei Ende Mai die Demonstranten mit übermäßi-gem Gewalteinsatz, Wasserwerfern und Tränengas vertrieb, fühlten sich viele Menschen an 1977 erinnert. Das Gefühl, dass ihre Grundrechte – das Recht auf freie Rede, das Ver-sammlungsrecht – verletzt wurden, verstärkte sich, je härter Erdogan gegen die Demonstranten vorgehen ließ. Auch als die Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschafts-

bunds, Sharan Burrow, dieses Jahr zu einer 1.-Mai-Feier auf dem Taksim anreiste, wurden die Menschen drangsaliert, an-gegriffen und ihnen wurde verboten, sich auf dem Taksim-Platz zu versammeln. Deshalb entzündete sich an einer Um-weltschutzaktion so explosiv der Protest der Menschen.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, er erkenne das Europäische Parlament nicht an, als viele internationale Organisationen und Institutionen die Türkei dazu aufriefen, die Gewalt gegen die eigene Bevölkerung einzustellen und zum demokratischen Dialog zurückzukehren.Als er 2002 das erste Mal gewählt wurde, war eines seiner wichtigsten politischen Ziele die Integration der Türkei in die EU. Er betonte, dass die Werte Europas nun auch die Werte der Türkei seien. Nun aber sagt er, er erkenne die EU nicht an – und widerspricht sich damit selbst. Erdogan sollte wissen, dass man menschliche Grundrechte nicht einfach von Land zu Land, von Region zu Region ändern kann. Wenn in einem Land fundamentale Menschenrechte verletzt werden, dann ist es unser aller Pflicht, unsere Stim-men zu erheben. Und er sollte eigentlich in der Lage sein, die UN-Menschenrechtscharta und die darin garantierten Rechte zu verstehen, schließlich hat die Türkei diese unter-zeichnet.

»Wir müssen unsere Stimmen erheben«

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Wie steht es um die Gewerkschaften in der Türkei? Die Situation wird immer schlimmer. Dieser Tage haben wir bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO, Sonderorga-nisation der Vereinten Nationen) auch wieder über die Türkei gesprochen. Und obwohl die Türkei die Grundsätze der ILO ratifiziert hat, können Arbeiter ihre gewerkschaftlichen Rechte praktisch nicht wahrnehmen. Derzeit gibt es bei einer Gesamt-bevölkerung von rund 77 Millionen weniger als eine Million Gewerkschaftsmitglieder in der Türkei. Wenn Arbeiter versu-chen, einer Gewerkschaft beizutreten, ist die erste Reaktion der Arbeitgeber, diese als Militante hinzustellen. Es gibt aus ver-schiedenen Richtungen immer wieder Versuche, Tarifverhand-lungen zu verhindern.

Wie stehen die Chancen, dass die Proteste und Gewaltexzesse bald aufhören?Auch wenn die Demonstrationen derzeit still ablaufen, heißt das nicht, dass der Protest in den Köpfen und Herzen der Men-schen verstummt ist. Vieles hat sich seit Beginn der Demons-trationen verändert. Anfangs gab es unter den Aktivisten und Arbeitern große Ängste, wie sich die Proteste langzeitig negativ auswirken könnten. Doch nun sehen sie sich durch ihren Er-folg ermutigt, sich öffentlich auszudrücken und ihre Ansprü-che zu formulieren. Sie haben gesehen, dass sie nicht allein sind. Viele Menschen sind ähnlicher Meinung und haben etwas verändert – und das wird sich sicher auch in der Poli- tik widerspiegeln. Die türkischen Gewerkschaften sollten den Moment nutzen und eine Brücke zur Zivilgesellschaft schla-gen, um sich gemeinsam mit ihr für Arbeitnehmerrechte ein-zusetzen.

Was kann, was sollte Europa tun?Die EU sollte eine wichtige Rollen dabei spielen, die Türkei als Mitglied der europäischen Familie zu halten und auf die Ak-zeptanz aller ihrer Werte zu drängen. Denn diese Werte sind die Ecksteine und das Fundament der Europäischen Gemein-schaft.

Interview: Dirk Kirchberg

zur Person

Kemal Özkan (44) stammt aus einer Gewerkschafter-familie. Er ist Ingenieur mit einem master-abschluss in Volks- und Betriebswirtschaft und seit mehreren Jahr-zehnten als Gewerkschafter aktiv. Özkan wurde 2012 beim Gründungskongress zum Stellvertretenden General-sekretär der industriall Global Union gewählt.

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> leserforum

> Mehr Rechte für Textilarbeiter

unter »Aktuelles« (6/2013)

Nur der AnfangIch finde das Abkom-men der internatio-

nalen Modeproduzenten mit dem internationalen Gewerk-schaftsverband industriAll Global Union eigentlich gut. Aber wer kontrolliert die Ein-haltung der Abkommen? Die freiwillige Selbstverpflich-tung der Unternehmen funk-tioniert in Deutschland schon nicht und dann soll es global klappen?

Dieses Abkommen kann nur der Anfang sein. In mei-nen Augen sind jetzt die Regierungen gefragt.

marcus Barduhn, auf facebook

Es bleibt, wie es istDie Modeproduzenten haben nur ein Papier

unterschrieben. So wie im-mer werden sich die Wirt-schaftsbosse nicht daran hal-ten, alles bleibt, wie es ist und wenn es nicht mehr in Ban-gladesch geht, dann eben in Thailand oder einem ande-ren Dritte-Welt-Land. Die Shirts bei Kik kosten heute

Das Mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

kompakt

vor ort Tausende demonstrieren in der Lausitz für die Braunkohle

tendenzen Wie Tarifverträge helfen, gesünder die Rente zu erreichen

tipps Was Hände über Sie verraten können

Nr. 06 I JuNI 2013 www.igbce.de

Chemie? Aber sicher!

Wer nachhaltig denkt und arbeitet, schafft den

Sprung in die Zukunft.

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Schreiben Sie uns! Wir freuen uns über Lob, Kritik und Anregungen.

Leserbriefe stellen die Meinung des Einsenders dar. Anonyme Zuschriften werden nicht berücksichtigt. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.

drei Euro und werden es auch noch in fünf Jahren kosten!

Josef Trance, auf facebook

> RententheaterLeserbrief von Monika Jänicke (6/2013)

UnwissendEine »Westrentne-rin«, die dem Mann

nur die Latschen gewärmt und den Kindern Brote ge-schmiert hat, hat keine sozial-versicherungspflichtige Tätig-keit ausgeübt und somit auch keine Rentenbeiträge in die Rentenversicherung einge-zahlt. Die Folge ist, dass diese Frau keinen Anspruch auf eine eigene Rente hat.

Ich bin allerdings auch da-für, dass die Menschen im Os-ten bei gleich hohen Lebens-haltungskosten wie im Westen auch das gleiche Einkommen haben. Das gilt für alle Berei-che, nicht nur für die Rentner. rosemarie Hildebrandt, Helsa

> Zu kompakt

Wo ist die Energie?

@ Ich vermisse Beträge zur Energiewende und

zu den erneuerbaren Ener-gien. In meinem Bundes-land Mecklerburg-Vorpom-mern (und nicht nur hier) sind die Erneuerbaren eine stabile Basis für Arbeitsplätze und Wertschöpfung.

Weit und breit hat keine Branche gerade in Bezug auf

neue Arbeitsplätze so großes Potenzial. Das sollte auch in kompakt zum Ausdruck kommen. Dieter Bolte, per e-mail

> Zum Preisrätsel

Tolles Set

@ Herzlichen Dank für das tolle Funk-Stereo-

Kopfhörer-Set, das ich heute erhalten habe. Es hat mich riesig gefreut, dass ich einen solchen Preis gewonnen habe, zumal ich diesen sehr gut gebrauchen kann.

Niko Borzuka, per e-mail

> Zu »Für eine nach- haltige Zukunft«

(6/2013)

Falsche FirmaBedauerlicherweise haben wir in der Titelgeschichte der letzten Ausgabe einen Schreib- fehler produziert. Unter den Betriebsräten, die an der Nach-haltigkeitsinitiative Chemie3 aktiv mitgewirkt haben, ist auch Kai-Uwe Hemmerich, der aber nicht, wie falsch an-gegeben, bei Currenta arbei-tet. Kai-Uwe Hemmerich ist vielmehr Gesamtbetriebsrats-vorsitzender der Clariant Pro-dukte (Deutschland) GmbH am Standort Rhein-Main. Wir bitten den Fehler zu entschul-digen und werden uns nach-haltig bemühen, künftig ge-nauer gegenzulesen.

Die Redaktion

IMPRESSUM

Das mitgliedermagazin der Industriegewerkschaft

Bergbau, Chemie, energie

Herausgebermichael Vassiliadis

Chefredakteur (verantwortlich im Sinne des

Presserechts)Christian Hülsmeier

Stellvertretender Chefredakteurmichael Denecke

Chef vom DienstAlexander Nortrup

Redaktionsarah Heidel, Dirk Kirchberg,

Julia osterwald, Désirée Binder

Redaktionsassistenzsimone michels, Tanja rössner

GestaltungHans Borgaes

RedaktionsanschriftKönigsworther Platz 6

30167 HannoverTelefon: 0511 7631-306/-329

Telefax: 0511 7000891e-mail: [email protected]

Internet: www.igbce.de

Satz: BWH GmbHBeckstraße 10, 30457 Hannover

Gesamtherstellung und -vertrieb:Westend Druckereibetriebe GmbH

Westendstraße 1, 45143 essen

AnzeigenverwaltungNetworkmedia GmbHstresemannstraße 30

10963 BerlinTelefon 030 25594-160 (fax: -190)

e-mail: [email protected]ültige Anzeigenliste Nr. 12 vom 01. 01. 2013

Verantwortlich für den Anzeigenteil:

Claudia Härtig

Zusendungen: für unverlangte einsendungen wird keine

Gewähr übernommen.

Bezugspreis0,90 €, jährlich 10,00 €.

für mitglieder der IG BCe ist der Bezugspreis im mitgliedsbeitrag

enthalten.

Erscheinungsweise: kompakt erscheint monatlich mit acht regionalausgaben für Bayern, Baden-Württemberg,

Hessen-Thüringen, Nord, Nordost, Nordrhein, rheinland-Pfalz/saarland,

Westfalen.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe:21. 6. 2013

Druckauflage: 659 108 (I/2013)

Gedruckt auf chlorfreiem Papier

kompakt

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VOR ORTAlles grünBei Weleda ist Natur Trumpf

Gekündigt ohne SozialplanAllgäuer Verpackungshersteller entlässt 31 Mitarbeiter und verweigert Interessenausgleich.

Gaba in Lörrach ist GeschichteBetriebsrat und IG BCE erreichen einen großzügigen Sozialplan – doch die Arbeitsplätze sind verloren.

Frauen in Führung? Da tut sich was!Betriebsrätinnen ziehen am Ende des Projekts »Frauen – Macht – Erfolg« eine positive Bilanz.

Foto: Sebastian Berger

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> vor ort Weleda

Sanddorn, Granatapfel, Ringelblume oder Zi-trone – danach duftet

es in nahezu allen Produk- tionsetagen und -räumen des Naturkosmetik- und Natur-arzneiherstellers Weleda. Ein Ganzjahresfrühling für die Beschäftigten. Doch gerade der saisonale Wechsel holt sie schnell wieder in die Rea-lität zurück. »Vor Weihnach-ten ist bei uns Hochbetrieb«, sagt Konfektioniererin Anika

Heinze. Dann seien Bade- öle, Elixiere und Lotionen der Renner. Sei es als Ge-schenk oder passend zur Saunasaison.

Von einem inzwischen auch außerhalb der Festtage »sehr guten« Geschäft mit Naturkosmetik und Natur-arznei berichtet der Betriebs-ratsvorsitzende Martin Gross: »Wir wollen nicht die Symp-tome von Krankheiten be-handeln, sondern die innere

Selbstheilung aktivieren.« So erklärt er den anthroposo-phischen Ansatz, mit dem Rudolf Steiner vor mehr als 90 Jahren Weleda gründete. »Einer ganzheitlichen Welt-sicht schließen sich immer mehr Verbraucher an«, meint Gross und glaubt zu wissen, warum: »Die Menschen er-kennen die Notwendigkeit nachhaltigen Denkens und Handelns und vertrauen wie-der der Weisheit der Natur,

die sich über Jahrhunderte bewährt hat. Wir favorisieren individuelle Lösungen statt Allheilmittel.« Die Zahlen ge-ben ihm offensichtlich recht: Der weltweite Umsatz steigt kontinuierlich.

TRAGeNDe SäuLe des deut-schen Weleda-Geschäfts ist mit 72 Prozent Umsatzanteil die Naturkosmetik. Nirgend-wo sonst verkauft Weleda mehr davon als hierzulande.

Mit mutigem MarketingSeiT MehR ALS 90 JAhReN produziert Weleda in Schwäbisch Gmünd arzneimittel und Natur-kosmetik. von anfang an anthroposophisch inspiriert – aber eben auch betriebswirtschaftlich.

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»Wir begleiten jedes vorstellungsge-spräch und setzen Mitarbeiter dort ein, wo es ihrer Persönlichkeit am ehesten entspricht.«

Martin Gross Betriebsratsvorsitzender

Trotz hoher Preise nicht nur an Gutverdiener: »Es gibt eine beständig große Kun-dengruppe, die im Zweifel lieber an ihrem Urlaub spart als an ihrer Hautpflege«, sagt Gross.

DAS POTeNziAL anthropo-sophischer Arzneimittel steht noch ganz am Anfang, wenn man die Schwäbisch Gmün-der fragt. In Zeiten von ver- breiteter beruflicher Über-lastung verzeichne die Stress-

arznei Neurodoron gute Zu-wächse. Was freilich auch an einem inzwischen etwas mu-tigeren Marketing liegen mag, bis 2008 nannte sich das Prä-parat noch Kalium Phospho-ricum comp. Die Basis blieb

aber die gleiche: Kräuter und Pflanzen aus dem eigenen, 23 Hektar großen Heilpflan-zengarten. Nur ein paar Hun-dert Meter von der Produk- tion entfernt arbeiten hier rund 30 Mitarbeiter. »Wir kul-

tivieren sogar Arten wie die Kanadische Gelbwurz oder das Brutblatt, die auf anderen Kontinenten heimisch sind«, sagt Leiter Michael Straub.

Vor Ort ernten er und seine Kollegen rund 180 Pflanzen-arten, häckseln sie, extrahie-ren sie mit Alkohol und pres-sen deren Saft aus. Die so gewonnene Tinktur kommt als Rohstoff in Naturarznei und Naturkosmetik zum Ein-satz. Darüber hinaus be-schafft der Einkauf säcke-weise Natriumalginat, fäs- serweise Pfirsichkernöl und Kanister voll mit Aloe Vera Gel. Wo immer es sinnvoll und verfügbar ist, aus biolo-gisch-dynamischem Anbau. »So unterscheiden wir uns von der in Discountern billig angebotenen Naturkosme-tik«, betont Pressesprecher Theo Stepp.

Überhaupt ist in den Wele-da-Produktionshallen längst nicht die Hektik zu spüren, mit der Aldi, Lidl & Co. ihre Kunden durch die Gänge schleusen. Bei Weleda wirken die Mitarbeiter ruhiger, ent-spannter. Der kleine Plausch zwischendrin ist ausdrück-lich erwünscht. Etwa wenn Anlagenführer Matthias Brock seinem Kollegen mit-teilt, dass er Pfefferminz dem salzigen Geruch der Sole-Zahncreme, die er der-zeit abfüllt, vorziehe.

VieL WeRT legt Betriebsrat Gross darauf, die Mitarbeiter nach deren Persönlichkeit einzusetzen – und nicht nur nach ihrem beruflichen Werdegang: »Als Betriebsrat will ich Rahmenbedingungen schaffen, die Mitarbeiter kör-perlich, seelisch und geistig in Balance bringen.« Er nennt Klassiker wie Yoga, Lauftreff und Kooperationen mit Fit-nessstudios, dazu unkonven-

tionelle Angebote wie Eltern-coaching und Mediation.

Ganz ohne die Mechanis-men der Betriebswirtschaft geht es aber nicht: 2011 er- litt Weleda einen millionen-schweren Verlust. Zu lange hatte man ökonomische Gesetzmäßigkeiten hintenan gestellt. Schmerzhaft war der einmalige Abbau von Ar-beitsplätzen, ebenso die In-anspruchnahme der Tariföff-nung. »Die Entgelterhöhung der Chemie-Tarifrunde 2012 wurde verschoben, dafür im Gegenzug vor allem die langfristige Sicherung der Be- schäftigung erreicht«, so IG BCE-Sekretär Markus Wim-mer. Und: »Den beabsichtig-ten Austritt aus dem Flächen-tarif konnten Betriebsrat und IG BCE verhindern.«

Axel Stefan Sonntag

1 | ABFüLLeN

Durch die Schläuche gelangen Badeöl, Dusch- gel & Co. in die jeweiligen Verpackungen.

2 | uMFüLLeN

Frisch hergestellte zahn-pasta rauscht vom Kessel in den Vorratscontainer.

3 | eRNTeN

Tanja Maier pflückt Bitter- süß im unternehmenseige-nen heilpflanzengarten.

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Weleda entstand 1921 als pharmazeutischer Labor-betrieb. heute ist das unter.- nehmen nach eigenen Angaben weltweit führender hersteller von anthroposophischen Arzneimitteln und ganzheit-licher Naturkosmetik. Die Marke ist in rund 50 Ländern präsent, weltweit beschäftigt die Gruppe etwa 2000 Mit- arbeiter – davon rund 750 in Schwäbisch Gmünd. Die umsatzstärksten Artikel sind die der Babypflege.

Weleda ist Mitglied im iG-BCe-Pharmanetzwerk Baden-Württemberg. im engen Dialog mit der Landesregierung plaka- tiert der Landesbezirk die interessenlagen von Beschäf-tigten und Betrieben der Pharmaindustrie. Deren Dichte ist in Baden-Württem-berg am höchsten.

www.weleda.de

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> vor ort Aktuelles

Betriebsrat und IG BCE ver-handelten 15 Monate, er-

gebnislos. Jetzt hat der inter-national tätige Kunststoffver-packungshersteller Schur Fle-xibles am Standort Kempten 31 Mitarbeitern, überwiegend in der Beutelabteilung tätig, gekündigt. »Wir sind total enttäuscht«, sagt IG-BCE-Gewerk-schaftssekretär Peter Beneke.

Bereits seit sieben Jahren arbeite die Be-legschaft auf Basis eines Ände-rungstarifvertrages 40 Stunden pro Woche ohne Lohnaus-gleich, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Im Gegenzug ver-sprach die Geschäftsleitung in

Gekündigt ohne SozialplanKempten | verpackungshersteller missachtet sozialauswahl/IG BCe reicht klage ein

den Betrieb zu investieren. Dazu kam es nie.

Vor etwas mehr als einem halben Jahr kaufte Schur Flexibles die insolvente Ver-packungsfirma Vacufol in Bad Grönenbach auf. Der Schur-

Flexibles-Betriebsrat ist über-zeugt, dass zwischen den Kün-digungen und dem Kauf ein Zusammenhang besteht.

Denn, so Betriebsratsvorsit-zender Ibrahim Ucak, auch

Vacufol habe eine Beutelabtei-lung und produziere ohne jeg-liche Tarifbindung und ohne Betriebsrat mit Löhnen, die rund 30 Prozent niedriger sind: »Dagegen haben wir kei-ne Chance.« Besonders hart: Trotz zäher Verhandlungen konnten weder Interessenaus-gleich noch Sozialplan verein-bart werden. »Das habe ich in meiner Arbeit noch nicht erlebt«, sagt Beneke.

Die IG BCE hat Kündigungs-schutzklagen eingereicht. »Bei ordnungsgemäßer Sozialaus-wahl«, so Peter Benek, »hätten mindestens zwei Drittel der jetzt Entlassenen keine Kün-digung erhalten dürfen.«

Luitgard Koch

Obwohl die deutsche Pa-pierindustrie heute vier-

mal mehr produziert als 1975, ist ihr spezifischer Energieein-satz seither um fast die Hälfte gesunken. Das beweist, wie lange Nachhaltigkeit für uns schon Thema ist«, bilanzierte Dr. Bernd Götz, der beim Ver-band Deutscher Papierfabri-ken (VDP) den Bereich Um-welt, Technik und Energie verantwortet, Ende Mai auf der 20. Tagung des Bundesarbeits-kreises Umweltschutz (BAKU) der Papier-Sozialpartner.

»Zahlreiche, gemeinsam ini-tiierte BAKU-Projekte setzen Maßstäbe und zeigten Erfolge. Seit 20 Jahren entwickeln Betriebsräte und Arbeitgeber Konzepte und Strategien zur Energieeinsparung in der Pro-duktion. Damit sichern wir die

»BaKu-projekte setzen maßstäbe«GernSBach | Papier-sozialpartner diskutieren energiepolitik

Zukunft unserer Papierindus-trie«, so IG-BCE-Industrie-gruppensekretär Peter Schuld.

Das geschehe ohne Denk-verbote. »Wir schließen nicht aus, dass wir eines Tages Papier ohne Wasser produzieren kön-nen«, wagt VDP-Geschäftsfüh-rer Dr. Reinhardt Thiel einen Blick in die langfristige Zu-kunft. Mit der European Inno-vation Partnership on Water arbeite man eng zusammen,

ebenso mit Universitäten und Forschungsinstituten.

Egbert Biermann, Mitglied im geschäftsführenden IG-BCE-Hauptvorstand, unter-strich zum Abschluss, dass »Nachhaltigkeit ökonomische, soziale und ökologische As-pekte umfasst. Die Betriebsräte räumen dem Thema, das hat 2012 eine Befragung ergeben, einen hohen Stellenwert ein.«

Axel Stefan Sonntag

Betriebsrat soll komplett gehenneumünSter | Beim pharmahersteller pohl-Bos-kamp in hohenlockstedt soll der gesamte Betriebsrat gekündigt werden. eine ent- sprechende namensliste hat der anwalt der Geschäfts-leitung dem neunköpfigen Gremium am 15. Juni zur Zustimmung vorgelegt. Begründet wurde der Schritt mit einer schriftlichen Äuße- rung des Betriebsrats, er fühle sich durch die Geschäfts-führung in seiner arbeit eingeschränkt.

Vorausgegangen ist ein mehrjähriger Konflikt über die Betriebsratsarbeit. Beim einfordern von mitbestim-mungsrechten drohe die Geschäftsführung mit dem entzug freiwilliger sozialer Leistungen, berichtet der Betriebsratsvorsitzende tobias Klaassen. er darf die produktionshalle nicht mehr betreten. Viele der etwa 500 Beschäftigten fühlen sich eingeschüchtert, mit ihm auch nur zu reden. mehrere Betriebsratsmitglieder haben wegen der Behinderung ihrer arbeit bereits aufgegeben.

»uns besorgt diese art des umgangs mit einem demokra-tisch gewählten Gremium«, sagt der IG-Bce-Bezirksleiter ralf erkens. »es ist für alle Beteiligten wichtig, dass wir wieder zu den üblichen umgangsformen im arbeits-leben zurückfinden.«

Klaassen selbst hatte versucht, den Konflikt zu ent- schärfen und eine mediation vorgeschlagen: »Die der- zeitige Situation schadet den mitarbeitern, der Geschäfts-führung selbst und am ende vor allem unserem unter-nehmen.« Sigrid Thomsen

effizienter denn je: papier- produktion in Deutschland.

»Gegen diese Dum-pinglöhne haben wir keine Chance.«

Ibrahim ucak Betriebsratsvorsitzender

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D ie Beschäftigten des Kunststoffherstellers Fi-scher GmbH im hessi-

schen Katzenelnbogen wollen sich nicht mehr mit niedrigen Prämien und geringen Löhnen abspeisen lassen. Sie wandten

sich an die IG BCE, um ihre Lage zu verbessern.

Noch im April waren nur 3 Prozent der Mitarbeiter dort gewerkschaftlich organi-siert. Mittlerweile sind 98 der 140 Beschäftigten im Werk Katzenelnbogen in die IG BCE eingetreten. Der Organi-sationsgrad hat sich auf mehr als 70 Prozent erhöht.

Als das Unternehmen in ein wirtschaftliches Tief geriet, wurde vor fünf Jahren das Weihnachtsgeld gestrichen.

»Seitdem ist es ausgesetzt«, be-richtet Elisabeth Gomez. Als man die Schließung habe befürchten müssen, seien die Mitarbeiter bereit gewesen, Einschnitte und Doppel-schichten hinzunehmen. Jetzt

erhole sich das Unter-nehmen, für 2013 werde ein Zuwachs von 10 bis 15 Prozent erwartet. »Doch wir Arbeiter machen und tun, und für uns gibt es nichts«, so die 53-jährige Gomez.

SKepSIS gibt es auch gegenüber dem parallel angekündig-

ten Prämiensystem. Ob Prä-mien dann tatsächlich bezahlt würden, hänge von so vielen Parametern ab. »Wenn die Ma-schine kaputt ist und man deshalb unter den Stückzahlen bleibt, bekommt man unver-schuldet keine Prämie«, weiß Tanja Arnold und ergänzt: »Prämien fließen auch nicht in die Berechnung des Arbeits-losengeldes ein.«

Die Beschäftigten suchten Unterstützung und wandten sich an die IG BCE. Nachdem

bekannt wurde, dass die Mit-arbeiter mit der Gewerkschaft ins Gespräch gekommen sind, hat die Unternehmensleitung das Prämiensystem auf Eis ge-legt. Begründung: Man wisse ja nun nicht, wer eigentlich der Verhandlungspartner sei. »Wir haben bei ei-ner ersten Veranstal-tung im April lediglich mit den Beschäftigten gesprochen, einen Verhandlungsauftrag haben wir erst bei ei-ner Veranstaltung im Juni erhalten«, schil-dert IG-BCE-Bezirks-sekretärin Petra Pohl die Entwicklung.

DaS VOtum der Mitglieder war eindeutig: »Wir wollen, dass die IG BCE für uns ver-handelt.« Die Vorstellungen sind klar. »Mehr Lohn«, bringt es die 36-jährige Sieg-linde Schneider auf den Punkt. Helga Schlüter will auch die Weihnachtsgeldfrage geklärt haben. Und Behxhet Shere-menti erhofft sich von der Partnerschaft mit der IG BCE »auch ein besseres Betriebs-klima und mehr Ehrlichkeit«.

Stolze Quote: Von 3 auf 70 prozentKatZeneLnBOGen | unzufrieden mit Prämien und löhnen/Beschäftigte organisieren sich und holen IG BCe ins Boot

Die IG BCE wird, gemein-sam mit einer Projektgruppe, ein Sondierungsgespräch mit der Geschäftsleitung verein-baren. Danach soll es in die Verhandlung mit dem Ar- beitgeber gehen. Dabei ist der

Gewerkschaft die Einbindung der Mitglieder besonders wichtig.

»Natürlich stehen die Erhal-tung des Standortes und die Sicherung der Arbeitsplätze an erster Stelle, das muss aber ver-bunden werden mit einer leis-tungsgerechten Entlohnung«, so Gewerkschaftssekretärin Petra Pohl. Und sie betont: »Dazu brauchen wir die Unter-stützung des Betriebsrates und der Mitglieder, in Gänze.«

Michelle Spillner

Klares Votum: Die Fischer-

Beschäftigten stehen hinter

der IG Bce.

helga Schlüter: »Die Weihnachtsgeldfrage muss geklärt werden.«

elisabeth Gomez: »Wir machen und tun, und für uns gibt es nichts.«

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> vor ort Aktuelles

Sie haben alles versucht: Gaba-Betriebsräte intervenieren bei Ministerpräsident Kretschmann.

T rotz monatelangen Kamp-fes und 20 000 Unter-

schriften: Colgate verlagert die Produktion nach Polen. Bis Dezember werden rund 150 Beschäftigte im Lörracher Gaba-Werk ihren Arbeitsplatz verlieren.

Ein Lichtblick: der von Be-triebsrat und IG BCE ausge-handelte »bestmögliche« Sozi-alplan, so die Bewertung vom Betriebsratsvorsitzenden Mar-tin Grässlin. Vereinbart ist er jedoch nur für die Mitarbei- ter in der Produktion. Neben überdurchschnittlichen Abfin-dungen und einer auf zwölf Monate angelegten Transferge-sellschaft gibt es großzügige Regelungen für Ältere. Mitar-beiter ab 57 erhalten demnach 90 Prozent ihres Nettoeinkom-mens bis zur Regelaltersrente.

Michaela Hinthal profitiert davon nicht. »Frustriert, ratlos, beschissen«, fasst die 35-Jäh-rige ihre Lage zusammen. Mit Mann, zwei Kindern, zwei Kat-

Gaba: Erster Sozialplan stehtLörrach | Überdurchschnittliche Abfindungen – einigung für verwaltung noch offen

zen und einem Hund hat sie das als bisherige Hauptverdie-nerin dank ihrer Arbeit in der Qualitätskontrolle gut schul-tern können. »Ob ich einen vergleichbaren Job finde, weiß ich nicht.« Aufgewühlt ist auch Alex Plattner. »Ich war kurz da-vor, einen Kredit für das eigene Haus aufzunehmen.«

Zwar zeigen sich die Arbeit-nehmervertreter froh über die erste Einigung, sind aber si-cher, dass der Weg dorthin hätte kürzer ausfallen können:

»Colgate hätte uns von Anfang an eine so konstruktive Zu-sammenarbeit wie in den vergangenen Wochen ermög-lichen sollen«, so Michael Mer-le, stellvertretender Betriebs-ratsvorsitzender. Beendet ist die »Salami-Taktik« aber noch nicht: Für die rund 140 Be-schäftigten in der Verwaltung fehlt weiterhin ein Sozialplan. Axel Stefan Sonntag

auf einer zentralen Konfe-renz in Darmstadt forder-

te IG-BCE-Tarifpolitiker Peter Hausmann die Arbeitgeber auf, den Bogen nicht zu über-spannen: »Nach zwei ergeb-nislosen Verhandlungen muss jetzt endlich ein faires Angebot auf den Tisch. Prozente, Alters-teilzeit, Übernahme nach der Ausbildung – es herrscht Still-stand auf breiter Front.«

Vor mehr als 100 Betriebs-räten und Vertrauensleuten aus der Papierindustrie unter-strich Hausmann: »Für die

Tarifrunde Papier: Druck erhöhenDarMSTaDT | IG BCe will Bewegung in bislang ergebnislose verhandlungen bringen

Papierindustrie brauchen wir spezifische Regelungen, um den Übergang zur Rente und den demografischen Wandel zu gestalten – dazu gehören vor allem die Fortführung der Altersteilzeit und die Übernah-me junger Menschen nach der Ausbildung.« Verhandlungs-führer Holger Nieden bewer-tete die bisherigen Vorschläge der Arbeitgeber als »völlig un-konkret und weit von den berechtigten Erwartungen der Beschäftigten entfernt«. Bei al-len strukturellen Schwierigkei-

ten sei die Produktivität au-ßerordentlich hoch: »Die Be-schäftigten haben einen An-spruch auf eine angemessene Erhöhung der Einkommen.«

Die IG BCE fordert für die rund 40 000 Beschäftigten ne-ben einer Entgelterhöhung um 5,5 Prozent auch die Fortfüh-rung des Tarifvertrages Alters-teilzeit und eine Regelung zur Übernahme der Ausgebilde-ten. Die dritte Verhandlungs-runde findet am 25. Juni in Darmstadt statt.

Michael Denecke

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Tarifmeldungen

Ausführliche Informationen: www.igbce.de/tarife

FoToFiniShEr | Die 1700 Beschäftigten im Be- reich Fotofinisher/ceWe color erhalten ab Juni 2013 3 Pro- zent mehr Lohn. außerdem wurde ein Demografietarif-vertrag abgeschlossen, bei dem der arbeitgeber ab 1. Januar 2014 pro Mitarbeiter jährlich 300 Euro für alters- teilzeit, altersvorsorge, Langzeitkonten oder eine Berufsunfähigkeitsversiche-rung zur Verfügung stellt. Weiterhin konnte eine Er- höhung des Urlaubsgeldes erreicht werden.

KaoLininDUSTriE | Die Beschäftigten in der bayeri-schen Kaolinindustrie erhal- ten ab 1. Mai 15 Euro mehr Geld. auf die gestiegenen Einkommen gibt es dann eine Erhöhung um 2 Prozent. Die nachtschichtzulage steigt um 2,6 Prozent. aus- zubildende, die fachlich und persönlich geeignet sind, sollen für mindestens sechs Monate übernommen werden.

KaLK UnD DoLoMiT | nach schwierigen Verhand-lungen konnte am 17. Juni ein Tarifergebnis für die Beschäftigten in der Kalk- und Dolomitindustrie in niedersachsen, Sachsen-anhalt und der Fels-Werke rüdersdorf erzielt werden. Die Löhne, Gehälter und ausbildungsvergütungen erhöhen sich ab dem 1. Juni 2013 um 3 Prozent. Eine weitere Erhöhung um 2,8 Prozent folgt am 1. august 2014. Die Gesamtlaufzeit beträgt 24 Monate bis zum 31. Mai 2015.

Weitere Informationen: www.igbce.de

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Frauen in FührunghannoVEr | Die Bilanz nach drei Jahren Projekt: es tut sich was

Mehr Frauen in Füh-rungspositionen zu bringen war Ziel des

Projektes »Frauen – Macht – Erfolg«. IG BCE und Bundesar-beitgeberverband Chemie ha-ben jetzt nach drei Jahren Bi-lanz gezogen.

Fünf Unternehmen haben sich beteiligt und gemeinsam überlegt, wie sie Frauen und Betriebe motivieren können, Führungspositionen weiblich zu besetzen. Dass es schwierig war, überhaupt Firmen für das vom Europäischen Sozial-fonds geförderte Projekt zu gewinnen, betonte Edeltraud Glänzer vom geschäftsfüh-renden Hauptvorstand der IG BCE. Schließlich aber nahmen

Sasol, BASF, Veritas, Flint Group und Michelin Reifen teil.

DrEi JahrE nach Beginn des Projektes ist die Bilanz bei Sa-sol eindrucksvoll. Das Unter-nehmen hat sich messbare Ziele gesetzt. Es will beispiels-weise seinen Frauenanteil von

18 Prozent bis zum Jahr 2020 auf 25 Prozent steigern. Außer-dem wurde eine Stelle geschaf-fen, um alle Aktivitäten im Be-reich der sozialen Nachhaltig-keit zusammenzufassen, be-reits vorhandene Konzepte zu bündeln, zu optimieren und strategisch wei-terzuentwickeln. Birgit Kuhlhoff managt diesen Bereich: »Wenn wir qualifiziertes Personal finden wollen, muss Sasol als Arbeit-geber attraktiv sein, nicht nur in der Bezahlung. Dazu gehört unter anderem auch die stän-dige Weiterentwicklung im

Engagement zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.«

Die BASF hat als großes Un-ternehmen den Schwerpunkt auf ausgewählte Tä-

tigkeitsfelder gelegt: Frauen in Produktion und Technik so-wie Frauen im Einkauf. So wurde unter anderem geprüft, wo der Weiterbildungsbedarf bei Einkäuferinnen liegt. Be-triebsrätin Christiane Keller-mann: »Im Laufe des Projektes wurde mir immer klarer, dass wir zunächst den Wandel in

den Köpfen schaffen müssen. Die Menschen müssen Chan-cengleichheit leben und vorle-ben.« Heike Katharina Stadt-müller, Rechtsanwältin in der Einheit Personalpolitik, er-gänzt: »Es war uns wichtig,

dass wir dieses Projekt sozial-partnerschaftlich angehen. Gemeinsam mit unseren Ar-beitnehmervertretern haben wir überlegt, was für unser Unternehmen Sinn macht und auf welchen Feldern wir aktiv werden wollen.«

DaS ProJEKT zeigt sich ins-gesamt als Erfolg, so lautet das Resümee nach dem Abschluss. Edeltraud Glänzer möchte es aber nicht allein bei diesem Projekt belassen: »Wir brau-chen jetzt eine Reihe von kon-kreten Maßnahmen, um Un-ternehmen, aber auch Beschäf-tigte zu motivieren, mehr Frau-en in Führungspositionen zu bringen.« Wissenschaftlich be-gleitet wurde das Projekt vom Qualifizierungsförderwerk Chemie. Andrea Lammert

insgesamt zufrieden: Betriebsrätinnen zogen jetzt eine positive Bilanz zum Projekt »Frauen – Macht – Erfolg«.

Fotos (3): Nicole strasser

»Wir brauchen konkrete Maßnahmen, um zu motivieren.«

Edeltraud Glänzer IG BCe

»Wir müssen den Wandel in den köpfen schaffen.«

christiane Kellermann BAsF se

industriepark bangt um invistaGErSThoFEn | Unruhe bei invista. Das chemieunter-nehmen will im schwäbischen industriepark Gersthofen eine komplette Produktionslinie stilllegen. Das gefährdet voraussichtlich die hälfte der rund 300 arbeitsplätze. Derzeit wird dort noch DMT, ein Polyester-Zwischenpro-dukt für Verpackungsfolien, produziert. nach angaben von invista wurde die DMT-Pro-duktion in den vergangenen Jahren unrentabel. Gründe seien Überangebote am Markt und die starke Konkurrenz durch alternativprodukte.

Die invista-Pläne hät- ten auswirkungen für alle Unternehmen im industrie-park. Denn die Betriebe tei- len sich die Kosten für die Betreibergesellschaft. Bislang ist invista größter arbeitge-ber. Die Stillegung würde die Kosten für die anderen Un- ternehmen erhöhen. »Wenn ein Unternehmen Probleme hat, hat das auswirkungen auf den gesamten industriepark«, weiß ingrid Knöpfle von der Betreiber- und Servicegesell-schaft des industrieparks.

»Das ist ein brutaler Einschnitt«, betont auch iG-BcE-Bezirksleiter Torsten Falke. Bereits vor vier Jahren zeichneten sich die absatz-probleme bei DMT ab. Um die arbeitsplätz zu sichern, verzichtete die Belegschaft damals auf Sonderzahlungen und Gehaltserhöhungen. Sie stimmte einem bis 2015 gültigen Standortsicherungs-tarifvertrag zu. Die iG BcE behält sich vor, diesen außer- ordentlich zu kündigen, wenn dadurch keine längerfristige arbeitsplatzsicherung erfolgt. Luitgard Koch

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> vor ort Baden-WürttemBerg

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Jugend im netzwerk unterwegsmannheim | »Chancengleichheit im Bildungssystem« – unter diesem Motto stehen 2013 Veranstaltungen und Aktionen der IG-BCE-Jugend im Bezirk Mannheim. Um zu erfahren, wie Parteien und andere Gewerkschaften dieses Thema besetzen, traf sich der Bezirksjugendausschuss (BJA) mit Matthias Ru-dolph und Alicia Storch von der IG-Metall-Jugend. Gast war Christian Dristram, Juso-Vorsitzender in Mannheim. In der angeregten Diskussion hat der Nachwuchs seine Positionen ausgetauscht. Einigkeit bestand darin, dass die Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein darf. Der BJA plant weitere Treffen mit anderen Jugendverbänden.

Frauenforum-treffen am 23. Julimannheim | Nach der Konstituierung trifft sich das Frauenforum am 23. Juli zur ersten gemeinsamen Ver-anstaltung. Im Technoseum wird Heike Jäger, Refe-rentin aus Ham-burg, einen historischen Überblick zum Thema »Frauen in der Arbeiterbewegung« geben. Im Anschluss ist eine gemeinsame Führung durch die Ausstellung »Durch Nacht zum Licht?« (Foto) vorgesehen. Interessierte Frauen können sich ab sofort im Bezirksbüro anmelden (Telefon: 0621 178289-0).

Im Vorfeld der Bundestagswahl werden die IG-BCE-Frauen Rhein-Neckar an mehreren Diskussionsrunden teilnehmen. Zu Gleichstellungsfragen, wie dem gesetzlichen Rückkehr-recht von Teilzeit auf Vollzeit, wollen sie Politikern »auf den Zahn fühlen«. Im Spätjahr ist dann, nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr, ein Filmabend zu einem frauenpoli- tischen Thema geplant.

doppelte Belohnungkornwestheim | Bis Ende September belohnt der Bezirk Kornwestheim neu ge-worbene Mitglieder samt deren Werbern gleich zweifach. Im Rahmen der Aktion »Mach’ deine Flanken stark!!!« erhalten Werber und Neu-Mitglied jeweils einen Tankgutschein. Zusätzlich gibt es für engagierte Werberinnen und Werber den üblichen Werbeprämienpunkt.

Gegen das Vergessenkornwestheim | gedenktafel erinnert an 1933

»Dieses Haus wurde 1928 vom Zentral-verband der Schuhma-cher erbaut. Fünf Jahre später erlebte es die dun-kelste Zeit der Gewerk-schaftsge-schichte.« Egbert Biermann vom geschäftsführenden IG-BCE-Hauptvorstand nahm be-züglich der Verbrechen, die die Nationalsozialisten rings-um und im Kornwestheimer Gewerkschaftshaus begingen, kein Blatt vor den Mund. »SA-Kommandos besetzten und verwüsteten unser heutiges Be-zirksbürogebäude. Die Nazis drangsalierten die beiden An-gestellten zusammen mit Tau-senden anderer Menschen im KZ Heuberg, unter ihnen Kurt Schumacher, der erste Nach-kriegsvorsitzende der SPD.«

An diese Gräueltaten, die sich vor 80 Jahren abspielten, erinnert nun eine am Gewerk-schaftshaus angebrachte Ge-denktafel. Anfang Mai enthüll-te sie Biermann gemeinsam mit Bezirksleiter Andreas Klo-se. Treibende Kraft dabei war die Ortsgruppe. Für Karin Rüf-

fel, erste Vorsitzende und ehe-malige Gesamtbetriebsratsvor-sitzende von Salamander, ein

wichtiges Anliegen, »zumal hier noch das einzige Gewerk-schaftshaus der Region Lud-wigsburg verblieben ist«.

Dessen besonderer Historie sind sich Bezirksleiter Andreas

Klose und sein Team voll bewusst: »Wir werden alles tun, damit das Geschehe-ne nie in Vergessen-heit gerät. Wo wir auftreten, in den Betrieben und auch außerhalb, werden wir gegen jedwede rechtsextreme Ten-denz kompromisslos vorgehen«, verspricht Klose.

n a m e n & n a C h r i C h t e n

Weitere Infos im Internet: www.kornwestheim.igbce.de www.facebook.com/igbcekornwestheim

in seiner rede verurteilte egbert Biermann die er-stürmung des Gewerkschaftshauses.

egbert Biermann, karin rüffel, andreas klose und Bezirksvorstandsvorsitzende irmtraud schneele-schultheiß (von links) vor der neuen (roten) Gedenktafel.

mit dem von DGB-kollegin silke ortwein vorgespielten »heu-berg-Lied« machten sich seiner-zeit die internierten mut.

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Pharma sichern, Leiharbeit begrenzenLuDwiGsBurG | Landesbezirksdelegiertenkonferenz verabschiedet 56 anträge

Ob bessere Ausstattung der Be-rufsschulen oder paritätisch fi-nanzierte Rente, ob eine Min-destzahl weiblicher Delegierter beim Gewerkschaftskongress oder die Einführung der Bil-dungsfreistellung im Land: Die 56 Anträge, über die alle 60 Delegierten der Landes- bezirksdelegiertenkonferenz abstimmten, repräsentierten nahezu alle Themen, die IG-BCE-Mitglieder in Baden-Württemberg bewegen.

Große Aufmerksamkeit kam den Bereichen Energie und Pharma zu. Wilfried Schulz, Betriebsratsvorsitzender beim Arzneimittelhersteller Schwa-be: »Unser Betrieb investiert am Standort Karlsruhe jährlich rund 20 Millionen Euro, um die Innovationskraft unserer Produkte aufrechtzuerhalten.«

Schulz hat daher an einem Antrag mitgewirkt, der vor-sieht, die pharmapolitischen Aktivitäten der IG BCE zu konkretisieren und weiterzu-entwickeln.

Die Vertrauensleute von Boehringer Ingelheim am Standort Biberach setzen sich dafür ein, Leiharbeit auf klar definierte Kriterien zu begren-zen. »Bei uns wurden Teile der Stammbelegschaft immer mehr durch Leiharbeiter er-setzt. Nach vielen Verhandlun-gen haben wir nun erreicht, dass Boehringer viele Leihar-beiter übernehmen wird«, sagt Vertrauensfrau Nicole Weiss.

Das Thema griff Edeltraud Glänzer vom geschäftsführen-den IG-BCE-Hauptvorstand in ihrer Rede auf. Sie kritisierte, dass Betriebe zusätzlichen Per-

rund 100 teil-nehmer kamen ins Forum Ludwigs-burg. Gewerkschaf-terinnen fordern von minister nils schmid erneut die Bildungs- freistellung.

Weitere Infos und der neu ge- wählte Landesbezirksvorstand: www.baden-wuerttemberg. igbce.de

Zu Gast: DGB-Landesvorsitzender nikolaus Landgraf, sPD-Fraktionschef Claus schmiedel und CDu-mdL klaus herrmann (Foto oben, von rechts). rechts: Der auf der konferenz neu gewählte Landesbezirksvorstand.

Landesbezirksleiterin Catharina Clay dankt Josef Braun, 34 Jah-re lang freigestellter Betriebsrat bei der Papierfabrik koehler.

sonalbedarf oft nur noch per Befristung oder Leiharbeit ab-deckten. Wenn Leiharbeit gar dazu benutzt wird, das Streik-recht zu unterlaufen, »fordern wir, dass sich solche Betriebe künftig strafbar machen«.

Die Betriebsrätetagung am Vortag der Konferenz nutz- ten die Arbeitnehmervertreter nicht nur zum Netzwerken und zum Diskutieren. Sie überreichten Wirtschaftsmi-nister Nils Schmid erneut meh-rere Hundert Postkarten mit der Bitte, die versprochene Bil-dungsfreistellung endlich um-zusetzen.

Höhepunkt des zweitägigen Zusammentreffens war die Verleihung der Hans-Böckler-Medaille an Josef Braun. »Du hast dich über viele Jahrzehnte hinweg um Mitbestimmung

und die Gewerkschaft verdient gemacht«, dankte Landesbe-zirksleiterin Catharina Clay.

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tarif Papier: »Das wollen wir«aschaffenburg/München | Die Überraschung stand vielen Passanten ins Gesicht geschrieben, als sie am ersten Juni-Samstag in der Aschaffenburger Innenstadt auf Jugend-liche stießen, die eine Kis-senschlacht austrugen. Der »Flashmob« (Foto) der Ju-gend- und Auszubildenden-vertreter von Sappi in Stock-stadt war Teil der Aktivitäten zur Tarifrunde Papier. Mit Kissen schlugen die jungen Leute auf einen dargestellten Ar-beitgeber ein, der sich gegen eine tarifliche Übernahmerege-lung für Azubis aussprach. Neben einer Übernahmerege- lung fordert die IG BCE eine Lohnerhöhung von 5,5 Pro-zent und die Verlängerung des Tarifvertrags Altersteil-zeit. Hierfür wurden in den bayerischen Betrieben viele Unterschriften gesammelt. Im Bezirk Mainfranken war-ben Plakatwände für die For-derung (Foto). Die dritte Tarifverhandlung fand am 25. Juni nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt (siehe auch Seite 26).

Bayern bei Bundesjugendkonferenzhannover | 32 Jugend-vertreter und Studierende aus dem Lan-desbezirk freuten sich, dass sie die Anliegen der bayerischen IG-BCE-Mitglieder er-folgreich bei der Bundesjugendkonferenz vom 17. bis 20. Mai in Hannover einbringen konnten. Von den rund 220 dis- kutierten Anträgen stammten 28 aus Bayern. Landesjugend-sekretär Jörg Kammermann: »Uns waren die Perspektiven junger Menschen und das Thema Zukunftsgewerkschaft sehr wichtig. Auch die Forderungen nach mehr Solidarität in Europa konnte erfolgreich eingebracht werden.« Die meisten Beschlüsse der Jugendkonferenz werden auf dem Gewerk-schaftskongress im Oktober behandelt und beeinflussen so die Richtung der gesamten Gewerkschaft.

Werberhitparade6 aufnahmen: Gebhard Fraunhofer (Siltronic, Burghausen), Klaus Moik (Knauf Gips, Iphofen).

für gutes geld KelheiM/augsburg | Warnstreiks und ein langer atem

»Mit Sozialpartnerschaft kom-men wir nicht weiter«, stellte IG-BCE-Gewerkschaftssekretär Christian Schlag fest. »Sie ist aufgekündigt – und zwar von Arbeitgeberseite.« Rund 90 Be-schäftigte der Firma Bolta In-dustrie- und Bauprofile in Schönberg protestierten im Juni mit Warnstreiks gegen das geplante Tarifdumping ihrer Geschäftsführung (Foto oben).

Der neue Haustarifvertrag müsse an den Flächentarif an-gepasst werden, forderte die Belegschaft. »Die Geschäfts-führung hat jegliches Augen-maß für die Beschäftigten ver-loren. Gegen Tarifdumping, das Unterlaufen gesetzlicher Mindeststandards und die Opferung der Mitbestimmung zugunsten einer zügellosen Flexibilisierung wehren wir uns«, machte Betriebsratsvor-sitzender Thomas Kunze deut-lich.

Zumal die Beschäftigten be-reits erhebliche Beiträge zur Kostensenkung geleistet ha-ben. So verzichteten sie auf ihr Weihnachtsgeld und leisteten Kurzarbeit. »Eine Nullrunde kommt für uns nicht infrage«, bekräftigte Kunze. Der Tarif-

konflikt schwelt schon länger. Bereits am der Tag der Arbeit machte ein Teil der Belegschaft mit einer Protestaktion darauf aufmerksam.

Dass Durchhaltevermögen und ein langer Atem lohnen, zeigt sich beim Automobilzu-lieferer WAFA Kunststofftech-nik (Foto unten). Die Beschäf-tigten des mittelständischen Unternehmens in Augsburg-Haunstetten können aufat-men. Nach fast neunmonati-gen zähen Verhandlungen er-zielte die IG BCE einen zwei-stufigen Tarifabschluss. Nach Automobilkrise, dem stetigen Wechsel der Werks- und Pro-duktionsleiter und der Über-windung finanzieller Proble-me gelang erstmals nach et- lichen Jahren eine Lohnerhö-hung von insgesamt 5,8 Pro-zent.

Hierbei ist aber auch die Be-legschaft gefragt, sich stärker zu organisieren, um künftig derart lange Leerzeiträume zu vermeiden. Andernfalls müsste WAFA sich in einigen Jahren als unsozial betiteln lassen, so Verhandlungsführer Torsten Falke vom Bezirk Augsburg. »Den Kompromiss kann das

Unternehmen nach Jah-ren der Abstinenz gut verkraften«, betonte Fal-ke. Außerdem brauche WAFA unbedingt reale Kunststofflöhne, um im Wettbewerb nach guten und motivierten Fach-kräften mithalten zu können.

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studierende im visier München/augsburg | Dialog mit den »Chefs von morgen«

Der Anteil hoch qualifizierter Be-schäftigter in den Untenehmen nimmt zu. In Bay-ern haben knapp 11 Prozent der Er-werbstätigen einen Fachhochschul- oder Hochschul-abschluss. Insge-samt sind in Deutschland so viele Akademiker beschäftigt wie noch nie: Ihre Zahl ist von 2001 bis 2011 um knapp die Hälfte gestiegen, um 2,5 Mil-lionen auf 7,7 Millionen.

Grund genug für die IG BCE auch den zukünftigen Fachkräften mit Hochschul-abschluss so früh wie möglich die Politik der IG BCE, Sozial-partnerschaft und Mitbestim-mung in den Unternehmen nahezubringen – und sich vor allem als kompetenter Ansprechpartner zu präsen-tieren.

Auch im Landesbezirk Bay-ern ist die IG BCE im Dia- log mit Hochschulvertretern und Studierenden. Jüngst in-formierte beispielsweise der IG-BCE-Bezirk Augsburg ge-meinsam mit der örtlichen IG Me-tall an der Hoch-schule über Finan-zierungsmöglich-keiten im Studium und Rechtliches rund um den Job und über die Vor-teile einer IG-BCE-Mitgliedschaft (Foto).

Schon im Früh-jahr waren die Ge-werkschaften mit einem Infostand an der Hochschu-le vertreten und

begrüßten die Erstsemester. Kooperiert wird auch mit der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung. Deren Augs-burger Stipendiaten machen Gewerkschaft an Hochschule und Universität zum Thema. Die Kooperation mit der Hochschule Augsburg soll ausgebaut werden, weitere Veranstaltungen sind geplant.

Kontakte zu Hochschulen gibt es auch im Bezirk Nord-ostbayern. Hier soll unter an-derem ein Netzwerk Bildung zwischen IG BCE, Hochschu-len und Unternehmen dazu beitragen, die jungen Leute beispielsweise über Praktika auch später als gesuchte Fach-kräfte in der Region zu halten.

Ebenfalls im Visier, aber leichter zugänglich für die

IG BCE, sind dual Studierende: Ne-ben dem Studi-um absolvieren sie gleichzeitig eine Ausbildung im Be-trieb. Zurzeit fan-gen etwa 10 Pro-zent der neuen Azubis in den Be-trieben in einem dualen Studium an. Damit wird das duale Studium als zweite Säule der dualen Ausbil-dung immer wich-tiger.

Innerhalb der Pharmaindustrie ist die IG BCE als Gewerkschaft nicht unbedingt optimal verankert. Wie sieht die Situation bei der Niederlassung des US-Pharmariesen Pfizer im schwäbischen Illertissen aus? In unserem Werk hat sich viel bewegt. Innerhalb der ver-gangenen Monate gelang es, die Mitgliederzahl fast zu ver- doppeln. Die Gesprächsbereitschaft bei den Kollegen ist enorm gestiegen. Früher war durch die übertarifliche Be- zahlung kaum Interesse vorhanden, sich zu engagieren. Kurzarbeit war selbst in den schlimmsten Zeiten der Wirtschaftskrise bei uns kein thema. Jetzt kommen sogar ganz Hartnäckige, die absolut keinen argumenten zugäng-lich waren, und fragen nach der Beitrittserklärung.

Woran liegt dieser Umschwung?Inzwischen haben viele aus der Belegschaft gemerkt, dass auch die scheinbar heile Welt der Pharmabranche in bewegten Zeiten vor einschnitten nicht sicher ist. Besonders seit der neuausrichtung des weltweitoperierenden US-Ge-samtkonzerns ist immer wieder von einsparungen und Stellenabbau die rede. vor zwei Jahren wurden erstmals rund 120 Stellen bei uns eingespart. einen Schwerpunkt stellt seither die verpackung von arzneimitteln dar sowie die Herstellung sogenannter hochwirksamer Stoffe auf einer vollautomatischen Produktionsanlage. Darauf wird das raucherentwöhnungspräparat »Champix« hergestellt. Für beide anlagen hatte Pfizer bis 2009 rund 75 Millionen euro investiert. ende vergangenen Jahres hieß es sogar, das ganze Werk des arzneimittelherstellers in Illertissen stehe zum verkauf. Da herrschte erstmals gedrückte Stimmung.

Welches Vorgehen hat sich bei der Mitgliederwerbung besonders bewährt?Beste erfahrungen habe ich gemacht, seit ich systematisch zu abteilungsinternen Sitzungen und teambesprechungen gehe. Das trägt dazu bei, dass dann innerhalb der Gruppen fast von selbst Diskussionen angestoßen werden. Danach gehe ich einige Wochen später noch einmal einzeln auf die Leute zu. am erfolgreichsten sind wir bisher im Bereich Produktion und Lager. verwaltung und Labor ist zwar auch ansprechbar, aber noch nicht ganz so aufgeschlossen. Da ist noch einiges an Potenzial vorhanden.

Der 38-jährige Betriebs- rat des Pfizer-arznei- mittelwerks in Illertissen zum thema erfolgreiche Mitgliederwerbung.

Fragen an Markus Mahler3

Mit einem flyer infor-miert die ig bce, warum es sich auch im studium lohnt, Mitglied zu sein.

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Mach’ meinen Kumpel nicht an!melsungen | Unter diesem Motto startete die diesjährige Aktion der Jugend- und Auszubildendenvertretung B. Braun zur Betriebsversammlung im April 2013. Das Logo des Pro-jektes »Die Gelbe Hand« schmückte Brötchen, Wände sowie Tische. Auch die Jugend- und Auszubildendenvertreter tru-gen mittels ihrer selbst gestalteten gelben T-Shirts zum Gesamtbild bei und signalisierten den Kolleginnen und Kollegen, wofür sie standen. Die Aktion – ein Beitrag zum Wettbewerb »Die Gelbe Hand« – war ein voller Erfolg.

50 Jahre Pirellihöchst | Ende Mai feierte Pirelli in Höchst im Odenwald den 50. Jahrestag des Einstiegs seines Mutterunternehmens. Zu diesem Anlass waren die Tore für die Mitarbeiter und für die Öffentlichkeit geöffnet – für die IG BCE eine gute Gelegenheit, sich zu präsentieren. An einer Pinnwand waren die Aufgaben des Betriebsrats, Aktionen der IG BCE und ein Bildvortrag zu sehen, Gespräche konnten bei einer Tasse Kaffee vertieft wer-den. Rund 30 000 Besucher kamen an diesem Tag. Viele Kolle-ginnen und Kollegen hatten ihre Kinder mitgebracht, die voller Stolz »unsere Käppis« der IG BCE trugen.

Lehren aus der geschichtedarmstadt | »Was wäre, wenn . . .« war die häufigste Frage an Holger Heith, Archivar im Haus der Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Die dritte Sitzung des IG-BCE-Regio-nalforums Südhessen beschäftigte sich mit dem 80. Jahres-tag der Zerschlagung der deutschen Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten. Die Frage, ob die Gewerkschaften hätten anders handeln können oder sollen, und ob man da-mit den Zweiten Weltkrieg sowie seine Folgen hätte verhindern können, wird für immer unbeantwortet bleiben. Doch eines hat die Geschichte gelehrt: Die Stärke und politische Wir-kung von Gewerkschaften hängt heute wie damals davon ab, ob sich Arbeitnehmer selbstbewusst ihrer Position in der Gesellschaft bewusst werden und zusammen agieren.

vertrauensleutewahl bei Contitechkarben | Bei ContiTech wurden erstmals Vertrauensleute gewählt. Um diese in ihrer Arbeit zu unterstützen, organi-sierte Gewerkschaftssekretärin Petra Pohl eine Intensiv-schulung über die Rechte und Pflichten der Vertrauensleute, Tarifpolitik, Tarifverträge, und Tarifgeschichte sowie die er-folgreiche Zusammenarbeit mit der IG BCE. Das Thema »Al-ters- und alternsgerechte Arbeitsplätze« wird ein fester Be-standteil des vereinbarten Arbeitsplanes. Eine wichtige Rolle spielen auch die nächste Tarifrunde und die aktive Mitgestal-tung der kommenden Betriebsratswahlen.

Vielfältige aktionenwiesbaden | Der 1. Mai in Hessen und thüringen

An vielen Orten in Hessen und Thüringen gab es am 1. Mai Kundgebungen und Veranstaltungen der Gewerk-schaften, an denen sich die IG BCE aktiv beteiligte. Hier einige Schlaglichter aus unse-rer Region:

philippsborn | Vor rund 400 Kundgebungsteilneh-mern betonte Egbert Bier-mann, Mitglied des geschäfts-führenden Hauptvorstandes,

die Bedeutung des Kaliberg-baus für die Region. 5000 Ar-beitsplätze sind dort von der anhaltenden Diskussion um die Laugeneinleitung in die Werra bedroht. Die IG BCE ist entschieden für den Um-weltschutz, doch wenn über-zogene Auflagen Unterneh-men und Arbeitsplätze ge- fährden, ist Besonnenheit ge-fragt.

hanau | Bei der Kundgebung vor dem Goldschmiedehaus in Hanau machten die IG-BCE-Mitglieder Karlheinz Hofmann und Julian Haber-

korn auf die Missstände in unserer Gesellschaft aufmerk-sam: »Es kann nicht sein, dass man von seinem Arbeitslohn nicht leben kann«, bemän-gelte Karlheinz Hofmann.

melsungen | In Melsungen sprach Yasmin Fahimi, Leite-rin des Projekts Gute Arbeit in der Hauptverwaltung der IG BCE, über ihre Themen, aber auch über aktuelle politische Fragen wie das Kaputtsparen der südeuropäischen Länder und die Rentenpolitik.

heringen | Thomas Zierdt, VKV-Vorsitzender im K+S- Werk Werra, hob hier die his-torische Bedeutung des 1. Mai und die Errungenschaften der Gewerkschaften in den letz-ten 80 Jahren hervor. Diese gelte es, in der heutigen Zeit immer wieder gegen Angriffe aus den verschiedenen neoli-beralen Lagern zu verteidigen.

marburg | Die Ortsgrup-penvorstände und Vertrau-ensleutekörper am Standort

Marburg arbeiteten bei der Vorbereitung des 1. Mai erst-mals intensiv zusammen. So organisierte die Ortsgruppe Marburg für das leibliche Wohl der Demoteilnehmer ein »Kaffemobil«. Die Ver-trauensleute der Standortfir-men verteilten eigens für den 1. Mai gestaltete Flugblätter.

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egbert biermann sprach über umweltschutz und arbeitsplätze.

aktive ig bce in hanau.

gute stimmung in marburg.

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engagierte diskussionhannoVer | erfolgreiche Bundesjugendkonferenz

Der Landesbezirk Hessen-Thüringen war mit 22 Dele-gierten auf der Bundesjugend-konferenz der IG BCE ver- treten und diskutierte enga-giert, aber auch kritisch rund 200 Anträge, darunter rund 30 aus Hessen-Thüringen

Landesjugendsekretärin An-ne Weinschank zeigte sich zu-frieden mit dem Kongress: »Unsere Delegierten haben die Jugend in Hessen-Thüringen

würdig vertreten und engagiert, politisch, aber auch kritisch diskutiert.«

mindestlohn wird thema

münster | Ende Mai fand die 35. Bundestagung der Christ-lich-Demokratischen Arbeit-nehmerschaft (CDA) in Müns-ter statt. Bundeskanzlerin An-gela Merkel versicherte dort als Gastrednerin, dass nach einer gewonnenen Bundes-tagswahl der Mindestlohn Bestandteil der Koalitionsver-handlungen sein wird.

»Dies ist ein wichtiges Ver-sprechen«, so Kai-Uwe Hem-merich, Betriebsratsvorsitzen-der von Clariant am Industrie-park Höchst. Er zeigte sich er-freut, dass ein Leitantrag von

den Delegierten verabschiedet wurde, der unter anderem die Einführung einer Lohnunter-grenze fordert. Erstmals wurde IG-BCE-Mitglied Hemmerich dort in den CDA-Bundesvor-stand gewählt.

Die schönste Zeit des JahresDie Urlaubszeit beginnt. Und mit ihr beginnt die Zeit, in der

besonders deutlich wird, warum es sich lohnt, eine starke

Gewerkschaft zu haben. Auf den ersten Blick eine verwir-

rende Aussage. Ist die Gewerkschaft nicht vor allem am

Arbeitsplatz wichtig? Was hat sie mit dem Urlaub zu tun?

Eine ganze Menge! Es fängt schon bei der Dauer der ar-

beitsfreien Zeit an. Gesetzlich vorgesehen sind gerade mal

vier Wochen Urlaub im Jahr. Doch die IG BCE hat den Ur-

laub in Verhandlungen mit den Arbeitgebern auf mindestens

30 Tage (sechs Wochen) erhöhen können und im Tarifvertrag

festschreiben lassen. Zwei Wochen ihres Jahresurlaubes ha-

ben die Beschäftigten also ihrer Gewerkschaft zu verdanken.

»Die Solidarität unter Gewerkschafts- mitgliedern hört nicht am Werktor auf.«

Auch das Urlaubsgeld gäbe es ohne die IG BCE nicht. Für

viele Familien wird der Jahresurlaub so erst erschwinglich.

Diese Leistungen genießen alle Beschäftigten. Allein die Ge-

werkschaftsmitglieder haben noch einen weiteren Vorteil:

Sie sind – bereits im Rahmen ihres ganz normalen Mit-

gliedsbeitrages – auch im Urlaub unfallversichert. Denn die

IG BCE hat für alle Mitglieder eine ganz spezielle Freizeitun-

fallversicherung abgeschlossen. Mit festen Leistungen im

Krankheitsfall, hohen Summen bei Invalidität und sogar

einer Unterstützung für die Hinterbliebenen im Todesfall.

Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der Rundumsiche-

rung, in deren Genuss die Mitglieder der IG BCE kommen –

und nur diese! Denn die Solidarität unter Gewerkschafts-

mitgliedern hört eben nicht am Werktor auf. Ob im Beruf

oder in der Freizeit – auf ihre Gewerkschaft können die Mit-

glieder bauen.

Mitglied in der IG Bergbau, Chemie, Energie zu sein, zahlt

sich eben aus!

Z w i s c h e n r u F

Volker weberLandesbezirksleiter Hessen-Thü[email protected]

kai-uwe hemmerich spricht zu den cda-delegierten

»abstimmungsarbeit« auf der bundesjugendkonferenz.

Frühjahrsempfang zur Familienpolitik

darmstadt | Dass für eine bessere Kinderbetreuung mehr getan werden muss, ist allen bewusst. Der Frühjahrsemp-fang der IG-BCE-Ortsgruppe GroReiRo griff diese Proble-matik auf. Gewerkschaftsse-kretär Manuel Hänig begrüßte über 40 Teilnehmer und als Diskussionsgäste Wolfgang Günther (ver.di), Sonja Hauke (DAW-Personalleiterin), Jens

Zimmermann (SPD-Bundes-tagskandidat), Manfred Pentz (finanz- und industriepoli- tischer Sprecher der CDU- Landtagsfraktion) sowie Dr. Michael Vollmer (Dekanat Vorderer Odenwald). Die spannende Debatte brachte Unterschiede zum Vorschein – und den Konsens, dass vor-handene Anstrengungen wei-ter verstärkt werden müssen.

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Platz in der Öffentlichkeitoldenburg | Mit ei-ner neuen Ortsgruppe für »Oldenburg und Umzu« wollen sich die 13 Gründungsmitglie-der deutlicher in der Öffentlichkeit platzie-ren. »Das ist uns am 1. Mai schon gelungen«, findet der Vorsitzende Werner von Dalen. »Im Oktober wollen wir zusammen mit der IG-BCE-Jugend beim Kramermarkt-Umzug auftreten. Weitere Pläne werden bei einer Klausur im Herbst gemacht.«

Werben mit Begeisterunggrömitz | Wie man mit Begeisterung Mit-glieder werben kann, hat Marketing-Spezia-listin Lydia Zimmer-mann Vertrauensleu-ten der Sasol-Werke in Hamburg und Marl bei einem Wochenendseminar in Grömitz Anfang Mai ver-mittelt. »Kurzweilig und anregend«, fand Lejla Schultheiß von Sasol Wax in Hamburg.

verdienste für Behindertehamburg | Robert Meessen (Foto, rechts), Vertrauensmann und Betriebsrat bei Beiersdorf, hat am 26. April die Verdienst-medaille der IG BCE bekom-men. Bezirksleiter Jan Eulen ehrte ihn für seine Verdienste als Interessenvertreter von Behinderten und sein Wirken im Arbeitskreis ausländischer Arbeitnehmer. Meessen geht nach 26 Jahren bei Beiersdorf im Oktober in den Ruhestand.

Ehre für Gewerkschaftstreueholzhausen | Bei der Orts-gruppe Voigtei wurden am 12. Mai fünf Mitglieder für 25-jährige Gewerkschafts-treue geehrt. Dazu gehörten Volker Schaffert und der Vor-sitzende Dietmar Kreher (auf dem Foto Zweiter und Dritter von links).

bezahlbare energiegoslar | Experten plädieren für lokale Lösungen

Kostengünstige Ener-gie hilft, Arbeitsplätze im Lande zu halten: davon ist Dr. Michael Reiß, technischer Di-rektor beim Metall-pulverhersteller H. C. Starck in Goslar, überzeugt. Dafür ent-wickele Starck zu-sammen mit Wissen-schaftlern und Ener-gieversorgern Lösun-gen vor Ort, versicherte der Manager vor gut 70 Zuhörern bei einer Podiumsdiskussion über Energie Ende Mai in Goslar.

Eingeladen hatte die IG-BCE-Ortsgruppe. Margrit Za-wieja von der Verbraucherzen-trale Niedersachsen wies auf Probleme vieler Haushalte mit

der Stromrechnung hin. Pro-fessor Hans-Peter Beck, Vorsit-zender des Energieforschungs-zentrums Niedersachsen kri-tisierte die Trennung von Energieerzeugung, Handel und Netzbetrieb als »Blödsinn« und verlangte eine Senkung der Mehrwertsteuer auf den Strompreis.

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Für ihre jahrzehnte-lange Treue zur Ge-werkschaft wurden am 27. Mai 170 Jubi-lare im Bürgerhaus Wilhelmsburg ge-ehrt. Jan Eulen, Lei-ter des Bezirks Ham-burg/Harburg, wür-digte die Jubilare für 25, 40, 50 und 60 Jahre Mitgliedschaft in der IG BCE. Der Hamburger Sena-tor für Arbeit, Soziales und In-tegration, Detlef Scheele, hob in seiner Ansprache die Leis-tungen der Gewerkschaften in den Krisenjahren 2009/2010 hervor: ihr Engagement habe sehr zur Bewältigung der Krise in Deutschland beigetragen. Auch bei künftigen Herausfor-

derungen rechne er auf ihre Hilfe. Dabei wies der Senator auf die mit den Gewerkschaf-ten geplante »Fachkräftestrate-gie« in Zusammenarbeit mit Arbeitgeberverbänden und Kammern hin. Ziel dieser Ini-tiative ist es, dem Fachkräfte-mangel aufgrund der demo-grafischen Entwicklung in Hamburg entgegenzutreten.

gefeierte Jubilarehamburg | Senator zählt auf die Gewerkschaften

ortsgruppenvorsitzender Kai rückbrodt, Professor hans-Peter beck, margit zawieja, dr. michael reiß (von links).

170 Jubilare wurden in Wilhelmsburg geehrt.

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zeit für einen neuen gesellschaftsvertraghannover | Landesdelegiertenkonferenz will Gemeinwohl in Politik und Wirtschaft verankern

»Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag« – das war Thema einer Podiumsdiskussi-on und des ersten Beschlusses bei der Delegiertenkonferenz des Landesbezirks am 1. Juni in Hannover. Dabei gehe es um Demokratie und eine Orientierung am Gemeinwohl auch in Unternehmen, erläu-terte Peter Hausmann, verant-wortlich für Tarifpolitik beim geschäftsführenden Hauptvor-stand. Hamburgs Erster Bür-germeister Olaf Scholz will das in der Berufsausbildung ver-wirklichen: Jeder müsse eine Ausbildung machen, erklärte er den etwa 130 Zuhörenden, sonst drohe bis 2020 Arbeits-losigkeit mit einem Mangel an Qualifizierten. Dr. Jochen Wilkens, Geschäftsführer beim Arbeitgeberverband Chemie Nord, schlug eine zweijährige

Ausbildung vor für Menschen, die bisher nur angelernt wür-den. Landesbezirksleiter Ralf Becker verlangte Tarifverträge auch in Firmen, die Windräder bauen: Tarifverträge gehörten zum Gesellschaftsvertrag.

Was den Mitgliedern auf den Nägeln brennt, spiegelten die Anträge wider: Leiharbeit

darf nicht zum Streikbrechen eingesetzt werden, die Lehre an Berufsschulen soll besser, der Dialog mit Pharmaherstel-lern intensiver werden. 49 An-träge wurden von den 83 De-legierten behandelt und zum größten Teil an den Kongress weitergeleitet. Viele kamen von der Jugend, die

auch Fotos für ein Mosaikbild gegen Fremdenfeindlichkeit sammelte.

In den Landesbezirksvor-stand für die nächsten vier Jahre wurden 18 Delegierte ge-wählt, 19 Mitglieder in den Beirat der IG BCE entsandt, und drei Ehrenamtliche für den Hauptvorstand nominiert.

nilüfer salman, Bezirk Hamburg/Harburg

»Unsere Anträge zur besseren Ausbildung müssen von der Politik aufgenommen werden.«

Wolfgang otto, Bezirk Ibbenbüren

»Für mich gehören Mit-bestimmung und tarifver-träge zu einem guten Gesellschaftsvertrag.«

Christopf Kühle, Bezirk Alfeld

»Mir liegt an der fairen Gestaltung von Leihar-beit. dieser Antrag kam von der Jugend.«

olaf scholz diskutiert auf dem Podium über ausbildung, rené davidsson und Franziska ruprecht vom bezirk hamburg/harburg werben für dieJugendaktion »vielfalt statt braune einfalt«.

abstimmungen über die ausrichtung der gewerkschaftsarbeit in den nächsten vier Jahren: delegierte bei der Konferenz des landesbezirks nord in hannover.

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termine – kurz notiertdresden | 16./17. Juli: Zentraler Arbeitskreis Wasserwirt-schaft.

Ehrung für 80 Jahre Mitgliedschafthalle | 80 Jahre Mitglied in der Gewerkschaft: Dieses stolze Jubiläum konnte Hans Pfennigsdorf aus Hettstedt im April feiern, der sich unter an-derem in der Ortsgruppe Hal-le ehrenamtlich engagierte. Er war am 1. April 1933 in die Gewerkschaft eingetreten. Orts-gruppenvorsitzender Bodo Bastian und die stellvertretende IG-BCE-Bezirksleiterin Sylke Teichfuß ehrten den Jubilar.

Jetzt übernehmen wirhannover | Rund 300 Jugend-liche und junge Er- wachsene aus ganz Deutschland reis-ten zur 5. Ordent-lichen Bundesju-gendkonferenz nach Hannover, unter ihnen eine große Delegation aus dem Landesbezirk Nordost (Foto). Der Leitan-trag aus Nordost, die Forderung nach einem Jugendenergie-gipfel zur Begleitung der Energiewende, wurde mit großer Mehrheit beschlossen. In den neuen Bundesjugendausschuss wurden Julius Ungermann aus Berlin-Mark Brandenburg und Michael Freese aus dem Bezirk Cottbus gewählt.

In Nordost selbst hat sich der Landesbezirksjugendausschuss Anfang Juni konstituiert. Zur Vorsitzenden wurde Steffi Weiße aus dem Bezirk Cottbus gewählt, ihr Stellvertreter ist Robert Reimann aus Berlin-Mark Brandenburg. Susanne Hengst aus Halle-Magdeburg und ihr Stellvertreter Michael Freese aus Cottbus vertreten die IG-BCE-Jugend im Landesbezirksvor-stand.

tarifbindung erreicht!eisenhüttenstadt | Die Vergütungen und Arbeitsbedin-gungen für die rund 60 Beschäftigten der Stadtwerke Eisenhüt-tenstadt sind erstmals tarifvertraglich geregelt. Der stellvertre-tende IG-BCE-Bezirksleiter Berlin-Mark Brandenburg, Olaf Wernitz, und der Geschäftsführer der Stadtwerke Eisenhütten-stadt, Armin Baumgärtner, unterzeichneten Anfang Juni die neuen Haustarifverträge. Olaf Wernitz: »Mit dem Tarifvertrag haben wir für die Kolleginnen und Kollegen erstmals kollek-tive Regelungen erreicht, die belastbar und nachhaltig sind.«

Proteste ohne Wirkungoldenburg | CeWe Color schließt standort dresden

Der Dresdner CeWe Color Standort soll geschlossen wer-den. Anfang Juni protestierten die Beschäftigten dage-gen bei der Ak- tionärshauptver-sammlung in Oldenburg (Foto). Der Unternehmens-vorstand beharrte auf seiner Entscheidung. Der geringe Stimmenanteil der Arbeitneh-mer-Kleinaktionäre reichte nicht aus, um die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu gefährden. Das Unterneh-

men hatte vor Kurzem die Interessenausgleichsverhand-lungen für gescheitert erklärt. Der nächste Schritt sind Ver-handlungen in der Einigungs-stelle am 11. und 12. Juli. In Dresden wird derweil weiter produziert – unter nahezu voller Auslastung.

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neuruPPin | Der Müll- tonnen-Hersteller ESE GmbH ist dem Arbeitgeberverband Kunststoff in Berlin/Branden-burg beigetreten. Ab Januar 2014 gelten für die mehr als 200 Beschäftigten die von der IG BCE vereinbarten Flä-chentarifverträge. Ein eigener Haustarifvertrag, um den zu-

letzt ein Tarifkonflikt ent-brannte, erübrigt sich somit. Die Kernforderungen der ESE-Tarifkommission nach einem gerechten Entgeltsystem und einem Mindest-Stundenlohn von 8,60 Euro wurden er-reicht. Der überwiegende Teil der Belegschaft wird deutlich mehr als zuvor verdienen.

sChWarze PuMPe | Rund 6000 Gäste be-suchten das traditio-nelle Radwanderwe-gefest am Kraftwerk Schwarze Pumpe. Am Aktionsanhänger des IG-BCE-Bezirks Cott-bus herrschte reges In-teresse (Foto). Den Schwer-punkt bildeten Informationen über die Bedeutung der Braun-kohleförderung und -verstro-mung für die Lausitz. Unter dem Motto »Meine Stimme

fürs Revier: Werde laut für die Lausitz!« hatte die IG BCE Cottbus am 22. Mai erfolg-reich zu einer Großdemons-tration für die Lausitzer Braun-kohle aufgerufen.

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Hochwasser: IG-BCEler im Einsatzhalle/dresden | Wäh-rend des dramatischen Hochwassers leisteten viele IG-BCEler Hilfe gegen die Flut. An vielen Orten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg packten sie mit an, transportierten Sandsäcke, sicherten Dei-che oder bauten Barrieren. Beim Chemie- und Indus-triepark Zeitz zerstörten die Fluten eine Eisenbahnbrücke. Schwer getroffen davon wurde unter anderem das Chemieunternehmen Radici, das per Bahn Ammoniak für seine Adipinsäureproduktion bezieht.

Um den geschädigten Menschen in den Hochwasserregio-nen schnell und unbürokratisch Hilfe zukommen zu lassen, hat der DGB ein Spendenkonto eingerichtet:

Verein »Gewerkschaften helfen«, BLZ 250 500 00 (Nord LB), Konto 0 152 011 490, Stichwort »Flutopfer«.

demo bei vattenfallberlin | Unter dem Mot-to »Wir wollen bleiben! Wir fordern eine sichere Zukunft im Vattenfall-Konzern« demonstrierten Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter der Vattenfall-Tochter VSG vor der Ber-liner Zentrale in der Chausseestraße. Sie protestierten gegen den geplanten Verkauf des Dienstleistungsunternehmens und eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl. Auf dem Foto: VSG-Betriebsratsvorsitzender Jens Blatt (Mitte links, mit Mütze) übergibt mehr als 7000 Unterschriften von Beschäf-tigten gegen den Verkauf an den Vattenfall-Konzernchef Oystein Loseth.

Kindertag am AuenseeleiPzig | Zwanzig Famili-en mit Kindern genossen bei schönstem Sonnen-schein den Kindertag des Bezirks Leipzig am Auen-see (Foto). Mit lustigen Spielen und buntem Trei-ben verlebten sie gemein-sam einen sonnigen Nachmittag. Einer der Höhepunkte war die Fahrt mit der Parkeisenbahn.

eine europäische reisebrüssel | Besuch in der EU-Hauptstadt

In Fragen der Energie- und In-dustriepolitik ar-beiten sie seit Langem eng zu-sammen, lagern doch in den beiden Landes-bezirken Nordost und Nordrhein die enormen Braunkohle-Vor-kommen Deutschlands. Die Politik dafür wird nicht regio-nal gemacht, sondern ist nur im großen europäischen Zu-sammenhang denkbar. Um den Einfluss Europas auf die Industrie- und Energiepolitik vor Ort zu erkunden, machten sich die Vorstände beider Lan-desbezirke Anfang Juni auf den Weg nach Brüssel.

Reiner Hoffmann, Landes-bezirksleiter Nordrhein und ehemaliger stellvertretender Generalsekretär des Europä-ischen Gewerkschaftsbundes (EGB), hatte dafür zahlreiche prominente Redner gewon-

nen. Dazu gehörten Dr. Dirk Bergrath, Sozialreferent an der Ständigen Vertretung der Bun-desrepublik Deutschland bei der EU, Claudia Menne, Mit-glied im Bundessekretariat des EGB, und Thomas Fischer, der Leiter des Brüsseler Büros der Bertelsmann Stiftung. Mit EU-Parlamentarier Bernd Lange diskutierten die Gewerkschaf-terinnen und Gewerkschafter die europäische Industriepoli-tik im Zeitalter der Globalisie-rung. Luc Triangle, stellvertre-tender Generalsekretär der in-dustriAll European Trade Uni-on, entwickelte seine Vision einer nachhaltigen europäi-schen Industrie.

Aus Nordost nahmen so-wohl die ausscheidenden als auch die neuen Landesbe-zirksvorstandsmitglieder teil. Landesbezirksleiterin Petra Reinbold-Knape: »Mit dieser intensiven Reise haben wir den Staffelstab im Landesbe-zirksvorstand weitergegeben.«

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CheMnitz | Jugend- und Aus-zubildendenvertreter aus Un-ternehmen der Energiebran-che Südsachsens kamen auf Einladung der IG BCE erst-mals zusammen, um über die Energiewende in Deutschland zu diskutieren. Im Mittelpunkt

standen die Elektrizitätswirt-schaft, das Erneuerbare-Ener-gien-Gesetz und die Strom-netze. Diskutiert wurden auch die Folgen für die Unterneh-men durch die politisch wenig strukturiert umgesetzte Ener-giewende.

Jav-Forum zur energiebranche

luc triangle, stellvertretender generalsekretär der industriall european trade union.

diskutierten und informierten sich in brüssel: der landesbezirksvorstand nordost.

einsatz in halle: burkhard Feißel, ig-bCe-ortsgruppe halle, bezirks-leiter erhard Koppitz und gewerk-schaftssekretär roland gratzer.

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dialog über industriepolitikDüsselDorf | Nord-rhein-Westfalen, In-dustrie- und Energie-land Nummer eins in Deutschland und Eu-ropa, braucht eine eu- ropäische Industrie-politik. Auf Einladung der IG BCE trafen sich Mitte Mai mehr als 30 Betriebsräte und Vertreter von Unter-nehmen, Wissenschaft und Gesellschaft mit dem SPD-Euro-paabgeordneten Bernd Lange und der NRW-Europaminis- terin Angelica Schwall-Düren (SPD) zum Dialog über europä-ische Industriepolitik (Foto). Alle Teilnehmer der Konferenz waren sich einig, wie wichtig es ist, eine europäische Indus-triepolitik nachhaltig zu entwickeln – im Dreiklang von öko-logischer, ökonomischer und sozialer Entwicklung. Die sozi-ale Dimension fehlte in den letzten Jahren in der europäischen Politik. Die IG BCE setzt sich dafür ein, die Interessen der Arbeitnehmer stärker zu berücksichtigen.

Werben leicht gemachtHaltern | Zur Werbertagung 2013 lädt die IG BCE Nord-rhein am 13./14. September in die IG-BCE-Bildungsstätte Haltern am See ein. Das Motto in diesem Jahr: Werben leicht gemacht! Professionelle Coachs vermitteln einfache Techniken, die die Scheu davor nehmen, auf andere zuzu-gehen, um sie als Mitglied der IG BCE zu gewinnen. Die er-worbenen Kompetenzen lassen sich nicht nur in der Mit-gliederwerbung einsetzen, sondern in vielen alltäglichen Situationen, in denen der persönliche Auftritt zählt. Infos und Anmeldungen: [email protected]

top ten der Werber im MaiPlatz 1: Horst Ruoff (12 geworbene Neumitglieder, Conti-nental Aachen, Bezirk Alsdorf); Platz 2: Jörg Müller (9, IG BCE Duisburg); Platz 3: Adam Schlesinger (8, Metzeler Jülich, Alsdorf); Platz 4–5: Josef-Stefan Weinsheimer (7, Rath GmbH, Moers), Hüseyin Deniz (7, Unifrax, Düssel-dorf); Platz 6–8: Gerd Laumann (5, West Pharmaceutical, Alsdorf), Dieter Trierscheidt (5, Pronova BKK, Leverkusen), Ursula Przibylla (5, West Pharmaceutical, Alsdorf); Platz 9: Modesto Capocci (4, West Pharmaceutical, Alsdorf); Platz 10–13: Rainer Horstkamp (3, Deutsche Infineum GmbH, Köln-Bonn), Hans-Herbert Figlarek (3, Evonik Industries Wesseling, Köln-Bonn), Hubert Eßer (3, FS-Karton, Düssel-dorf), Jürgen Schaffrath (3, IG BCE Alsdorf).

energieministeriumberlin | Klausurtagung der Chemie-Betriebsräte

Zum Informations- und Meinungsaus-tausch mit der Poli-tik und mit Exper-ten aus Industrie, Wissenschaft und Gewerkschaft tra-fen sich im Mai 23 Betriebsräte der Betriebsrätearbeitsgemein-schaft Erdöl-, Kohle- und Grundstoffchemie in Berlin. Die Betriebsräte sind sich ei-nig: Eine aktive Industriepoli-tik sowie bezahlbare Energie sind Voraussetzung, um die Zu- kunftsperspektiven des Indus-triestandorts NRW zu sichern. Zudem seien ständige Inno-vationen erforderlich. Ihre Positionen zur Industrie- und Energiepolitik diskutier-ten die Betriebsräte auch in Gesprächen mit Joachim Poß (Foto, Zweiter von links), stell-vertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, und Rolf Hempelmann, energie-politischer Sprecher der SPD.

Die Betriebsräte fordern von der nächsten Bundesregierung ein eigenständiges Energiemi-nisterium. Nur so könne eine erfolgreiche Energiewende er-reicht werden, die die Interes-sen aller Beteiligten berück-sichtigt. Gemeinsam mit IG-BCE-Landesbezirksleiter Rei-ner Hoffmann wurden not-wendige Schritte für eine sta-bile, zukunftsweisende Indus-triepolitik am Standort NRW diskutiert. »Nur wenn wir wis-sen, was unsere Unternehmen perspektivisch im Köcher ha-ben, können wir ihre Vorha-ben kritisch und konstruktiv begleiten«, betonte Arndt Küp-per, Vorsitzender der Betriebs-rätearbeitsgemeinschaft.

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Girls’ Day im Chempark

uerDinGen | Mädchen für Berufe in Technik, IT, Handwerk und Natur-wissenschaften zu be-geistern, das ist Ziel des Girls‘ Day. Seit 2001 la-den dafür Unternehmen alljährlich Ende April zum Mädchen-Zukunftstag ein. So waren rund 40 Schülerinnen der 8. und 9. Klassen bei der Bayer Material Science AG im Chempark Uerdingen-Krefeld zu Gast. Sie wurden vor Ort umfassend informiert und hatten auch die Gelegenheit zu praktischen Übungen. »Der Mädchen-Zukunftstag bringt einen deutlichen

Imagegewinn bei technisch- naturwissenschaftlichen Be-rufen«, resümiert Betriebs- rätin Kerstin Spendel. »Da Ingenieurinnen, Forscherin-nen, Chemikantinnen in technischen und naturwis-senschaftlichen Bereichen dringend gesucht werden, gibt es gute Perspektiven für die Mädchen, auch in unse-rem Unternehmen.«

Weitere infos im internet: www.nordrhein.igbce.de

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Weitere infos im internet: www.igbce-blogs.de/

zielgruppenprojekte

Proteste gegen WerkschließungDuisburG | Gegen die vom Vorstand angedroh-te Schließung des RHI Didier-Werkes in Duis-burg-Hochfeld setzt sich die Belegschaft zur Wehr, etwa mit einer Kund- gebung vorm Werktor Mitte Mai. Die Schließung sei wirtschaftlich unbegründet, betont der Betriebsrat. Die solidarische Unterstützung für die rund 120 Beschäftigten ist groß. So nahmen an der Kundgebung neben Vertretern des IG-BCE-Regionalforums Duisburg, der DGB-Region und des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) auch Betriebsräte anderer Unterneh-men und Politiker wie der SPD-Ratsherr Friedrich Prüß-mann und die SPD-Landtagsabgeordnete Sarah Philipp teil.

Mitgliederwerbung am WerktorwuPPertal | Gleich zweimal stell-ten morgens ab sechs Uhr Betriebs-räte und Vertrauensleute an den Werktoren der Bayer-Niederlassung Aprath mit Flyern und Schokoriegeln die Leistungen der IG BCE für ihre Mitglieder vor. Die Resonanz auf die Verteilaktion war gut – nicht nur wegen der süßen Überraschung.

JAv stellt sich vorneuss | Gut besucht war die erste Versammlung, zu der die neu gewählte Jugend- und Auszubil-dendenvertretung (JAV) bei SCA eingeladen hatte. Betriebsrat, JAV und IG BCE informierten über die Arbeit im Betriebsrat, gute Ausbildung, von der JAV orga-nisierte Fußballturniere und das Freizeitangebot der IG BCE.

es geht um die Wurstneuss | Mit einer Toraktion haben Vertrauensleute und Be-triebsräte bei SCA auf die aktuelle Papier-Tarifrunde auf-merksam gemacht. Das Motto: »Es geht um die Wurst«. Bei Würstchen und Getränken wurde über Tarifforderungen und -verhandlungen informiert. Erfreulicher Nebeneffekt: Die Argumente der IG BCE überzeugten so sehr, dass eine Reihe neue Mitglieder geworben werden konnten.

beteiligung lebenHaltern | Zielgruppenkonferenz des Landesbezirks

Mehr als 60 Be-triebsräte, Vertrau-ensleute und Ak- tive in den Orts-gruppen trafen sich Ende Mai in Hal-tern, um über die Zukunft der Ziel-gruppenarbeit zu debattieren. Viola Denecke, stellvertretende Landesbezirksleiterin, betonte in der Eröffnung der Veranstal-tung, der Wandel betrieblicher Strukturen und die komplexe-ren Anforderungen an Betriebs-räte hätten neue Formen der Ansprache und der Beteiligung in den Betrieben und Regionen erforderlich gemacht.

Zielgruppenarbeit beteiligt Beschäftigte bei Themen, die sie konkret betreffen. Sie er-gänzt die klassische Betriebs-ratsarbeit und »macht die IG BCE vor Ort erleb- und gestaltbar«, erklärte IG-BCE-Vorstandsmitglied Edeltraud Glänzer in ihrem Impuls- referat. Zielgruppenarbeit sei wichtiger Bestandteil des Zu-kunftsprozesses 2020 und hel-fe, die Gewerkschaft nachhal-tig zu stärken. Dazu gehöre vor allem, mehr Mitglieder für die IG BCE zu gewinnen, gerade in Beschäftigtengruppen, in de-nen die IG BCE noch unter- repräsentiert ist. Aber auch gut organisierte Beschäftigten-gruppen mit besonderen Prob-lemen, wie Werkfeuerwehrleu-

te oder Schichtarbeiter, seien Ziel der Aktivitäten.

Viele Betriebsräte seien an-fangs skeptisch gewesen, räum-te Glänzer ein. Und auch unter den potenziellen Zielgruppen stünde »niemand Schlange«, sagte Bayer-Betriebsrätin Rita Süßelbeck. Doch wenn sich Betriebsräte und Beschäftigte auf neue Formen der Beteili-gung einlassen, können alle nur gewinnen. Oliver Hecker, Abteilungsleiter Zielgruppen beim Hauptvorstand, bestätig-te: »Wo wir Zielgruppenarbeit machen, gewinnen wir Mitglie-der.«

Beteiligungsorientierte Be-triebsrats- und Gewerkschafts-arbeit ist die Zukunft, davon ist Prof. Dr. Erhard Tietel von der Uni Bremen überzeugt. Auch im Landesbezirk gibt es dafür eine Reihe Beispiele. Gemein-sam mit dem DGB soll im Herbst an der Uni Wuppertal zudem ein Projekt für Studie-rende starten.

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auf den spuren von Carl boschHeiDelberG | Ihre diesjäh-rige Städtefahrt führte die IG-BCE-Jugend Düsseldorf nach Heidelberg. Nach Alt-stadtbummel und Schloss-führung besuchten die jun-

gen Gewerkschafter auch das Deutsche Apotheken-Muse-um und das Carl Bosch Mu-seum, das über das Leben und Wirken des Chemie-No-belpreisträgers informiert.

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für neue Kräfteludwigshafen/mainz | Die IG BCE hat ihr hohes Anse-hen in Politik und Gesellschaft, aber vor allem in den Beleg-schaften erkennbar steigern können. Erst gelang es ihr, in der Krise richtig zu handeln. Dann gelang ihr, die Früchte der wirtschaftlichen Erholung in Form guter Tarifabschlüsse für die Mitglieder zu ernten. Das war »der Hauptgrund dafür«, sagt Landesbezirksleiter Ralf Sikorski, dass die Werber in den Betrieben gut argumentieren konnten und die Zahl der Or-ganisierten in den Betrieben aller Bezirke des Landesbezirks wieder gestiegen ist. Der Landesbezirk bittet seine Mitglieder auch in diesem Sommer wieder, das Gespräch mit den Nichtorganisierten selbstbewusst zu suchen und ihnen klar-zumachen, wie wichtig der Beitritt zur Gewerkschaft für sie selbst und für alle gemeinsam ist. Erfolgreiche Werber dür-fen sich auf kleine Aufmerksamkeiten des Landesbezirks freuen.

Der Bezirk Ludwigshafen geht dabei in die Vollen: Wer hier zwischen dem 1. Juni und dem 31. August zwei neue Mitglieder wirbt, erhält einen praktischen Kleinlautsprecher der Marke XMI X mini (geworbene Azubis zählen nicht mit). Und unter allen seinen Werbern verlost der Bezirk sogar ein 16-GB-iPad. Etwas anders verfährt der Bezirk Mainz wäh-rend der Kampagne: Hier ist es der oder die Geworbene, die oder der ein Präsent erhält, nämlich einen Shopper Basket – einen Einkaufskorb aus Metall und Tuch.

für faire Bedingungenludwigshafen | Die stetige Rationalisierung in den Unter-nehmen belastet die Beschäftigten und kann ihre Gesundheit gefährden. Um ein zutreffendes Bild der vorhandenen Ge-fahrenquellen zu gewinnen, verfügen Betriebsräte und Ver- trauensleute schon heute über viele Möglichkeiten. Auf ihnen beruht ein neues Projekt, das der Betriebsrat und die Vertrau-ensleute der BASF SE am Standort Ludwigshafen gemeinsam mit der IG BCE betreiben. Titel: »Arbeit FAIRbessern«. Die vorhandenen Möglichkeiten sollen bewusst und systematisch so genutzt werden, dass eine umfassend richtige Gefähr-dungsbeurteilung entsteht, unter Einschluss der psychischen Belastungen. Das Ziel: Alltägliche Belastungen alltäglich erfas-sen und reduzieren! Gesundheit voll umfänglich erhalten!

Hintergrund: Die »Gefährdungsbeurteilung« ist ein zentra-ler arbeitsrechtlicher Begriff. Mehrere Vorschriften, darunter das Arbeitsschutzgesetz, verpflichten den Arbeitgeber, die möglichen Gesundheitsrisiken der Arbeitsplätze aktiv zu er-mitteln, um solche Gefährdungen weitgehend zu vermeiden. Das Betriebsverfassungsgesetz räumt dem Betriebsrat dabei ein umfassendes Mitbestimmungsrecht ein. Um diese Mitbe-stimmung auszufüllen, eignen sich viele Betriebsräte inzwi-schen mithilfe der entsprechenden IG-BCE-Fortbildungskur-se eine hohe Professionalität an.

ehrung vom Kardinalmainz | eine Caritas zur Belohnung

Reinhard Westhäuser, Betriebsrats-vorsitzender am Wormser Stammsitz des Folien-herstellers Re-nolit AG und Mitglied im IG-BCE-Be-zirksvorstand Mainz, erhielt ein großes Lob und eine Caritas-Skulptur vom Mainzer Kardinal Karl Leh-mann. »Mit Zähigkeit und Überredungskunst«, sagte Lehmann, habe Westhäuser wiederholt »Jugendlichen, deren Perspektive nur noch aus Hartz IV bestand«, Ausbildungschancen verschafft.

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Die Tarifkommissionen der IG BCE und die Unterstüt-zung aus den Belegschaften bewähren sich in Unterneh-men unterschiedlichster Grö-ßenordnung.

Verhandlungsführer beim deutschlandweit für Ärzte und Krankenhäuser tätigen Labor-Dienstleister Bioscien-tia (1000 Beschäftigte) war der stellvertretende Landes-bezirksleiter Michael Päckert. »Zum Auftakt gibt es schon im August einmalig 350 Euro«, freut er sich. Ab Oktober steigen die Entgelte dann um 4 Prozent. 2014 und 2015 kommt je eine Einmalzah-lung von 250 Euro. Die Zah-lung 2015 entfällt allerdings, wenn sich die Gebühren- ordnung für Ärzte zulasten von Bioscientia verschlech-tert. Ferner gibt es jedes Jahr einen zusätzlichen arbeits-freien Tag. Auszubildende

erhalten im ersten Lehrjahr 25, im zweiten 30 und im dritten 35 Euro mehr. Der Abschluss gilt bis zum 30. Juni 2015.

Beim Bad Dürkheimer Foli-enhersteller Rhein-Plast GmbH (rund 100 Beschäftigte) war Gewerkschaftssekretär Malte Landt Verhandlungsführer. »Die Beschäftigten und das Unternehmen haben gemein-sam eine schwere Zeit durch-gestanden«, berichtet er. Drei Verhandlungsrunden verliefen konstruktiv und führten zu ei-nem Tarifabschluss mit zwölf-monatiger Laufzeit. Bereits zum 1. Juni verbesserten sich die Entgelte um 2,1 Prozent. IG-BCE-Mitglieder erhalten jetzt monatlich 30 Euro extra. Und: »Betriebsbedingte Kündi-gungen sind ausgeschlossen«, sagt Malte Landt.

Alle Mitgliedsbeiträge wer-den entsprechend angepasst.

geld vom haustarifmainz/ludwigshafen | neue erfolge in den Betrieben

Reinhard westhäuser (foto, links) und ein mitpreis-träger mit ehefrauen und Kardinal lehmann.

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tags debattiert, abends gefeierthannoveR | Zufrieden kann die Ju-gendorgani-sation des Landesbe-zirks Rhein-land-Pfalz/Saarland auf die 5. Or-dentliche Bundesjugendkonferenz Ende Mai in Hannover zu-rückblicken. Die Delegation (Foto) hatte ihren inhaltlichen Beitrag zu der viertägigen Konferenz mit dem Titel »Jetzt über-nehmen wir!« vorab gründlich diskutiert und auch ihre An-träge bestens vorbereitet. Deshalb fand das, was sie den insge-samt 145 stimmberechtigten Delegierten im Kuppelsaal des Congress Centrums zu den verschiedenen Politikbereichen vortrug, »stets gute Resonanz«, freut sich Malte Lückert, der für Jugend zuständige Gewerkschaftssekretär des Landesbe-zirks. Die Jugendlichen hatten sich mit einer großen Band-breite von Themen auseinandergesetzt. Sie wollen eine besse-re Berufsausbildung und ein durchlässigeres Bildungssystem. Sie verlangen eine gesicherte Übernahmeperspektive. Aber sie wollen auch ein Verbot der NPD und ein besseres sozialpoli-tisches Handeln der Politik. Was natürlich keineswegs zu kurz kam – es handelte sich schließlich um eine Jugend- konferenz –, war abends das Feiern. Und das Netzwerken.

verdienstmedaillefRiedRiChsThal/bildsToCK | Günther Klein (Foto, Zwei-ter von links) ist ein engagierter Gewerkschafter und opferte schon viel Zeit für seine ehrenamtlichen Verpflichtungen. Er war Knappschaftsältester, er arbeitete im Vorstand der saar-ländischen Ortgsruppe Friedrichsthal mit, davon 16 Jahre als Vorsitzender. Später übernahm er die Aufgabe des stellvertre-tenden Vorsitzenden, als sich seine Ortsgruppe mit der Orts-gruppe Bildstock vereint hatte. Jetzt verlieh ihm die IG BCE

ihre Verdienstmedaille. Be-zirksleiter Dietmar Geus-kens (links) überreichte ihm die Auszeichnung im Rahmen einer Jubilareh-rung im »Rechtsschutz-saal« in Bildstock – dem ältesten Gewerkschafts-haus Deutschlands. Ehren-gast war auch der stellver-tretende Ministerpräsident des Saarlands, Heiko Maas (rechts).

gemeinsam erinnernneuwied/saaRbRüCKen | iG BCe ehrt Jubilare

Menschen, die Jahr-zehnte ih-res aktiven Berufsle-bens der Gewerk-schaft an-gehörten, bewiesen damit ihre Verantwortungsbereitschaft für die Gesellschaft. Die IG BCE legt Wert darauf, je-dem von ihnen bei beson- deren Anlässen persönlich Anerkennung und Dank aus-zusprechen.

Der Bezirk Mittelrhein ehrte kürzlich fast 400 Mitglieder, die der Gewerkschaft in die-sem Jahr 25, 40, 50 oder 60 Jahre angehörten. Für die-jenigen, die ihr 40. oder ein höheres Jubiläum begingen, geschah dies im Rahmen ei-ner vierstündigen Schifffahrt auf einem malerischen Rhein-abschnitt. »Ihr habt ein Leben lang Solidarität, Fairness und soziale Gerechtigkeit vorge-lebt«, begründet Bezirksleiter Holger Zimmermann die Ein-

ladung. Die vielen lebendigen Gespräche an Bord unter-brach nur ein gelungenes Ka-barett- und Kulturprogramm.Wie tief Gewerkschaftsmit-glieder oft verwurzelt sind, zeigte sich, als letztes Jahr mehrere Ortgruppen fusio-nierten, die alle im deutschen Teil des »Warndt« liegen, einem Waldgebiet an der deutsch-französischen Gren-ze auf dem linken Saar-Ufer. Die Auflösung der Ortsgrup-pen Karlsbrunn, Lauterbach, Emmersweiler, St. Nikolaus, Nassweiler, Großrosseln und Ludweiler hatte den Mitglie-dern einiges abverlangt. Nun aber konnte Wolfgang Witt-mann, der Vorsitzende der neuen Ortsgruppe Warndt

(Foto oben, Zwei-ter von rechts), eine positive Bi-lanz ziehen. In harmonischer At-mosphäre ehrte er Jubilare, die ihrer Gewerkschaft 25, 40, 50 und 60 Jah-re angehörten. In der Festansprache erinnerte Gewerk-schaftssekretär Heiko Metzger an die historischen Weichenstellun-gen der zurück-liegenden Jahr-zehnte.

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wer vor 80 Jahren der gewerkschaft beitrat, bewies mut und durchlitt 1933 die zerschla-gung seiner organisation durch die national-sozialisten. wenige zeitzeugen leben noch. einer von ihnen ist der hoch betagte walter Raber aus der saarländischen ortsgruppe hö-cherberg, hier eingerahmt von Roswitha hol-linger, der ehemaligen landtagsvizepräsiden-tin, und dem saarbrücker ig-bCe-sekretär heiko metzger.

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für Zukunft und nachhaltigkeitmünster-Bielefeld | Am 2. Mai trafen sich IG-BCE-Bezirksleiter Ulrich Hampel, Vertre-ter der Firmen Dycker-hoff und Calcis Lienen GmbH & Co. KG, Nor-bert Römer, Fraktions-vorsitzender der SPD im NRW-Landtag, Jürgen Coße (SPD) und Heinz Ritter-meier vom DGB Münsterland zu einem Informationsaus-tausch. Hauptthemen des Treffens waren die Rohstoffsiche-rung für die Zukunft und eine nachhaltige Industriepolitik. Anschließend besichtigten die Herren die Steinbrüche der zwei Unternehmen.

ein Betriebsrat für olkorecklinghausen | Herzlich wurde das Team des Bezirks zur Betriebsversammlung am 7. Mai bei Olko in Olfen empfangen. Im Mittelpunkt stand die in Kürze anstehende Be-triebsratswahl: In sechs bis acht Wochen soll das Maschinentechnikunternehmen erstmals ein solches Gremium haben. Mit der Geschäftsfüh-rung verständigte man sich darauf, die gute, sozialpartner-schaftliche Zusammenarbeit auch künftig fortzusetzen.

ortsgruppe besucht Papierfabrikmünster-Bielefeld | Im Frühjahr trafen sich 30 Mitglie-der der Ortsgruppe Münster-Bielefeld zu einem zweistün-digen Rundgang durch die Mitsubishi HiTec Paper Europe (ehemals Feldmühle): Vorbei ging es an der 127 Meter lan-gen Papiermaschine und einer Streichmaschine, dazu wur-den verschiedene Papiersorten im Papierlager vorgestellt und erklärt. Besonders beeindruckten die maschinell gesteu-erten Stapler, die völlig ohne Personal auskommen.

alle sind zufriedengelsenkirchen | vivawest-Marathon verläuft erfolgreich

Beeindruckende 7000 Teilnehmer konnte der erste Vivawest-Marathon am 12. Mai verbu-chen. Und auch die Ruhrgebietsstädte Bottrop, Gladbeck, Gelsenkirchen und Essen standen ganz im Zeichen des sportlichen Ereignis-ses. Dutzende Helfer unserer Ortsgruppen sorgten für Erfri-schungen und enga-gierten sich, wo es ging. Die Zuschauer waren be-geistert vom Engagement auf beiden Seiten und ließen sich gerne von der allgemeinen gu-ten Laune anstecken. Und die

Läufer? Sie freuten sich über die allgemeine Anfeuerung, und das eine oder andere nette Lächeln eines Helfers bei der Getränkeübergabe.

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essen | Auf der Betriebsräte-tagung der Steag nahm der Vorstand Stellung zur aktuel-len Situation sowie zu künf- tigen Herausforderungen. »Die notwendigen Veränderungen hat die Mitbestimmung mitge-tragen«, betonte KGBR-Vorsit-zender Horst Rohde. »Gleich-wohl brauchen wir eine nachhaltige Energiepolitik.« Arbeitsdirektor Alfred Geißler sagte, die Steag in eine neue

Zeit zu führen, bedeute, kon-krete betriebliche Wege zu ge-hen, dabei aber die Mitarbeiter einzubeziehen und die Mitbe-stimmungsrechte zu wahren. Der IG-BCE-Vorsitzende Mi-chael Vassiliadis wies auf die Bedeutung des gemeinsamen »Innovationsforums Energie-wende« hin: »Gemeinsam mit der Industrie werben wir da-für, aus Zukunftsvisionen Zu-kunftsrealität zu machen.«

steag wirft einen Blick in die Zukunft

Vorausschauend: michael Vassiliadis, alfred geißler, guntram Pehlke, horst rohde und Joachim rumstadt (von links).

Ob mit Zumba oder erfrischungen: überall unterstützten helfer die läufer.

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Heinrich Imig hat eine straßecastrOP-rauxel | Am 8. Mai weihte der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis die neue Heinrich-Imig-Straße ein, benannt nach dem ehemaligen Vorsitzenden der IG Bergbau. In seiner Wür-digung wies Michael Vassiliadis auf zwei Gemeinsamkeiten mit Heinrich Imig hin – den Geburtsort Essen-Steele sowie die Tätigkeit als Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, jetzt Chemie und Energie – und betonte die be-scheidene, aber sehr zielstrebige Art Heinrich Imigs.

Bis spätabends wird diskutierthannOVer | Am Pfingstwochenende trafen sich rund 300 junge IG-BCE-Mitglieder aus ganz Deutschland, um auf der diesjährigen Bundesjugendkonferenz unter dem Motto »Jetzt übernehmen wir!« politisch zu diskutieren. Unter ihnen knapp 30 junge Ge-werkschafter aus dem Landesbezirk Westfa-len. Bis oft nach Mitter-nacht wurden die ins-gesamt 191 Anträge leidenschaftlich disku-tiert. Einige von ihnen sind als Arbeitsaufträge an bestimmte Abteilungen der IG BCE gerichtet, über andere entscheidet im Oktober der Gewerkschaftskongress.

Damit wir nicht vergessengelsenkirchen | Mit einer Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag erinnerte der Bezirksjugendausschuss (BJA) am 2. Mai der Zerschlagung der Gewerkschaften vor 80 Jah-ren. Neben einer eigenen Ausstellung mit ausgewählten Biografien von Persönlichkeiten, die im Ruhrgebiet verfolgt, gefoltert und ermordet wurden, gab es die Möglichkeit zum konstruktiven Austausch mit dem Historiker Jörg Rumpf.

ortsgruppe radelt für »Gute arbeit«recklinghausen | Unter dem Motto »Wir machen gute Arbeit« radelten 35 Mitglieder der Ortsgruppe zur Halde Hoheward und verteilten dabei Informationsmaterial zum DGB-Aktionstag am 8. Juni. Weiter ging es durch den Kat-zenbusch und über die alte Zechenbahntrasse – und am Ende war man sich einig: Das muss wiederholt werden.

gemeinsam starkdOrtmund | landesbezirk hat eine positive Bilanz

Dass das Motto der Landesbe-zirksdelegiertenkonferenz am 27. April, »Wir sind da«, gelebt wird, bewies Landesbezirkslei-ter Kurt Hay in seinen Ergän-zungen zum Geschäftsbericht: indem er auf die guten Ergeb-nisse in der Neuanfängerwer-bung und den hohen Organi-sationsgrad hinwies, die Arbeit der Bezirke hervorhob, die un-ter anderem besonders erfolg-reiche Werbung betreiben, und indem er den Ehrenamt-lichen und den hauptamt- lichen Teams für ihre gute Ar-beit dankte. »Nur gemeinsam haben wir diese Ergebnisse erreichen können«, beton-te der Landesbezirksleiter.

Ulrich Freese, stellvertre-tender IG-BCE-Vorsitzen-der, sprach über die Bedeu-tung Guter Arbeit sowie über Industrie- und Ener-giepolitik. Norbert Römer,

SPD-Fraktionsvorsitzender im nordrhein-westfälischen Landtag, betonte: »Wir stehen vor großen Herausforderun-gen, aber wir wollen mit den Menschen im Land Industrie und Energiepolitik gemeinsam gestalten. Wir stehen zu den Unternehmen und Arbeits-plätzen im Land.«

Außerdem wurde der neue ehrenamtliche Landesbezirks-vorstand gewählt. Auch für Entspannung war gesorgt: Ka-barettist Christoph Brüske be-geisterte mit einem Programm der Spitzenklasse.

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laufen hilft: 12 500 euro gesammeltrecklinghausen | Bei gu-tem Wetter erliefen die Aus-zubildenden des Bergwerks Auguste Victoria, des Che-mieparks Marl sowie weitere Sportler beim diesjährigen

Spendenlauf »Standort in Be-wegung« stolze 12 500 Euro. Sie gehen an die Pfadfinder des Stammes Ritter vom Loe zum Loe Marl für ihre ört- liche Jugendarbeit.

auch konferenzinhalt: die Wahl des neuen landesbezirksvorstands.

das team des landesbezirks.

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> EinEr von uns

im Nahkampf

Thomas QuiTschalle trainiert in seiner Freizeit Blinde im Jiu-Jitsu. Denn wer ohne schläge und Tritte auskommt, muss einen Angreifer nicht unbedingt sehen. Hebeln und Würgen reicht.

in einem weißen Kampfsport-Anzug drückt Thomas Quitschalle seinen Gegner auf die Sportmatte, schiebt

sich auf ihn und landet, zack, in der Falle, der sogenannten »Triangle«: Die Beine des Gegenspielers umklammern seinen Oberkörper, die Hände drücken seinen Kopf herunter. Beide keuchen, Quitschalles Gesicht wird rot. Maximal sechs Sekunden hält man den Griff aus.

Quitschalle klopft dem anderen auf den Arm. Kampfende.

Thomas Quitschalles Kampfpartner in der japanischen Kampfkunst Jiu-Jitsu ist blind und lernt erst seit Jahresbeginn zu-sammen mit acht weiteren Blinden und Quitschalles Hilfe die Techniken der waffenlosen Selbstverteidigung in der Kampfkunstschule Düsseldorf. »Jiu-Jitsu ist ideal, weil sich viel im Nahbereich auf dem Boden abspielt, ohne Schläge und

Tritte«, sagt der 24-Jährige. 1996 fing er mit Taekwondo an, schwört aber mitt-lerweile auf die Jiu-Jitsu-Tradition.

»Unsere Technik ist sehr effektiv«, sagt der Auszubildende zum Chemikant bei Henkel, »vor allem bei stärkeren Geg-nern und es wird nie unnötig Schaden zugefügt, wie es etwa bei Tritten passie-ren kann.« Auch wenn er die Technik nie im Ernstfall testen musste, gebe sie ihm

Sicherheit: »Man strahlt etwas aus, so- dass man gar nicht angegriffen wird.«

Dieses Gefühl will die Schule auch Blinden vermitteln. Anfang des Jahres hatte der Betreiber die Idee zu einer Blin-dengruppe, da diese Selbstverteidigung mit direktem Körperkontakt auch für sie leicht praktizierbar ist und nahm Kon-takt zu einem Blindenverein auf. Weil es nicht reicht, die Technik zu erklären, bat er Quitschalle und einige andere Mitglie-

der um ihre Hilfe. Gewöhnlich führt der Meister einen der Hebel- und Würge-griffe vor und Quitschalle vollzieht die Bewegungen parallel mit einem der blinden Schüler. Dann wechseln sie die Rollen und der Schüler übt Dutzende Male, bis der Ablauf sitzt.

Nächsten Monat beendet Quitschalle die Ausbildung, danach will er sich in der Abendschule auf Labortechnik spe-zialisieren. »Zum Glück habe ich seit Kurzem eine Tagschichtstelle«, sagt er, »so kann ich fünfmal pro Woche trainie-ren.« Im Herbst stehen für ihn die Prü-fungen für den nächsten Jiu-Jitsu-Grad an. Um die zu bestehen, hilft auch die Arbeit mit den Blinden. »Man erklärt an-ders, viel genauer«, sagt Quitschalle, »so verbessere ich auch meine Technik.«

Dagny Riegel

»Die Technik wirkt bei stärkeren Gegnern.«

sie kennen ein iG-BCE-Mitglied mit außerge-wöhnlichem Hobby? Dann schreiben sie uns: [email protected]

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Nah am AlarmEin TAg mit der Werkfeuerwehr von Henkel in Düsseldorf.

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> TeNDeNzeN ArbeiTsWelT

im Ernstfall haben sie drei Minuten. Drei Minuten von Alarmierung bis zum Einsatz vor Ort. Da muss jeder

parat stehen, wissen, was er tut, die Aus-rüstung griffbereit haben.

Feuerwehrmann Adolf Senk legt seine klobigen Stiefel und den schwer ent-flammbaren Anzug neben das rote Ein-satzfahrzeug, sodass er bei Alarm nur noch hineinspringen muss. In der ande-ren Fahrzeughalle öffnet Matthias Gieß-mann, ganz in Weiß, die Tür zum Ret-tungswagen und prüft den Defibrillator.

Sein Kollege Thomas Hilgers nimmt alle Spritzen und Medikamente aus dem Schränkchen und kontrolliert das Halt-barkeitsdatum. Alles vollständig und in Topzustand. Wache II der Werkfeuer-wehr Henkel Düsseldorf ist bereit für einen 24-Stunden-Tag.

Um siEbEn Uhr morgEns geht die Wachschicht los, alle treten an zur Wach-ablösung. Zwei Wachmannschaften mit insgesamt 90 Mitarbeitern gibt es, die immer abwechselnd für die knapp 400 Gebäude in dem Industriegebiet verantwortlich sind. Firmen wie Henkel und BASF haben hier ihren Standort. »Das sind hochsensible Anlagen«, sagt Adolf Senk, »das ist was anderes, als wenn draußen irgendwo eine Garage brennt.«

Deshalb haben sie als gesetzlich ange-ordnete Werkfeuerwehr auch so scharfe Regeln wie jene, in drei Minuten vor Ort zu sein. Und: »Im Gegensatz zur Berufs-feuerwehr müssen wir uns auch finan-ziell rechnen«, sagt der 45-Jährige.

Die Arbeitszeit ist ausgefüllt mit den unterschiedlichsten Dienstleistungen wie die Pflege und Wartung der Feuer-löscher, aber auch internen Schulun-gen.

Früher gab es nur reine 24-Stunden-Dienste, mittlerweile sind diese für die meisten der Belegschaft von Tagdiensten durchsetzt, in denen sie sich ohne Alarmbereitschaft solchen Aufgaben widmen können. Ihr Dienst endet dann zweimal im Monat am Nachmittag.

Einer derjenigen, die heute Tagdienst haben, ist Sebastian Gilbert, Rettungs-sanitäter und Sachkundiger für Feuer-löscherprüfungen. Gerade wuchtet er in der Werkstatt einen Feuerlöscher in eine Maschine, die das restliche Pulver aus-saugt, siebt und die richtig dosierte Men-ge wieder einfüllt. Seine Muskeln span-nen sich, als er den geprüften Löscher verschließt und auf die Waage stellt: 17 Kilo. »Das ist schon körperlich an-spruchsvoll«, sagt er, »man muss sich viel bücken und heben.«

Der klassische Traumberuf geht in die Knochen: Alarmierungen nachts, schwere Arbeiten, anstrengende Einsätze in voller Ausrüstung, dazu die Rettungs-diensteinsätze. Kein Wunder, dass Be-

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sTändigE Alarmbereitschaft und 24-stunden-schichten: Der Traumberuf Feuerwehr-mann geht auf die Knochen. Doch wie läuft ein Tag bei der Werkfeuerwehr eigentlich ab? ein besuch.

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amte der Berufsfeuerwehr gewöhnlich mit Anfang 60 in den Vorruhestand ge-hen, viele sind einfach nicht mehr ein-satzfähig. Doch die Werkfeuerwehrmän-ner müssen künftig bis 67 arbeiten oder hohe Rentenabschläge hinnehmen. Und das, obwohl sie meist mehr 24-Stunden-Schichten arbeiten.

Dazu kommt die Gesundheitsprüfung, der »Astronautentest«. Alle drei Jahre, ab einem Alter von 50 sogar jedes Jahr, müs-sen sie eine Prüfung von Augen, Gehör, Lunge und Ausdauer über sich ergehen lassen. Wer die nicht besteht, hat drei Mo-nate Zeit, sich zu verbessern, sonst kann er im ungünstigstem Fall an irgendeine Stelle im Betrieb versetzt werden, mit entsprechenden Gehaltsverlusten. »Über

diese Sachen verhandeln wir gerade in der Arbeitsgruppe ›Werkfeuerwehr‹ der IG BCE«, sagt Senk, »und zwar mit Wirt-schaft und Politik. Wir sind guter Dinge, dass wir das hinkriegen.«

Vor dEm gEsUndhEiTsTEsT haben Thomas Hilgers und Matthias Gieß-mann keine Angst. Hilgers ist Ende 40, Gießmann Anfang 20, beide sportlich. »Die meisten, die anfangen, sind durch den Sporttest sowieso fit«, fügt Gieß-mann hinzu. Dieser Test steht schon am Beginn der 2009 eingerichteten dreijäh-rigen Ausbildung zum Werkfeuerwehr-mann. Gießmann erfuhr während des Abiturs davon. »An die Arbeitszeiten musste ich mich erst gewöhnen«, erzählt

er, »aber dafür ist es besser als im Büro.« Hilgers genießt den freien Tag nach jeder 24-Stunden-Schicht, auch wenn er Weihnachten oder Silvester arbeitet. «Geburtstage feiert meine Familie nach Dienstplan«, sagt er. Aber er weiß, dass der Beruf mit den Jahren härter wird: »Wenn ich mit 60 in den vierten Stock renne mit dem Beatmungsgerät«, sagt er scherzhaft, »dann brauche ich womög-lich selbst die Beatmung.«

hEUTE isT jedoch eine ruhige Schicht. Ein Teil der Mannschaft fixiert auf einer Baustelle eine gelöste Plane, Gilbert re-pariert eine undichte Löschanlage. Senk sitzt vor seinen sechs Bildschirmen in der Redundanzleitstelle, wo zum Bei-spiel Gefahrenabwehrpläne erstellt, zur Not aber auch alle Aufgaben der Leit-stelle übernommen werden können.

Je eher man reagiert, desto besser. Des-halb nimmt die Feuerwehr nicht nur ihren Löschwagen mit zur Kantine, son-dern hat auch immer den Melder griffbereit. So liegt Gießmanns Pieper selbst im Sportraum keine drei Meter entfernt von ihm. Im Ruheraum muss er sich darum allerdings keine Gedanken machen. Fast könnte man den Raum für ein normales Mehrbettzimmmer, etwa einer Jugendherberge, halten. Doch zwei kleine Kästen an Wand und Decke ha-ben es in sich: Das eine ist der Alarm-gong, das andere das Alarmlicht.

Wer hier lange arbeitet, hat die Fein-heiten verinnerlicht. Erst knackt es, dann geht das Licht an, dann die Alarmdurch-sage. »Meine Familie weiß schon, dass sie nachts kein Licht machen soll«, sagt Senk und lacht, »sonst bin ich schlag-artig hellwach.« Dagny Riegel

Warten, Prüfen, schulen: nicht immer geht es turbulent zu bei der Werkfeuerwehr. doch die Feuerwehrmänner sind ständig in Alarmbereitschaft.

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> TENDENZEN RENaTuRiERuNg

Wasser marschWährend aus dem säch-sischen industriestandort Zwenkau eine urlaubsregion wird, hat der Tagebau-Folge-see die Stadt Leipzig vor der Flut gerettet – mit einem Hochwasserschutz-Bauwerk, das der Bergbausanierer LMBV gerade erst einge-weiht hat.

noch ist es am Zwenkauer Hafen ruhig: Ein paar Jugendliche sit-zen auf der Mauer vom Hafen-

becken. Sie sind mit Fahrrädern und einem Roller gekommen. Hinter ihnen geht es einige Meter in die Tiefe. Im Ha-fenbecken wächst Gras, daneben steht Regenwasser in Pfützen. An der Wand des Hafenbeckens ist ein Strich: 113,50 steht dort in großen weißen Ziffern. Bis zu dieser Höhe in Metern über dem Meeresspiegel soll das Wasser des Sees einmal steigen. Dann sollen dicht an dicht Boote mit weißen Segeln im Hafen liegen; für die meisten Plätze gibt es schon Mieter. Bislang ist aber nur ein

Schiff auf dem See: die Santa Barbara. Sie liegt ein paar Hundert Meter von der Hafeneinfahrt entfernt am Ufer.

doch das ausflugsschiff hat der-zeit Fahrverbot. Schuld daran ist das Hochwasser, das Anfang Juni Deutsch-land in Katastrophenalarm versetzt hat.

Ein paar Kilometer vom Hafen ent-fernt, in der Nähe des Dorfs Zitschen, donnern Wassermassen in den See. Das Wasser ist braun, die Weiße Elster, die dicht am See vorbeifließt, führt Hoch-wasser. Die Landestalsperrenverwaltung hat die Tore eines Entlastungsbauwerks voll geöffnet. 137 Kubikmeter Wasser

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strömen pro Sekunde in den Zwenkauer See – etwas mehr als die Menge, für die der Hochwassereinlass eigentlich ausge-legt ist. Rund 20 Millionen Kubikmeter werden nach drei Tagen in den See ge-flossen sein, der Wasserstand wird damit auf 109,50 Meter steigen.

Dabei ist das Einlassbauwerk gerade erst fertig geworden. Einen Monat ist es her, seit Sachsens Ministerpräsident Sta-nislaw Tillich und der Geschäftsführer Mahmut Kuyumcu des Bergbausanieres LMBV (Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft) das Bauwerk eröffneten.

die rund 13 Millionen euro für den Bau haben sich bereits gelohnt – da ist sich LMBV-Projektplaner Rolf Schlott-mann sicher. Ohne die Einleitung des Hochwassers in den See wären die Was-sermassen in Leipzig angekommen und hätten dort Überflutungen und große Schäden verursacht.

Doch der Zwenkauer See dient nicht nur dem Hochwasserschutz. Als einer von vier großen Tagebauseen im Süd-raum von Leipzig trägt er zur Nah- erholung der Stadtbevölkerung bei. Der Bergbausanierer LMBV hat diese Seen auf dem Gebiet der einstigen Braunkohletagebaue Zwenkau und Espenhain angelegt.

Seit 2008 dreht die Santa Barbara ihre Runden auf dem Zwenkauer See – zwi-schen Abraumhalden, die allmählich im Wasser versinken. »Gestern stand das Wasser noch dort«, sagt Schiffsführer Swidbert Scholz und zeigt auf einen Punkt, der ein paar Meter vom Ufer ent-fernt liegt. Um etwa 1,50 Meter ist der Pegel des Sees bislang gestiegen, insge-samt werden es in den drei Tagen der Flutung rund 2,50 Meter werden. Das Fahrverbot ist eine Vorsichtsmaßnahme. Nach zehn Tagen wird die Santa Barbara erneut losschippern. Rund 60 000 Men-schen haben bislang eine Tour über den

infokasten

die lMBV gehört der Bundesrepublik deutschland. sie hat die aufgabe, die nicht nach der Wende privatisierten tagebaugebiete aus ddr-staatsbesitz zu rekultiveren. derzeit arbeiten knapp 750 Mitarbeiter in dem unternehmen. Bis ende 2012 hat die lMBV rund 9,4 Milliarden euro ausgegeben, bis ende 2017 sollen noch einmal 1,23 Milliarden euro hinzukommen.

Zwenkauer See genossen, unter ihnen viele ehemalige Bergleute. An einer Wand lehnt ein Plüschmaulwurf: Käpt’n Kurt, ein Maskottchen, das den Wandel von der Bergbau- zur Seenlandschaft symbolisiert.

nach der Wende hat die Region erst einmal gelitten. Zigtausende Menschen wurden im Zuge der Privatisierung eines Teils der Tagebaue und mit der Abwick-lung der übrigen arbeitslos. »Es war ein absoluter Bruch in der Region, es gab keine Alternativ-Arbeitsplätze«, sagt Dietmar Stein, heute Betriebsratsvorsit-zender bei der LMBV. Er arbeitete zu DDR-Zeiten im Tagebau Espenhain und begleitete ab 1991 den Wandel im Be-triebsrat. »Wir haben uns damals dafür starkgemacht, dass niemand ins ›Berg-freie‹ fiel.« Trotzdem war der Wandel für die Menschen schwierig. Manche gingen in den vorzeitigen Ruhestand, andere mussten zu neuen Arbeitsplätzen pen-deln. Und eine ganze Reihe der ehema-ligen Bergleute wurden in der Sanierung der alten Tagebaue weiterbeschäftigt.

Heute ist Dietmar Stein mit dem Er-gebnis dieser Arbeit zufrieden. »Wenn die Mitarbeiter sehen, dass ihr Produkt angenommen wird, dann ist da schon ein gewisser Stolz mit dabei.«

Ende 2014 wird der See vollständig ge-flutet sein – durch das Hochwasser viel-leicht schon ein paar Monate früher.

Wolfgang Lenders

das hochwas-ser der Weißen elster wurde in den Zwenkauer see eingeleitet. swidbert scholz, schiffsführer der »santa Barbara«, und Maskottchen »käpt’n kurt« haben deshalb fahrverbot.

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> TIPPS UrlaUb

Die weite Welt in der HosentascheAuF REISEN kann das Smartphone zu einem hilfreichen Begleiter werden. kompakt-Autorin Katrin Schreiter erklärt, wie zusätzliche Apps das Handy ruck, zuck zu einem multifunk-tionalen Reiseführerhotelfinderdolmetscherfahrplannavigator-kompass machen.

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Schöne aussichtenWird es sonnig oder gibt es Regen? Mit ei-

ner Wetter-App lässt sich auch für den Urlaubsort in die Zukunft schauen. Sowohl auf Android- als auch auf Apple-Handys ist bereits ein Miniprogramm installiert. Bei den Vorhersagen für die nächsten Tage sind beide zwar recht zuver-lässig, doch oft liegen sie beim aktuellen Tag daneben.uNSER TIpp: »Weather pro« (deutsch, iphone 2,99 Euro, Android 2,99 Euro, weitere Versionen für ipad, Blackberry und Windows phone 7). Diese App lässt die Konkurrenz im Regen stehen. Sie macht relativ genaue Vorhersagen – und das bis zu sieben Tage im Voraus für zwei Millionen Orte auf der ganzen Welt. Außerdem gibt’s Angaben zu Temperatur, Wind und Niederschlag sowie Satellitenbilder zum Ansehen.

Mobiler DolmetscherManchmal helfen auf einer Reise nicht mal

Hände und Füße. Übersetzer-Apps sorgen dafür, dass die Verständi-gung im Ausland klappt. uNSER TIpp: Der »Google Übersetzer« (kostenlos, Android und iphone). Die Anwendung gilt als Standardwerk unter den mobilen Wörterbüchern. Mit ihrer Hilfe können Wörter und Sätze in zurzeit 63 Sprachen übersetzt werden. Eine Internetverbindung ist dafür nicht nötig: Einzelne Sprachpakete können heruntergeladen und dann dauerhaft offline genutzt werden. So funktioniert die App auch im Ausland, ohne dass dabei Roaming-Gebühren anfallen. Außerdem erkennt die App fremdsprachige Texte auf Fotos und zeigt die Übersetzung an. Schilder oder Speisekarten sind damit schnell zu entschlüsseln.

Ich packe meinen Koffer . . .. . . und vergesse mal wieder das Wichtigste. Ir-

gendwas fehlt am Urlaubsort immer, sei es die Sonnenbrille, das Ladekabel oder sogar die Kreditkarte. uNSER TIpp: Die kostenlose deutsch-sprachige App »pack the bag« (iphone) bietet packlisten an. Aus insgesamt 650 Gepäckstücken können persönliche Listen zusammengestellt und diese dann beim packen digital abgehakt werden. Ein Katalog hilft, die Checklisten perfekt auf individuelle Bedürfnisse und das jeweilige urlaubsziel zuzuschneiden – ob Strand- urlaub mit Kind oder Citytrip mit der Liebsten. Für Android gibt es die eng-lische App »packing List« (kostenlos).

Doch Vorsicht: Die kleinen Minipro-gramme verleiten dazu, zu viel einzu-packen! Der Hinweis darauf, wie viel jedes Kilo Kofferübergewicht bei der jeweiligen Fluggesellschaft kostet, fehlt leider . . .

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Die weite Welt in der HosentascheAuF REISEN kann das Smartphone zu einem hilfreichen Begleiter werden. kompakt-Autorin Katrin Schreiter erklärt, wie zusätzliche Apps das Handy ruck, zuck zu einem multifunk-tionalen Reiseführerhotelfinderdolmetscherfahrplannavigator-kompass machen.

reiseführer Tour de appWer ein Smartphone be-sitzt, kann Gewicht auf

Reisen sparen – die Bücherkilos. Rei-seführer-Apps sind nicht nur Platz sparend, sondern auch aktueller und flexibler. Sie zeigen, was sich in unmittelbarer Umgebung befindet, liefern Wichtiges und Aktuelles. uNSER TIpp: »tripwolf« (kostenlos Android und iphone). Diese App stellt zahlreiche Karten, Infos und Bilder zu vielen Orten zum Download bereit – sie können bequem im Offline-Modus genutzt werden. So sind im kostenlosen Starterpack bereits mehrere Hundert Basis-Reiseführer enthalten. und das in unterschiedlichen Datenmengen: reiner Text (ca. 5 MB), Text und Karten (ca. 50 MB) und eine vollständige Version mit Fotos (ca. 100 MB). Weitere Reiseführer können hinzugekauft werden.

Die pakete bieten jeweils einen kurzen Einführungstext, Reiseinfos, einige Tophighlights und die wichtigsten Attraktionen aus Kultur, Nachtleben, Essen, unterkunft und so weiter. Über einen kostenlosen Account erhält man auch Zugriff zu einer Community, deren Tipps und Bewertungen.

bett findenEin Hotelzimmer schon zu Hause telefonisch re-servieren oder am PC

buchen? Wie altmodisch! Wer sein Zimmer unterwegs auf dem Smart-phone bucht, bleibt spontan und spart meist sogar Geld. uNSER TIpp: »HRS Hotelportal«. Mit der kostenlosen App (Android und iphone) des bekannten Vergleichsportals lassen sich dank GpS-Empfänger innerhalb weniger Sekunden die Hotels aus der direkten umgebung finden. So hat die App Zugriff auf die gesamte Hoteldaten-bank mit bis zu 230 000 unterkünften weltweit. Dazu gibt es Infos zur Zim-merausstattung, Hotellage und natür- lich die tagesaktuellen preise. Die integrierte Google StreetView Funktion ortet Sehenswürdigkeiten in der Nähe und navigiert zu öffentlichen Verkehrs-mitteln. preislich lohnt sich »HRS Hotelportal« allemal: Nach Angaben des Anbieters muss ein Hotel mindes-tens 30 prozent Rabatt gewähren, um gelistet zu werden.

Wo geht’s zum Urlaub?Und wenn noch gar kein Urlaub geplant

und gebucht ist? Oder die Angebote bisher zu teuer waren? Dann lohnt sich eine Urlaubsfinder-App, die nach günstigen Angeboten sucht.uNSER TIpp: Die urlaubspiraten-App (kostenlos, Android und iphone). Sie liefert per push-Benachrichtigung günstige Reisedeals und urlaubs-schnäppchen direkt auf das Smartphone. Reiseziel, Reisezeit und auch das Budget können dabei voreingestellt werden. Wer noch kein Ziel im Auge hat, nutzt einfach den Schnäppchen-Feed, der günstige Reisen sowie Kurzurlaube vorschlägt. Allerdings lässt sich leider bisher lediglich ein Wunschziel für push-Benachrichtungen angeben.

VORSICHT, KOSTENFALLE:

Apps, die eine Internetverbindung brauchen, können im Ausland für den Nutzer teuer werden. Für die Eu-Länder gibt es preis-obergrenzen: Ein Megabyte Datenvolumen darf ab 1. Juli 2013 maximal 53 Cent kosten. Aber schon in der Schweiz oder in der Türkei summieren sich die Kosten schnell. uNSER TIpp: Für alle, die Roaming-Gebühren im Ausland umgehen wollen: Mit der kostenlosen App »Wi-Fi-Finder« lassen sich Orte zum kostenlosen Surfen finden.

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> TIPPS AlTerSvorSorge

Mehr Betriebsrente

Anpassungsprüfungspflicht« – die-se etwas schwammige Überschrift trägt der häufig nicht beachtete

Paragraf 16 des Betriebsrentengesetzes. Arbeitgeber müssen danach alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Be-triebsrenten prüfen. Alternativ dazu kön-nen sie sich auch dafür entscheiden, die Rente regelmäßig um mindestens ein Pro-zent zu erhöhen. Das schreibt das Gesetz vor.

Falls Arbeitgeber es jedoch nach der »Prüfung« vorziehen, die Rente nicht an-zupassen, müssen sie dies den Betriebs-rentnern nicht mitteilen – und dann bleibt alles beim Alten, wenn die Rentner nicht selbst aktiv werden. Dabei ist Folgen-des zu beachten:

PrüfungszeitPunkt: Fraglich ist der erste Termin der Anpassung. Eigentlich

müsste die Rentenhöhe drei Jahre nach dem individuellen Rentenbeginn erst-mals überprüft werden. Das Bundes- arbeitsgericht erlaubt jedoch eine Bün-delung der Rentenerhöhung auf einen Stichtag, etwa auf den 1. Juli. Danach ist ein strikter Drei-Jahres-Rhythmus ein-zuhalten.

AnPAssung einfordern: Kommt dann weder eine Anpassung noch eine Mitteilung, warum diese nicht erfolgt, so müssen Rentner von sich aus die Anpas-sung verlangen.

AnPAssungshöhe: Mindestens der eingetretene Kaufkraftverlust muss aus-geglichen werden, es sei denn, Löhne und Gehälter vergleichbarer Arbeitneh-mergruppen des Unternehmens sind unterhalb der Inflationsrate angestiegen.

WidersPruch: Wird die Anpassung abgelehnt, so kann der Betriebsrentner Widerspruch einlegen. Dies muss inner-halb von drei Monaten erfolgen – und zwar schriftlich. Andernfalls gilt eine Rentenanpassung »als zu Recht unter-blieben«. Das bestimmt Paragraf 16 Ab-satz 4 des Betriebsrentengesetzes. Fehlt eine (wirtschaftliche) Begründung für die ausgebliebene Anpassung oder hat der Arbeitgeber nicht auf die Wider-spruchsmöglichkeit hingewiesen, so kann auch noch später Widerspruch eingelegt werden.

klAge: Gegen einen abgelehnten Wi-derspruch können Betroffene klagen. Spätestens vor dem Arbeitsgericht müs-sen die Firmen dezidiert begründen, warum die Rente gar nicht oder nur minimal erhöht wurde.

inflAtionsAusgleich steht auch vielen Betriebsrentnern zu. Doch mehr geld gibt es häufig nur für diejenigen, die hierauf bestehen.

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Protest erfolgreich: eU-eingriff in Betriebsrente vorerst gescheitert

Worum geht es bei den Verhandlungen in Brüssel?Um »Solvency II« und die Pensionskassenrichtlinie. Gesichert werden soll dabei die Zahlungsfähigkeit von (Renten- und Lebens-)Versicherungs-unternehmen.

Das klingt doch gut.Die Absicht ist löblich. Denn klar ist: Die gesetzliche Rente allein wird nach den Kürzungen in den letzten 15 Jahren künftig nicht für einen auskömm-lichen Lebensunterhalt reichen. Zusätzlich ist private und betriebliche Vor-sorge notwendig. Und diese zusätzlichen Systeme müssen natürlich sicher sein. Deshalb sollten – so die EU-Kommission – die Versicherungen mehr als bisher Eigenkapital vorhalten.

Das sollte auch für die betrieblichen Altersversorgung gelten?Ja. Diese sollte genauso behandelt werden wie private Versicherungen. Derzeit sind laut EU-Kommission etwa fünf Prozent der laufenden Rentenzahlungen durch Eigenkapital gedeckt. Daraus sollten nun mehr als 30 Prozent werden. Das hätte einen Kapitalbedarf von 40 bis 50 Milliarden Euro bedeutet. Diese Summe hätte aktuell von den Unternehmen aufgebracht werden müssen. »Das wäre auf breiten Widerstand gestoßen«, sagt Ulf Imiela, IG-BCE-Be-triebsrentenberater. »In der Konsequenz wäre es zu erheblichen Mehrbelas-tungen der Arbeitnehmer beziehungsweise zu einer Senkung des Betriebs-rentenniveaus um 15 bis 25 Prozent gekommen.«

Wäre eine solche rigide Eigenkapitalabsicherung denn nötig?Nein, denn Betriebsrenten sind heute bereits mehrfach gesichert. Zum einen steht der Arbeitgeber für die Forderungen ein, etwa für den Fall, dass eine Pensionskasse »schwächelt«. Und wenn ein Arbeitgeber zahlungsun-fähig werden sollte, greift die Sicherung durch den Pensionssicherungsverein. »Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland verfügt somit bereits heute über eine ausreichende finanzielle und aufsichtsrechtliche Absicherung«, betont Ulrich Freese, stellvertretender Vorsitzender der IG BCE.

Sind die Brüsseler Pläne endgültig gestoppt?Zumindest bis Ende 2014 werden die bisherigen Eigenkapitalregeln für die betriebliche Altersversorgung nicht verschärft. Aktionen der IG BCE, Veranstaltungen mit Abgeordneten und Unterschriftensammlungen haben dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. Rolf Winkel

BetrieBsrenten sollten stärker durch eigenkapital gedeckt werden. Das hatte die eU-Kommission gefordert. Die schlüssig klingende Forderung hätte die Betriebsrenten insgesamt gefährden können. glücklicherweise wurden die Brüsseler Pläne nach Protesten von Ig BCe und DgB vorerst auf eis gelegt.

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Vier schritte zur erhöhung der BetrieBsrente:

1. Wenn die Anpassung ausbleibt, Arbeitgeber

anschreiben.

2. Wenn keine Antwort kommt, energisch nachhaken.

3. Bei Ablehnung einer Anpassung,

Widerspruch einlegen.

4. Bei Ablehnung des Widerspruchs,

rechtsberatung bei der Ig BCe einholen.

Musterschreiben finden Sie unter: http://goo.gl/1ZBXs

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> Rätsel>

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storch-ähnlicherSchreit-vogel

verblüht,vertrocknetbrit. Schau-spieler

rutschig,glitschig

Additions-wortWeltorga-nisation

gleich-gültig,einerlei

Hoch-schätzung

Lungenluft

Produktdes Wirt-schafts-waldes

Stromin Asien

eig. Staats-gebiet

Stadt amN’rheininneresOrgan

Farb-anstrich

PrinzessinvonMonacoBarzahlung

Kurzgot-tesdienstunent-behrlich

Spielfeld-markierungdt. Maler †(Emil)

Gewicht(ugs. Kzw.)Abzug beiBarzahlung

Verborgen-heit (med.)schwimm.Seezeichen

frz. Plural-artikellitauischeHauptstadt

ein-gedickterObst-saft

sehrkleineInsel

FarbeNamevon 13Päpsten

dichterNebel(englisch)

japan. Formdes RingensStrichcode(Abk.)

Fluss beiNizza

Euro(Abk.)

Neben-fluss desMittel-rheins

warmer,trockenerFall-wind

Gewebeart

Autokz.v. Erfurt

antike Stadtin Kleinasieneh. äthiop.Fürstentitel

Langmut,unver-drossenesWarten

südfran-zösischeStadt

Anrede fürFremde

Faul-affe

Großstadtin derWest-schweiz

weit zurück-liegend,langevergangen

Ampere-stunde (Abk.)z. B. Möhrenzerkleinern

Neben-fluss derDonau

Unterneh-mensform

Unsinn

Mangel anklarem WegTortur,Peinigung

prahlen,angeben(sich ...)

Staat imVorderenOrient

schlangen-förmigerSpeise-fisch

kleiner,mobilerComputer(Abk.)

schwererhältlich,selten

Fußteil

in KellernlebendesKrebs-tier

23. griech.BuchstabemännlichesPferd

weib-licherMenschPsyche

Mann imRenten-alter

Bindewort(bevor)Gattin desLohengrin

lauteTrauer

eh. Schiffs-raummaß

alkohol.Getränk

nichtaußen

englischeVerneinung

Budget

wbl. Haus-schweinHimmels-körper

QuantitätBorstenderÄhren

öligesFisch-fett

digitale Lei-tung (Abk.)kleineMarderart

realeExistenzskandin.Münze

Zeit-spanne

Blume,Zier-pflanze

Confé-rence

Rad fahren

ital. Reis-speisedt. Autor †(Heinrich)

essbareMeeres-muschel

SportstätteuralteErzäh-lung

Papagei

jegliches,sämtliches

spärlichNahrungs-mittelaus Milch

SpionGliedamFuß

Empfehlung

Künstler-entgelt

griechi-scheGöttinder Kunst

Medi-kamentlustigerUnfug

Säugetierm. Stacheln

Körperglied

Motorschiff(Abk.)

Behörde

Leucht-diode (Abk.)

be-streiten

US-Raum-fahrtbehördechem. Z. f.Gallium

gemäßAutokenn-zeichen v.Ansbach

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Wild-hüter

Hoch-gebirgs-tier

StrominSibirien

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In diesem Monat erhalten zehn Gewinner einen Weber Grill Master Touch GBS 57cm in der Johann-Lafer-Edition. Durch das fest im Deckel integrierte Thermometer, den Hitzeschutz an den Griffen und den Brikett- portionierer wird das Grillen im

Sommer noch gemütlicher. Auf weitere 40 Gewinner wartet ein Wachmacher für die ganze Familie: Die Kaffeemaschine Subito von Moulinex bietet in ihrer Kanne Platz für zehn Tassen frischen Kaffee.

Für die Grillmeister

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Glück & Glosse

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Im Preisrätsel wird in diesem Monat ein Begriff gesucht, der freie Zeit bei schönem Wetter umschreibt. Bitte die lösung auf eine Postkarte schreiben und einsenden an: kompakt-Redaktion, Postfach 39 45 30039 Hannover oder per Mail an: [email protected] — bitte die Adresse mit angeben. einsendeschluss ist der 14. August 2013 (Datum des Poststempels ist maßgebend). Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Die Gewinner

Preisrätsel

Bei DeR VeRlosunG DeR PReise unter den ein-sendern richtiger lösungen fielen die zehn Gewinne – ein »Winora Hollywood«-Fahrrad – an:klaus Friedrich, Werne; Gabriele konzack, Ruhland; Antje Mohrherr, Hamburg; Werner Hurst, ladenburg; Josef Bönisch, ibbenbüren; Markus Moser, steinach; elena Glasner, Burghausen; Rita Grübl, niederwink-ling; Werner knapp, schwalmstedt; klaus-Dieter Hertel, lübz.

Je ein FAHRRAD-notFAllset erhalten: Mathias Grenz, Holle; Georg Fenger, Duisburg; Helmut Hatt-wig, Rinteln; christian Ziemke, leipzig; Fritz schul-ze, lippetal; klaus schmidt, Recklinghausen; uwe Dambeck, Waldems; Horst Fella, Hilden; eckart uhlig, Dessau; Helmtrude Hecht, ludwigshafen; christina Hierlmayer, Plattling; Hans Gerst, Pirma-sens; Regina striebritz, Hermsdorf; Albertine Meyer, lambsheim; Horst ullrich, kerpen; Vitali Reinhardt, Hattorf; Hermann Holzgreve, Delligsen; klaus sey-fert, torgau; tobias Bloch, Gelsenkirchen; Manfred spiegler, Georgenthal; Ralf Grube, Mannheim; Johann kleber, nabburg; Ferdinand Wolf, Gröben-zell; Heinz Dettlaff, Rommerskirchen; Wolfgang Dabrowski, Herten; Achim kling, Weinheim; Gabriele Wieschus, Haltern; Markus suchatzki, Bonn; Walter urban, seelscheid; lutz strigun, Bützow; Matthias opel, Feilitzsch; Manfred Patzer, eisenberg; Pascal Monreal, kürten; Bernd Büddefeld, Diemelsee; eva-Maria Albrecht, Winsen/Aller; Harald oberle, klein-wallstadt; Peter Reske, norderstedt; christian schonlau, spelle; Robin sieber, Bockenem; Henry Peters, Märkisch luch.

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Herrlich, Sommer. Blütezeit für fa-miliäre Missverständnisse (»Ni-cole, ich hab’ Sonnenbrand« –

»Brand? Schon wieder? Saufkopp!«). In den Stadtparks mischen sich die So-ziotope. Bionade Holunder trifft auf Fanta Erdbeere. Hinterm Klettergerüst zeigt Jason-Geronimo seinem neuen Freund Bengt-Thaddäus, wie man Haschen spielt. Später wollen sie viel-leicht noch Fangen spielen. Constanze Berenike pflückt Gänseblümchen, Destiny Hope Cheyenne pflückt alte Zigarettenkippen. Daneben stehen die beiden Elternpaare. Thorsten und Sandra versuchen, sich total entspannt auf Elvis und Nicole einzulassen (»Du, das sind auch sehr liebe Menschen.«), aber Elvis schreit immer »Scheiß-BVB, wir singen Scheiß-BVB!«, und Nicole hat Ringe unter den Augen, dass man einen Kleiderbügel dranhängen könnte.

Beim Versuch, den sozialen Graben durch Wohlverhalten zu überbrücken, wirkt Thorsten wie Elvis, wenn der ver-sucht, die Playstation im Schlafzimmer mit dem großen Zeh auszumachen. Ir-gendwann ist nur noch der Kopf auf dem Bett. Dann kommt Bengt-Thad-däus zurück und hat so ein Grinsen im Gesicht, und Sabine denkt: »Schön, wenn der Junge auch mal mit guten, einfachen Leuten so viel Freude hat.« Nicole (dreisilbig auszusprechen) fragt Thorsten, ob er Schäfer Heinrich mag, und Thorsten sagt, den kenne er nicht. Ob sie vielleicht Heinrich Schäfer mei-ne, den Ägyptologen? Dann erzählt El-vis Sabine, dass er gerne so ein Flug-hafen-Rollband vom Schlafzimmer ins Badezimmer hätte, und dann müssen Thorsten und Sabine jetzt leider aber wirklich mal ganz schnell los, und El-vis fragt: »Sommer noch was trinken?« Schönen Sommer! Imre Grimm

GRiMMs MäRCHEn

A M W O V K U KP A A R H U F E R O K L A H O M A

U L K S I G N O R A R U B I NA S I A T I N E R T R A G L E U

M D E C K E F R O N L A TS E N E C A M O F A B E U T E LT R E K L E I D G A E M S E A

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Lösung: SONNENSCHUTZMITTEL

»Für mich bitte Huîtres Farcies und einen Viertel Muscadet,oder haben sie einen leichten roten Bordeaux?«

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> Mein ArbeitsplAtz

Der Herr der Bälge»Wickeln, wickeln, wickeln. Ohne

unsere Arbeit hier gäbe es keine Autoreifen. Wir stellen aufblas-

bare Bälge her, die in den sogenannten Aufbautrommeln zum Einsatz kom-men. Auf diesen Trommeln werden die einzelnen Bestandteile eines Autorei-fens zusammengefügt, also zum Bei-spiel Karkasse, Stahlgürtellagen und Lauf-

streifen. Das passiert auf dem aufgebla- senen Balg. Danach wird die Luft her-ausgelassen und der Reifenrohling kann abgenommen werden. Genau diesen Balg produzieren wir hier.

Ein Außenstehender glaubt das kaum, aber das ist Handarbeit, das hat sich in den vergangenen 50 Jahren kaum geän-dert. Wir steuern unsere Wickelmaschi-

ne ähnlich wie eine alte Nähmaschine, per Pedal. Aber das Einzige, was sich dann bewegt, ist die Trommel. Das Mate-rial müssen wir per Hand zuschneiden und auflegen.

Zehn verschiedene Materialien sind das, Textilien und Kunststoffbänder. Lage um Lage müssen wir aufwickeln, natürlich in einer festgelegten Reihen-

folge. Die ist immer anders, je nach-dem, für welche Produktionsmaschinen der Balg sein soll – für die Produk- tion von Pkw- oder Lkw-Reifen, für Winter- oder Sommerreifen. Dafür ist viel Fingerspitzengefühl nötig, an jeder Maschine ist die Arbeit ein bisschen an-ders. Mit der Zeit entwickelt sich da aber Routine.

Meistens arbeiten wir zu zweit an einer Maschine, einer wickelt, der andere bringt die Bälge in den Autoklaven, einen spezi-ellen Ofen. Schließlich müssen auch die Bälge erhitzt werden.

Zu zweit schaffen wir etwa elf Stück am Tag. Mit einem Balg kann man dann 20 000 bis 30 000 Reifen herstellen. Wir produzieren für alle Conti-Reifenwerke, weltweit. Und auch ein paar andere Fir-men bestellen bei uns. Ungefähr 25 Kolle-gen arbeiten hier.

Ich bin jetzt seit zehn Jahren in der Balgproduktion, bei der Conti bin ich ins-gesamt schon 25 Jahre. Davor habe ich unter anderem in der Reifenheizung gear-beitet, also beim Vulkanisieren.

Aber Reifen produzieren wir in Hanno-ver keine mehr. Dadurch haben viele Ar-beiter ihren Job verloren. Die Arbeitsplätze hier in der Halle sind aber sicher.

Aufgezeichnet von Uwe Kreuzer

Das Material für die aufblasbaren Bälge wird noch per Hand zugeschnitten.

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»Wir steuern unsere Wickelmaschine wie eine alte Nähmaschine per Pedal.«

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DiMostHenis PaPaDoPoulos (48) ist produktionsmitarbeiter bei Continental in Hannover.

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IG-BCE-Kongress in Hannover

kompakt | Juli/August 2013 |

1. Beschluss zur Tagesordnung

Der 5. Ordentliche Gewerkschaftskongress der IG BCE findet

vom 13. bis 18. Oktober 2013 in Hannover statt.

Der Hauptvorstand hat folgende Tagesordnung

beschlossen:

I. Eröffnung und Begrüßung

II. Konstituierung des Gewerkschaftskongresses

a) Annahme der Geschäftsordnung

b) Annahme der Tagesordnung

c) Annahme der Wahlordnung

d) Wahlkommission

e) Präsidium

f) Schriftführer/-innen

g) Mandatsprüfungskommission

h) Bestätigung der Antragskommission

i) Festsetzung des Antragsschlusses für Initiativanträge

III. Geschäftsberichte

a) des Hauptvorstandes der IG Bergbau, Chemie, Energie

b) der Kommissionen und Ausschüsse

c) Aussprache zu den Berichten

d) Bericht der Mandatsprüfungskommission

e) Entlastung

IV. Wahlen

a) Hauptvorstand (§ 19 der Satzung)

b) Finanzausschuss (§ 21 der Satzung)

c) Personalausschuss (§ 22 der Satzung)

d) Satzungskommission (§ 23 der Satzung)

e) Beschwerdeausschuss (§ 24 der Satzung)

f) Hans-Böckler-Kommission (§ 24 a) der Satzung)

V. Referat des Vorsitzenden der IG BCE

VI. Anträge

VII. Schlusswort des Vorsitzenden

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»Der brachiale Einsatz der türkischen Polizei ist sehr erschreckend. Eine Lösung des Konflikts verlangt die Respektierung und die strikte Einhaltung demokratischer Prinzipien – mit dem Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit.«

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE

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