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2|16 DGWF DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR WISSENSCHAFTLICHE WEITERBILDUNG UND FERNSTUDIUM E.V. GERMAN ASSOCIATION FOR UNIVERSITY CONTINUING AND DISTANCE EDUCATION HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG SCHWERPUNKTTHEMA: FORSCHUNG AUF UND IN WISSENSCHAFTLICHE(R) WEITERBILDUNG
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HocHscHule und Weiterbildung · Stichwort: Forschung in der wissenschaftlichen Weiterbildung 12 thema Forschung auf und in Wissenschaftliche(r) Weiterbildung ... menhang auch der

Jun 07, 2020

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DGWF · HocHscHule und Weiterbildung · AusgAbe 1|2015

2|16

DGWFdeutscHe gesellscHAft für WissenscHAftlicHe Weiterbildung und fernstudium e.V.

germAn AssociAtion for uniVersity continuing And distAnce educAtion

HocHscHule undWeiterbildung

scHWerpunkttHemA:forscHung Auf und in WissenscHAftlicHe(r) Weiterbildung

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DGWF · HocHscHule und Weiterbildung · AusgAbe 2|2016

inHAltsVerzeicHnis · 3

inhaltsverzeichnis

7 editorial

7 WolfgAng Jütte, clAudiA lobe

Stichwort: Forschung in der wissenschaftlichen Weiterbildung

12 thema Forschung auf und in Wissenschaftliche(r) Weiterbildung

12 mAriA kondrAtJuk, mAndy scHulze

Forschungsaktivitäten in der Hochschulweiterbildung EinSystematisierungsvorschlagalsAuftaktzueinerKartografie

19 AsJA lengler

Projektbezogene Forschung und Entwicklung in der wissenschaftlichen Weiterbildung als Steuerungsimpuls hochschulinterner Veränderungsprozesse

25 Annette bArtscH, susAnne kundolf, ulrike Wrobel

Verbindung von qualitativen und quantitativen Bedarfsanalysen in der wissenschaftlichen Weiterbildung

32 mArtin becHmAnn, lindA ViebAck, stinA krüger, cHristopH dAmm, ulrike froscH, Helge fredricH

Ein Blick auf und in die Magdeburger Weiterbildungsforschung ForschungsbasierteProjektarchitekturen

41 rebeccA pientkA, nAdJA müller, tinA seufert

Lernereigenschaften von Präsenz- und Fernstudierenden und deren Bedeutung für Lernerfolg EineempirischeVergleichsstudie

50 AngelikA HenscHel, JAsminA crcic, AndreAs eylert-scHWArz

Gender Mainstreaming in der Forschung zur berufsbegleitenden akademischen Weiterbildung

58 mArkus lermen, JoAcHim rübel, mAndy scHiefner-roHs

Didaktische Referenzpunkte der wissenschaftlichen Weiterbildung StudentischeArbeitenzwischenForschungs-undPraxisorientierung

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4 · inHAltsVerzeicHnis

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67 WolfgAng Arens-fiscHer, kAtrin dinkelborg, guido grunWAld

Theorie-Praxis-Vernetzung und Kompetenzentwicklung in dualen Studiengängen

76 dAmAris JAnkoWski, JuliA JuHnke, ingo krossing, stepHAn lengsfeld

Innovation durch forschungsorientierte Weiterbildung DasFormatTraining-on-the-Project

84 forum

84 mArkus lermen, fArinA steinert, norinA Wolf

Freie Bildungsmaterialien in der wissenschaftlichen Weiterbildung HerausforderungenundChancenvonOER

94 tagungsberichte

94 ESREAs Europäischer Forschungskongress zur Erwachsenenbildung Imaginingdiversefuturesforadulteducation:questionsofpowerandresourcesofcreativity 07.bis11.September2016,MaynoothUniversity,NationalUniversityofIreland

95 „Biografie – Lebenslauf – Generation“ JahrestagungderSektionErwachsenenbildungderDGfE 28.bis30.September2016inTübingen

97 publikationen

99 buchbesprechungen

106 Aus der fachgesellschaft

106 Neuer Vorstand der DGWF gewählt. Ein Interview

109 „Die Vielfalt der Lifelong Learners – Herausforderungen für die Weiterbildung an Hochschulen“ JahrestagungderDGWFinKooperationmitAUCEN 14.bis16.September2016inWien 111 Zentrale Diskussionsveranstaltung der Landesgruppe Rheinland-Pfalz und Saarland am Deutschen Weiterbildungstag 29.September2016anderJohannesGutenberg-UniversitätMainz

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inHAltsVerzeicHnis · 5

113 service

113 termine

114 neue mitglieder

115 AutorenVerzeicHnis

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Kurz zusammengefasst …

Die Bedeutung von Gender Mainstreaming für den Bereich der berufsbegleitenden akademischen Weiterbildung wurde bislang kaum erörtert. Inwiefern sowohl in der Weiterbil-dungsforschung als auch in der Konzeption von Weiterbil-dungsangeboten und in der Weiterbildungspraxis eine gleich-stellungsorientierte Perspektive eingenommen wird, kann bislang kaum nachvollzogen werden. Dieser Beitrag möchte verdeutlichen, dass Gender Mainstreaming einerseits als Qualitätskriterium von Weiterbildungen gelten kann und andererseits die Umsetzung von Gender Mainstreaming auf-grund rechtlicher Rahmenbedingungen ein Leitprinzip von öffentlich finanzierten Forschungs- und Entwicklungspro-jekten darstellen sollte.

1 Einleitung DasBundeskabinetthatimZugederRatifizierungdesAms-terdamer Vertrags seit 1999 Gender Mainstreaming undGeschlechtergerechtigkeit zum durchgängigen LeitprinzipundZielvonRegierungshandelngemacht.SeitdemmüssenGender Mainstreaming-Aspekte auch in Forschungsvorha-ben–ganzunabhängigvonderWissenschaftsdisziplin,demForschungskontext oder dem Forschungsdesign – durchge-hendBerücksichtigungfinden.Diesgiltsomitauchfür„For-schung auf und inWissenschaftliche(r)Weiterbildung“, soder(Arbeits-)TiteldieserAusgabederZeitschrift„Hochschu-leundWeiterbildung“.1

„Gender Mainstreaming in der Forschung bedeutet,Forschungsfragen und -aufgaben systematisch ge-schlechtsdifferenziert zubetrachten.VonBeginndesPlanungsstadiums an sind die Fragestellungen, Er-kenntnisinteressenundDatengeschlechtsbezogenzuprüfen.Ziel ist, inAbhängigkeit vomUntersuchungs-gegenstand entsprechend den wissenschaftlichen

gender mainstreaming in der forschung zur berufsbegleitenden akademischen Weiterbildung AngelikA HenscHel

JAsminA crcic

AndreAs eylert-scHWArz

Standards geschlechterspezifische Erkenntnisse zuerhaltenundsoaufzubereiten,dassdieaufsieaufbau-enden politischen Maßnahmen geschlechtersensibelundzielgenaugestaltetwerdenkönnen“(BMFSFJ2005,S.5).

DieHervorhebungvongeschlechtsspezifischenErkenntnis-senodergeschlechtsdifferenziertenForschungsfragenmussdabei kritischbeurteiltwerden, da sich inderUmsetzungs-praxisgezeigthat,dassesdadurchauchzueinerReifizierungder Kategorie Geschlecht kommen kann. Es gilt also, stetsabzuwägen und kritisch zu reflektieren, wann geschlechts-bezogeneForschungsfragentatsächlichrelevantsind,umsoeinerunnötigenDramatisierungvonGeschlecht (Faulstich-Wieland/Weber/Willems2004)entgegenzuwirken.

In der Forschungspraxis zu Weiterbildungsfragen wirddie Querschnittsaufgabe des Gender Mainstreaming nachWahrnehmungderAutorinnenunddesAutorsunterschied-lichausgestaltet.ImRahmenvonTagungenundKongressen– auch imKontext vonWeiterbildungsforschung, lebenslan-gemLernenundoffenerHochschule–wurdedeutlich,dassdas Konzept häufig verkürzt verstanden (und in der For-schungspraxisentsprechendumgesetzt)wird.SowurdezumBeispielvoneinemVertretereinertechnischenHochschulein einem Statement der Einwand vorgebracht, an seinerHochschule sei es ungleich schwerer, Gender Mainstrea-ming-Aspekte zu berücksichtigen, da in den betreffendenIngenieur-StudiengängenteilweisekeineFrauenimmatriku-liertseien–hierseidahereinegezielteFörderungweiblicherStudierendergarnichtmöglich.DaranzeigtsicheinehäufigauftretendeFehlinterpretationvonGenderMainstreaming,indemGenderMainstreamingmitFrauenförderunggleich-gesetzt wird. In einem anderen Kontext wurde der Begriff„Gender“aufdiegeschlechtergerechteSchreibweiseverkürztund Kritik an den damit verbundenen Schreibstilen (zum

¸

1 WeitererechtlicheRahmenbedingungenbildenz.B.aufeuropäischerEbenederArtikel8desLissabonVertragsundaufBundesebeneu.a.derArt.3desGrundgesetzes,der§4desBundesgleichstellungsgesetzesoderauchder§2dergemeinsamenGeschäftsordnung(GGO)derBundesministerien,indeneneineVielzahlanForschungsförderungenvorbereitet,durchgeführtundnachbereitetwerden–hierbeisinddieGrundsätzederGGOzubeachten.

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Beispielmitgroßem„Binnen-I“)geübt.DarüberhinauswirdmitunterimZugevonGenderMainstreaming-Diskussionenauch auf eine vermeintlich „natürliche“ Geschlechterdiffe-renzfokussiert,diedannzueinerReifizierungderKategorieGeschlechtzuführenvermag.Negiertwirdhiermitzugleich,dassDifferenzen innerhalbeinerGenusgruppegrößersindalszwischendenGeschlechtern(Connell2013).

ImfolgendenBeitragsolldahernacheinerbegrifflichenAn-näherunganGenderMainstreamingundeinemBezugzumThema Weiterbildung anhand einzelner ausgewählter Bei-spiele aus dem im Rahmen des Bund-Länder-Wettbewerbs„Aufstieg durch Bildung – OffeneHochschule“ gefördertenProjekt„KomPädenZPotenzial“2aufgezeigtwerden,dassdieBerücksichtigung vonGenderMainstreaming-Aspekten inallen Forschungsphasenmöglich (und sinnvoll) ist. GenderMainstreaming als Querschnittsaufgabe in Forschungspro-jektenzuWeiterbildungsfragenkann,sodieErfahrungderAutorinnen und des Autors3, als Qualitätssicherungsinst-rumentdienenunddadurchzumGelingenvonForschungs-und Entwicklungsprojekten auf diesem Gebiet einen subs-tantiellenBeitragleisten.

2 Gender Mainstreaming. Ein Erklärungsversuch Für GenderMainstreaming existiert bislang keine einheit-liche Definition (Lombardo/Meier 2006). „Gender Main-streaming ist ein begriffliches Ungeheuer und für kaumjemandenaufAnhiebverständlich“, stelltMetz-Göckel fest(Metz-Göckel 2002, S. 11). Im europäischen Raum gilt dieDefinitiondesEuroparatesausdemJahr1998häufigalsBe-zugspunkt: „Gendermainstreaming is the (re)organisation,improvement,developmentandevaluationofpolicyproces-ses,sothatagenderequalityperspectiveisincorporatedinallpoliciesatall levelsandatallstages,bytheactorsnormallyinvolved in policy-making“ (Council of Europe 1998, S. 15).DerenglischeBegriff“Gender”stehtdabeifürdiesozialundkulturell geprägten und daher auch historisch veränderba-renDimensionenvon„Geschlecht“.GenderMainstreamingistgemäßderDefinitiondesEuroparatesalsozunächstein-maleinepolitischeStrategiemitdemZiel,„inalleEntschei-dungsprozesse die Perspektive des Geschlechterverhältnis-ses einzubeziehen und alle Entscheidungsprozesse für dieGleichstellungderGeschlechternutzbarzumachen“(Stiegler2002,S.20).VonBeginnanwurdeGenderMainstreaminginder Frauen- und Geschlechterforschung kontrovers disku-tiert(vgl.Behning/Sauer2005).Befürchtetwurde(undwird)beispielsweise, dass Gender Mainstreaming die klassischeFrauenförderungverdrängenkönnte.

Geschlechtergleichstellung soll mithilfe von Gender Main-streaming nicht länger als „Nischenthema“ behandelt wer-den, für das hauptsächlich Frauen- und Gleichstellungsbe-

auftragtezuständigerklärtwerden.GenderMainstreamingbeziehtsichsomitauchgezieltaufEntscheidungsprozesseinOrganisationen(Stiegler2002).Währenddamitzunächstpo-litischhandelndeOrganisationen angesprochenwaren,wiez.B. staatliche Verwaltungen oder Nichtregierungsorgani-sationen,wirdGenderMainstreamingzunehmendauchalsInstrumentderQualitätssicherung, alsOrganisations- undPersonalentwicklung auf jegliche Organisationen übertra-gen(Henschel2012).EinwesentlicherUnterschiedbestehtindiesemZusammenhangdarin,dassstaatlicheVerwaltungendurch den Amsterdamer Vertrag von 1997 zur UmsetzungvonGenderMainstreaming verpflichtet sind,während die-ses z.B. für privatwirtschaftlicheOrganisationennicht gilt.Innerhalb vonOrganisationen impliziertGenderMainstre-aminggrundsätzlich immereinenweitreichendenVerände-rungsprozess (Blickhäuser/VonBargen2010).GenderMain-streaming kann sogar ausdrücklich als Grundsatz einesguten Personalmanagements gesehen werden (Woodward2004).ReesbetontdiesbezüglichdiezweiSeitendesGenderMainstreaming in Organisationen. Demnach sollte der Fo-kussowohlaufdieinterne(OrganisationalsArbeitgeber)alsauchaufdieexterneSeite(„Geschäfte“derOrganisation)ge-richtetsein(Rees2002).

EinigwarensichWissenschaftlerinnenundWissenschaftlerlange Zeit darüber, dass organisatorische Strukturen, Pro-zesseundEntscheidungennichtgeschlechtsneutralsindunddaraus erhebliche Nachteile für Frauen erwachsen können(Wilz 2013). In diesem Zusammenhang wurde z.B. auf diehorizontale und vertikale Segregation des Arbeitsmarktesverwiesen sowie Befunde zu geschlechtstypischen Aufga-benverteilungen oder geschlechtshomogenen Netzwerkenund Subkulturen etc. geliefert (ebd.). Aktuell werden dieseErkenntnisse jedochweiterausdifferenziertbzw.relativiert,sodass nicht mehr grundsätzlich davon ausgegangen wird,„dassGeschlecht inOrganisationendurchgängigdiegleicheRelevanzhat.(…)DieTatsachedesMann-oderFrauseins‚ansich‘,kannüberlagertwerdendurchanderesozialeKategori-en,wiezumBeispielAlter,Kinderlosigkeit, ethnischeZuge-hörigkeit,Habitus, Stellung imLebensverlaufoder einfachKompetenz.(…)Dasbedeutet,dassindersozialenPraxisvonOrganisationen Geschlechteregalität und -differenz neben-einander stehen“ (ebd., S. 152). Wilz fasst zusammen, dassGeschlechtinOrganisationengleichzeitigrelevantundirre-levantseinkannunddieBeimessungvonBedeutungundBe-wertungabhängigistvonSituationenundKontexten(ebd.).

Auch dies gilt es bei der Umsetzung von GenderMainstre-aming inOrganisationen und damit auch imRahmen vonWeiterbildungenzureflektieren,umeinerzustarkenFokus-sierungaufGeschlechtentgegenzuwirken.GenderMainstre-amingbedeutetdaherauch,dassOrganisationensichselbstundihreGeschlechterordnungkritischhinterfragenmüssen

2 dazuz.B.www.leuphana.de/kompaedenz-potenzial3 ZumBeispielausdenimRahmenderBMBF-Initiativen„ANKOM“und„ANKOMÜbergänge“gefördertenProjekten„KomPädenZ“und„KomPädenZ

konkret“.

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(Woodward2004)undbietetsomitdieChance,einenBeitragzurQualitätssicherunginOrganisationenzuleisten.

„Genderkompetenz,diedieBasisfürkompetentesGen-derMainstreaming bildet, würde damit nicht längerdenStatusdes„Exotischen“einnehmen,sondernwür-dezumselbstverständlichenfachlichenStandardvonOrganisationen gehören, mittels derer Qualitätsver-besserungenerreichtwerdenkönnten“(Henschel2012,S.99).

3 Gender Mainstreaming und WeiterbildungAnknüpfend an die allgemeinen Ausführungen zur Bedeu-tung von Gender Mainstreaming gilt es die Frage zu klä-ren, welche Wirkung Gender Mainstreaming im Bereichberufsbegleitender akademischer Weiterbildung und derForschung dazu entfalten kann. Die durchgängige Berück-sichtigung von Gleichstellungsaspekten in der Konzeptionund Umsetzung von Weiterbildungsangeboten bietet eineMöglichkeit unter vielen,GenderMainstreaming zu imple-mentieren.EineGleichstellungsorientierungaufderEbenevonWeiterbildungsmaßnahmenbedeuteteinerseitsdieRah-menbedingungenundandererseitsdasdidaktischeKonzeptentsprechend auszurichten (Smykalla o.J.). Diese beiden As-pekte nehmen auch im Forschungs- und Entwicklungspro-jekt „KomPädenZ Potenzial“ einen zentralen Stellenwertbei der Entwicklung und Erprobung neuer akademischerWeiterbildungsangebote ein (vgl. dazu auch den folgendenAbschnitt).

Zu den Rahmenbedingungen können u.a. das Weiterbil-dungsformat, derOrt, derZeitpunkt, dieZeitdauer,Werbe-maßnahmen,dieOrganisationvonKinderbetreuung sowiedie Auswahl der Zielgruppe und der Fortbildenden gezähltwerden (Smykalla o.J.). Eine Rolle spielt in diesem Zusam-menhangauchderEinsatzvonE-Learning-Elementen.DieAuswahlderZielgruppekanndabeiauchbedeuten,dasseinWeiterbildungsangebot ausschließlich für eine bestimmteZielgruppe angeboten wird. So entspricht es beispielswei-se den Prinzipien des Gender Mainstreaming, wenn Auf-stiegsweiterbildungen vor demHintergrund ungleicherGe-schlechterverhältnisse auf Führungsebenen teilweise nurfürFrauenangebotenwerden.Andererseitsistesinzwischenebenso gängige Praxis, spezielle Angebote für Männer zukonzipieren,umdiesefürBereicheweiterzuqualifizieren,indenen es einenhohenFrauenanteil gibt (z.B. inHandlungs-feldernausdenBereichenfrühkindlicheBildung,Sozialpäd-agogikoderPflege).

Es ist entscheidend, GenderMainstreaming nicht als Stra-tegie zu begreifen,welcheFrauenförderung verdrängt oderüberflüssig werden lässt. Vielmehr ergänzen sich GenderMainstreaming und Frauenförderung zu einer Doppelstra-tegie, um das Ziel tatsächlicher Geschlechtergleichstellungzu erreichen. Insgesamt muss berücksichtigt werden, dassfür Frauen und Männer in einem unterschiedlichen Aus-maß Chancen und Herausforderungenmit der Teilnahme

an einer berufsbegleitenden akademischen Weiterbildungeinhergehen(Henschel/Eylert-Schwarz2015).

„DassdieArtderAngeboteunddieGestaltungvonAus-undWeiterbildung ganzwesentlich zurUngleichheitder Berufschancen von Männern und Frauen beitra-gen, ist seit langem bekannt und vielfach belegt. (…)Umsomehr verbinden sich gerade auch für dieBerei-chederberuflichenAus-undWeiterbildungmitdemKonzeptdesGenderMainstreaminggroßeErwartun-gen“(Puhlmann2004,S.67).

Geschlecht fungiert nach wie vor als Strukturkategorie inunserer Gesellschaft. Die Arbeitsteilung der GeschlechtersowiediegeschlechtsbezogeneSegregationdesArbeitsmark-tes bewirken, dass Frauen undMännern, z.B. imHinblickaufzeitlicheundfinanzielleRessourcen,nichtdiegleichenTeilhabemöglichkeiten in Bezug auf berufsbegleitende aka-demischeWeiterbildungen zur Verfügung stehen. Die Ver-einbarkeitvonberufsbegleitenderWeiterbildung,BerufundFamilienverpflichtungenkannsomitfürFraueneinebeson-dere Belastung darstellen (Henschel/Eylert-Schwarz 2015).Die Ergebnisse einer Befragung unter Studierenden im be-rufsbegleitendenBA-StudiengangSozialeArbeitfürErziehe-rinnenundErzieherderLeuphanaUniversitätLüneburgausdemJahr2012unterstreichtdieseEinschätzung.„WährenddieMännerhäufigangaben,ihrePartnerinhalteihnendenRückenfrei,wardiesbeidenFraueninderMehrzahlanders.Siegabenan,dassvonihnenerwartetwerde,dassdieFamilienicht unter ihremberufsbegleitenden Studium leide“ (Hen-schel/Eylert-Schwarz 2015, S. 141). Gender Mainstreamingin der Weiterbildung bedeutet demnach auch, diese gesell-schaftlichen Rahmenbedingungen kritisch zu reflektierenund in derAusgestaltung vonWeiterbildungsangeboten zuberücksichtigen. Für berufsbegleitende akademische Wei-terbildungsangebote, die sich,wie imProjekt „KomPädenZPotenzial“, an Beschäftigte in der Sozialwirtschaft richten,istdiesePerspektivebesondersrelevant,daderFrauenanteilin sozialen Dienstleistungsberufen weiterhin groß ist (z.B.WSI2014).

Zur gleichstellungsorientierten didaktischen KonzeptionvonWeiterbildungsangebotenzählenFragenimHinblickaufdieWeiterbildungsinhalteund-methodensowiezurArbeits-weise und zum Lernverständnis der Lehrenden (Smykallao.J.). DieWeiterbildungsangebote sind so zu gestalten, dassniemandbenachteiligtwird(ebd.).DiesengenerellenGrund-satzgiltesstetsbezogenaufdiekonkreteWeiterbildungunddieentsprechendeZielgruppeauszuformulieren.Sokannesvon Weiterbildung zu Weiterbildung sehr unterschiedlichsein, was unter gleichstellungsorientiertenWeiterbildungs-inhaltenzuverstehenistundwiedieseambestenvermitteltwerdensollten.EinepauschalanzuwendendeCheckliste,dieSchritt für Schritt abgearbeitet und auf jegliche Weiterbil-dungen übertragen werden kann, kann es vor diesemHin-tergrundnichtgeben.ImHinblickdaraufwirddeutlich,dassdaraus hohe Ansprüche an diejenigen gestellt werden, die

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fürdieKonzeptionderAngeboteVerantwortungtragen.Siemüssen nicht nur über die notwendigen didaktischen undmethodischen Kompetenzen, sondern selbst auch über aus-reichendWissenverfügen,umbenachteiligendeStrukturenund Exklusionsmechanismen erkennen und Lehrende fürGeschlechtergleichstellungundGeschlechterstereotypesen-sibilisierenzukönnen.

NebenderIntegrationvonGenderMainstreamingalsQuer-schnittsthema in bestehende Weiterbildungsinhalte, kannauch Gender Mainstreaming selbst zum Gegenstand aka-demischer Weiterbildung werden und Genderkompetenzbei denWeiterbildungsteilnehmenden gezielt auf- bzw. aus-gebaut werden. Genderkompetenz setzt sich aus den dreiElementen „Wollen“, „Wissen“ und „Können“ zusammen.Es bedarf demnach einer individuellen Haltung und derBereitschaft, sich für Geschlechtergleichstellung einzuset-zen („Wollen“), eines Gender-Fachwissens über bestehendeGeschlechterverhältnisseundLebenslagen(„Wissen“)sowieFähigkeiten und Methoden, um Gender Mainstreamingim eigenen Arbeitskontext durchzusetzen und die Arbeitgleichstellungsorientiert zu gestalten („Können“) (Gender-KompetenzZentrum2012). Zu den Inhalten derartigerWei-terbildungenzählenentsprechendu.a.dieVermittlungvonWissen über bestehende Geschlechterverhältnisse, GenderundGenderMainstreaming,dieBedeutungvonGenderundGenderMainstreaming in der Fachdisziplin der jeweiligenWeiterbildungsteilnehmenden, die Vorstellung und Erpro-bungeinzelnerInstrumentesowieeineReflexionzurSensi-bilisierungfürGeschlechterstereotype(Smykallao.J.).

WeiterbildungenzählenalsoeinerseitszueinemHandlungs-feld von Gender Mainstreaming und andererseits sind sieselbstzentralerImplementierungsbausteindiesergleichstel-lungspolitischenStrategie(ebd.).

4 Gender Mainstreaming in der Forschungspraxis. Zugänge und Beispiele Die Fragen, inwieweit Frauen und Männer von Weiter-bildungen unterschiedlich erreicht werden können bzw.hiervon profitieren und inwieweit die Bildungsangeboteeinen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit oder zur Re-produktion von traditioneller Geschlechterdifferenz undzurVerfestigung vonGeschlechterhierarchien leisten, sindnicht nur für dieWeiterbildungen selbst relevant, sondernnatürlich auch fürdamit verbundeneForschungs-undEnt-wicklungsprojekte. Forschung, die Weiterbildungen zumGegenstandhat,musssichbeidazugehörendenErhebungeneines eventuellvorhandenen„GenderBias“ („geschlechtsbe-zogenerVerzerreffekt“)bewusstsein(Kühl2010).Fragenzu

denAuswirkungenderForschungundderzuentwickelndenBildungsmaßnahmenaufGeschlechterverhältnisseinallenForschungsphasen sind daher mit zu berücksichtigen. Dasistnichtnurrechtlich(vgl.Abschnitt1)undausQualitätsge-sichtspunkten (vgl. Abschnitt 2) geboten, sondern auch einStandard guter wissenschaftlicher Praxis, in der Verzerref-fektebewusst gemachtund soweitwiemöglich ausgeschlos-senwerdensollten,umvalideErgebnissezuerzielen.

Es ist daher unerlässlich, in allen Projektphasen auchGen-derMainstreaming-Aspektemitzuberücksichtigen.JenachForschungsfrage(n) und -gegenstand können diese sehr un-terschiedlich sein, eineabschließendeAufzählunghinsicht-lichdereinzelnenForschungsphasenund jeweilsdaraufab-gestimmtergenderbezogenerFragestellungenistdahernichtmöglich4.Hilfreichistjedoch,sichinjederForschungsphasezu vergegenwärtigen, inwieweit jeweils die GeschlechterdurchForschungsfragenundForschungszugängeadressiertwerden, ohne dass hierbei von vornherein geschlechtsbezo-geneUnterschiede unterstellt bzw. unkritisch reproduziertwerden. Forschung sollte also kritisch hinterfragen, inwie-weitsieggf.dazubeiträgt,solcheselbstzukonstruierenoderzumanifestieren(BMFSFJ2005).

4.1 Gender Mainstreaming-Fragestellungen in der Konzeptions- und Antragsphase InBezugaufWeiterbildungsforschunggiltesinderPhasederKonzeption vonForschungsvorhabenundder ggf. anschlie-ßendenAntragstellung,z.B.fürDrittmittelprojektezurEnt-wicklungvon(akademischen)Weiterbildungen5z.B.folgendeFragenzubeantworten:

- An welchen Stellen sind Frauen und Männer un-mittelbar von dem beantragten Forschungsvorha-ben,denForschungsfragenund -zielenbetroffen?Sindhierbereits bei derAntragstellung aufBasisder vorhandenen Daten geschlechtsbezogene Un-terschiedeerkennbar?

- Wo finden sich z.B. geschlechtsbezogene Unter-schiede in Bezug auf die adressierten Berufs-gruppen der in den Blick genommenen Weiter-bildungen? Wie stellt sich die Situation auf demArbeitsmarkt dar?Gibt es in Bezug auf die fokus-sierten Weiterbildungen einen bereits erkennba-renGenderBias?

- Welche Personengruppen werden indirekt vombeantragten Forschungsvorhaben adressiert? In-direkt von (berufsbegleitenden akademischen)Weiterbildungen betroffen können zum BeispielFamilienangehörige, ggf. Arbeitskolleginnen undArbeitskollegen sein, die im Dienstplan mit der

4 Eine–nichtabschließende–ÜbersichtmöglicherinForschungsprojektenrelevanterLeitfragenmitGenderbezugfindetsichz.B.inBMFSFJ2005undinBührer/Schraudner2006

5 DieAutorinnenundderAutorbeziehensichhierinsb.aufForschungs-undEntwicklungsprojektezuThemenwie„OffeneHochschule“,„DurchlässigkeitzwischendenBildungssystemen“oder„AnrechnungvonKompetenzenaufBildungsformate“,wiesieindenvergangenenJahrendurchBundundLänderinspezifischenProgrammengefördertwurden.IndiesemThemenfeldverfügendieVerfassendenüberErfahrungenausmehrerenForschungs-undEnt-wicklungsprojekten(vgl.Abschnitt1).

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QualifizierungverbundeneFehlzeitenberücksich-tigenmüssen,oderVorgesetztederWeiterbildungs-teilnehmenden,Hochschulangehörigeusw.DerenBedürfnisse, beispielsweisenachFamilienzeit amWochenende oder nach freier Dienstplangestal-tung, können durch Weiterbildungsmaßnahmenmittangiertwerden.

- Usw.

4.2 Gender Mainstreaming-Fragestellungen in der ErhebungsphaseHiergilteszumBeispielimRahmenvonZielgruppenanaly-senundBedarfserhebungendieErhebungsinstrumentesozugestalten,dassdieZielgruppendamiterreichtundnichtein-zelneGruppenausgeschlossenwerden.Dazusindz.B.einege-schlechtergerechteSpracheundeineentsprechendeAuswahlder Erhebungsinstrumente/Verfahren unerlässlich. ZudemmüssenbeimDesignderErhebungsinstrumenteundderEr-hebungsdurchführung Geschlechterstereotype vermiedenwerden und die Kategorie (biologisches) „Geschlecht“ nichtalserklärendes,sondernnuralsdifferenzierendesMerkmalherangezogenwerden(BMFSFJ2005).

4.3 Gender Mainstreaming-Fragestellungen bei der KonzeptionBei der Entwicklung von Weiterbildungen gilt es, die mitdemBegriff Gender verbundenen kulturellen, gesellschaft-lichen und sozialen Prozesse sowie daraus resultierendegeschlechtsbezogeneEinflüsse zu beachtenundkritisch zuhinterfragen(vgl.Abschnitt3diesesArtikels).Dasbedeutet,dass bei der inhaltlichen, didaktischen und organisatori-schenGestaltungvonWeiterbildungsangebotenFragenvon

¸

Beispiele aus dem Projektkontext: ImProjekt „KomPädenZPotenzial“ bedeutete dies zumBeispiel,sichbereitsbeiAntragstellungderunterschied-lichenZielgruppendesProjektesbewusstzuwerden.DasVorhaben fokussiert zwei berufsbegleitende sozialwis-senschaftliche Studiengänge der Leuphana UniversitätLüneburg (Bachelor „Soziale Arbeit für Erzieherinnenund Erzieher“ sowie den Master „Sozialmanagement“)und möchte für in sozialpädagogischen Berufen tätigeFrauen undMänner die Zugänge zum Studium erleich-tern und Barrieren während des Studiums abbauen.Unter anderem werden dazu Zertifikatskurse als nied-rigschwellige akademischeWeiterbildungsangebote ent-wickelt.Zielgruppen sindalsounter anderemPersonen,die in Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit tätig sindund sich weiterqualifizieren möchten bzw. dies derzeitdurcheinberufsbegleitendesStudiumtun.

InsozialenBerufenistderAnteilweiblicherBeschäftig-terungebrochenhoch.SobeträgtderzeitderFrauenanteilca.84%undderMänneranteil16%(vgl.BundesagenturfürArbeit2014).BetrachtetmandiesesGeschlechterver-hältnis in den sozialenBerufen insgesamt inBezug aufdie unterschiedlichen Hierarchiestufen, wird deutlich,dass sichderhöhereFrauenanteil aufderFührungsebe-nenichtwiderspiegelt.InDeutschlandbeträgtderAnteilanweiblichenFührungskräfteninsgesamtderzeit(Stand2012)ca.29%. ImGesundheits-undSozialwesen liegtermit 54% zwar deutlich höher (Statistisches Bundesamt2014), bildet aber nicht das Geschlechterverhältnis imsozialenSektorinsgesamtab.ZudemgibtesjenachFunk-tionsebene deutlicheUnterschiede (je höher dieHierar-chieebene,destohöherderMänneranteil).ÄhnlichstelltsichdasGeschlechterverhältnisindenbeiden„Zielstudi-engängen“ dar. Im berufsbegleitenden Bachelor SozialeArbeitfürErzieherinnenundErzieherbeträgtderAnteilderStudentinnenca.82%undimMasterSozialmanage-mentsindzuca.75%weiblicheStudierendeeingeschrie-ben(StandSoSe2015).DiesesGeschlechterverhältnisgiltes daher im Forschungs- und Entwicklungsprozess zubeachtenundbei jederMaßnahmezuprüfen, inwieweitdiesedazubeitragenkann,diegeschlechtsbezogenenUn-terschiedezuminimierenunddadurchChancengerech-tigkeitzubefördern.

Beispiele aus dem Projektkontext:Im Rahmen des Projektes „KomPädenZ Potenzial“wirdaufeinegeschlechtergerechteSprache inWortundSchriftgeachtet.DasbetrifftnebendenVeröffentlichun-gen auch die Erhebungsinstrumente, die PräsentationvonErgebnissen,dieModerationvonSitzungenusw.Da-beibemühensichalleForschenden,geschlechtsbezogeneStereotypezuvermeiden.

Alle erhobenen Daten werden geschlechtsbezogen ana-lysiert,umherauszufinden,woraufsichggf.erkennbare(signifikante) Unterschiede bzw. auch Gemeinsamkei-ten zwischen männlichen und weiblichen Befragungs-teilnehmenden zurückführen lassen. Dabei ist das Ge-schlechtalleinnieeineErklärungimSinnvon„Männersind eben so und Frauen anders“, sondern eswerden je-weilsBegründungen fürdieErgebnissegesucht,die z.B.ihren Ursprung in gesellschaftlichen oder organisato-rischen Bedingungen haben (können). So gaben z.B. imRahmenverschiedenerErhebungen imberufsbegleiten-denStudiengang„SozialeArbeit fürErzieherinnenundErzieher“FrauenhäufigeralsMänneran,dasssieProb-lememit der zeitlichenOrganisation von Präsenz- undSelbstlernzeitenhaben.DiesesErgebniserklärtsichnichtdaraus,dassMännerüberbessereZeitmanagementfähig-keitenverfügen,sonderngibteinenHinweisdarauf,dassStudentinnenaufgrundarbeitsteiligerProzessezwischenden Geschlechtern (Produktionstätigkeiten vs. Repro-duktionstätigkeiten) einer höheren Belastung durch fa-miliäreVerpflichtungenausgesetztsindalsihremännli-chenKommilitonen(Henschel/Eylert-Schwarz2015).

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Gender undGeschlechtergerechtigkeitmit bedachtwerdensollten.

Diesekönntenz.B.sein:

- Dienen die Weiterbildungsthemen dazu, Ge-schlechterdifferenzen eher abzubauen (z.B. durchgezielte Fortbildungen für das im Berufsfeld un-terrepräsentierte Geschlecht) oder dazu, diese zufestigen (z.B. indem die geschlechtsbezogene Ar-beitsmarktsegregationmanifestiertwird)?

- IstdieWeiterbildungdidaktischsokonzipiert,dasssieverschiedeneLerntypenerreichtundsohetero-genenLernstilengerechtwird?

- Sindweibliche undmännlicheDozierende an derWeiterbildung beteiligt? Haben diese dieselbenRollen,odergibtesz.B.männliche„Fachdozenten“undweiblicheSeminarbegleiterinnen?

- IstdieOrganisationsformsogewählt,dassdieWei-terbildungzumBeispielmitFamilienaufgaben inEinklang zu bringen ist (z.B. keineWeiterbildun-gen während der Schulferien, evtl. Kinderbetreu-ungsangeboteusw.)?

- Usw.

4.4 Gender Mainstreaming-Fragestellungen in der Durchführungsphase Während der Durchführung vonWeiterbildungen könneneinerseits ebenfalls die praktischen Anregungen für einegeschlechtergerechte Fortbildung beachtet werden (vgl. Ab-schnitt 3 dieses Aufsatzes, ausführlicher z.B. Smykalla o.J.und Derichs-Kunstmann/Auszra/Münthing 1999). Anderer-seits können in den Bildungsmaßnahmen Genderkompe-tenzenselbstzumGegenstandderWeiterbildungengemachtwerden(Smykallao.J.,S.4).

4.5 Gender Mainstreaming-Fragestellungen in der Abschlussphase AuchinderAbschlussphase,dasheißt imRahmenvonEva-luationen und Ergebnisdissemination, ist auf geschlechter-gerechte Sprache und – sofernmöglich – eine heterogenenLerntypenentsprechendeFormzuachten.

Beispiele aus dem Projektkontext:In den durch das Projekt „KomPädenZ Potenzial“ imRahmendererstenFörderphasedesBund-Länder-Wett-bewerbs „Aufstieg durchBildung –OffeneHochschule“entwickelten Zertifikatsangeboten werden neben Er-kenntnissenausmehrerenBedarfserhebungen,dieunteranderem geschlechtsreflexiv ausgewertet wurden, auchdie oben genanntenFragestellungen beachtet. So ist ge-plant,einenZertifikatskurszuFragenvonLeitungskom-petenzen in der Sozialwirtschaft speziell für weiblicheFachkräfteanzubieten,dadiesebisheraufdermittlerenundhöherenFührungsebenederSozialwirtschaftunter-repräsentiert sind. Dabei sollen Dozentinnen als mög-liche„rolemodels“dienenundeinbegleitendes,kompe-tenzorientiertesCoachingdieTeilnehmerinnenbeiihrerWeiterqualifizierung unterstützen. Die Seminarzeitenaller drei geplanten akademischen ZertifikatsangebotewerdensichandenBedarfenorientieren,diedurcheineBefragung von Weiterbildungsinteressierten ermitteltwurden. Zudemwerden durch denEinsatz vonBlendedLearning-AngebotendiePräsenzzeitenverkürzt,umeinebessere Vereinbarkeit mit beruflichen und familiärenVerpflichtungenzuermöglichen.

Alle didaktischen Angebote, sowohl während der Prä-senzzeiten als auch die flankierenden Onlineangebote,sollenweitestgehenddenunterschiedlichenLernbedürf-nissenderheterogenenZielgruppengerechtwerden. DiessolldurcheinenMethodenmixerreichtwerden,derden verschiedenen Lerntypen geeignete Lernerfahrun-genermöglichensoll.

Beispiele aus dem Projektkontext:ImProjekt „KomPädenZ Potenzial“ werden dieWeiter-bildungsangebote so gestaltet, dass durch einen hohenGrad anMitwirkung, Reflexion und Feedback der Teil-nehmendenderenBedürfnissemitindieGestaltungderWeiterbildungen einfließen. So können evtl. vorhan-deneBarrieren imProzess besser erkanntundbeseitigtwerden. Neben der Didaktik, die zielgruppengerechtangepasstwerdensoll,betrifftdieszumBeispielauchor-ganisatorischeBedingungenunddieFormderVor-undNachbereitung der Kurse. Die Teilnehmenden werdenermutigt, auch außerhalb der Präsenzphasen ihre Ver-besserungsvorschläge zu unterbreiten und auch selbstAnregungen für die Ausgestaltung der Weiterbildungbeizusteuern.

Darüber hinauswird einKurs explizit denErwerb bzw.AusbauvonGenderkompetenzenzumInhalthaben,alsoneben der Querschnittsaufgabe des Gender Mainstrea-mingsdiesesdirektzumWeiterbildungsinhaltmachen.

Alle an den Weiterbildungen beteiligten Dozierendenwerden über geschlechtergerechte Sprache inWort undSchriftinformiertunddafürsensibilisiert.

Beispiele aus dem Projektkontext:Evaluationen der Weiterbildungen können qualitativundquantitativ erfolgen, indemz.B.neben einemFeed-backbogenaucheinequalitativeFormderRückmeldungangebotenwird.

VeröffentlichungenvonErgebnissenkönnendurchGra-fiken, Schaubilder undFotos aus verschiedenenWeiter-bildungssituationensoanschaulichgestaltetwerden,dasssieauchdiejenigenansprechen,dieausschließlichdurchTexteevtl.wenigerguterreichtwerden.

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5 FazitGenderMainstreaming kann dann als Qualitätskriteriumfür Projekte im Bereich der Weiterbildungsforschung fun-gieren, wenn dabei nicht allein ein quantitatives, sondernaucheinqualitativesMainstreamingimVordergrundsteht.IndiesemSinneerschöpftsichGenderMainstreamingnichtin einem „sex counting“, indem beispielsweise die Anzahlmännlicher und weiblicher Weiterbildungsteilnehmenderanalysiertwird.Vielmehr ist es entscheidend, die zu gestal-tenden Weiterbildungsangebote als eingebettet in den ge-sellschaftlichen Kontext, wie z.B. die geschlechtsbezogeneArbeitsteilung und die geschlechtsbezogene Segregationdes Arbeitsmarktes, zu betrachten und die Maßnahmenvor diesem Hintergrund zu konzipieren. Gender Main-streaming muss sich daran anknüpfend z.B. auch auf dieWeiterbildungsinhalte oder die Rahmenbedingungen vonWeiterbildungenerstrecken.Dabei bleibt es eine stetigeHe-rausforderung, eineBalance zwischenDramatisierungundEntdramatisierung von Geschlecht, zwischen gezielter För-derung bestimmter Zielgruppen (z.B. Frauen in Führungs-positionen) und der Dekonstruktion von Kategorien undStereotypenzufinden.SichdieserHerausforderungbewusstzuseinundeinegeschlechtsreflexiveHaltungeinzunehmen,wäre für die Weiterbildungsforschung ein erster wichtigerSchritt.Zubeobachtenist,dassdieWeiterbildungsforschungdie Erkenntnisse der Frauen- und Geschlechterforschungbislang kaum aufgegriffen hat und an dieser Stelle ein For-schungsdesideratbesteht.EinestärkereVerknüpfungdieserForschungssträngekönnteausunsererSichtwertvolleneueErkenntnisse sowohl für die Weiterbildungsforschung alsauch für dieWeiterbildungspraxis bereithalten. Zentral istdiese Forderung insbesondere vor dem Hintergrund, dassGender Mainstreaming ein fest verankertes LeitprinzipstaatlichenVerwaltungshandelnsdarstelltundsomitinFor-schungs-undEntwicklungsprojekten,diedurchöffentlicheGelderfinanziertwerden,nichtzurDiskussionstehensollte.

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AndreasEylert-Schwarz,Dipl.Soz.-Arb./Soz.-Pä[email protected]