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Heidegger Ontologisierung Der Praxis

Jul 19, 2015

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Giovanni Jan
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Martin HeideggersOntologisierung der Praxisund ihre Relevanz fr diehermeneutische Technikphilosophie DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DES GRADES EINES DOKTORS DER PHILOSOPHIE AN DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTT DER TECHNISCHEN UNIVERSITT DRESDEN vorgelegt vonLic. Armando Anbal Chiappegeb. am 02. Juni 1975, Ro Cuarto Betreuer Prof. Dr. Dr. Bernhard Irrgang, TU Dresden Gutachter 1. Prof. Dr. Dr. Bernhard Irrgang, TU Dresden2. Prof. Dr. Thomas Rentsch, TU Dresden3. Prof. Dr. Nstor Corona, UCA Buenos Aires Verteidigungsdatum: 22. 07. 2010Prdikat: summa cum laude Philosophische Fakultt Institut fr Philosophie Professur fr Technikphilosophie Meinem 2007 verstorbenen Vater Fernando Gustavo Chiappe in dankbarer Erinnerung 3 Inhaltsverzeichnis Einleitung / 6 i. Systematische Bedeutung der Arbeit / 6 ii. Aufbau der Arbeit / 12 iii. Ziel und Motivation der Arbeit / 14 iv. Stand der Forschung zur Technikphilosophie Heideggers / 15 Kapitel I. Rekonstruktion der hermeneutischen Phnomenologie Heideggers / 17 1. Der phnomenologische Rahmen des frhen Heidegger / 18 1.1 Von der Logik zum Leben: Dissertation und Habilitation / 18 1.2 Die Phnomenologie Edmund Husserls / 25 1.3 Heideggers frhe Betrachtung ber die Zeit / 34 1.4 Erste Lehrveranstaltungen: zur Erfahrung des Umweltlichen / 38 2. Hermeneutische Radikalisierung der Phnomenologie / 47 2.1 Die Fundamentalkritik Heideggers an der theoretischen Phnomenologie / 48 2.2 Die Grunderfahrung der bedeutsamen Lebenswelt / 51 2.3 Die urchristliche Religiositt als Modell des faktischen Lebens / 56 3. Hermeneutik der Faktizitt als Ontologie / 64 3.1 Die hermeneutische Wende der Phnomenologie Heideggers / 65 3.2 Die berwindung des Subjekt-Objekt-Schemas mit In-der-Welt-sein / 70 Kapitel II. Heideggers Rezeption und Radikalisierung der aristotelischen Philosophie / 75 4. Phnomenologische Interpretationen zu Aristoteles / 78 4.1 Aristoteles aus der phnomenologisch-hermeneutische Perspektive / 79 4.2 Analytik aus der hermeneutischen Situation / 85 4.3 Die Verfassung des verrichtenden Umgangs auf ontologischer Ebene / 90 5. Die fundamentale Konstitution des Daseins als o / 99 5.1 Aristoteles und der Zugang zum Leben / 100 4 5.2 Die als die angemessene Art des o der / 106 5.2.1 ber den Unterschied zwischen und o / 109 5.2.2 Die hierarchische Verschiebung der statt der / 113 5.3Diestrukturalen'Homologien'zwischenNikomachischerEthikundSein und Zeit / 118 6.DerfundamentaleUnterschiedzwischenVorhandenheitundZuhandenheit/ 123 6.1 Der ontologische Primat der Zuhandenheit / 124 6.2 Die drei Transformationen des Zuhandenen/ 131 Kapitel III.Technikphilosophie als Technikhermeneutik / 137 7. Die frhe Technikphilosophie Martin Heideggers / 139 7.1 Die Grundprobleme der Technikphilosophie / 140 7.2 Die hermeneutische Phnomenologie des technischen Handelns / 143 7.3HeideggersWeltlichkeitsanalysealsberwindungdesMittel-Zweck-Schemas / 146 8. Die grundlegenden Aspekte einer Technikhermeneutik / 152 8.1 Der konstitutive Situations-Bezug der technischen Praxis / 153 8.2 Die Tragweite des impliziten Wissens fr die Technikphilosophie / 157 8.3 Die hermeneutische Aufgabe der Technikphilosophie / 161 Fazit und Ausblick / 166 Literaturverzeichnis / 171 5 esse sequitur operari Johann Gottlieb Fichte 6 Einleitung i.Systematische Bedeutung der Arbeit EsisterstwenigeJahreher,dassderitalienischePhilosophFrancoVolpi aufdiegrteGefahr,diederTechnikphilosophiedroht,hingewiesenhat:das Risiko,zurX-tenGenitivphilosophiezuverkommen.ZueinemNachdenken, dassichaufeineinzigesPhnomenbeschrnktunddadurchzweitrangig, untergeordnetundorientierungsloswird.EsbestehtdiekonkreteGefahreines strategischenRckzugsvondenwesentlichenProblemenundeinesZuflucht-Suchens in Detailfragen (vgl. Volpi 2003, 83-92). Dieser Vorwurf trifft das Herz unserer Disziplin. ObwohldasThemaTechnikinderantikenPhilosophiebeiPlaton(vgl. Gorgias,463a-466a)undAristoteles(vgl.NikomachischeEthik,4;1140ff) gefundenwerdenkann,wurdeesdamalsimRahmenandererReflexionen errtet. Technikphilosophie ist eine junge noch Disziplin, welche mit dem Werk GrundlinieneinerPhilosophiederTechnik(1877)vonErnstKappihre Grndungsurkundeausgestelltbekam.NachetwasmehralseinemJahrhundert philosophischerberlegungenberdieTechnikknnenwirbesttigen,dass der Streit um die letzte Grundlegung der Technikphilosophie nicht beendet ist (Corona/Irrgang1999,10).DieTechnikphilosophiehattezuBeginndesXX. JahrhundertsinfolgeideologischerVorurteileeinepessimistischeFrbung erhalten.Sieversuchtesichaberbereitsinden60erJahrengegendie DmonisierungderTechnikzuverteidigen.Seitdamalskonntemaneine problematischeSituationinderTechnikphilosophiefeststellen.DasFeldteilte sich in eine humanistische und eine ingenieurmige Auffassung (vgl. Mitcham 1994,70ff.).EineDichotomie,derenVertreteralsApokalyptikerund Integrierte bezeichnet werden knnen.Man kann in einem berblick ber die heutige Technikphilosophie einige Problemefeststellen:1)denMangelanphilosophischenUntersuchungenund methodologischerReflexionberdieTechnikineinerWelt,welcheeine technologischeTexturgewonnenhat(vgl.Corona/Irrgang1999,11);2),eine Anarchie der Begrifflichkeit, Ideen, Theorien und Lehren ber die Technik (vgl. 7 Ciapuscio1994,13;Bunge1997,195;Corona/Irrgang1999,12)und3)eine AbkopplungderTechnikphilosophievonderphilosophischenTradition(vgl. Luckner2008,33).DieparadigmatischeKriseinderTechnikphilosophie,die wir in den letzten Jahrzehnten besttigen knnen, hat vermutlich ihren Grund in zweimethodologischenEntscheidungen,welcheinderDisziplinnoch vorherrschen:1)dieTechnikwurdeinderMehrheitderFlleausder Hersteller-Perspektivebetrachtetund2)diepositivistischeAuffassung,welche dieTechnikaufeinereineAnwendungderwissenschaftlichenMethodezur AuflsungvonpraktischenProblemenreduzierthat,stellteinkognitiv-intellektuellesBildfrdieTechnikwissenschaftendar.DerPrimatdes positivistischenParadigmasverursachteineVerkrzungdes Technikverstndnisses. In der traditionellen Dreiteilung , o, wurdedasmittlereGliedinderTechnikphilosophieeigentlichalsberflssig betrachtet.DietheoretischeTradition,dieseitderantikenundscholastischen Philosophie noch im Positivismus herrschte, und die Verengung des technischen Handelns im Sinne der Produktionsparadigmen haben die Technikphilosophie in eine Krisis gefhrt.DieTechnikphilosophiebrauchtheuteneueDenkanstze.1Eineerneute kritischeRckbesinnungaufGesamtdeutungenmodernerTechnikist notwendiggeworden,umdieTechnikphilosophieihrerseitsvortechnizistischer Verkrzungzubewahren,dennbeiallergebotenenPraxisnhederDisziplin scheintes,dassderBlickaufsGanzederTechnikverlorenzugehendroht (Luckner2008,33).EineGesamtdeutungmodernerTechnikerfordert AntwortversucheaufdieFrage,wastechnischePraxisberhauptist.Inder traditionellen Auffassung der Handlungstheorie ist Technik die Anwendung von TtigkeitenoderProzessen,beidenengegebenenZweckenbestimmte HandlungsvollzgealsMittelzugeordnetsind.Handelnisteinebestimmte Ttigkeit als Mittel zur Realisierung eines Zweckes bzw. zur Realisierung eines intendiertenSachverhaltsinderWelt(vgl.Poser2000,107).Technikist demnach nicht nur als Instrument zu sehen, Arbeit zu ersparen und Leistung zu steigern,sondernauchbeziehungsweiseinersterLiniealseinMedium,das 1DarumistdemNachdenkenberdieTechnikeinwichtigerPlatzinderPhilosophie einzurumen,dennnursowirdsiedemVorwurfentgegen,imElfenbeinturmzusitzenoder wissenschaftstheoretischeFliegenbeinezuzhlen,nursowirdsiemitihrenMitteln,d.h.mit Argumenten, in die ffentliche Diskussion eingreifen knnen (Poser 2000, 100). 8 unsereHandlungs-undErfahrungsspielrumekonstituiert,strukturiertund transformiert(Kogge2008,946).DaZweckeundIntentionennichtimmer beobachtbarsind,sondernunterstelltwerdenmssen,schlietsieeine Hermeneutik der Technik ein (vgl. Irrgang 2001). Was ist ein Mittel berhaupt? Wieistesmglich,dassetwas(einbestimmterGebraucheinesmateriellen Gegenstandes) berhaupt zu einem Mittel zur Realisierung vonZweckenwird? WieknnteeinhermeneutischesVerstndnisdenGebrauchvontechnischen ArtefaktenalsMittelentwickeln?SosolltendiegrundlegendenFrageneiner Philosophie der Technik lauten (vgl. Luckner 2002, 873; Irrgang 2008, 26).DieseFragenknnennurvordemHintergrundderWeltlichkeitsanalyse MartinHeideggersgestelltwerden.2DiehermeneutischePhnomenologie HeideggersbesitzteinegroeRelevanzsowohlfrdieTechnikphilosophieals auch fr die Handlungstheorie3 aber diese Phnomenologie und ihre Bedeutung frdieTechnikphilosophiewurdenbislangimAllgemeinenwenig bercksichtigt.4EinePhnomenologietechnischerPraxisfindetsichin HeideggersAnalysederWeltlichkeitdesDaseins(14-18vonSeinundZeit)5 und in den phnomenologischen Interpretationen zu Aristoteles. Man kann nun durchdiejngerenVerffentlichungenderfrhenFreiburgerundMarburger Vorlesungen6ohnebertreibungbehaupten,dassHeideggers ExistenzialontologieeineHomologiederaristotelischenEthikund 2 Die Relevanz Martin Heideggers als eine der bedeutendsten Philosophen des XX. Jahrhundert berhauptistz.B.vonFrancoVolpiundAlanBadioubesttig:1.Heideggeristderletzte Philosoph, der Universell anerkannt werden kann (Badiou 2005, 15). E se vero che i grandi pensatori sono, tuttal pi, uno per secolo, Heidegger indubbiamente il pensatore del ventisimo secolo (Volpi, 1984: 16). 3 Being and Time does not specifically raise the question of technology, although it may easily beenseenthatthepraxicaldimensionoftheready-to-handcouldbecomeinterpretedasthe condition of the possibility for technology (Ihde 1979, 124). 4InenglischsprachigenRaumwurdenphnomenologisch-hermeneutischeAnstzedurchdrei Denker,nmlichHubertDreyfus,DonIhdeundAlbertBorgmannvermitteltund technikphilosophischweiterentwickelt(Kogge2008,951).IndeutscheSprachekannman innerhalbeinerphnomenologisch-hermeneutischeAuffassungderTechnikphilosophie Bernhard Irrgang und Andreas Luckner nennen.5Inquestopera,infatti,vieneconnotatoinmodoessenzielmentepositivoproprio quellattegiamentofondamentaledellessercineiconfrontidellecosechecorrisponde sostanzialmente alla disposizione della tecnica, vale a dire lattegiamento del prendersi cura che anzituttounavereachefareconlecosenelsensodellutilizzarleincontestioperativi (Zuhandenheit),esolosecondariamenteunsempliceosservalenellaloropresenza (Vorhandenheit) (Volpi 1984, 191). 6IldecenniocheprecedelapublicazionedieEssereetempo(1927),ciogliultimiannidel primoinsegnamentodiFriburgoelinternoperiododiMarburgo,sonocaratterizzati speculatimente dal vigore col quale, nel confronto con Aristotele, Heidegger mette in atto questo intento fondativo (Volpi 1984, 32-33). 9 Handlungstheoriedarstellt.7EinerseitserscheinendieAnalysen prototechnischerUmgangsweisenausdenexistentialontologischen UntersuchungenvonSeinundZeitaufeinmaluerstrelevantfrdie PhilosophiederTechnikunddamitderfrheundfrhesteHeideggerschon alseinTechnikphilosoph(Luckner2008,7)[Hervorheb.d.Verf.].Die SptphilosophieMartinHeideggersnachdersog.Kehrestellteinescharfe KritikanderTechnikdar.TrotzdemwurdeinderZwischenzeitseinefrhe Technikphilosophie vor dem Hintergrund der aristotelischen Technikkonzeption immer mehr anerkannt (vgl. Irrgang 2009a, 6). AristotelesunterschiedzwischenderKonstruktioneinesSchiffesund seinem Steuern. Dies ist die frheste Form der Umgangsthese der Technik (vgl. Irrgang2009a,7-8).WirerkennenzweiverschiedenetechnischeHandlungen: dasHerstellenunddasGebrauchen,diezugleichalszweiAspekteeiner technischenPraxisverstandenwerdenknnen.DieLeittheseder heideggerschen Aristoteles-Interpretation besteht darin, dass die Explikation der Bewegung, nmlich der Herstellungsprozess, exemplarisch gewesen sein soll, so dassdiearistotelischeSeinslehreletztlichaufseinHergestelltseinhinauslegt. Die muss aber mit dem Hintergrund der Begriffe von 0 und verstandenwerden,d.h.nichtalsbloeProduktion.WennSeinHergestelltsein wre,wrdeesumweltlichzuGebrauchVerfgbaresbedeuten.Die ursprnglicheSeinserfahrungistalsodiedesUmgangsmitdemZeug.Die antikeOntologiewirddadurchaufihreneigenenUrsprunginder Lebensfaktizittzurckgefhrt.HeideggerundseineAristoteles-Interpretation fhrtenzuderUmgangsthese(Irrgang2009a,95).DasHerstellenunddie Nutzung eines Gegenstands finden immer innerhalb eines praktischen Kontextes (Lebenspraxis)statt.DietechnischenArtefakteerhaltenihreBedeutunginder technischenPraxis.ManmussdieseAuslegungabernichtalseineVerkrzung derpraktischenSphreaufdasHerstellenverstehen(vgl.Pocai2007,55), sondernalseineErweiterungderinderRichtungeinero.Von daherkannmanbereineAufhebungdesUnterschiedszwischenound durcheineneueKonzeptiontechnischerPraxissprechen(vgl.Irrgang 7ilpensieroheideggerianorepresentaunpuntodensodellapresenzadiAritotelenelnostro secolo. Esso non ci offre una semplice interpretazione di Aristotele, ma mette in atto un tentativo radicaledurinnovareinunacomprensionevivificanteifondentaliproblemicheperlaprima volta nel testo aristotelico vengono colti ed esibiti al pensiero occidentale (Volpi 1984, 208). 10 2009a, 34). Wenn die Unterscheidung von Poiesis und Praxis berhaupt einen Sinn macht, dann ist Poiesis routinisierte technische Praxis (Irrgang 2009a, 84). Hierzeigtsichdeutlich,dassdieWeltlichkeitsanalyseHeideggersdirekt auseiner/o-InterpretationderaristotelischenEthikgeschpftist. EsgehtumeinehermeneutischePhnomenologiedesMittelgebrauchs.Ein solcherAnsatzvermeideteinezueinseitigeSichtvonTechnikundeine ReduktionauftechnischeArtefakteodertechnischesWissen(Corona/Irrgang 1999,12).Derphnomenologisch-hermeneutischeDiskursder Technikphilosophie baut auf einer systematisch vollkommen anderen Grundlage aufalsderVDI-DiskursunddieKritischeTheorie:NichtdasZweck-Mittel-Verhltnis, sondern auf die Beziehung zwischen Dasein und Welt, welche sie in BegriffenwieIntentionalittoderSorge,menschlichesWeltverhltnis, LebensweltoderIn-der-Welt-seinausgedrcktist.Einephnomenologisch-hermeneutische Technikphilosophie geht vom Menschen und seinem Dasein alsIn-der-Welt-sein aus, dem die Technik, vor allem am paradigmatischen Fall des Werkzeuges und der Maschine entwickelt, alsZuhandenesoderalsGe-stell gegenbertritt (Poser 2000, 103). DieFragenachdentranszendentalenMglichkeitsbedingungen technischenGestaltensundtechnischenUmgangsmitArtefaktenfhrtzum Begriff der technischen Praxis. Der Begriff Praxis rckt damit ins Zentrum der Anthropologie.DerMenschistdashandelndeWesen,dassichseineWelt zuallererstalsKulturweltschafft.DerMenschexistierthandelnd,darinliegt seinSein.(vgl.Luckner2008,23).IndiesemSinnkannmanbereine TechnikphilosophiealsprimaphilosophiaimSinneeinerOntologisierungder Praxissprechen.TechnikphilosophiewirdimmermehrzueinerArtvon Fundamentalphilosophie,diedenAnsatzvontheoretischerundpraktischer Philosophieberwindetbzw.hintergreift(Irrgang2008,31). TechnikphilosophiebetrachtetdieverschiedenenPerspektivenvontechnischer Praxis und Wissens. DietraditionellenAnthropologiensetzenbereitseinenBegriffderPraxis voraus,derfrdieGrundlegungeinerTechnikphilosophieerklrtwerden msste.ManmussdieVerkrzungdesHandelnsaufdieRealisierung subjektintendierterZweckedurchgeeigneteMittelverhindern.Die ZurckweisungderphilosophischenAnthropologiealstechnikphilosophische 11 BegrndungsdisziplinfindeteinenstarkenRckhaltinHeideggers fundamentalontologischerPhilosophie.DasVerhltniszwischenDaseinund TechnikkannaufdenBodeneinerFundamentalontologie,diedieFragenach demjeweiligenSeindesSeiendenstellt,thematisiertwerden.Heideggergeht davon aus, dass das Dasein nicht vorhanden ist und ihr aus diesem Grunde auch kein Wesen zugeschrieben werden kann. Hier zeigt die hermeneutische Phnomenologie Heideggers ihre Relevanz, weil Handeln den Umgang mit der Welt bedeutet. Die technische Praxis ist eine FormdesIn-der-Welt-seins.DieSorgemeintdasPrimatdespraktischen UmgangsdesMenschenmitderWeltgegenberjedertheoretischen Beschreibung.TechnischePraxisbeinhaltetkonstitutiveStrukturender Alltglichkeit.DerBrennpunkteinerOntologisierungderPraxisistdas technische Umgangswissen. Hier sind das Anthropologische und das Kulturelle imtechnischenHandelnalsRckkoppelungskreislaufverbunden.Technik konstituiertGesellschaftundKultur,anderseitskonstituierenKulturund GesellschaftauchTechnik(Irrgang2008,19).DievondertechnischenPraxis hervorgerufenenglobalenProblemewerfendieFragenachderBeziehungdes menschlichen Seins mit der Welt und den Mitmenschen neu auf.8

UmdieFragedanach,waseinMitteldesHandelnsberhauptzueinem solchenmacht,stellenzuknnen,wreesdahererforderlich,sichaufdie Innenseite der Handlungsvollzge und praktischen Weltverhltnisse zu begeben, d.h. die Frage muss phnomenologischgestellt werden. Phnomenologie stellt sichinOppositionzurVerabsolutierungdespositivistischenWeltbildes, welchesalsFolgederModernenNaturwissenschaftenentstandenistund Technik ausschlielich instrumentell sieht (Irrgang 2008, 29). Auf dem Boden einersolchenPhnomenologiederPraxisknntendannverschiedeneAspekte derTechnikphilosophiemiteinanderverknpftwerden.TechnischesHandeln umfasstallesmenschlicheHandeln,dasmitderHervorbringungundmitder NutzungknstlichgemachterGebilde,technischerObjekteundSachsysteme, befasst (Irrgang 2008, 47). Die Analyse lebensweltlich-situativen Handelns und Wissens ermglicht einen neuen Ansatzpunkt fr die Technikphilosophie. 8FrdenStrukturwandeldesMensch-Technik-Welt-VerhltnisimZugevonDigitalisierung und Computerisierung habenIhde, Dreyfus, Borgmann, Hook und Winnograd subtileAnalysen vorgelegt (Kogge 2008, 952).12 Die phnomenologisch-hermeneutischen Analysen der frhen Philosophie MartinHeideggersknnenalsReflexionaufdieGrundlageneinerallgemeinen Technikphilosophie,d.h.alseinefundierteOntologiederHandlungsmittel gelesenwerden.9DiesewichtigephnomenologischeAuffassungHeideggers hatKonsequenzenfrdiebegrifflicheRekonstruktiondertechnischenPraxis unddamitderTechnikphilosophieberhaupt.DieRadikalittderfrhen Technikphilosophie Heideggers zeigt sich unter anderem darin, dass mit ihr die begrifflichenGrundlagengngigerHandlungstheorieneinererstaunlichen Revisionunterzogenwerdenmssen.ZieldervorliegendenUntersuchungist daher,zuzeigenwiemanmitHilfederhermeneutischenPhnomenologiedes frhenHeideggerdietechnischePraxisbesserverstehenkann,undgenau deswegenmussmandieWurzelnunddieEntstehungdieserAuffassung wiederaufbauen. ii.Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit ist in drei Kapitel eingeteilt. Im ersten Kapitel wird sicheineRekonstruktionderhermeneutischenPhnomenologieHeideggers geboten.EinenradikalenundfolgenreichenBeitragzurAuflsungder BewusstseinsphilosophieistinHeideggerskritischerNeubestimmungdesvon HusserlentwickeltenProgrammseinerphnomenologischenPhilosophiezu sehen.HeideggerverstehtseinephilosophischeArbeitalszweiteAusbildung derPhnomenologie.NachHeideggersMeinunggelingtesHusserlnicht,die moderneIdee der Subjektivitt zu berwinden.In der Kritik Heideggersan der traditionellenundphnomenologischenWahrnehmungskonzeptionfindetein echterDurchbruchzurpragmatischenPhilosophiestatt.Heideggerhatdie Phnomenologieandersverstanden,d.h.alshermeneutischePhnomenologie, derenZentrumdasDaseinist.DiePhilosophiemussvonderErfahrungdes faktischen Lebens in der Zeitlichkeit ausgehen. Eine Erfahrung, die man nicht in einemtheoretischen,objektivenWissenerwirbt,dadieObjektivierungein 9MartinHeideggersAnalysedesVerstehens,diesichimWesentlichenaufdenGebrauch instrumenteller Dinge sttzt, analysiert Wege, jemanden etwas sehen und erfahren zu lassen. Der zentraleAnsatzpunktfreineTechnikphilosophieist,dassderGebrauchderDingeeinjeweils verstehender ist (Irrgang 2009a, 26). 13 Entlebenimpliziert.IndiesemPunktistdieAnalysederurchristlichen ReligiosittvongrundlegenderTragweite.HeideggerverfolgteinZiel:die PhilosophieindieLebensweltzurckfhren.DiePhnomenologiemuss UrsprungswissenschaftdesfaktischenLebenssein.DerAusgangspunktdieser neuenUrwissenschaftistdiedirekteErfahrungdesUmweltlichen.Dieser PerspektivenwechselbeinhaltetdenKernderhermeneutischenTransformation derPhnomenologie,dieHeideggerindenVorlesungenvon1919vollzogen hat.AufdieseWeisehatHeideggerdiekontextuellenAspektedesHandelns hervorgehoben. Mit dieser Transformation wird das Modell des wahrnehmenden Bewusstseins durch das Paradigma der hermeneutischen Philosophie ersetzt, die auf Verstndnis basiert.ImzweitenKapitelwirddieHeideggerscheWiederauslegungder praktischenPhilosophieAristotelesthematisiert.FrancoVolpihatdeutlich gezeigt, dass Sein und Zeit von den praktisch-philosophischen Unterscheidungen des Aristoteles durchzogen ist, freilich hat Heidegger die Spuren dort ziemlich verwischt.DurchdieVerffentlichungenimRahmenderGesamtausgabe knnendiewesentlichenBestimmungenderDaseinanalysezurckbezogen werdenaufdieInterpretationenvorallemderNikomachischenEthik,dort insbesonderedesVI.BuchesberdiedianotischenTugenden.Besonders deutlichindieserHinsichtsinddersogenannteNatorp-Berichtvon1922, verffentlichunterdemTitelPhnomenologischeInterpretationenzu Aristoteles, und die 1926 in Marburg gehaltene Vorlesung Platons Sophistes, die mit einer gro angelegten Interpretation der aristotelischen Ethik beginnt. Durch das Prisma der hermeneutischen Transformation der Phnomenologie wird klar, dassdieDingenichtprimrdemklassischenSubjekt-Objekt-Schema entsprechen,sonderndieDingewerdenverstndlichnurausdemHintergrund dervorhergehendenZugehrigkeitdesSubjektszueinersymbolisch artikuliertenWelt.DiePraxisistdasSchlsselwort,weildasDaseininder Alltglichkeitlebt,d.h.miteinerMengevonWissensvorrten, Geschichtlichkeiten und Fertigkeiten. Wir werden zuletzt zeigen, wie aus dieser Aristoteles-RezeptiondergrundlegendenVerhaltenweise(o,, )dieTriadevonSeinundZeit(Dasein,Vorhandenheitund Zuhandenheit)entstandenist.DerPrimatderZuhandenheithatfrdie hermeneutische Technikphilosophie eine zentrale Bedeutung.14 DasdritteKapitelwirddieGrundlageeinerhermeneutischen Technikphilosophiebehandelt.Diephnomenologischeundhermeneutische KonstitutionsanalysetechnischerPraxisfhrtaufdasUmgangswissenalsihr ursprnglichstesElementzurck,welchessichauchinjederkomplizierten technischenKonstruktionfindet.DiePerspektivederAlltglichkeiterlaubtes der Technikphilosophie, aus dem impliziten Wissen im technischen Handeln die FragenachdemAnsatzderpraktisch-technischenRationalisierungdes Umgangswissenszustellen.ImgebrauchendenUmgangmitUmwelt konstituiertsichLebensweltineinerReihevonfundamentalenPerspektiven. EineBegrndungvonTechnikmussdieMglichkeitsbedingungtechnischen Handelns thematisieren. Um die Frage danach stellen zu knnen, was ein Mittel desHandelnsberhauptzueinemsolchenmacht,isteserforderlich,sich gleichsamaufdieInnenseitederHandlungsvollzgeundpraktischen Weltverhltnisse zu begeben. Dafr ist die frhe Technikphilosophie Heideggers uerst wichtig.IneinemabschlieendenFazitwerdendieErgebnissedieserStudienoch einmalinihrenwesentlichenPunktenzusammengefasst,umdarber hinausgehend weitere Perspektiven fr eine hermeneutische Technikphilosophie zu skizzieren. iii.Ziel und Motivation der Arbeit DiegrundlegendeArbeitshypothesederhiervorliegendenArbeitist:Das Denken Martin Heideggers ber die technische Praxis kann im Lichte der frhen hermeneutischenPhnomenologieentziffertwerden.ZielderUntersuchungist demgemdieRekonstruktionderfrhenTechnikphilosophieHeideggersaus ihren phnomenologischen Wurzeln, um zu zeigen, dass diese als ein wichtiger Beitrag zur Diskussion der Frage nach der Begrndung der Technikphilosophie anzusehenist.DieOntologisierungderPraxisdesfrhenHeideggerserlaubt uns die technische Praxis in ihrer Mittelhaftigkeit zu erklren und zu verstehen. 15 iv.Stand der Forschung zur Technikphilosophie Heideggers DieTechnikphilosophieHeideggersliegtmonographischumgangreich aufgearbeitetinderStudieGnterSeuboldsvon1986vor;diesebetrifftaber fastausschlielichdieAufstzeundVortrgenachSeinundZeitund bercksichtigt auch nur die bis 1986 im Rahmen der Gesamtausgabe erschienen TexteHeideggers.WichtigeTexteHeideggerszurThematik,auchdiefrhen Freiburger(1919-1923)undMarburgerVorlesungen(1923-1927)mitder RezeptionderpraktischenPhilosophieAristoteles,standenSeuboldnichtzur Verfgung.InderLiteraturistesweithincommonsense,dassdie Technikphilosophie Heideggers erst ab 1930, nach der sog. Kehre entsteht (vgl. Schirmacher 1983; Seubold 1986). DurchdiemittlerweilenahezukompletteVerffentlichungderFreiburger undMarburgerVorlesungenHeideggersindenneunzigerJahrenkannhier durchauseinanderesBildentstehen,nmlichdaseinerkontinuierlichen BeschftigungHeideggersmitdemProblemderTechnikalseinerbestimmten Einstellung zur Welt, wie er sie vor allem in seiner Auseinandersetzung mit der aristotelischenEthikundHandlungstheorieentwickelte.DieseWiederholung deraristotelischenVerhaltenweisenimfundamentalontologischenRahmen bildetdenHintergrundderWeltlichkeitsanalyseninSeinundZeit,wieman heutzutage etwa anhand der Studien von Franco Volpi deutlich sehen kann.EsgibtbislangnurwenigesystematischeArbeiten,diedie TechnikphilosophieHeideggersausdemKontextdieserseinerfrhen phnomenologischenAnalysenherausverstndlichzumachensucht.Dies drftederherrschendenMeinunggeschuldetsein,dassessichbeiHeideggers Sptphilosophie im ein Denken eigener Art handle, so dass ein Heidegger I von einem Heidegger II unterschieden werden msse, getrennt durch die so genannte Kehre.HeutehabenwireineklareVorstellungdesganzenProjektesMartin Heideggers,sodassknnenwirAnlasszuderVermutunghaben,dasssichdie TechnikphilosophieHeideggersstarkaufdasfundamentalontologischeProjekt von Sein und Zeit zurckverfolgen lsst.IchmchtehierdasWerkvonNestorCoronaundBernhardIrrgang TechnikalsGeschick?GeschichtsphilosophiederTechnikbeiMartin Heidegger.EinehandlungstheoretischeEntgegnung(1999)nennen.Indiesem 16 BuchschlagendieAutorennichtnureinehermeneutischeTechnikphilosophie vor,dieaufdemHeideggerschenUmgangsbegriffbasierenmusste,sondernsie regenaucheineUntersuchungderfrhenTechnikphilosophieMartin Heideggersan.DievorliegendeArbeitlsstsichindenSpurendesVorschlags vonNestorCoronaundBernhardIrrganglesen.EinwichtigerBeitragistauch das krzlich erschienende Buch Heidegger und das Denken der Technik (2008) von Andreas Luckner. In diesem Werk sammelt der Autor alte Vortrge, welche erinnerhalbeinerneuenglobalenIdeederTechnikphilosophieHeideggers systematisiert. Wichtig fr meine eigene Untersuchung ist die neue Fassung des AufsatzesWiemanberdenHammerphilosophiert.Technikbeimfrhen Heidegger,woLucknereinefeineAuslegungderTechnikphilosophie HeideggersausdemUnterschiedZuhandenheitundVorhandenheitbietet.In geringerTragweitefrmeineUntersuchungwurdedasWerkHermeneutikund Technik.MartinHeideggersAuslegungdesLebensundderWissenschaftals AntwortaufdieKrisederModerne(2005)vonThomasWolfbercksichtigt. Der Autor konzentriert sich mehr auf die Idee von Wissenschaft als Technik bei Martin Heidegger. 17 Kapitel I . Rekonstruktion der hermeneutischen Phnomenologie Heideggers Die Augen hat mir Husserl eingesetzt. Heidegger (GA 63, 4) DieRekonstruktiondesfrhenDenkensMartinHeideggersspielteine wichtigeRolle,umdieEntstehungvonGrundgedankenzuverfolgenund dieseinihremoftspannungsvollenZusammenhangverstndlichzumachen (Figal1992,10).IndemvorliegendenKapitelwirdeineRekonstruktion dargelegt,diesichaufzweiAspektekonzentriertmuss:1)DieKritikdes theoretischenModellsderPhilosophie,welcheseinenmetaphysischenVorrang desSehensbeinhaltetundzwar2)inderWeise,wieHeideggerden kontextuellenAspektimUmgangzunehmendeBedeutunggabundeine RadikalisierungdermenschlichenPraxisentfaltete.DiebeidenAspektetragen freilichzumAufbaueinerhermeneutischenPhnomenologiebei,diealsBasis einer Technikphilosophie dienen kann. Heideggers frhe Arbeit in Freiburg und Marburg (1919-1927) stellt einen Lebenswelt-Pragmatismus dar, der vielleicht derberraschendsteZugvonHeideggersfrhenArbeitenist(Jung2003,18). InderLebensweltistdieRealittauchdietechnologisierendeRealittin Form geschichtlich entstandener Bedeutsamkeitszusammenhnge gegeben, nicht alsKorrelatepistemisch-mentalistischerAkte,sondernalsInbegriffvon Handlungsmglichkeiten.DiesenAspektaufzuzeigenistdiegrundlegende IntentiondesI.Kapitels.DiesesogenannteRekonstruktiondesfrhen DenkwegesHeideggersgliedertsichmethodologischindreiAbschnitte:1. phnomenologischerRahmendesfrhenHeideggers;2.hermeneutische RadikalisierungderPhnomenologieund3.HermeneutikderFaktizittals Ontologie. 18 1. Der phnomenologische Rahmen des frhen Heidegger SeiteinigenJahrenisteinwachsendesInteresseandemsogenannten frhenDenkenHeideggerszuverzeichnen.DasThemaderPhnomenologie Heideggers ist fraglich geworden. Ungeachtet dessen gab es kaum Forschungen berdenfrhenHeidegger,dienichtberdieZugehrigkeitHeideggerszur PhnomenologieHusserls,berdenGebrauchderPhnomenologieinder AnalysedesDaseinsinSeinundZeit(1927)oderdenUnterschiedzwischen HeideggersundHusserlsAuffassungderPhnomenologiegesprochenhtten. HeideggerhatsichinseinenerstenJahrenalsDozentmehrmalsmitder Phnomenologiebeschftigt.EinegenaueBewertungderPhnomenologiein HeideggersDenkenistsogareineMglichkeitsbedingung,umdenknftigen DenkwegHeideggerszuverstehen(vgl.Berciano2001,12).Heutzutagewei man,wiewichtigesist,HeideggersPhilosophienichterstmitSeinundZeit beginnenzulassen,sondernsieausdenAnfngenseinesDenkensherauszu verstehen, zumal diese Entwicklung es berhaupt erst erlaubt, Heideggers Ort in der Philosophie zu bestimmen (Jahraus 2004, 44). 1.1 Von der Logik zum Leben: Dissertation und Habilitation ZuBeginnseinerphilosophischenLaufbahn(1912-1916)beschftigte HeideggersichmitLogikundMathematik,10wieseineerstenArbeitenzur ProblematikdesRealismusundzurLehrevomUrteilbezeugen(vgl.GA1).11 10 Auerdem treten in Heideggers frhen Studienjahren hervor: die Dissertation Franz Brentanos (1838-1917) Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles (1892), die Arbeit vonCarl Braig (1853-1923) Vom Sein. Abri der Ontologie (1896), sowie die Werkevon Emil Lask(1875-1915)LogikderPhilosophieunddieKategorienlehre.EineStudieberden Herrschaftsbereich der logischen Form (1911) und Die Lehre vom Urteil (1912); schlielich mit besonderem Nachdruck auch das Hauptwerk seines spteren Lehrers Edmund Husserl Logische Untersuchungen(1900/01).HeideggerhatteschonimSommer1911aufEmpfehlungvonCarl BraigHusserlsLogischeUntersuchungenundPhilosophiealsstrengeWissenschaftsowie LotzesLogikundMetaphysikstudiert(vgl.GA16,41).MitdiesenTitelnsindbereitsdie wichtigsten philosophischen Begriffe, Konzepte und Disziplinen - zum Teil nur implizit genannt - gegeben, die das Feld umreien, in dem sich Heidegger bis zu Sein und Zeit bewegt (vgl. Volpi 1984, 39-64).11 In Rickerts Seminaren erfuhr Heidegger von Emil Lask (1875-1915), der Rickert und Husserl durcheineRelektredesAristotelesmiteinanderzuvermittelnsuchte.Gegeneine psychologistischeLektrevonKantargumentierteLask,dassdieFormkeineapriorische,der SacheaufgezwungeneStruktursei.WirlebeninderFormwieineinemKontextoderineiner 19 Die Denkgesetze, die in der Logik studiert werden, sind keine Kausalgesetze; es sindRegeln,diegelten.DieLogik,inihrerFormalstranszendentaleLogik, erffnetdieMglichkeit,diefundamentalenFragenderPhilosophiezu thematisieren.FundamentalsinddieseFrageninsofern,alssiezugleichdie letztenFragenderPhilosophiebetreffen,Fragenalso,dienichtnurinnerhalb der Philosophie entstehen, sondern an diese im Ganzen gerichtet sind. Logik ist indieserHinsichtzwareineformale,aberkeineformalistischeDisziplin.Sie beziehtsichaufeinenihrentsprechendenGegenstand:denSinn,derinseiner Nicht-Reduzierbarkeit auf empirische Ursachen die sachliche Bedingung fr die MglichkeiteinersolchermaenautonomgedachtenphilosophischenDisziplin bedeutet.1912begannHeideggersichmitLasksDenken,seinemAufsatz NeuereForschungenberLogik(GA1,17-55)zubeschftigen.Dortwidmete ersichLasksontologischerUnterscheidungzwischendemExistierendenund demGeltenden.LaskerstrebtalsonichtsanderesalseinedasAlldes DenkbarenmitseinenbeidenHemisphren,SeiendesundGeltendes, umspannende Kategorienlehre, und sein Versuch darf mit guten Grnden in die Reihe der Groen gerckt werden (GA 1, 24). Die Frage nach dem Wesen der Logik zieht sich wie ein roter Faden durch Heideggers philosophische Aufstze bishinzuseinerDissertationundauchnochbiszuseinerHabilitationsschrift. DieLogikderSeinskategorienhatKantgeschaffen.FrderenVerstndnisist zu beachten, da das Sein seine translogische Selbstndigkeit eingebt hat, da das Sein zu einem Begriff der transzendentalen Logik umgearbeitet ist (GA 1, 24).DieradikalbedeutungsfundierteLogikistletztlichnichtsanderesalsdie AuffassungsweisederGehalte,diesichimfaktischenLebenergeben.Der Gegenstand der Realwissenschaften ist das sinnlich Seiende. Philosophie ist als MetaphysikErkenntnisdestranszendentenSeiendenundalsLogikErkenntnis Umwelt,dieunsumfngt.Laskargumentierte,dassdasUnmittelbareaufeinerursprnglichen Ebeneabgebildetsei.NachLaskvergisstderkantischeApriorismuseinwichtiges phnomenologischesMoment:dievor-theoretischeVerstehbarkeitdesGegebenen.JedeForm ist eingebettet in einer vor-theoretischen verstndlichen Struktur, die dem konkreten historischen Lebenentspringt.DasVor-theoretischeistnicht-subjektiv.Esisteinursprnglichgegebenes Erfahrungsparadigma,dasinjedemDenkvollzugvorausgesetztwird.DieFaktizittbesitzteine vor-theoretischeVerstehbarkeit,eineStruktur,dienichttheoretischbegriffenwird.Wirsind schonimmerindieBedeutungenhineingeworfen.Lask,soheites1919,seidereinzige gewesen,dendasProblemdesTheoretischenbeunruhigte,auchwenneresselbstwiederum theoretisch lsen wollte (vgl. GA 56/57, 88). Der Einfluss von Emil Lasks Kategorienlehre und LogikderPhilosophieaufdasDenkendesjungenHeideggeristvonMalzuMalmitmehr Deutlichkeit erkennbar (vgl. Kisiel, 1993; 1995; 2000). 20 des theoretischen Seienden, d.h. der geltenden Werte. In seiner Dissertation Die Lehre vom Urteil im Psychologismus von 1913 (GA 1, 59) versucht Heidegger, dieZusammenhngezwischenOntologieundLogikweiterzubearbeiten.Hier verteidigterLasksAnsicht,dassdieVersuchedesPsychologismus,das Gelten von Urteilen auf psycho-physische Phnomene zu reduzieren, jeder empirischen Evidenzentgegenstehen.DasGeltenbesttigtsichselbst;eserschlietsich unabhngigvonderPsychologiealsgeltend.DiePsychologiebetrachtetdas Geltenundnichtumgekehrt.AlsRaumlosesundZeitlosesistdasGeltendie BedingungderMglichkeitvonBedeutung.JedesSeinhateinengeltenden Sinn, aber das Gelten ist nicht identisch mit der Wirklichkeit. Das Gelten ist der Bedeutungshorizont, der in jeder ontologischen Bestimmung vorausgesetzt wird, derGrundfrdieMglichkeitdesDenkens.DasGeltenistdieSphre,inder ichalsaktuellesSubjektlebenmu,umvonetwaszuwissen sowohlseinWas wie sein Da [...]. Ich wei und kann nur wissen um Wirklichkeit im und durch das Geltende. Und nur das, von dem ich wei und wissen kann, istfr mich in irgendeinerFormwirklich(GA1,166).DasReichdesGeltensumfasstdie mathematischenunddielogischenObjekte.DasReichdesSeinsumfasstdie Natur,dasPhysischeunddasbersinnliche.Alles,wasist,erfahrenwirschon inkategorialerForm.GeltenistdiehchsteKategorieimlogischenBereich. Das, was letztendlich prinzipiell unerklrbar und unverstndlich bleibt, ist, dass esSinngibt.HeideggernimmtdieExistenzzweierinkommensurabler ontologischerRealittenan:dierealeunddieidealeSphre.12Durchdiese UnterscheidungbeabsichtigtenLaskundHeidegger,denStreitzwischen AristotelismusundKantianismusberdieNaturderKategorienzulsen. GegendiesystematischephilosophischeErkenntniswirdbeiLaskdasLeben unddieerstezulsendeAufgabeseinerkategorialenErfassungzumThema (Rentsch 1989, 45).ImGegensatzzudenpsychologischenPhnomenensinddieKategorien unabhngigvonpsychologischenZustndengegeben.AberwiedenAbgrund zwischendiesenzweiRealittenberwinden,ohneindenplatonischen Idealismus zu verfallen? Wie einer Logik entkommen, die bertrieben formal ist 12HeideggersDenkenrichtetsichvonAnfangangegendenIdealismus.Eristweder NeukantianernochPsychologist.InderDissertationbeziehtereindeutigStellunggegenden Psychologismus, indem er die Gltigkeit philosophischer, logischer Erkenntnis untermauert. 21 undkeinenBezugzurRealitthat?Wielsstsichdieserersteontologische Unterschiedverdeutlichen?DurchseineDissertationgreiftderjunge HeideggerindendamaligenPsychologismusstreitein.ErwillseinenTeil beitragenzuderErkenntnis,dadielogischeWirklichkeitradikalverschieden istvonderpsychischenWirklichkeit.DemPsychologismuswirdvorgeworfen, daerdenGegenstandderLogiknichtnurverkennt,sonderngarnichtkennt. DerPsychologismuskenntdenGegenstandderLogiknicht,weilerihnim Psychischen sucht, ihn in seiner Genese im Psychischen fassenwill undso das LogischevomPsychischennichtoderdochnichtscharfgenugunterscheidet. (Pggeler 1963, 18).DietranszendentalePriorittdesGeltensbeweistdieontologische BedeutungderLogik.TranszendentaleLogikistnichtdasStudiumderRegeln desSchlieens,sonderndieapriorischeErklrungderGrundstrukturaller mglichenGegenstnde.13ZudiesemZeitpunktoffenbarensicherstmals Symptome von Unzufriedenheit mit den Lsungsanstzen des Neukantianismus, daeraufdieschpferischeTtigkeiteinestranszendentenWesensrekurriert. NachHeideggerhatdieLogikihreWurzelnimLebenselbst,inderdirekt erfahrbarenRealitt,imBereichdesVorsinns,indemsichdasdenkendeund urteilende Subjekt schon immer bewegt.14 Nach ihm muss das Realittsproblem neu bedacht werden, d.h. die Philosophie msse von dem naiven Realismus und demsubjektivenIdealismusbefreitwerden.DennsowohlderRealismusals auchderIdealismusseienvomSubjekt-Objekt-Schemabestimmt.DieAnalyse derunpersnlichenUrteile,dieHeideggerinseinerDoktorarbeitvornimmt, zeigt in Vollkommenheit den Perspektivenwechsel, der sich im Geist des Autors vollzieht.DieserWechselbestehtimWesentlichenindemallmhlichen Aufgeben der Vorrangsstellung des epistemologischen Gegenstandes zu Gunsten 13InderForschungistdieBedeutung,diedasProblemdesVor-theoretischenfrLaskbesa, nichtunbemerktgeblieben.SiewirdvorallemvonTheodoreKisielhervorgehoben,derinden basal-gegenstndlichenForm-Materie-VerhltnissendieSphreeinerimmediateexperienceof livingthoughtformserkennt,sowiesiefrHeideggerssptereHermeneutikderFaktizitt kennzeichnendist(vgl.Kisiel1993,27).IndenFormenliegedemnacheineNoeticformof intentionalconsciousnessontheleveloflifeitself[...]whichiscorrelativetotheimmediate givennessofreality(Kisiel1993,35).KisielbetontdaherauchdieRolle,diedasPrinzipder BedeutungsbestimmtheitfrHeideggerspieltundsiehtimMateriebezugdieAusrichtungauf das geschichtliche Leben prformiert. 14 Diese sind die Schlussfolgerungen, auf die er das Nachwort richtet, das Heidegger 1916 zu der VerffentlichungseinerHabilitationsschriftverfassenwird.ZumBeispielDerlebendigeGeist ist als solcher wesensmig historischer Geist im weitesten Sinne des Wortes (GA 1, 407). 22 derpraktischenHandlungskontexte,indiesichdasmenschlicheLeben gewhnlich einfgt.15 Thomas Rentsch hat diesen bergang Heideggers als von derLogik[...]zumLeben(Rentsch1989,40)bezeichnet.Heideggers ProgrammeinerAufhebungdesNeukantianismusimpliziert,dassdasLogische in das Geschichtliche zurckgestellt werden kann. DasfrheLogikstudiumHeideggersfhrtihnzurmittelalterlichen, spekulativenGrammatik.InderMetaphysikdesDunsScotusundder SprachphilosophiedesThomasvonErfurtentdecktHeideggereine scholastische,proto-transzendentaleLogik.16InderHabilitationsschriftgehtes umDieKategorien-undBedeutungslehredesDunsScotus(GA1,189-411).17 IneinenBriefanKarlLwithausdemJahre1927stelltHeideggereine VerbindungzwischenseinenfrhenFreiburgerVorlesungenundseiner Habilitationsschrift her: Die Probleme der Faktizitt bestehen fr mich ebenso wieindenFreiburgerAnfngennursehrvielradikalerundjetztinden 15 Die Bedeutung der freien Urteilskrfte, die kein grammatikalisches Subjekt haben wie zum Beispiel Es kracht und die nur im Kontext, in dem sie abgegeben werden, zu verstehen sind, basierenalsoschonimmeraufHintergrundwissen,d.h.findensichinjedemFallineiner intersubjektivvonverschiedenenSprechernundHrerngeteiltenhermeneutischenSituation. WennwirunsmittenineinemMilitrmanverbefinden,undwennichineinemMoment,in dem man das Feuern der Mrser hrt, sage: Es kracht, ist klar, dass es das ist, was drhnt. Die TheoriederErkenntnis,traditionellgeschichts-undzeitlos,kanndiehistorischeund symbolische Faserung des Menschenlebens nicht mehr ignorieren. 16 Philosophisch wichtig war fr Heidegger auch die Franziskanische Tradition zu nennen sind hier vor allem Bonaventura (1218-1274), Duns Scotus (1266-1308) und Thomas von Erfurt (um 1300).DieMetaphysikdesDunsScotusistdieAnalytikdesenslogicum,eineAnalysedes Seins als dem erkennbarsten Begriff. Es handelt sich nicht um das Studium dessen, was existiert, sondernumdasStudiumdessen,wasnotwendigist,d.h.umeinemetaphysischeAnalyseder wiederkehrendenFormendesSeins.DunsScotuslehntdiedistinctiorealisdesThomasvon Aquin, den wirklichen Unterschied zwischen essentia und esse, ab. Fr Scotus sind Mglichkeit undWirklichkeitnichtverschiedeneDinge,sondernverschiedeneGradedesSeins.Mglichkeit ist hher als Wirklichkeit,weil es die Ganzheit der essentia umfasst. Fr ihn ist das Sein(esse) nichtandersalsdieinnereWirklichkeitdesWesens.DieseTheseistdieGrundlageder HeideggerschenInterpretationvonAristoteles,dieichimzweitenKapitelentfaltenwerde. CatrionaHanleyerklrtdazu:BetweenAristotleandHeidegger,thereis1)ashiftfromthe priority of actuality in Aristotle, to the priority of possibility in Heidegger. This shift, I argue, is itselfthemetaphysicalgroundof2)ashiftfromthepriorityoftheoryintheonethinkertothe priority of praxis in the other. This shift is seen most clearly in the way in which 3) Heidegger's notionoftheorieisamodificationofamoreoriginalpoesis.Thetemporalgroundofthe reversal is seen in 4) Heidegger's notion of transcendence towards the world, and not towards an eternal being (Hanley 2007). 17 Heidegger schrieb seine Habilitation ber De modis significandi sive grammatica speculativa von Thomas von Erfurt. Er hielt sie noch fr einen Text des Duns Scotus (vgl. GA 1, 189-412). Michael Grabmann hat jedoch nachgewiesen, dass es sich um einen Text des Thomas von Erfurt handelt.DieseAbhandlung,dieimMittelalterweitverbreitetwar,istdievollstndigste spekulative Grammatik, die uns bekannt ist. Der Einfluss des Duns Scotus auf Martin Heidegger ist seit langem Gegenstand allgemeiner Spekulation, ist aber noch nicht in ausreichendem Mae untersuchtworden (vgl. Wucherer-Huldenfeld 1999, 41-59). Kisiels Beobachtung, dasses enge Verbindungen zwischen der Habilitationsschrift und den frhen Freiburger Vorlesungen gibt, ist von groer Bedeutung (vgl. Kisiel 1993, 25-38; Schaeffler 1978, 10-29; Pggeler 1990, 11-16). 23 Perspektiven,dieauchinFreiburgfrmichleitendwaren.Dassichmichmit DunsScotusunddemMittelalterunddannzurckmitAristotelesstndig beschftigte, ist doch kein Zufall [...]. Ich mute zuvor extrem auf das Faktische losgehen,umberhauptdieFaktizittalsProblemzugewinnen (Heidegger/Lwith1990,37).HeideggerbernahmvonScotuszwei hermeneutischeGrundprinzipien,dieseineweiterephilosophischeArbeit wesentlichmitbestimmten:1)DasVerstehbarebersteigtdasTheoretische.2) Der Horizont der ursprnglichen Verstehbarkeit ist die Zeit. DieHabilitationsschriftbeginntmitderscottschenKategoriedesens logicum,deslogischenoderidealenSeins,d.h.desSeins,dasallemSeienden, dasistoderseinkann,gemeinsamist:Primumobjectumestensutcommune omnibus(vgl.GA1,214).DasSeinistdasErstealldessen,waserkanntwird. Es ist dasjenige, an dem alles andere teilhat, der Begriff, ohne den nichts erkannt werden kann. Alles, was denkbar ist, wird von ihm umfasst. Das ens logicum ist eine transzendentale Idee, ein transcendens, ein trans-kategorialer Begriff. Es ist die Welt des Sinnes, in der wir leben und in der wir unser Sein haben. Sie ist das Ganze,welchesdasursprnglicheZusammengehrenvonSubjektundWelt umfasst.DasSeinistnichteineKategoriewieSubstanzundAkzidens.Jede SubstanzundjedesAkzidenssetzendasSeinvoraus(vgl.GA1,280).Die UniversalittderLogik,welchedieHabilitationsschriftzuvorherausgearbeitet hatte,wirdsomitdemgeschichtlichenGeistidentifiziert,wasumgekehrt bedeutet,dassdieLogikimZugeihrertranslogischenDeutungindas sinnverwirklichende Leben des Geistes zurckgestellt werden kann.berdiesermglichtderlebendigeGeistauchdieErfahrungder mystischenEinheitunderffnetalssinnvolleundsinnverwirklichende lebendigeTat(GA1,406)auchdiepraktischeDimensiondesmenschlichen Daseins. Der lebendige Geist ist als solcher wesensmig historischer Geist im weitestenSinnedesWortes(GA1,407).MitdemBegriffdeslebendigen GeistesversuchterdieTiefendimensiondesmenschlichenDaseinszu erschlieen.Der lebendigeGeist ist nicht nur das blut- und leblose Subjekt des Neukantianismus,sondernauchderGeistinseinerkonkretenhistorischen Individualisierung.18MitdemGeistalsSinnverwirklichendeTatkann 18 Heidegger bewegtsich in diesem geistgeschichtlichen Milieu. Aber das scottsche Prinzip der vor-theoretischenErkennbarkeitdesIndividuums,d.h.dieLehrevonderhaecceitas,war 24 HeideggeraucheinemglicheLsungdesKategorienproblemsskizzieren,d.h. derFragenachdemSinndesUrteilsalsstatischemPhnomenvomkonkreten Subjekt,dasebennichteinisolierteserkenntnistheoretischesSubjektist (Rentsch 1989, 41). Die Philosophie des lebendigen Geistes, der tatvollen Liebe, derverehrendenGottinnigkeit,derenallgemeineRichtpunktenurangedeutet werdenkonnten,insbesondereeinevondiesenGrundtendenzengeleitete Kategorienlehre,stehtvordergroenAufgabeeinerprinzipiellen AuseinandersetzungmitdemanFllewieTiefeereignisreichstenundinder BegriffbildunggewaltigstenSystemeinerhistorischenWeltanschauung.Dieser fundamentalenphilosophischenProblemmotivehatsichHegelangenommen. Diese Forderung zeigt, inwiefern fr Heidegger die Philosophie nicht mehr nur einstatischer,ewigeWahrheitenverkndenderSpiegeldesEwigenwar (Zaborowski2004,150).WieThomasRentschbemerkt,warderGlaubebei Scotus kein habitus speculativus, sondern practica (vgl. Rentsch 1989, 46). Wir knnen gewissermaen von einer frhen pragmatischen Einstellung sprechen.DiescottscheTendenzdesheideggerschenDenkensknntenichtbesser deutlichwerden:SeinistnichtAktualitt,actusessendi,sondernMglichkeit, dasGelten,d.h.essentia.SeinisteineForm,dasWesendesWesens.Seinist dasjenige,wasstndigverstehbarunddurchsichtigist,mitdemderIntellekt immerschonvertrautist.BeiThomasvonErfurtistdieserIntellektdieForm desursprnglichgegebenSeins,einunbestimmtesGanzesderprimaintentio. AlleIntentionensindaufdieseroriginalenGegebenheit,dieserreinen,vor-theoretischenhaecceitaseinesSeiendengegrndet.DieseUr-Intentionistnicht etwas,wasichtue,sonderndieUmweltmeinesalltglichenLebens,eine Struktur,innerhalbdererichstndigwohne.EsistkeineEinstellung,dieich eigentlichInspirationderDaseinsanalytik.Diehaecceitasisteinearistotelisch-scholastische DenkfigurfrdieSingularitt,dieHeideggerspteralsJemeinigkeitthematisierenwird.Von Anfang an setzt er sich mit dem Problem der Unbeschreiblichkeit des Individuums (Individuum est ineffabile) auseinander. Die Auseinandersetzung des Scotus mit diesem Problem im Kontext der aristotelischen Scholastik war ein Vorbild fr Heideggers Hermeneutik der Faktizitt. Gegen denNominalismusgehendie spekulativenGrammatiker(diemodistae) davonaus,dasseseine metaphysischeGrundlagederSprachegebe,diedurchgrammatischeAnalyseerschlossen werdenknne.DieGrammatikerwandeltendieMetaphysikineineSprachphilosophieum, indemsieannahmen,dassdiegrammatischenFormen,diemodisignificandi,vonalltglichen Verben, Substantiven und Adjektiven auf die vor-theoretischen Strukturen verwiesen, die in das historische Leben eingebettet sind. Die undefinierte und namenlose Erfahrung des Singulars, der haecceitas,stehtnichtauerhalbderverstndlichenSphrederWeisheit.Sieistdie bestimmteste und konkreteste Form von essentia. Die Sache der Philosophie ist ursprnglich das nichtreduzierbareVerstehendeskonkretgegebenengeschichtlichenLebens:einervor-theoretischen Form, einer konkreten essentia, dessen, was Scotus die haecceitas nennt. 25 verndernkann,sonderndieGrundweise,inderichinderWeltexistiere.Die konkrete und namenlose haecceitas ist die letzte Bestimmung der essentia, vom Wesenhererkennbar,jedochnichtdefinierbar.Siewirdnieintheoretischer Abstraktionbegriffen,sondernineinerunmittelbarenExistenzialanschauung, die Scotus simplex apprehensio nennt. Doch ist diese unbestimmbare haecceitas aufdertheoretischenEbeneunbeschreibbar.Diehaecceitaswirdineinervor-begrifflichen Anschauung des geschichtlichen Seins begriffen. In der Lehre von derhaecceitaserkenntHeideggergewissermaendasvortheoretischeEtwas LasksunddiekategorialeAnschauungHusserls,dieebenfallsaufeine vortheoretischeVerstehbarkeitverweist.SiewirdeineDomnedervor-theoretischen Erfahrung, die eine eigene Form des Verstehens voraussetzt. 1.2 Die Phnomenologie Edmund Husserls EdmundHusserl(1859-1938)kam1916alsNachfolgervonHeinrich Rickert(1863-1936)nachFreiburg.HeideggermisslangderVersuch,einen LehrstuhlfrkatholischePhilosophieanderFreiburgerUniversittzuerhalten (vgl.Denker2004,97).BeideEreignissewarenwichtigfrdiezuknftige GedankenentwicklungHeideggers.Erfandmitderphnomenologischen MethodeHusserlsdenWeg,mitdemerseineigenesDenkenineinenRahmen stellen konnte. Wegen der guten Zusammenarbeit mit Husserl erhielt Heidegger eineNominierungalsPrivatdozent.IndieserZeitentfernteersichallmhlich vonkatholischenKreisenbzw.vomSystemdesKatholizismus(vgl.Safranski 2004, 127; Zaborowski 2004, 150).19 Whrend die Lebensphilosophie fr Heidegger eher im Hintergrund bleibt undlediglichkontextuelleineStrmungderPhilosophiedarstellt,wirddie PhnomenologiezueinemderbeidenwichtigstenAusgangpunkteseiner eigenenPhilosophie.HeideggerwirdsichausdrcklichmitPhnomenologie beschftigen und sich als Phnomenologe verstehen.20 Es ist jedoch wichtig, im 19DerberhmteBriefanEngelbertKrebswurdeinHeideggerJahrbuchI(2004)s.67 verffentlich. 20AlsnmlichderPrivatdozentHeideggernachdemKriegimJahr1919HusserlsAssistent wird,entwirftdieserfrihnalskommendephilosophischeAufgabe,seinen 26 Auge zu behalten, dass es von Anfang an entscheidende Unterschiede zwischen der husserlschen und der heideggerschen Philosophie gab. Heidegger wird dann mit Husserls phnomenologischer Methode die Struktur des lebendigen Geistes inseinerkonkretenGeschichtlichkeitbeschreiben,undnichtdieStrukturdes reinen Bewusstseins (vgl. Fllesdal 1979, 365-378). Doch zugleich wird erst das gemeinsamePhilosophierenmitHusserlihmeinwirklichesVerstndnisder Phnomenologie als Methode ermglichen und ihm damit erlauben, den Schritt in die faktische Lebenserfahrung zu tun.21 HusserlbetrachteteseineMethodealsdenHhepunkteiner zweitausendjhrigenSuche,d.h.diePhnomenologiesollteeinestrenge Wissenschaft sein, und zwar die hchste und strengste aller Wissenschaften (vgl. LogosI,289-290).SeitihremgriechischenUrsprunghattediePhilosophie diesesZielverfolgt,undobwohlsieesnieerreichte,vergasiediesesIdeal nicht.DieWissenschaftenberuhenaufzweiwichtigenElementen:1)siesind begrndeteErkenntnisseund2)siebesitzeneineEinheitimbegrndeten Zusammenhang(vgl.HUAXVIII,A231).DiePhnomenologieschlgtsich selbstalsMethodevor,welcheTreuezurWirklichkeitfordert.Abermansoll sichmitdieserErkenntnisinnerhalbeinesEinheitsprinzipsbewegen,dem wissenschaftlicherAnspruchzusteht.DiewesentlicheEinheitderWahrheiten einerWissenschaftistdieErklrungseinheit(vgl.HUAXVIII,A234).Die Form der Einheit, ber die Husserl spricht, ist eine Einheit der Theorie, d.h. eine theoretische Einheit.NachHusserlwirddiephilosophischeFragenachdenallgemeinen MglichkeitsbedingungenderWissenschaftimAllgemeinenindieFragenach denallgemeinenMglichkeitsbedingungenderTheorieimAllgemeinen umgewandelt. Deshalb ist die Frage der Philosophie eine Metatheorie oder eine Theorie der Theorien (vgl. HUA XVIII, A 243). Aufgabe oder Ziel einer reinen Logikist,dieAuffassungderTheoriezuklren(vgl.HUAXVIII,A254).In derEinfhrungdeszweitenBandesLogischeUntersuchungendrcktHusserl dasdeutlichaus,denndiereinePhnomenologietrgteinenBereichvon phnomenologischenAnsatzineinerReligionsphnomenologieweiterzuentwickeln(Gander 2004, 296). 21 Auerhalb der Grenzen unserer Darstellung steht das Sptwerk, in dem Husserl unter anderem auch in einem produktiven Gegenzug die Einwnde, wie Heidegger sie vorgebracht hat, fr das eigene Denken fruchtbar zu machen suchte. 27 neutralenForschungenvor,indenendieverschiedenenWissenschaftenihre Wurzelnhaben(vgl.HUAXIX/1,A4).Dietheoretische,erkenntnisfhige AufgabederreflexivenPhnomenologieHusserlsistjedererklrendenoder beschreibendenWissenschaftvorangestellt.SiewillnichtdieErkenntnis,das 'faktischeEreignisinderobjektivenNatur',inpsychologischemoder psychophysischemSinnerklren,sonderndie'Idee'derErkenntnisnachihren konstitutivenElementen,bzw.Gesetzenaufklren[...]diereinen ErkenntnisformenundGesetzewillsiedurchRckgangaufdieadquat erfllende Anschauung zur Klarheit und Deutlichkeit erheben (HUA XIX/1, A 21: 229).DiePhnomenologieistnichtnureinephilosophischeDisziplin,sondern aucheineTheoriederTheorie.SieerreichtKlarheitundDistinktiondurchder Anschauung,dieineinerreflexivenFormverfolgtwird.Klarheitund DistinktionzweiBegriffederKartesianischenTraditionsindnurmglich mittelseinerreflexivenObjektivierung.DerstrengwissenschaftlicheCharakter der Phnomenologie besteht in der Suche nach der Apodiktizitt der Erkenntnis, dieinderAnschauunggegebenist.Demgemwirdinder6.Analyseder LogischenUntersuchungendiekategorialeAnschauungalsErfllung charakterisiert.MitErfllungbeziehtsichHusserlaufdasElementder theoretisch-kognitivenEssenzdesAktes.IndiesererfllendenAnschauungist dieErkenntnismglich,undsiewirdalsOffenkundigkeitcharakterisiert.Die GrundaufgabederWissenschaftbestehtdarin,dieOffenkundigkeitzuzeigen. SonahmHusserleineoffeneHaltunggegenberdemNaturalismusunddem Historismusein.NurdiePhnomenologie,wennsiealsstrengeWissenschaft verstandenwird,kanndieRtselvonderErkenntnislsen.Distinktionund konzeptionelle Klarheit sind Sachen der strengen Theorie (vgl. Husserl Logos I, 331).DieVorstellungvonderPhilosophiealseinerabsolutenWissenschaft folgtderkartesianischenIdeederWissenschaft,wirdaberaufdieintuitive Offenkundigkeit gegrndet. HusserlfasstedieseForderungmitderMaximeZudenSachenselbst! zusammen(vgl.HUAXIX/1,A7;HUAIII/1,A35).DiePhnomenesollen vllig objektiv betrachtet und ohne metaphysische Voraussetzungen beschrieben werden (vgl. HUA XIX/1, A 7-A 8). Das Gegebene darf nicht auf reduktive Art verworfen werden, wenn etwas erklrt werden soll. Die Phnomenologie ist die 28 unvoreingenommeneBeschreibungdesPhnomens,22sieistdeskriptiv,im WesentlicheneinebeschreibendeMethode.Alles,wasdemBewutsein gegebenist,istPhnomen,unddieBewusstseinsforschungimhusserlschen SinnebeobachtetinstrengerIntrospektiondieinnereOrdnungder Bewusstseinsphnomene. Sie deutet nicht und erklrt nicht, sondern versucht zu beschreiben, was die Phnomene von sich her sind und zeigen (Safranski 2004, 93). Also erhielt die philosophische Untersuchung eine neue Basis, whrend sie gleichzeitigvordemRelativismusbewahrtwurde.WieEugenFinksagte, bestehtdasgrundlegendeProblemderPhnomenologie,dasReligionenund Metaphysik schon benannt haben: der Ursprung der Welt.Adolf Reinach hat in seinem bekannten Vortrag Was ist Phnomenologie? (1951)erklrt,wasdasgrundlegendeZielderPhnomenologieseinknnte: NichtumeinSystemvonphilosophischenStzenundWahrheitenhandeltes sichbeiderPhnomenologieumeinSystemvonStzen,anwelchealle glaubenmssten,diesichPhnomenologennennen,unddieichIhnenhier beweisenknnte,sonderneshandeltsichumeineMethodedes Philosophierens,diegefordertistdurchdieProblemederPhilosophie,unddie sehr abweicht von der Art, wie wir uns im Leben umschauen und zurechtfinden, und die noch mehr abweicht von der Art, wie wir in den meisten Wissenschaften arbeitenundarbeitenmssen.(Reinach1951,21).DiePhnomenologie bedeuteteeinenoffenenWiderstandgegendieVoraussetzungen,welcheder Philosophie als Erbe vermacht wurden. DiePhnomenologiehebtauchdenBegriffdesPhnomenshervor.Ein Phnomen ist nicht das Ding selbst, sondern dessen Erscheinungsweise, d.h. wie das Ding sich zeigt. Man knnte sagen, das Phnomen ist das Ding in der Weise, wiemaneswahrnimmt.DochdarfdieseWahrnehmungnichtalskonstruktive LeistungeinesBewusstseinsverstandenwerden,sondernalseineunmittelbare 22 Phnomen (): was gezeigtwird oderwas imLichtherauskommt. Die Phnomene bilden die Gesamtheit von dem, was sich als sich selbst zeigt. Die Mglichkeit, dass das Wesen als dasjenige gezeigt wird, was es in Wirklichkeit nicht ist, ist nicht Phnomen sondern Schein. DasZweiteisteineModifikationvomErstenundnurmglich,wennesdasErstegibt.Den Griechen war die Objektkategorie fremd. Ihre Stelle nahm ein die :Sachen, die sie in der Praxis finden. Phnomen ist das Seiende selbst, das da ist und eine Konnotation des Wesens ist, und es muss in solch einer Weise verstanden werden, dass das Phnomen den Charakter des SichzeigensdesGezeigtenausdrckt.Heideggerbemerkt,dassbeiAristotelesPhnomennicht nurdasSeiendeselbstbedeutet,sondernauchSchein.DiesimplizierteineAbwertungdes Phnomens(vgl.GA17,38).Phnomenistnichtetwas,wohinteresnocheineandereSache gibt. 29 und unvermittelte Wahrnehmung des Dinges. Am Prinzip aller Prinzipien: da jedeoriginrgegebeneAnschauungeineRechtsquellederErkenntnissei,da alles,wassichunsinder'Intuition'originr,(sozusageninseinerleibhaften Wirklichkeit)darbietet,einfachhinzunehmensei,alswasessichdagibt,aber auch nur in den Schranken, in denen es sich da gibt, kann uns keine erdenkliche Theorieirremachen(HUAIII/1,A44,51).Esgehtgeradenichtdarum,eine VorstellungodereinBewusstseineinesDingszuhaben,sondernumdie AnwesenheiteinesGegenstandes.23NachMeinungHusserlsbedeutetdas PrinzipZudenSachenselbst!:1)dieIntuitionfrangemesseneQuellender Erkenntnis,inderetwasursprnglichvorkommt,zuerhalten;2)alles,was ursprnglichvorkommt,mssemannehmen,wieesvorkommt;3)manmuss die Grenzen erkennen, in denen das Erscheinende vorkommt.WirknnenzumBeispielsagen,dassichinderWahrnehmungeines BaumsarglosandessenAnwesenheitglaube;undwennichseineExistenz begrndenmsste,wrdeichnichtzweifeln,dassdieExistenzvonder wirklichenAnwesenheitabhngt.DieseArt,inderwirinVertrautheitmitder Welt handeln, heit nach Husserl natrliche Haltung. Aus diesem Grund glaube ichandieselbstndigeExistenzderWelt,d.h.dieWeltknnteauchohne meinen Blick sein. Wir stehen als praktisch handelnde Wesen in der Welt wir sehen sie und sehen sie doch auch nicht, wir sehen sie mehr oder weniger genau, undwaswirvonihrsehen,dasrichtetsichimAllgemeinennachunseren BedrfnissenundZwecken(Reinach,1951:22)[Hervorheb.d.Verf.]. TrotzdemknnteichineinemfreienAktdieHypothesederVertrautheitder Weltanfechten.SoknnteichdenGlaubenandieExistenzderWeltin 23FrMartinHeideggerjedenfalls,dessenphilosophischesInitiationserlebnisBrentanosBuch VondermannigfachenBedeutungdesSeiendennachAristotelesgewesenwar,istdie husserlschePhnomenologieeinePhilosophie,welchedieVielfaltdesSeiendenaufschliet. NochbeiBrentanowurdedasPhnomeninAbhngigkeitvonderpsychischenDispositionder WahrnehmungdesMenschengesehen,diephilosophischreindeskriptivbehandeltwerden sollte. Bei Brentano sind alle psychischen Inhalte intentional, whrend Husserl diese Auffassung radikalisiertundeinewesentlicheUnterscheidungzwischendenErlebnisseneinfhrt.Das GrundlegendebeiHusserlbeziehtsichnichtaufdieTrennungzwischenPsychischemund Krperlichem, sondern auf die Korrelation zwischen Intentionalem und Dinglichem. Aus diesem GrundistdiewahrnehmendeIntuitiondasWirklich-ObjektiveundIndividuelle.Diesbedeutet, ich sehe das Objekt aus einer gewissen Perspektive, dennoch sehe ich eine Sache. Diese wird in einereinfachenArtohnereferentielleoderstrukturierteAktedargestellt.IchhreeineMelodie undnichtnurEmpfindungenderGeruscheoderichseheeinBildundnichtnur Farbempfindungen. Wenn wir uns einem Objekt zuwenden, gehrt dieses zum Bewusstseinsakt, aberaufeineandereWeise;deshalbistdieBeziehungzwischenbeidenintentionalundnicht dinglich.WirwerdenzuObjektengefhrt,aberwirlebenineinemGefhlsgeflecht(vgl.HUA XIX/1, A 329). 30 Klammernsetzen(r),24indemderreflexiveBlickmichzumRest (eidetische Reduktion) fhrt.DiePhnomenologischeReduktionisteinebestimmteArt,eine Wahrnehmung oder ganz allgemein einen Bewusstseinvorgang zu vollziehen und dabei die Aufmerksamkeit nicht auf das Wahrgenommene, sondern auf den VorgangderWahrnehmungzurichten.DiephnomenologischeReduktion klammertalsodieFrageaus,wasderBaumdennnuninWirklichkeitsei,und achtet auf die verschiedenen Weisen, wie und als was er sich dem Bewusstsein darbietet. Mit dem Ausben der phnomenologischen Reduktion klammert man diesogenanntenatrlicheWahrnehmungeinundklammertdieuere Wirklichkeitaus,manverlierteineganzeWelt,abernur,umsieinuniversaler Selbstbesinnungwiederzugewinnen.Eshandeltsichumeineeidetische Wissenschaft,welchedieKlarheitunddieDistinktiontheoretisch-erkenntnisfhigdurchreflexiveAnschauungverfolgt.Siefindetihre vollstndigeEntfaltungundihrFundamentnurmittelsphnomenologischer ReduktionundderEntdeckungderBedeutungs-Sphre.DasFelddes Bewusstseins ist mit Husserls Worten eigentlich Ursprung derBedeutungs-Sphre.DieradikaleNeuerungvonHusserlistdieEntdeckungder transzendentalen Subjektivitt, da diese sich als die Ursttte von allem und von jedem Sinngehalt erweist (vgl. HUA VIII, A 4; V, A 139). Diese r bedeutet nicht,dassdieWeltnichtexistiert,sonderndassunsereimpliziteTheseder Existenz der Welt nicht mehr agieren kann. Was bleibt von der Welt, wenn ich dieseWeltnichtmehralsBasismeinerWahrnehmungbetrachte?Esbleibtdas BewusstseinalsRestdieserreflexivenOperation.DieganzeAuenweltist schoninunsda.DiephnomenologischeReduktionistderallesentscheidende Aspekt der Phnomenologie. So erffnet sich ein riesiges Forschungsgebiet. In dertranszendentalenReduktionwerdendieWesensgehalte,diedurchdie eidetische Reduktion herausgestellt werden, die Leitfden fr den Rckgang auf die ihnen entsprechenden Bewusstseinsleistungen (Pggeler 1963, 68). Es geht umeinebestimmteAufmerksamkeitgegenberdenBewusstseinsvorgngen, 24 Die r und die Reduktion knnen nur ausgefhrt werden, weil die allgemeine These schon aufeingewissestheoretischesErgreifenderWeltgegrndetwird:imWahrnehmungsergreifen der Welt. Die Phnomenologie Husserls ist in ihrer Gesamtheit theoretisch bestimmt. 31 auchphnomenologischesSehengenannt.Diesesuniversale Auergeltungsetzen[]allerStellungnahmenzurvorgegebenenobjektiven Welt[...]stelltunsalsonichteinemNichtsgegenber.Wasunsvielmehr,und gerade dadurch, zu Eigen wird, ist mein reines Leben mit all seinen Erlebnissen undallseinenreinenGemeintheiten,dasUniversumderPhnomeneimSinne derPhnomenologie.Dieist,sokannauchgesagtwerden,dieradikale unduniversaleMethode,wodurchichmichalsIchreinfasseundmitdem eigenen,reinenBewusstseinsleben,indem,durchdas,diegesamteobjektive Weltfrmichist,undso,wiesieebenfrmichist.(inRombach1980,48). DieWeltunddieweltlichenSachenwerdenalsimreinenBewusstsein dargestelltePhnomeneentdeckt.DieseWendungistdas,waseineradikal wissenschaftliche Erforschung des Absoluten erlaubt.Reflexiv25 kehre ich ber das Bewusstsein zurck und untersuche, welches seineEigenartist,unddamiterlangeicheinVerstndnisseinesSeins. Intentionalitt26 ist die wesentliche Note des Bewusstseins. Das Grundthema der PhnomenologieistdieIntentionalittdesBewusstseins.Immerauerhalbvon sich selbst (in-tendere) ist das Bewusstsein immerBewusstseinvon etwas (vgl. HUAXIX/1,A352;A330).DasWahrgenommeneistnichtwirklichindem Sinn,indemetwaswirklichist,weilesdiegenaueKopieist(adaequatio intellectusetrei),sondernesistnuretwas,wasintentionaleKonsistenzhat.In diesemBezugwirdderGegenstandalsGegenstandkonstituiert.Der 25In77derIdeenIschreibtHusserl:...diephnomenologischeMethodebewegtsich durchausinAktenderReflexion(HUAIII/1,A144,162).HusserlbenutztdenBegriff Reflexion in zwei Bedeutungen: als die Retroflexion in Richtung auf intentionale Erlebnisse und alsWendungdesBlickesaufdasintentionaleObjekt.DieReflexionistfrHusserldie eigentliche Art, wie die Phnomene behandelt werden sollen. 26DenintentionalenCharakterdesBewusstseinsbernahmHusserlvonseinemLehrerFranz Brentano (1838-1917). Brentano kam von der katholischen Theologie her, in der Aristoteles aus derPerspektivevonThomasvonAquinstudiertwurde.DiegriechischePhilosophieffnete BrentanoneueHorizontefrdieStellungvondenphilosophischenFragen.Auerdem beschftigte er sich mit der Philosophie von Descartes. In einer merkwrdigen Mischung fhrte Brentanodiearistotelisch-scholastischePhilosophiemitderKartesianischenProblematikaus. EntscheidendfrdieDiskussionmitdemPsychologismusistseinWerkPsychologievom empirischen Standpunkt (Leipzig 1874). Nach Brentano musste man von den Phnomenen, von denErlebnissen,sowiediesevorkommen,ausgehen;nichtabervonTheorienbezglichder SeeleunddemSeelischenodervomVerhltnisdespsychologisch-biologischen Zusammenhangs.DasWahrgenommeneimstrengenSinnederPhnomenologieistnichtdas wahrgenommeneSeiendeanihmselbst,sonderndaswahrgenommeneSeiende,sofernes wahrgenommenistwieessichinkonkreterWahrnehmungzeigt(GA20,52).DieSachen werdenalsSachenderumgebendenWelt,alsSachenderNaturwahrgenommen;undihre WahrnehmungalseinfacheSachenbedeuteteineAbstraktion(vgl.GA20,106).berdieses Thema vgl. Volpi 2004, 226-242 und Fllesdal 1979, 365-378. 32 GegenstandexistiertwederauerhalbdesSubjekts,nochistereinebloe Projektion des Subjekts. Das Objekt ist innerhalb des Subjekts, und das Subjekt istinnerhalbdesObjekts.Intentionalittistwedersubjektivnochobjektiv. IntentionalittistalsoinihrerGrundlageEvidenzbezogenheit(Held1988, 111). Wirsindimmerschonaufetwasbezogen.BewusstseinundGegenstand lassensichdahernichtvoneinandertrennenundmssenalssichwechselseitig bedingenderkanntwerden.DasBewusstseineinesGegenstandesistzugleich derGegenstanddesBewusstseins.MeinErlebenistgerichtetaufeinObjekt, aber dieses ist nicht wirklich immanent in dem Erlebnis, sondern nur intentional. JederAktdesBewusstseinsistbezogenaufwirklicheObjekte.Dieobjektive Welt wird erkannt durch die entsprechenden Bewusstseinserlebnisse und ist nur zugnglich durch inhrente reprsentative Bilder (vgl. HUA XIX/1, A 374). Das intentionaleObjektistinsofernnichttranszendentauerhalbdesBewusstseins, sondern immanent in ihm. In einem zweiten Schritt kann ich, nach der Abschaltung des Glaubens an dieExistenzderWelt,dasBewusstseininderReduktionerforschenundinihr gewisseAngabenunterscheiden.DieBeschreibungvollziehtsichaufGrund einer objektivierenden Reflexion; in ihr verknpft sich die Reflexion auf das Ich mitderReflexionaufdasAkterlebniszueinembeziehendenAkt,indemIch selbstalssichmittelsseinesAktesaufdessenGegenstandbeziehendes erscheint.Offenbarhatsichdamiteinewesentlichedeskriptivenderung vollzogen.ZumalistderursprnglicheAktnichtmehrbloeinfachda,inihm lebenwirnichtmehr,sondernaufihnachtenundberihnurteilenwir(HUA XIX/1A357,391).Nurdaskannerkennbarsein,wasderreflexiven Modifikation unterworfen wird (vgl. HUA III/1 78, 166). Die Erscheinung im phnomenologischenVerstehenistkeinegeringeodergartuschende Wirklichkeit,hinterderdasEigentlichelauert.DiePhnomenologieisteine Methode, die sich nicht mehr um ein bestimmtes Thema oder ein Was, sondern umdasWiederErscheinungsweisederGegenstndekmmert.Mitder PhnomenologieistdiePhilosophiewiederindieLebensweltzurckgefhrt, d.h. an ihren eigenen und ursprnglichen Ort. DiekategorialenFormenunddieKategoriensinddieMomenteeiner Darlegung, deren Erfllung nicht in einer sinnlichen Intuition vollzogen werden 33 kann.VielmehrerfllensieaufGrundeinernicht-sinnlichenWahrnehmung: einekategorialeAnschauung.27DiekategorialenAktestelleneineneue ObjektivittinbeabsichtigtemSinnedar,d.h.sielassendasSeininseiner Objektivitterscheinen.DasEntscheidendederEntdeckungderkategorialen Anschauungist:EsgibtAkte,indenenidealeBestndesichanihnenselbst zeigen, die nicht Gemchte dieser Akte, Funktionen des Denkens, des Subjektes sind. Ferner: Die Mglichkeit dieser aufgewiesenen Anschauungsart und des in dieserAnschauungsichPrsentierendengibtdenBodenfrdieHebungder StrukturendieseridealenBestnde,d.h.frdieAusarbeitungderKategorien (GA20,97).DieKategoriensindObjektivitteneinereigenenForm,dieim VerhltniszueinemsinnlichwahrnehmbarenObjektgesehenwerdenknnen. DieswirdphnomenaleSynthesegenannt.DiekategorialeOperationist mglichdurchWendungdesBlickes,d.h.mittelsderReflexion.28Die PhnomenologieHusserlsbewegtsichimRahmeneinertheoretischen Problematik.DieerstegrundlegendeEbenedersinnlichenAnschauunggibt schoneinereflexiveErkenntnis.DamiteinDingalseinDinggesehenwerden kann, muss dieses in eine theoretisch-reflexive Form gebracht werden. HusserlwolltediePhnomenologiealseinestrengeWissenschaft entwickeln.IhmzufolgewirddiePhilosophiewissenschaftlichgesttzt.Ihr Erkenntnischarakter wird in der klaren Anschauung gezeigt. Dies zeigt an, dass diePhilosophievonHusserlalstheoretischverstandenwird.Wegender MethodologieistdiePhilosophiealsWissenschaftnurmglichdurchdie Reduktionunddenphnomenologischenr.InHusserlsletztenArbeiten wirddiesetranszendentaleKonstitutionalsdasLebeneinesabsolutenIchs begriffen. 27HeideggerfandinHusserlsLogischenUntersuchungen,besondersinder6.Untersuchung, welchediekategorialeAnschauungbehandelt,dieendgltigeAntwortzueinemalten philosophischenProblem.DiekategorialeAnschauunginteressierteHeideggersosehr,dasser sienichtnurinseinenerstenbungenalsMitarbeiterHusserlsprfte,sondernerkehrtezu diesemThemaineinemSeminarzurck,daserfasteinhalbesJahrhundertspter,1973in Zhringen,fhrte(vgl.HeideggerGA15,271;GA14).DasInteressewurzeltdarin,dassdie Theorie der Kategoriengem der Interpretation von Heidegger dergewhnlicheNamefr die Aufklrung des Wesens des Seins ist (vgl. Watanabe 1997, 109-117; Richter 1999, 7-29).28 WasinderphilosophischenTraditionderDurchgangderzurgenanntwird (vgl.HUAXIX/2,624).Thenoemaisthecomprehensivesystemofdeterminationsthatgives unity to this manifold of features and makes them aspects of one and the same object []. The noema is a keynotion in Husserls phenomenology, not only in his theory of perception, but in hisanalysisofallaspectsofhumanconsciousness.ThenoemaisjustHusserlsattemptto characterize the subjective perspective (Fllesdal 1990, 125-126). 34 1.3 Heideggers frhe Betrachtung ber die Zeit EineMglichkeit,dasProblemderEntfernungderPhnomenezulsen, knnteaufeineNaturalisierunghinauslaufen.FrdiePhnomenologieistdies dasparadigmatischeVerhaltenderneuzeitlichenWissenschaften.Esistein schwererundverhngnisvollerIrrtum,zumeinen,diesenatrlicheundso schwerzuberwindendeFernezudenObjektenwerdeaufgehobendurchdie Wissenschaft. So ist es nicht (Reinach 1951, 25). Als Beispiel knnten wir den Fall der Reduktion der Farben auf Schwingungen des Lichtes betrachten. Wenn der Wissenschaftler zu dieser Reduktion bergehen kann, ist es so, weil er zuerst mitFarbenalsDingeumgeht.WennderPhysikerFarbenundTneauf SchwingungenbestimmterArtzurckfhrt,soisteraufrealeExistenzen gerichtet,derenTatschlichkeitererklrenwill(Reinach1951,29).Diese VersuchederwissenschaftlichenReduktionsindeineVerarmungundeine Verflschung des Bewusstseins. Der neuzeitliche Wissenschaftler vollzieht dies genauso wie der Mathematiker in der Beschreibung Reinachs: Es ist der Typus, dernuransetztundausdenAnsetzungenbeweist,undderdamitdenSinnfr dasletzteundabsoluteSeinverlorenhat.ErhatdasSchauenverlernt,erkann nur noch beweisen. (Reinach 1951, 38). EinehnlicheKritikfindenwirbeidemjungenHeideggerinDer ZeitbegriffinderGeschichtswissenschaft.29HierzeigteHeidegger,dassweder diePhysiknochdieGeschichtedaszentraleProblemderZeitbewltigen knnen.DieserHabilitationsvortragzeigteinensichschonandie phnomenologische Methode annhernden Heidegger.30 Dies kndigt auch frh seineVerdachtspositiongegenberdermodernenWissenschaftan.31Wennwir 29DerTextwurdezumerstenMalinderZeitschriftfrPhilosophieundphilosophischeKritik 161 (s. 173-188) gedrucktund als Habilitationsvortrag am27. Jul. 1915 an derphilosophische FakulttderUniversittFreiburgi.Br.vorgestellt.AuchinHeideggersHabilitationsvortrag wirdimKontexteinerHermeneutisierungseinesDenkenseinweiteresThemaangesprochen, dasfrSeinundZeitgrundlegendwerdenwird.DasThemaderZeitwirdaufgegriffen,aber noch nicht fundamentalontologisch ausgefhrt (Jahraus 2004, 58). 30HeideggerhatteschonimSommer1911aufEmpfehlungvonCarlBraigHusserlsLogische UntersuchungenundPhilosophiealsstrengeWissenschaftsowieLotzesLogikundMetaphysik studiert (vgl. GA 16, 41). Dem Brief von Heidegger an Rickert vom 3. Juli 1914 zufolge hatte er brieflichenKontaktmitHusserl(vgl.Denker2002).Bedauerlicherweisesinddieersten zwischen Heidegger und Husserl ausgetauschten Briefe nicht aufbewahrt worden. 31Heutewissenwir,dassderjungeHeideggereineguteKenntnisvonPhysikundMathematik hatte.Zwischen1911und1913besuchteerinsgesamt16Vorlesungenundbungenander naturwissenschaftlichmathematischenFakultt.Heideggerwarinformiertberdiemodernen 35 wissen,wiederZeitbegrifffaktischindenverschiedenenWissenschaften gebrauchtwird,knnenwirmittelseinereidetischenReduktionzurEinheitin das Wesen der Zeit selbst kommen. Deshalb grenzt Heidegger den Zeitbegriff in den Naturwissenschaften vom Zeitbegriff in den Geisteswissenschaften ab. Der Zeitbegriff in der Physik wird festgelegt, um den Zweck der Physik als Wissenschaftzuklren.DiePhysikvollzoginderNeuzeiteinegrundlegende WendunghinzurMathematisierung.GalileoGalileierklrte,dassdieNaturin mathematischenSchriftzeichenerfahrbarsei,diegelstwerdenmssten.Die antikeundmittelalterlicheNaturphilosophiebeschftigtesichmitder ErforschungdermetaphysischenEssenzenderinhrentenPhnomene. GegenberdiesermetaphysischenSpekulationberdieNaturbedeutetdie WissenschaftGalileismethodischetwasfundamentalNeues.Siesuchtberdie MannigfaltigkeitenderErscheinungenHerrzuwerdendurchdasGesetz,und wie sie zum Gesetz gelangt, das ist ihre eigentmlich neue Leistung []. Galilei setztnichtmitderBeobachtungvoneinzelnenFallerscheinungenein,sondern mit einer allgemeinen Annahme (Hypothese) []. Diese Gleichung prft Galilei an konkreten Fllen, und sie wird durch sie besttigt []. Die Annahme v = g t, die nachher durch Rckschlu vom verifizierenden Experiment aus zum Gesetz wird,isteineallgemeineberdieKrperberhaupt.(GA1,419-420).Inder neuenMethodederPhysikfindenwireinedoppelteBesonderheit:1)die MitteilungeinerHypothese,dieimAllgemeinendieBewegungsphnomenezu verstehenerlaubt,2)dieVermutungderHypothesebedeutetkeineverborgene EigenschaftalserluternderGrundderPhnomene,sondernenthlt mathematisch verstndliche Beziehungen, d.h. sie ist messbar. ZielderPhysikistes,inBezugaufdieTatsachenihrerjeweiligen BereichesehrallgemeineGesetzmigkeitenzuformulieren,d.h.,...die ZurckfhrungallerErscheinungenaufdiemathematischfixierbaren Grundgesetze einer allgemeinen Dynamik, auf Bewegungsgesetze einer noch zu bestimmendenMasse(GA1,421).DerZweckderPhysikistdie Bewegungslegalitt.DieZeithttesoeinerumlicheBedeutung,sieistaber nichtrumlich.DieMessungalsquantitativeBestimmungisteine AngelegenheitderMathematik[...].WennwiralsoscharfeBegriffevon EntwicklungeninderPhysik,daderZeitbegriffinderPhysikundinden Geschichtswissenschaften eine zentrale Rolle spielt (vgl. Neumann 2002, 214-225). 36 BewegungundZeitgewinnenwollen,somssenwirsieinihrer mathematischenGestaltbetrachten[...].DieBewegungenalsGegenstndeder PhysikwerdenalsomitHilfederZeitgemessen.DieFunktionderZeitistes, Messung zu ermglichen [...]. Die Bewegung ist allererst in dieser notwendigen VerknpftheitmitderZeitmathematisch-physikalischbegreifbar(GA1,422-423).DannistdieZeitfrdiemodernePhysikeineMglichkeitsbedingung (eine formale und leere Kategorie) fr die Bewegungsgleichungen der Objekte.WenndieZeiteineunabhngigeVariablewre,wrdesiesich ununterbrochenndern,voneinemPunktzumanderenPunktgleichmig flieen. Sie wre wie eine Reihe, in der jeder Punkt sich von einem anderen nur durchdiePosition,gemessenabdemPunktdesBeginns,unterscheidet.Die Zeit,diegemessenwerdenknnte,wrdedieQuantittbestimmen.Diese QuantittversammeltsichineinerEinheitzudenjeweilsdortabgelaufenen Zeitpunkten.Wennwiraberdasvollziehen,zerstren(wir)damitdie eigentlicheZeitinihremFluundlassensieerstarren.DerFlugefriert,wird zur Flche, und nur als Flche ist er zu messen. Die Zeit ist zu einer homogenen Stellenordnunggeworden,zurSkala,zumParameter(GA1,424).Durchdie knstlichenAbschnittederMathematisierungentlebtdieneuzeitliche Wissenschaft das Phnomen der Zeit, ohne das Wesen zu berhren. DieBetrachtungderZeitausdemBlickwinkelderPhysikistdamit abgeschlossen,deshalbmssenwirineinemanderenWissenschaftsbereich suchen,d.h.inderGeschichte.DieGeschichtswissenschafthatalszentralen GegenstanddenMenschen,abernichtineinembiologischenSinn,sondernin seinen kulturellen Produktionen. Die Kultur wird als die materielle und geistige Objektivierung der menschlichen Schaffungen in ihrer Ganzheit verstanden, die sichimzeitlichenAblaufentwickelt.DieKulturhatimLaufederZeit Entwicklungen,Verwandlungen,Regressionenerlitten,sienimmtdie Vergangenheitaufundwirdwiederaufgearbeitet.DieseObjektivierungdes menschlichen Geistes wird in und mit den Institutionen und Organisationen, die derMenschgeschaffenhat,realisiert.DieGeschichteisteinAusschnittder Objektivierungen,dahersammeltsienichtalles,wasimLaufederZeit geschieht. Die Auswahlhngt von demInteresse ab, das die Gegenwart fr die jeweiligen geschichtlichen Ereignisse hat. 37 TrotzdemistnochabereingrundwesentlichesMerkmaljedes historischenGegenstandesnichtberhrt.DerhistorischeGegenstandals historischeristimmervergangen,erexistiertstrenggenommennichtmehr. ZwischenihmunddemHistorikerbestehteineZeitferne.Vergangenheithat immer nur Sinn von einer Gegenwart aus gesehen. Das Vergangene ist nicht nur nichtmehr,vonunsaus betrachtet,eswaraucheinAnderes,alswirund unser LebenszusammenhangheuteinderGegenwartsind.DieZeithatsovielwird schon deutlich in der Geschichte eine ganz originale Bedeutung. (GA 1, 427). DieGeschichtswissenschaftbrauchtsichereMethoden,umzuermitteln,ob diese vergangene Wirklichkeit wahr ist.Die Quelle schtzt den wissenschaftlichen Zugang zur Wirklichkeit, sofern die Quelle wahr ist. Eine andere wichtige Funktion erfllt der Zeitbegriff in der Geschichte bei der Herausstellung des Zusammenhangs der zuvor im einzelnen festgestelltenTatsachen.Esgilthier,zunchstdieEinzeltatsacheninihrer BedeutungfrdenZusammenhangrichtigzuverstehen,d.h.densachlichen GehaltderQuellenrichtigzudeuten.(GA1,430).Wennwirder Geschichtswissenschaftfolgen,sagenwir,dassdieZeitenderGeschichtesich qualitativauszeichnen.DerZeitbegriffistindenGeschichtswissenschaften nicht homogen wie in den Naturwissenschaften. Die historische Zeit kann nicht mathematischausgedrcktwerden,daeskeinGesetzgibt,umzubestimmen, wiedieEpochenaufeinanderfolgen.IndiesemGebrauchhatdieFragenach demWanninderPhysikbzw.inderGeschichteeinensehrunterschiedlichen Sinn. Diesem Habilitationsvortrag zufolge scheint es weder mglich, das Wesen der Zeit in der Physik noch in der Geschichte zu finden. Hier zeigt sich, wie der junge Heidegger auf der Suche nach einer Methode ist, welche die Sachen selbst undnichtdieoberflchlichenSphrenbeschreibt.Wasberdiemoderne Wissenschafthinausgeht,istnichtmehrdieumgebendeWelt,sonderndie theoretisierteWeltineinergewissenTendenz.NurdiePhilosophie,dieim SinnederPhnomenologiemglichist,kannsichaufdieSuchenachden Phnomenen selbst begeben. 38 1.4 Erste Lehrveranstaltungen: zur Erfahrung des Umweltlichen Heideggers Ruhm ist lter als die Verffentlichung von Sein und Zeit im Jahre 1927 (Arendt 1969, 893). Dies ist wahr. Die ersten Jahre, die Heidegger an der Universitt Freiburg lehrt zwischen 1919 und 1923 stellen ihn uns als nonkonformistischen Denker dar, der vertieft ist in das ehrgeizige Vorhaben, der Philosophie einen neuen Sinn zu geben. Das zeigen uns seine ununterbrochenen und fruchtbaren Forschungsarbeiten auf dem Feld der neokantianischen Theorie derErkenntnis,imRahmendertheologischenTradition,imBereichder verschiedenenvitalistischenStrmungen,aufdemGebietderHermeneutik Diltheys,32undvorallemimKontextderPhnomenologieHusserlssowieder praktischen Philosophie des Aristoteles.33

Esgehtschlichtwegdarum,sichwiederindenunergrndlichen Lebensmomentzubegeben.AusdieserPerspektiveerscheintesvielleichtnicht soverwunderlich,zubehaupten,dassdieFrage,diedasDenkendesfrhen Heideggerletztlichbestimmt,dieFragenachdemSinndesLebensselbstist. DasmenschlicheLebenundseinVorverstndnisdesSeinssindohnejeden ZweifeldieTragpfeilerseinesfrhenWerkes.34DieLehrveranstaltungen,mit 32HeideggerverwendetWilhelmDiltheys(1833-1911)TerminologievonErleben, Lebenszusammenhang,LebensbezugundSelbstbesinnung,umdieProblematikder Wertphilosophie,wiesievonNeukantianernwieWilhelmWindelband(1848-1915)entwickelt wurde,zuberwinden.ZumindestfrdenfrhenHeideggerhandeltessichbeiDiltheys UnterscheidungzwischenNatur-undGeisteswissenschaftennichtnurumeinetheoretische Methodenfrage, sondern um den Versuch zu verstehen, wie eine Theorie als solche mit der Flle desgeschichtlichenLebensinBeziehunggesetztwerdenkann.Entsprechendunterscheideter zwischenderErkenntnisnahme,welcheaufeineMethodeangewiesenist,undder Erkenntnisfindung, welche sich als Forschung verwirklichen und wieder auf das Leben beziehen kann.(vgl.GA56/57,211).DiltheywirdalsoinAnspruchgenommenfrdasAnliegen,die Phnomenologie als eine verstehende Wissenschaft umzudeuten. Die Lebensphilosophie ist fr unseinenotwendigeStationaufdemWegederPhilosophie,imGegensatzzurleerformalen Transzendentalphilosophie(GA59,154).EswarderGrundgedankeseinerPhilosophieder Geisteswissenschaften,einengraduellenAufbauundeineErweiterungderBedeutsamkeit aufzudecken,wodurchderalltglicherErfahrunginhrenteSinnimLaufederZeitexpliziert wird.33 In diesem Sinne ist Heidegger das expressionistisch-dadaistischen Pathos nicht fremd, das die deutschekulturelleStimmungderNachkriegszeitbefllt.InderGeschichte(Meineckeund Troeltsch)undderKunst(Kirchner,MnchenunddieBrcke),inderLiteratur(Mann,Musil und Brecht) und der Dichtung (George und Rilke) bis hin zur Philosophie (Spengler, Lukcs und Jaspers), Theologie(BultmannundBarth)undSoziologie(MannheimundScheler)erhebtsich einstimmigeinProtestschreigegendenOptimismusderVernunftdes19.Jahrhundertunddas GefhlvonPlatzangstineinerGesellschaft,dieseitBismarckuntereinerstarkmilitarisierten Regierungsform lebte (vgl. Safranski 2004, 119). 34DieschrittweiseVerffentlichungdererstenFreiburgerVorlesungenhatbesttigt,dassdas philosophische Programm des frhen Heidegger sich in diesen Jahren in intensiver Lehrttigkeit 39 denendieakademischeTtigkeitHeideggersimKriegsnotsemester1919 beginnt,stellensichderHerausforderung,einenvlligneuenBegriffder Philosophiezuentwickeln,einePhilosophie,diedasPhnomender menschlichenExistenznichtaufeineReihevonObjektivierungendes reprsentativen Bewusstseins reduziert.Heideggerhielt1919seineersteVorlesungmitdemTitelDieIdeeder PhilosophieunddasWeltanschauungsproblem(vgl.GA56/57,3-116).Die Vorlesung wird unseren jungen Professor zur Infragestellung der fundamentalen AnnahmenseinesMentorsEdmundHusserlveranlassen.35Erbetontden wissenschaftlichenCharakterderPhilosophie,beidemdiepersnliche StellungnahmedesPhilosophenwieinjederWissenschaftausgeschaltet bleibensoll.DieseWissenschaftderWissenschaftnennternichtetwa Wissenschaftstheorie,sonderndieIdeederPhilosophiealsUrwissenschaft. AberschonindieserVorlesungwirddeutlich,dassHeideggerberHusserl hinausgeht. Er zitiert Husserls Prinzip: Alles, was sich in der Intuition originr [...]darbietet,(ist)einfachhinzunehmen[]alswasessichgibt(GA56/57, 109).Erweistdaraufhin,dasHusserldieArtendesGegebenseinsdochnur beimtheoretischeingestelltenBewusstseinbeschriebenhabe.Tatschlichaber sindwirinunseremUmwelterlebenjanurinAusnahmefllentheoretisch eingestellt. Der Ausdruck gegeben enthlt bereits zuviel Theoretisches. Denn in einerSituationsageichmirnicht:dieseSituationistmirgegeben,sondernich bininderSituation.DieUrhaltungdesErlebens(vgl.GA56/57,109)isteine ganzandere,sieistberhauptnochnichtrichtiginsVisierderPhilosophie gekommen.DerGedankeistphnomenologischauchimSinnevonHusserls Programm.Inihmistunschwerzuerkennen,wassichalsphnomenologische Differenzbezeichnenliee,nmlichderWechselvondernatrlichenzur phnomenologischenEinstellung,wieHusserlihnbeschriebenhat. Phnomenologisch wird die faktische Gegebenheit von etwas eingeklammert, in zu verfestigen beginnt. Gleichzeitig stellt diese Verffentlichung ein fr die Rekonstruktion der Vorgeschichte von Sein und Zeit (1927) uerst wertvolles Anschauungsmaterial dar.35SelbstwennmanmitBlickaufdieinzwischenverffentlichtenVorlesungstextezugeben wird,dassHeideggerseinemitderUmgestaltungderPhnomenologiezueiner phnomenologischen Hermeneutik verbundene Kritik an Husserls Ansatz nur selten unmittelbar unddirektanseinenLehreradressierthat,sokanngleichwohlkeinZweifeldarberbestehen, dassHeideggerindem,waservordenOhrenundAugenseinerHrertut,vonBeginnanden transzendental-phnomenologischen Boden Husserls untergrbt (Gander 2004, 197). 40 r gesetzt, und nun wird das Gegebene allein als Korrelat des Bewusstseins imBewusstseinbetrachtet,esistErscheinung-Erscheinendesvonseinem Erscheinen im Bewusstsein her.36 Aber selbst wenn Heidegger seinem Lehrer im Grundstzlichenfolgt,weichterzugleichradikalvonihmab.37Wieschondie VorlesungdessogenanntenKriegsnotsemesters1919zeigt,istfrHeideggers FassungderphnomenologischenDifferenzdieEingebundenheitdesLebens und Erlebens in eine Welt entscheidend. Deshalb stellt der Einstellungswechsel vomErscheinendenzumErscheinenfrHeideggereineUmstellungdes Welterlebens dar.DieseUmstellungfhrtvonderDominanzdesErlebteninder Lebenswelt38 weg und auf ein im Erleben selbst zentriertes Welterleben hin. Ihr Ergebnis ist, mit Heideggers Worten, die Zugespitztheit des faktischen Lebens aufdieSelbstwelt(GA58,171).DieSelbstwelttrittandieStelle,diebei HusserlmitderImmanenzdesBewusstseinsbesetztwar.Whrenddieses KriegsnotsemestersgehtHeideggeranhanddesLeitfadensderKritikder VorherrschaftdesTheoretischendieerstenSchritteinRichtungeiner NeufundierungderPhilosophie(vgl.GA59,8),indemerihrethematische Sphre mit dem Umwelterlebnis identifiziert. EindeutlichesBeispieldieserphilosophischenGrunderfahrunghat HeideggermitdemberhmtenErlebnisdesKathedersdargeboten.Dieganze Vorlesung dreht sich um dieses Kathedererlebnis. Sie kommen wie gewhnlich in diesen Hrsaal um die gewohnte Stunde und gehen auf Ihren gewohnten Platz zu.DiesesErlebnisdesSehensIhresPlatzeshaltenSiefest,oderSieknnen meineeigeneEinstellungebenfallsvollziehen:indenHrsaaltretend,seheich dasKatheder[]wasseheich?BrauneFlchen,diesichrechtwinklig 36SoHusserl:DasWortPhnomenistdoppelsinnigvermgederwesentlichenKorrelation zwischenErscheinenundErscheinendem.heiteigentlichErscheinendeundist aberdochvorzugsweisegebrauchtfrdasErscheinenselbst,dassubjektivePhnomenwenn dieser grob psychologisch missverstehende Ausdruck gestattet ist (HUA II, 14). 37WennEdmundHusserlMartinHeideggergleichsam>dieAugeneingesetzthaturphnomenologischephnomenologischePhnomenim Leben Sein< erfahren und ausgelegt?(GA62,372).DieseFrageistinmethodischerunddidaktischer Hinsicht am wichtigsten, denn sie erhellt einen festen Standpunkt der neuen Idee derPhilosophie.UnddieseFrageleitetauchdasHerzstckdesTextes PhnomenologischeInterpretationenzuAristoteles,Anzeigeder hermeneutischenSituation(sog.Natorp-Bericht).69DieserAufsatzenthltdie AnzeigederhermeneutischenSituationundeinkonkretesProgrammdervon Heidegger geplanten Interpretationen zu Aristoteles.70 Hier finden wir eine erste AussageberdieAbsichten,mitdenenHeideggerdieSchwerpunkteseiner philosophischen Arbeit begrndet (vgl.Yfantis 2009, 122). DerBericht besteht aus1)einerVerarbeitungderFundamentalontologiebzw.der phnomenologischenHermeneutikderFaktizittund2)einerDestruktionder philosophischenTraditionbzw.GeschichtederMetaphysik.Darinliegtdie Bedeutungdieserkurzen,aberintensivenSchrift,diefrHeideggers akademische Laufbahn ebenso wie fr seine philosophische Selbstverstndigung zentralist(Figal,2007,55).EineRekonstruktionderindieserSkizze dargelegtenfundamentalenThesenbietetdieMglichkeit,diezentralePosition herauszuarbeiten,welchedieAuseinandersetzungmitdemaristotelischen Denken in der Entwicklung der Philosophie Heideggers innehat. Heideggers Wendung zu Aristoteles ist berraschend. Mit ihr berwindet Heideggereinennochkurzzuvorartikuliertenanti-griechischenundanti- 69DieserTextwurdesehrschnellabgefasst,damitHeideggersichfreineStelleanden MarburgerundGttingerUniversittenvorstellenkonnte.PaulNatorp(Marburg)undGeorg Misch(Gttingen)schriebenanHusserl,weilsiedieBewerbungHeideggersalsProfessorsehr ernsthaftbercksichtigthatten.SeitseinerHabilitationsschrifthatteHeideggerseineeigenen Verffentlichungenvernachlssigt,deshalbmussteereineSchriftvorstellen,umseine ForschungenbeschreibenundseinenzuknftigenArbeitsplanspezifizierenzuknnen.In Gttingen belegteHeideggerdie zweite Stellehinter Moritz Geiger. Der Berichtwurde alsviel versprechendbetrachtet,erentsprachjedochnichtdemKanoneinerklarenundsystematischen DarstellungdesWerkesAristoteles,sondernspiegeltediephilosophischenInteressendes Autorsselbstwider.InMarburgwrdigtmandiephilosophischeKraftunddie InterpretationsoriginalittdesBerichtsberAristoteles,unddaheristHeideggerKandidatfr dieNominierung.Am18.Juni1923erfolgtdieendgltigeErnennungvonHeideggerzum Dozenten in Marburg. Die Marburger Kopie des Berichtswurde von Natorp an H. G. Gadamer bergeben und ging whrend der alliierten Bombardierung in Leipzig 1943 verloren. Die Kopie GeorgMischswurde1964anJosefKnigbergeben.GlcklicherweisewurdedasDokument imNachlassKnigswiederentdecktundimDiltheyJahrbuch6,S.270-274verffentlich(vgl. Makkreel 1990, 305-320). 70HinzukommteinlngererundbedeutsamerAufsatzausdemJahre1922,indemHeidegger seindamaligesProjekt,eineumfassendeStudieberAristoteleszuverffentlichen,ankndigt und eingehend erlutert (Yfantis 2009, 15). 81 aristotelischenAffekt(Figal2007,57).Aristotelesdominiertauchsein Verstndnis der griechischen Antike; er ist fr ihn unzweifelhaft die Zentralfigur dergriechischenPhilosophie.AufPlatonsSophistes,dessenInterpretationer sichfrdasWintersemester1924/25vorgenommenhat(vgl.GA19),geht HeideggererstnachausfhrlichenErrterungenderaristotelischenPhilosophie ein,indenenzentraleGedankenausderProgrammschriftvon1922enthalten undgenauererfasstsind.TrotzallembleibtdiearistotelischePhilosophiefr Heideggerzentral;auchfrdasVerstndnisdesneuerenDenkenssindsie Ausgangpunkt.AristoteleswarderletztedergroenPhilosophen,dieAugen hattenzusehen,und,wasnochentscheidenderist,dieEnergieunddie Zhigkeit,dieUntersuchungimmerwiederaufdiePhnomeneunddas GesehenezurckzwingenundallewildenundwindigenSpekulationen,und seiensienochsosehrnachdemHerzendesgemeinenVerstandes,vonGrund auszumiachten(GA24,329).NochimWintersemester1919/20hatteer festgehalten, dass die griechische, speziell die aristotelische Tradition dasjenige sei,vondemdiePhnomenologieradikalloskommenmsse.71Indieser berzeugung ist Heidegger sich trotz aller Verschiebungen und Modifikationen sptestens seit 1922 treu geblieben.HeideggersAristoteles-Interpretationenimplizierenaucheineganzneue StellungzurGeschichtederPhilosophie(d.h.derphilosophischen berlieferung);dieserneuenStellungliegtihrerseitseinegrundstzliche RevisionderdamalsblichenTrennungzwischenPhilosophie(undd.h. systematischerPhilos