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Ein mikromechanisch orientiertes Sch¨ adigungsmodell ur Stahlbeton unter Einbeziehung von hygro-mechanischen Einwirkungen Von der Fakult¨ at f¨ ur Bau- und Umweltingenieurwissenschaften der Ruhr-Universit¨ at Bochum zur Erlangung des Grades Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.) genehmigte Dissertation von Dipl.-Ing. Erkan Rumanus Lehrstuhl f¨ ur Statik und Dynamik Institut f¨ ur Konstruktiven Ingenieurbau Ruhr-Universit¨ at Bochum Oktober 2009
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Ein mikromechanisch orientiertes Schädigungsmodell für ... · Dipl.-Ing. Erkan Rumanus Lehrstuhl fur Statik und Dynamik¨ Institut f¨ur Konstruktiven Ingenieurbau Ruhr-Universit¨at

Aug 29, 2019

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Ein mikromechanisch orientiertes Schadigungsmodell

fur Stahlbeton unter Einbeziehung von

hygro-mechanischen Einwirkungen

Von der Fakultat fur Bau- und Umweltingenieurwissenschaften

der Ruhr-Universitat Bochum zur Erlangung des

Grades Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.) genehmigte

Dissertation

von

Dipl.-Ing. Erkan Rumanus

Lehrstuhl fur Statik und Dynamik

Institut fur Konstruktiven Ingenieurbau

Ruhr-Universitat Bochum

Oktober 2009

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Tag der mundlichen Prufung: 22. Januar 2010

1. Referent: Prof. Dr. techn. G. Meschke

Lehrstuhl fur Statik und Dynamik

Fakultat fur Bau- und Umweltingenieurwissenschaften

Ruhr-Universitat Bochum

2. Referent: Prof. Dr.-Ing. P. Mark

Lehrstuhl fur Massivbau

Fakultat fur Bau- und Umweltingenieurwissenschaften

Ruhr-Universitat Bochum

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.2 Zielsetzung, Annahmen und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.3 Gliederung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 Stahl-Beton Interaktionen 5

2.1 Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.1.1 Verbundmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.1.2 Beschreibung der Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2.1.3 Verbundspannung-Schlupf–Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.1.4 Tension-Stiffening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.1.5 Verbundwirkung in Interaktion mit Korrosion . . . . . . . . . . . . 9

2.1.6 Modellierungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.2 Dubelwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.2.1 Wirkungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.2.2 Modellierungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2.3 Stahlkorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.3.1 Korrosionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.3.2 Volumenexpansion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3 Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen 19

3.1 Beton als poroses Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.1.1 Elasto-plastisches Schadigungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

3.1.2 Hygro-thermische Transportgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

i

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ii INHALTSVERZEICHNIS

3.1.3 Gekoppelte Zustandsgleichungen des hygro-thermischen Schadi-

gungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3.1.4 Effektive Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

3.1.5 Kriechen von Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

3.2 Stahlbewehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

3.3 Modellierung der Verbundbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

3.3.1 Kinematische Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

3.3.2 Konstitutive Beziehung des Stahles mit Schlupf . . . . . . . . . . . 49

3.3.3 Numerische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

3.4 Modellierung der Dubelwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

3.4.1 Kinetik und Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

3.4.2 Einfluss der Rissrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

3.4.3 Physikalische Grundmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

3.4.4 Numerische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

4 Modellierung von Stahlbeton 67

4.1 Modellierungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

4.2 Grundlagen der Homogenisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

4.2.1 RVE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

4.2.2 Klassische Mikro-Makro Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

4.2.3 Grundlosung nach Eshelby . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

4.3 Mori-Tanaka Homogenisierungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

4.3.1 Lokalisierungstensoren fur das Drei-Phasen-Komposit . . . . . . . . 80

4.3.2 Einfluss von Schadigung und Plastizitat . . . . . . . . . . . . . . . 83

4.4 Numerische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

5 Verifizierung des Modells anhand von numerischen Beispielen 89

5.1 Einfluss der Bewehrungsrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

5.2 Schadigungs- und Plastizitatsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

5.3 Einfluss der Verbundqualitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

5.4 Einfluss des Volumenanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

5.5 Auswertung der Dubelwirkung basierend auf unterschiedlichen Modellan-

nahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

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Inhaltsverzeichnis iii

6 Validierung des Modells anhand von Experimenten 99

6.1 Unbewehrte Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

6.1.1 Feuchtetransport in gerissenen Ziegelsteinen . . . . . . . . . . . . . 100

6.1.2 Kriech- und Schwindversuche an Zylinderproben . . . . . . . . . . . 107

6.2 Bewehrte Betonstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

6.2.1 Zug: Uniaxial-bewehrte Betonscheibe . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

6.2.2 Schub: Zweiachsig bewehrte Scheiben . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

6.2.3 Biegung: 3-Punkt-Biegeversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

6.2.4 Biegung: 4-Punkt-Biegeversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

7 Zusammenfassung und Ausblick 141

7.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

7.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

A Koordinatentransformation 145

A.1 Transformation von Verzerrungen und Spannungen . . . . . . . . . . . . . 145

A.2 Transformation der Werkstoffbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

B Eshelbytensor 147

B.1 Eshelbytensor fur eine zylindrische Inhomogenitat . . . . . . . . . . . . . . 147

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iv INHALTSVERZEICHNIS

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Kapitel 1

Einleitung

1.1 Motivation

Die Gebrauchstauglichkeit und Tragfahigkeit einer Stahlbetonstruktur stellen die wesent-

lichen Kriterien hinsichtlich einer dauerhaften Nutzung dar. Neben mechanischen Lasten

sind es vor allem umgebungsbedingte nicht-mechanische Schadigungsmechanismen, die die

Lebensdauer einer Stahlbetonstruktur wesentlich bestimmen. Zu den nicht-mechanischen

Beanspruchungen zahlen insbesondere hygrische, thermische oder chemische Einwirkun-

gen, aus denen eine zeitabhangige Degradation des Tragwerks resultiert. Die Wechselwir-

kungen zwischen diesen unterschiedlichen Beanspruchungen konnen zu einer Akkumula-

tion der Schadigungsmechanismen fuhren und gegebenenfalls ein vorzeitiges Versagen des

Tragwerks hervorrufen. In Abbildung 1.1 sind ohne Anspruch auf Vollstandigkeit einige

wesentliche Wechselwirkungsmechanismen illustriert.

M i k r o - u n dM a k r o r i s s e

F e u c h t i g k e i tW ä r m e C h l o r i d e

M i k r o - u n dM a k r o r i s s e

K r i e c h e nS c h w i n d e nK r i e c h e nS c h w i n d e n

A b k ü h l u n gE r w ä r m u n g

M e c h a n i s c h eL a s tM e c h a n i s c h eL a s t

A u s t r o c k n u n gB e f e u c h t u n gA u s t r o c k n u n gB e f e u c h t u n g

A b k ü h l u n gE r w ä r m u n g

F e u c h t i g k e i t C h l o r i d eW ä r m e

Abbildung 1.1: Mogliche Schadigungsmechanismen in Beton

1

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2 Kapitel 1: Einleitung

Um eine realistische Aussage uber die Dauerhaftigkeit einer Stahlbetonstruktur treffen

zu konnen, ist es unerlasslich, die gegenseitigen Wechselwirkungen mit in die Simulation

einzubeziehen. Hierdurch konnen vertiefte Kenntnisse uber die mikrostrukturellen Schadi-

gungsprozesse gewonnen werden, die zur Abschatzung der residualen Tragkapazitat einer

Stahlbetonstruktur genutzt werden konnen. Des Weiteren konnen mit numerischen Mo-

dellen durch gezieltes Zu- oder Abschalten von bestimmten Wechselwirkungen Szenarien

simuliert werden, wodurch prinzipielle Wirkungsmechanismen einzeln oder auch in Kom-

bination untersucht werden konnen.

1.2 Zielsetzung, Annahmen und Abgrenzungen

Zielsetzung

Die wesentliche Zielsetzung der vorliegenden Arbeit besteht in der numerischen Beschrei-

bung von Schadigungsprozessen in Stahlbetonstrukturen, aus deren Kenntnis das Lang-

zeitverhalten abgeschatzt werden kann. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Modellierung

der Interaktionsmechanismen zwischen der Stahlbewehrung und dem geschadigten Beton.

Neben mechanischen Belastungen werden Beanspruchungen aus Temperatur und Feuch-

tigkeit einschließlich ihrer Wechselwirkungen mit Schadigungsprozessen berucksichtigt.

Ausgehend von einem thermodynamisch motivierten Losungsansatz im Rahmen der Theo-

rie Poroser Medien wird unbewehrter Beton als ein Mehrphasen-Medium betrachtet, wel-

ches sich aus der Betonmatrix, einer Gasphase sowie einer Fluidphase zusammensetzt.

Mit der Berucksichtigung des Feuchtetransports und der damit einhergehenden gekop-

pelten hygro-mechanischen Interaktionen werden langzeitige Wirkungsmechanismen, wie

z.B. das Grund- und Trocknungskriechen sowie Schwinden von Beton, in die Modell-

bildung einbezogen. Das Materialverhalten von unbewehrtem Beton wird mittels eines

elasto-plastischen Schadigungsgesetzes beschrieben. Die Materialeigenschaften der Stahl-

bewehrung werden anhand der klassischen J2–Plastizitat formuliert.

Ausgehend von den Materialeigenschaften der einzelnen Konstituierenden wird mit-

tels Homogenisierungsverfahren das mechanische Werkstoffverhalten des Verbundmate-

rials auf makroskopischer Ebene hergeleitet. Dabei wird Stahlbeton als ein 3-Phasen-

Kompositmaterial bestehend aus einer Matrix (stellvertretend fur Beton) und Inklusionen

(stellvertretend fur zwei Bewehrungslagen) betrachtet. Zum Zusammenfuhren der Konsti-

tuierenden wird auf das analytische Homogenisierungskonzept von Mori-Tanaka zuruck-

gegriffen, welches auf der Grundlosung von Eshelbys Inhomogenitatsproblem basiert. Die

wesentlichen Wechselwirkungen zwischen Stahl und Beton, wie z.B. die Dubelwirkung

sowie das Verbundverhalten, finden Eingang in die Modellierung. Als eine weitere Inter-

aktion, wird Stahlkorrosion und die damit einhergehende Verbundschadigung kurz thema-

tisiert. Anhand numerischer Analysen erfolgt zunachst eine Verifikation des entwickelten

Modells. Es werden anschließend ausgewahlte Experimente an Stahlbetonscheiben und

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1.3 Gliederung der Arbeit 3

Biegebalken nachgerechnet und dabei die Zuverlassigkeit und die Qualitat der Losungen

bewertet.

Annahmen und Abgrenzungen

Hinsichtlich der Modellbeschreibung werden in dieser Arbeit folgende Annahmen und

Abgrenzungen getroffen:

• Es wird von kleinen Verformungen ausgegangen, d.h. die Modellbeschreibung erfolgt

im Rahmen der geometrisch linearen Theorie.

• Hinsichtlich mechanischer Beanspruchung werden lediglich statische bzw. quasi-

statische Belastungsszenarien betrachtet. Zyklische oder dynamische Belastungs-

arten werden in dieser Arbeit nicht berucksichtigt.

• In Bezug auf hygro-thermische Belastungen werden lediglich naturliche Umgebungs-

bedingungen vorausgesetzt. Sehr hohe oder sehr niedrige Temperaturen, die das Ka-

pillarwasser im Beton zum Sieden oder zum Erfrieren bringen konnen, werden nicht

betrachtet.

• Bei der in dieser Arbeit betrachteten Stahlbewehrung handelt es sich um eine nicht

vorgespannte Bewehrung. Vorgespannte Tragglieder sind nicht Gegenstand dieser

Arbeit.

• In dem verwendeten Kriechgesetz handelt es sich um ein lineares Gesetz, d.h. se-

kundare oder tertiare Kriechmechanismen werden nicht betrachtet.

1.3 Gliederung der Arbeit

Die vorliegende Arbeit ist in sieben Kapitel gegliedert. Die wesentlichen Inhalte werden

im Folgenden kurz zusammengefasst.

• In Kapitel 2 werden das Verbundverhalten sowie die Dubelwirkung im Hinblick

auf das Trag- und Verformungsverhalten von Stahlbetonstrukturen untersucht. Da-

bei werden die mikrostrukturellen Vorgange zunachst beschrieben und anschließend

Moglichkeiten zur Modellierung der Verbund- und Dubelwirkungsmechanismen auf-

gezeigt.

• Die Formulierung der konstitutiven Gleichungen fur den Beton und fur die Stahl-

bewehrung sowie die Modellbildung der relevanten Stahl-Beton-Interaktionen sind

Gegenstand des Kapitels 3. Dabei werden Beton und Stahl zunachst separat be-

trachtet. Zur Modellierung des Materialverhaltens von Beton werden die mecha-

nischen zeitinvarianten sowie die zeitvarianten thermischen und hygrischen Eigen-

schaften berucksichtigt. Des Weiteren wird zur Erfassung von langzeitigen hygro-

mechanischen Verformungen ein Kriechgesetz formuliert.

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4 Kapitel 1: Einleitung

• Auf der Grundlage eines analytischen Homogenisierungskonzepts erfolgt in Kapitel

4 die Zusammenfuhrung der Konstituierenden Beton und Stahl zum Verbundwerk-

stoff Stahlbeton. Die numerische Umsetzung des entwickelten Stahlbetonmodells im

Rahmen der Finite-Elemente-Methode wird anschließend kurz erortert.

• Anhand von numerischen Beispielen erfolgt in Kapitel 5 die Verifikation des ent-

wickelten Stahlbetonmodells. Hierbei liegt das Hauptaugenmerk auf die neu ent-

wickelten mechanischen Komponenten des Simulationsmodells. Der Einfluss der

Stahlbewehrung und die damit verknupften Stahl-Beton-Interaktionen werden an-

hand eines Ein-Element-Beispiels im Hinblick auf Schadigung- und Plastizitatsme-

chanismen auf Plausibilitat uberpruft.

• In Kapitel 6 wird die Validierung des entwickelten Modells anhand von experimentell

untersuchten unbewehrten sowie bewehrten Strukturen vorgenommen. Im Hinblick

auf unbewehrte Strukturen sind in erster Linie die hygro-mechanischen Interaktio-

nen von Interesse. Hinsichtlich der untersuchten bewehrten Betonstrukturen steht

das Zusammenwirken von Beton und Stahl und dessen Einfluss auf das makrosko-

pische Trag- und Verformungsverhalten im Vordergrund. Hierzu werden mit dem

entwickelten Simulationsmodell Zug-, Schub- und Biegeversuche nachgerechnet.

• Den Abschluss dieser Arbeit bildet in Kapitel 7 eine Zusammenfassung der Arbeit

sowie ein Ausblick auf mogliche Erweiterungen des Modells.

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Kapitel 2

Stahl-Beton Interaktionen

Das effiziente Trag- und Verformungsverhalten des Kompositmaterials Stahlbeton wird in

erster Linie dadurch erzielt, indem das sprode Zugversagen des Betons mit den dukti-

len Materialeigenschaften des Stahles kompensiert wird. Durch das Zusammenfuhren die-

ser beiden Konstituierenden wird ein duktiles Kompositmaterial geschaffen. Im Hinblick

auf die Gebrauchstauglichkeit und Tragfahigkeit einer Stahlbetonstruktur stellt die Dukti-

litat einen wesentlicher Sicherheitsindikator dar, da bei ausreichender Duktilitat ein Trag-

werksversagen durch deutliche Verformungszunahme angekundigt wird. Um das Trag- und

Verformungsverhalten des Verbundwerkstoffes realistisch zu beschreiben, genugt es nicht,

adaquate Stoffgesetze fur den Beton und den Stahl aufzustellen, da aufgrund von Interak-

tionen das mechanische Materialverhalten der einzelnen Konstituierenden sich wesentlich

von den Materialeigenschaften des Komposits unterscheidet. Obwohl diese interagieren-

den Vorgange uberwiegend auf der Mikro- und Mesoskala stattfinden, ist der Einfluss auf

Strukturebene deutlich sichtbar und mussen daher ebenfalls adaquat abgebildet werden.

In diesem Kapitel werden die relevanten Beton-Stahl–Interaktionen vorgestellt und ihre

Bedeutung im Hinblick auf das globale Trag- und Verformungsverhalten erortert. Zu den

wichtigsten Interaktionen zahlen das Verbundverhalten und die Dubelwirkung. Wahrend

uber die Verbundwirkung die Kraftubertragung in Richtung des Bewehrungsstabes betrach-

tet wird, beschreibt die Dubelwirkung die Ubertragung von Schubkraften quer zur Beweh-

rungsachse.

5

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6 Kapitel 2: Stahl-Beton Interaktionen

2.1 Verbund

2.1.1 Verbundmechanismen

Stahlbeton ist ein Verbundwerkstoff, dessen bautechnisch nutzliche Materialeigenschaf-

ten erst durch das Zusammenwirken der Konstituierenden Beton und Stahl gegeben sind.

Damit eine eingebettete Stahlbewehrung sich ebenfalls an der Lastabtragung beteiligen

kann, muss eine kraftschlussige Verbindung an der Kontaktflache der beiden Materialien

vorherrschen. Uber diese Verbundwirkung an der Kontaktflache konnen dann mechani-

sche Lasten, die ublicherweise an der Oberflache einer Stahlbetonstruktur angreifen, vom

Beton in den Stahl eingeleitet werden. Die Verbundqualitat bzw. -eigenschaften hangen

insbesondere von der Beschaffenheit der Bewehrungsoberflache (glatt oder profiliert), dem

Durchmesser des Bewehrungstabes, den mechanischen Betoneigenschaften, den vorherr-

schenden Querspannungen in unmittelbarer Nahe der Bewehrung, der Betondeckung und

von der Belastungsgeschichte ab. Die Verbundwirkung hingegen hat einen erheblichen

Einfluss auf die Duktilitat eines Stahlbetontragwerks sowie auf die Entwicklung und Fort-

schritt von Rissen (Rissverteilung, Rissbreite, Rissabstand) [Lundgren 1999].

Im Allgemeinen wird die Kraftubertragung an der Verbundflache, abhangig vom Bela-

stungsniveau und von der Oberflachenbeschaffenheit der Bewehrung, in drei unterschied-

liche Mechanismen unterteilt, die gleichzeitig oder aufeinanderfolgend wirken [FIB 2000]:

⊲ Adhasion: Sind die zu ubertragenden Verbundspannungen gering, erfolgt die

Kraftubertragung weitestgehend uber Adhasion. Chemische Verbindungen, die im Zuge

des Erhartungsprozesses des Zementsteins in der Verbundflache aufgebaut werden, ubert-

ragen uber Adhasionskrafte die Betonspannungen in die Stahlbewehrung. Sobald jedoch

die ersten Mikrorisse an der Verbundflache auftreten, werden diese molekularen Verbin-

dungen gebrochen, was zur Folge hat, dass die Adhasionswirkung vollstandig verloren

geht. Nur fur Bewehrungsstabe mit glatter Oberflache und ungeschadigter Verbundflache

lasst sich die Adhasion quantifizieren. Aufgrund der geringen Verbundkapazitat spielt die

adhasive Kraftubertragung im Allgemeinen eine untergeordnete Rolle.

⊲ Reibung: Im Unterschied zu der Adhasionswirkung tritt der Reibungsverbund erst

bei einer Relativverschiebung in Erscheinung. Entsteht eine Relativbewegung zwischen

der Stahlbewehrung und dem umgebenden Beton, werden Reibungskrafte aktiviert, die

aus der Oberflachenrauigkeit des Bewehrungsstabs herruhren. Die gesamte Kapazitat des

Reibungsverbunds kann ausgeschopft werden, wenn in Querrichtung der Bewehrung eine

hinreichende Querpressung oder Verformungsbehinderung vorliegt. Dies kann beispiels-

weise durch Einlegen von Bugelbewehrung im Stahlbetonquerschnitt erzielt werden, die

fur eine ausreichende seitliche Querbehinderung der Bewehrung sorgt. Ist hingegen die

Verformung in Querrichtung der Bewehrung nicht ausreichend gehindert, kann es zu Ab-

platzungen (der Betondeckung) kommen, und der Einfluss des Reibungsverbunds schwin-

det.

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2.1 Verbund 7

t

s

a = 6 0 °

p r i m ä r e rR i s s

t

s e k u n d ä r e M i k r o r i s s e

Abbildung 2.1: Verbundmechanismen und Rissverteilung im zugbeanspruchten Stahlbetonele-

ment

⊲ Mechanische Verzahnung: Die mechanische Scherverzahnung weist fur profilierte Be-

tonstahle die großte Verbundkapazitat bzw. -steifigkeit auf. Bei dieser Verbundart verkei-

len sich in der Verbundflache die aufgewalzten Bewehrungsrippen mit dem angrenzenden

Beton. Der Lastabtrag erfolgt uber sogenannte Betonkonsolen, die sich zwischen den Be-

wehrungsrippen einstellen und aufgrund der Belastungsrichtung uberwiegend auf Schub

belastet werden. Neben der Topologie der Bewehrungsoberflache, ist daher fur diese Ver-

bundwirkung die Schubfestigkeit des Betons entscheidend.

2.1.2 Beschreibung der Kinematik

Solange sich der Beton in einem ungerissenen Zustand befindet, kann von einem perfek-

ten (vollen) Verbund zwischen der Bewehrung und dem angrenzenden Beton ausgegangen

werden. Dieser Verformungszustand zeichnet sich durch eine Verzerrungskompatibilitat

zwischen den beiden Konstituierenden aus. Wird jedoch in der Verbundflache die Zugfe-

stigkeit des Betons uberschritten, kommt es zu Rissbildungen, in Folge dessen der perfekte

Verbund zwischen der Bewehrung und dem umgebenden Beton aufgehoben wird. Hier-

durch weist der Beton in Stablangsrichtung eine andere Verformung auf als die Stahlbe-

wehrung. Die dabei auftretende Relativverformung zwischen den beiden Konstituierenden

wird mit Schlupf bezeichnet. Diese Diskontinuitat im Verschiebungs- bzw. Verzerrungs-

feld wird durch die Schlupfverzerrung εi beschrieben, die sich aus der Differenz zwischen

der Matrixverzerrung εm und der Stahlverzerrung εs in Langsrichtung der Bewehrung

berechnen lasst

εi = εm − εs. (2.1)

Eine Druckbelastung im Beton hat keinen nennenswerten Einfluss auf das Verbundversa-

gen [Jendele & Cervenka 2006]. Daher wird in Abbildung 2.1 ein zugbeanspruchtes,

gerissenes Stahlbetonelement betrachtet. Beim Erreichen der Zugfestigkeit des Betons, bil-

det sich an der schwachsten Stelle im Betongefuge ein von außen sichtbarer Primarriss. Mit

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8 Kapitel 2: Stahl-Beton Interaktionen

zunehmender Laststeigerung geht von jeder Bewehrungsrippe ein innerer sekundarer Riss

aus, der einen Winkel von ca. 60 bezogen auf die Bewehrungsachse einschließt [Mehl-

horn 1996]. Infolge von Rissbildungen, wird der perfekte Verbund zwischen der Beweh-

rung und dem angrenzenden Beton aufgehoben. Die dabei auftretenden Schlupfverfor-

mungen s rufen lokale Verbundspannungen τ hervor, die sich uber die gesamte sekundare

Risszone erstrecken.

2.1.3 Verbundspannung-Schlupf–Beziehung

Eine qualitative Darstellung der Verbundspannung-Schlupf–Beziehung τ(s) zur Beschrei-

bung der Verbundschadigung kann aus Abbildung 2.1 entnommen werden. Es ist an die-

ser Stelle zu betonen, dass das lokale Verbundgesetz τ(s) kein konstitutives Gesetz im

klassischen Sinne darstellt, da es lediglich aus den Interaktionen der Konstituierenden

Beton und Stahl herruhrt. Zur Formulierung der Verbundspannung-Schlupf–Beziehung

τ(s) liegen umfangreiche Versuchsergebnisse mit teilweise sehr unterschiedlichen Ergeb-

nissen vor. Neben den im Abschnitt 2.1.1 beschriebenen Einflussfaktoren im Hinblick auf

die Verbundmechanismen (Oberflachenbeschaffenheit, Druckfestigkeit, Bewehrungsgrad

etc.), hangen die Schlupfeigenschaften auch sehr stark von den experimentellen Bedingun-

gen sowie von der geometrischen Struktur des Probekorpers ab [Lundgren 1999]. Die

Ermittlung des Verbundgesetzes anhand von Dehnkorper weist beispielsweise eine andere

Verbundspannung-Schlupf–Beziehung auf, als bei Ausziehversuchen [FIB 2000]. Selbst

Ausziehversuche mit unterschiedlichen Verankerungslangen des Bewehrungsstabes oder

mit verschiedenen Betondeckungen fuhren zu vollig unterschiedlichen Verbundspannung-

Schlupf–Beziehungen.

2.1.4 Tension-Stiffening

Wie aus Abbildung 2.2 ersichtlich wird, ruft die Verformungs- bzw. Steifigkeitsdiskonti-

nuitat im Rissquerschnitt lokale Spannungsumlagerungen hervor. Die gesamte Zugkraft

im Stahlbetonelement wird im Rissquerschnitt (Primarriss) ausschließlich vom Stahl ab-

getragen, da an dieser Stelle der Beton keinen Steifigkeitsanteil mehr besitzt. Entlang

der sekundaren Risszone werden die Stahlspannungen σs sukzessiv abgebaut, indem sie

uber lokale Verbundspannungen τ in den dazwischenliegenden intakten Beton eingeleitet

werden. Bei Laststeigerung entstehen im Stahlbetonelement solange Risse, bis die ein-

geleiteten Betonzugspannungen σm die Zugfestigkeit des Betons ftu nicht uberschreiten.

Ist dieser Grenzzustand erreicht, formieren sich keine weiteren Risse und das endgulti-

ge Rissbild zeichnet sich mit zunehmender Belastung lediglich durch das Anwachsen der

Rissoffnung aus. In den Bereichen, in denen sich die Verbundspannungen τ bzw. die se-

kundaren Risszonen benachbarter Risse nicht uberlappen, kann nach wie vor von einem

perfekten Verbund ausgegangen werden. Durch die uber Verbundwirkung ermoglichte

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2.1 Verbund 9

v o l l e r V e r b u n d

p r i m ä r e R i s s e

S t a h l s p a n n u n g e n s s

V e r b u n d s p a n n u n g e n t

B e t o n s p a n n u n g e n s m f t u£

t t

Abbildung 2.2: Spannungsumlagerungen im gerissenen Stahlbeton infolge Verbundschadigung

[Mehlhorn 1996]

Umlagerungen der Stahlspannungen beteiligt sich der angrenzende ungeschadigte Beton

mit zunehmendem Abstand zum Riss aktiv an der Lastabtragung. Das Mitwirken des

Betons zwischen den Rissen wird mit tension-stiffening bezeichnet und zeichnet sich da-

durch aus, dass der versteifende Einfluss des Betons im intakten Bereich zu geringeren

Stahldehnungen fuhrt, als im Rissquerschnitt. Wegen der Mitwirkung des Betons ist die

Gesamtsteifigkeit eines gerissenen Stahlbetonelements großer, als die des reinen Beweh-

rungsstabes. Prinzipiell spielt das tension-stiffening lediglich im Gebrauchszustand eine

wesentliche Rolle, da mit zunehmender Schadigung oder Strukturdegradation der Ein-

fluss des Verbundes sukzessiv nachlasst. Des Weiteren kann durch tension-stiffening kein

globales Strukturversagen infolge Schlupf wiedergegeben werden, da die Grundidee des

tension-stiffenings im Wesentlichen darin besteht, einem gerissenen Stahlbetonelement

eine zusatzliche Steifigkeit anzurechnen.

2.1.5 Verbundwirkung in Interaktion mit Korrosion

Chloridionen konnen uber den Porenraum diffusiv oder mit dem Porenwasser konvektiv

in den Beton eindringen und die schutzende Passivschicht der Bewehrung zerstoren. Hier-

durch wird auf der ungeschutzten Bewehrungsoberflache eine elektro-chemische Reaktion

in Gang gesetzt, wobei die Reaktionsprodukte (Rost) ein großeres Volumen einnehmen als

die Ausgangsprodukte (siehe Abbildung 2.4). Die infolge dieser Volumenexpansion eintre-

tenden Mechanismen in Hinblick auf das Verbundverhalten sind aufgrund der Komplexitat

der physio-chemischen Prozesse nicht eindeutig zu beschreiben. So wird beispielsweise in

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10 Kapitel 2: Stahl-Beton Interaktionen

[FIB 2000] aufgezeigt, dass leicht korrodierte Bewehrungsstabe eine bessere Verbund-

qualitat gegenuber unkorrodierten Stabe aufweisen. Extensive Untersuchungen mit zykli-

scher Belastung bestatigen ebenfalls ein verbessertes Verbundverhalten fur leicht bis mo-

derat korrodierte Stahlbewehrung [Fang, Gylltoft, Lundgren & Plos 2006]. Die

Erhohung der Verbundkapazitat wird auf die korrosionsinduzierten, expansiven Druck-

spannungen zuruckgefuhrt, die dadurch eine erhohte Querpressung bzw. Oberflachen-

reibung an der Verbundflache hervorrufen. Mit fortschreitender Korrosionsrate jedoch,

wird eine deutliche Reduzierung der Verbundspannung beobachtet [FIB 2000]. In den

Ausziehversuchen von [Lee, Noguchi & Tomosawa 2002] konnte ebenfalls bestatigt

werden, dass die maximale Verbundspannung mit fortschreitender Korrosion zwar ab-

nimmt, jedoch zeigten auch Stahlbewehrungen mit Korrosion eine wesentlich großere Ver-

bundsteifigkeit auf. Das Schwachen des Verbundes mit zunehmender Rostbildung an der

Bewehrungsoberflache wird zum einen durch das Anwachsen von (Mikro-)Rissen in der

Verbundflache und andererseits durch die weichere Rostschicht begrundet.

Im Rahmen dieser Arbeit wird auf die Interaktion zwischen der Verbundqualitat und

Korrosion nicht weiter eingegangen. Die experimentellen Untersuchungen liefern hierfur

keine einheitlichen Ergebnisse, aus denen eine realistische Abschatzung abgeleitet werden

konnte.

2.1.6 Modellierungskonzepte

Befindet sich die Verbundflache in einem ungerissenen Zustand, kann von einer vollen bzw.

perfekten Verbundwirkung ausgegangen werden. Dieser Zustand zeichnet sich durch eine

Verformungskompatibilitat zwischen der Stahlbewehrung und dem angrenzenden Beton

aus. Die Modellierung des vollen Verbundes stellt im Rahmen der numerischen Simulation

keine besondere Schwierigkeit dar, da in diesem Fall die Struktursteifigkeit eines Stahlbe-

tonelements sich additiv aus den Steifigkeiten der Konstituierenden zusammensetzt. Tre-

ten jedoch die ersten Risse im Betongefuge auf, wird der perfekte Verbund aufgehoben,

und es kommt zu Verbundschadigung. Hinsichtlich der Beschreibung der Verbundmecha-

nismen gibt es grundsatzlich zwei unterschiedliche Modellierungskonzepte:

⊲ Explizite Beschreibung: Sind lokale Informationen uber die Verbundmechanismen von

Interesse, ist es erforderlich, den Verbund ebenfalls zu modellieren. An der Grenzflache

zwischen Beton und Bewehrung wird mithilfe von Interface- bzw. Kontaktelementen der

Verbund abgebildet und diesem ein adaquates Verbundgesetz zugewiesen. Das erste be-

kannte Verbundmodell geht auf die Autoren [Ngo & Scordelis 1967] zuruck. Sie for-

mulierten einen nachgiebigen Verbund anhand von zusatzlichen Federn, die am gemein-

samen Beton- und Stahlelementknoten angebracht wurden. Weitere Ansatze, die auf eine

explizit-diskrete Modellierung des Verbundes basieren, finden sich in folgenden Referenzen

[Lundgren 1999; Simone, Wells & Sluys 2001; Romdhane & Ulm 2002; Do-

minguez, Ragueneau & Ibrahimbegovic 2004; Jendele & Cervenka 2006]. Mit

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2.1 Verbund 11

der expliziten Formulierung konnen Diskontinuitaten im Verschiebungsfeld (Schlupfver-

formungen) und lokale Spannungsverteilungen erfasst und wegen der feineren Auflosung

der Verbundflache genauer beschrieben werden. Nachteilig an dieser Methode ist jedoch

der hohe Rechenaufwand, der sowohl aus der feineren Netzdiskretisierung als auch aus

dem zusatzlichen Freiheitsgrad fur die Schlupfverformung herruhrt. Des Weiteren hangt

die Netzdiskretisierung von der geometrischen Lage der Bewehrung ab, da die Verbun-

delemente stets an den Beton- und Bewehrungsknoten anzubringen sind. Daher ist die

Anwendung dieses Losungsansatzes auf relativ kleine Versuchsprobekorper beschrankt

und somit fur Strukturanalysen ungeeignet.

⊲ Makroskopische (verschmierte) Beschreibung: Steht im Rahmen einer numerischen

Analyse vielmehr das Trag- und Verformungsverhalten einer Stahlbetonstruktur im Fokus,

bietet sich eine makroskopische Beschreibung der Verbundschadigung an. Auf eine lokale

Darstellung der Verbundmechanismen, wie z.B. Spannungsverlaufe zwischen den Rissen,

wird hierbei verzichtet, und die mit den Schlupfverformungen einhergehende Schadigung

wird lediglich im integralen Sinn erfasst. Dieser Losungsansatz bietet den Vorteil, trotz

Verbundschadigung weiterhin von einem verzerrungskompatiblen Zustand zwischen der

Stahlbewehrung und dem Beton auszugehen. Auf diese Weise entfallen die zusatzlichen

Freiheitsgrade zur Beschreibung der Diskontinuitat, die im Vergleich zu der expliziten Me-

thode benotigt werden, und der Einfluss des Verbunds auf das Strukturverhalten ist somit

mit weniger Rechenaufwand formulierbar. Da auf eine explizite Modellierung der Verbund-

flache verzichtet wird, konnen zudem grobere Netzdiskretisierungen vorgenommen wer-

den, was den Rechenaufwand ebenfalls reduziert. Generell werden in einem verschmierten

Ansatz die Verbundmechanismen indirekt uber eine Modifizierung des konstitutiven Ge-

setzes entweder des Betons oder des Stahles berucksichtigt [Mehlhorn 1996]. Grundlage

fur eine makroskopische Formulierung stellt der in Kapitel 2.1.4 beschriebene versteifende

Einfluss des ungeschadigten Betons zwischen den Rissen dar. In [He & Kwan 2001] wird

in einem phanomenologischen Ansatz das Nachbruchverhalten des Betons modifiziert, wo-

durch einem gerissenen Stahlbetonelement eine hohere Steifigkeit zugewiesen wird. Die

Erhohung der Nachbruchfestigkeit des Betons zur Beschreibung der Verbundwirkung auf

struktureller Ebene findet auch in [Lackner & Mang 2003] Anwendung. Die dabei

implizierte zusatzliche Struktursteifigkeit leiten die Autoren aus dem oft zitierten lokalen

Verbundgesetz gemaß [CEB-FIP 1990] her. Bleibt hingegen das Entfestigungsverhalten

des Betons im Zugbereich in der Modellbildung außer Betracht, erfolgt in der Regel die

Berucksichtigung des tension-stiffenings auf der konstitutiven Seite des Stahles. So werden

beispielsweise in [Mehlhorn 1996; Wormann 2004] modifizierte konstitutive Gesetze

des Stahles angegeben, um den strukturellen Effekt des ungeschadigten Betons zwischen

den Rissen zu erfassen. Dabei werden lokale Verbundgesetze herangezogen, mit Hilfe derer

der Zuwachs an Steifigkeit fur ein gerissenes Stahlbetonelement ermittelt wird. In [Tik-

homirov & Stein 1999] hingegen wird auf ein lokales Verbundgesetz verzichtet und

die infolge Verbundschadigung auftretenden Spannungsumlagerungen in der Bewehrung

(siehe Abbildung 2.2) anhand eines vierstufigen Schadigungstensors beschrieben.

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12 Kapitel 2: Stahl-Beton Interaktionen

Weitere makroskopische Ansatze zur Beschreibung der Verbundschadigung, die nicht auf

der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen beruhen, leiten sich aus den Verbund-

mechanismen bei Ausziehversuchen her. In [Luccioni, Lopez & Danesi 2005] wird

ein elasto-plastisches Verbundmodell vorgeschlagen, wobei von einer expliziten Model-

lierung des Verbundes abgesehen wird. Unter Anwendung der Mischungstheorie fur das

Kompositmaterial Stahlbeton, beschreiben die Autoren die auftretenden Schlupfverfor-

mungen indirekt uber die Umlagerungen der Stahlspannungen. Hierdurch wird die aus

der Mischungstheorie herruhrende Verzerrungskompatibilitat zwischen Stahl und Beton

gewahrt, und es werden keine zusatzlichen Freiheitgrade fur das Verbundmodell benotigt.

Die Formulierung der Schlupfmechanismen bei Ausziehversuchen basiert in [Monti, Fil-

ippou & Spacone 1997] ebenfalls auf einer Modifikation der Stahlspannungen. Die auf-

tretenden Spannungsumlagerungen und die dadurch erhaltene Strukturantwort werden

dabei aus lokalen Gleichgewichtsbetrachtungen an einem eindimensionalen Stabelement

hergeleitet.

Zur Beschreibung der Verbundmechanismen wird in der vorliegenden Arbeit ein ma-

kroskopischer Ansatz gemaß [Linero 2006; Manzoli, Oliver, Huespe & Diaz

2008] gewahlt. Auf der Basis eines makroskopischen Verbundmodells werden anhand

der Modifikation des konstitutiven Gesetzes des Stahles die Schlupfmechanismen ma-

kroskopisch erfasst. In der Modellbildung basiert das Verbundversagen auf kinematische

Eigenschaften, die charakteristisch fur Ausziehversuche mit ausreichender Querbehin-

derung sind. Daher lassen sich die fur das Verbundmodell erforderlichen Parameter

einfach aus klassischen Ausziehversuchen bestimmen. Da vordergrundig eine globale

Beschreibung der Versagensmechanismen erfolgen soll, bleiben lokale Effekte, die von den

Bewehrungsrippen ausgehen, wie z.B. Abplatzungen der Betondeckung oder sekundare

Mikrorisse, außer Betracht. Es wird daher von einer ausreichenden Umschnurung bzw.

Querbehinderung der Bewehrung ausgegangen, so dass ein Verbundversagen durch

das Gleiten der Bewehrung entlang der Verbundflache gekennzeichnet ist. Mit dieser

Modellformulierung konnen in erster Linie Aussagen uber die Duktilitat, also uber das

Trag- und Verformungsverhalten, einer Stahlbetonstruktur getroffen werden. In Kapitel

3.3 wird ausfuhrlich auf das verwendete Modell eingegangen.

Anmerkung zu Verbundschadigung:

Wie bereits in Kapitel 2.1.3 beschrieben, hangt die Verbundspannung-Schlupf–Beziehung

und die damit einhergehende Verbundschadigung neben den geometrischen Randbedin-

gungen auch sehr stark von den mechanischen Parametern ab. Abhangig davon, wel-

cher Verbundmechanismus modelliert werden soll, werden unterschiedliche Konzepte zu-

grunde gelegt. Sollen beispielsweise uniaxiale Dehnkorper betrachtet werden, so wird das

tension-stiffening maßgebend. Werden hingegen Ausziehversuche als Grundlage fur Ver-

bundschadigung genommen, ist das Gleiten der Bewehrung in der Verbundflache bestim-

mend.

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2.2 Dubelwirkung 13

Beton wird in der gegenwartigen Modellformulierung im Rahmen eines skalaren Schadi-

gungsmodells mit einer Entfestigungsfunktion gemaß Gleichung (3.7) modelliert und

berucksichtigt deshalb ohnehin aufgrund der Restzugfestigkeit des Betons implizit den

Effekt des tension-stiffenings. Ohne konkrete Berucksichtigung von lokalen Verbundinfor-

mationen wird das Mitwirken des Betons zwischen den Rissen somit auf der makroskopi-

schen Ebene zumindest qualitativ bereits erfasst. Da mit zunehmender Belastung sowohl

der Einfluss des tension-stiffenings als auch die Restzugfestigkeit des Betons sukzessiv

nachlassen, wird die Steifigkeit einer Stahlbetonstruktur auch in einem fortgeschrittenem

Schadigungsstadium adaquat wiedergegeben. Vor diesem Hintergrund wird fur die Mo-

dellbildung das Verbundversagen von Ausziehversuchen betrachtet, was zudem gegenuber

der Modellierung des tension-stiffenings den weiteren Vorteil besitzt, ein globales Struk-

turversagen infolge Schlupf abzubilden.

2.2 Dubelwirkung

2.2.1 Wirkungsmechanismen

Wahrend die Verbundwirkung sich auf die Stahl-Beton Interaktionen in Richtung des

Bewehrungsstabes bezieht, zeichnet sich die Dubelwirkung durch die Ubertragung von

Schubkraften quer zur Bewehrungsachse aus. Dieser Mechanismus, der uberwiegend im

mode-II Zustand von Bedeutung ist, wird in der Literatur mit dowel action bezeichnet.

Hierbei ist das Trag- und Verformungsverhalten eines gerissenen Stahlbetonelements unter

einer Schubbelastung von Interesse. In Abbildung 2.3 ist schematisch ein gerissenes Stahl-

betonelement dargestellt. Belastet wird das Element durch eine globale Schubverformung

γ∗, wodurch sich die Rissoberflachen parallel zueinander verschieben. Der Bewehrungs-

stab wirkt hierbei wie ein Dubel und widersetzt sich den Schubverformungen γ∗, indem in

unmittelbarer Nahe des Risses innere Krafte im Bewehrungsstab hervorgerufen werden.

Dabei erfahrt der Bewehrungsstab eine Beanspruchung, die sich uberwiegend aus Bie-

gung und Schub zusammensetzt [Linero 2006]. Des Weiteren wird aus Abbildung 2.3

ersichtlich, dass der versteifende Einfluss der Bewehrung abhangig von der Rissrichtung

αc ist. Fur αc = 0 verfugt die Struktur uber keine Steifigkeit, wohingegen fur αc = 90

die maximale Dubelsteifigkeit zu erwarten ist.

Es soll an dieser Stelle betont werden, dass der zusatzliche Steifigkeitseffekt, der aus der

Verzahnung der gegenuberliegenden Rissoberflachen herruhrt (aggregate interlock), im

Rahmen dieser Arbeit außer Betracht bleibt. Wie bereits in Kapitel 2.1.6 angemerkt, wird

das aggregate interlock, ahnlich wie das tension-stiffening aus Kapitel 2.1.4, implizit uber

das isotrope Schadigungsmodell anhand der Nachbruchfestigkeit des Betons zumindest

qualitativ bereits berucksichtigt.

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14 Kapitel 2: Stahl-Beton Interaktionen

g *

g *

a c

l

( a ) e i n g e s p a n n t e r B a l k e n

l 0

( b ) S c h u b m e c h a n i s m u s ( c ) e l a s t i s c h e B e t t u n g

Abbildung 2.3: Schematische Darstellung der Dubelwirkung (dowel action) anhand eines ge-

rissenen Stahlbetonelements und mogliche Modellierungskonzepte

2.2.2 Modellierungskonzepte

Die Steifigkeitsreserven, uber die ein gerissenes Stahlbetonelement verfugt, konnen

abhangig vom Belastungszustand einen bedeutenden Einfluss auf die globale Struktur-

steifigkeit haben. In einem gerissenen Stahlbetonelement, welches hauptsachlich uniaxial

in Richtung des Bewehrungsstabes beansprucht wird, gibt es keine Dubelwirkung, da die

Belastung uberwiegend vom Zugstab aufgenommen wird. In schubbeanspruchten Schei-

ben oder aber auch in Biegebalken hingegen kann infolge der Dubelwirkung eine erhohte

strukturelle Steifigkeit beobachtet werden. Des Weiteren beeinflusst die Dubelwirkung vor

allem bei schwach bewehrten Tragwerken das Nachbruchverhalten und somit die Dukti-

litat einer Stahlbetonstruktur, welches auf das Plastifizieren des Stahles zuruckgefuhrt

werden kann.

Die konzeptionelle Vorgehensweise zur Modellierung der Dubelwirkung besteht darin, aus-

gehend von einem geeigneten physikalischen Grundmodell, auf die Kraftubertragung des

Bewehrungsstabs im Riss zu schließen. Aus Abbildung 2.3 konnen die gebrauchlichen

Grundmodelle entnommen werden, aus denen ublicherweise das konstitutive Gesetz fur

dowel action abgeleitet wird. Hierbei muss sichergestellt werden, dass ein numerisches

Modell aufgrund der Kinematik ebenfalls die Schubdeformationen des Bewehrungsstabs

berucksichtigt. Mit lediglich einer eindimensionalen Beschreibung der Bewehrung als Zug-

stab kann die Dubelwirkung nicht abgebildet werden. Daher sollte die Bewehrung vorzugs-

weise entweder als Biegebalken oder als 3D-Kontinuum in die numerische Formulierung

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2.2 Dubelwirkung 15

des Stahlbetons eingehen, um so die mehrdimensionale Kinematik im Riss zu erfassen.

In [Pietruszczak & Winnicki 2003] wird als Grundmodell ein beidseitig einge-

spannter Biegebalken der Lange l betrachtet, wobei l einen geschatzten Risszonenbe-

reich darstellt [Abbildung 2.3(a)]. Der dabei beschriebene Biegemechanismus gemaß

Timoshenko-Balkentheorie reprasentiert die zusatzliche Steifigkeit infolge Dubelwirkung.

Unter Berucksichtigung der Rissrichtung und Plastifizierung des Biegebalkens, findet die

Dubelwirkung auf makroskopischer Ebene Eingang in das konstitutive Gesetz des Stahl-

betons.

Im Ansatz von [Linero 2006; Linero, Oliver, Huespe & Pulido 2006] wird ne-

ben der eindimensionalen, elasto-plastischen Modellierung der Bewehrung, ein weite-

res eindimensionales, elasto-plastisches Schubmodell herangezogen, welches die Dubel-

mechanismen abbildet. Die Dubelsteifigkeit wird dabei als eine effektive Schubsteifig-

keit interpretiert und findet im konstitutiven Gesetz des Stahles Berucksichtigung. Zur

Herleitung der effektiven Schubsteifigkeit unterscheiden die Autoren zwischen zwei un-

terschiedliche Dubelmechanismen. Der Biegemechanismus, der uberwiegend in mode-I-

Belastungszustanden maßgeblich wird, wird ahnlich wie in [Pietruszczak & Winnicki

2003] anhand eines beidseitig eingespannten Biegebalkens beschrieben [Abbildung 2.3(a)],

wobei in diesem Ansatz jedoch die Balkenlange l anders als in [Pietruszczak & Win-

nicki 2003] der Rissbreite entspricht. Fur l → 0 wird der im mode-II dominante Schub-

mechanismus aktiviert, und die Dubelsteifigkeit zeichnet sich durch den Schubmodul des

Stahles Gs aus [Abbildung 2.3(b)] . In der Modellformulierung wird in [Linero 2006;

Linero, Oliver, Huespe & Pulido 2006] stets ein zu der Bewehrungsachse senk-

recht verlaufender Riss angenommen, d.h. der relevante Einfluss der Rissrichtung auf die

Dubelwirkung, wie er aus Abbildung 2.3 ersichtlich wird, bleibt unberucksichtigt.

Das physikalische Grundmodell zur Herleitung der Dubelsteifigkeit ist in [Martın-Perez

& Pantazopoulou 2001], wie in den vorangegangenen Ansatzen zwar ebenfalls ein Bie-

gebalken, jedoch ist dieser elastisch gebettet [Abbildung 2.3(c)]. Der Beton stellt dabei die

elastische Bettung des Biegebalkens dar. Unter Berucksichtigung der Druckfestigkeit des

Betons wird ein phanomenologisches, konstitutives Gesetz fur die Dubelkraft angegeben,

welches in die Werkstoffbeziehung des Stahles integriert wird. Die Verformungen im ge-

rissenen Stahlbetonelement werden unter Beachtung der Rissrichtung basierend auf dem

Konzept der verschmierten Risse hergeleitet. Dieser Ansatz setzt des Weiteren voraus,

dass mit zunehmender axialer Stahlspannung die Dubelwirkung abnimmt. Es wird ange-

nommen, dass sobald der Stahl anfangt zu plastifizieren, die Dubelwirkung vollstandig

verloren geht.

Ebenfalls basierend auf der Theorie der elastischen Bettung eines Biegebalkens wird in

[El-Ariss 2006] ein ahnliches konstitutives Gesetz fur die Dubelkraft wie in [Martın-

Perez & Pantazopoulou 2001] angesetzt. In diesem Ansatz wird jedoch die zu der

Dubelkraft korrespondierende Verformung aus einer diskreten Rissweite ermittelt. Ausge-

hend von der Differentialgleichung der elastischen Bettung wird zur Herleitung der Ver-

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16 Kapitel 2: Stahl-Beton Interaktionen

formung die analytische Losung gemaß Timoshenko ausgewertet. Die benotigte Bettungs-

steifigkeit des Betons wird ebenso wie in [Martın-Perez & Pantazopoulou 2001]

aus experimentellen Daten abgeschatzt. In diesem Ansatz bleibt jedoch die Plastizitat des

Stahles in Bezug auf die Dubelwirkung unberucksichtigt.

Ein Losungsansatz zur Beschreibung der Dubelwirkung, welches auf dem Konzept der ver-

schmierten Risse basiert, wird in [He & Kwan 2001] vorgestellt. Die Bewehrung wird

im Kontext der Mischungstheorie ebenfalls verschmiert berucksichtigt. Die verschmierte

Betrachtung gestattet, das konstitutive Gesetz der Dubelwirkung anders als in [Martın-

Perez & Pantazopoulou 2001; El-Ariss 2006] nicht in Kraft und Verschiebung

sondern in Spannung und Verzerrung zu formulieren. Das zugrundeliegende physikalische

Grundmodell ist ebenfalls ein Biegebalken, der elastisch im Beton gebettet ist [Abbildung

2.3(c)]. Die effektive Schubsteifigkeit des Grundmodells leitet sich aus der analytischen

Losung der elastischen Bettung, wobei die benotigte Bettungssteifigkeit des Betons aus

experimentellen Daten abgeschatzt wird. Die gesuchte effektive Schubsteifigkeit des Stahl-

betonelements wird zunachst abhangig von der Rissrichtung ermittelt und findet anschlie-

ßend in der konstitutiven Matrix des Betons Berucksichtigung. Die maximal mogliche

Dubelkapazitat wird basierend auf experimentellen Auswertungen durch den plastischen

Belastungszustand der Stahlbewehrung definiert.

Im Rahmen dieser Arbeit wird die Dubelwirkung sowohl als Biegemechanismus als auch

als Schubmechanismus berucksichtigt. Je nach dem welcher Mechanismus maßgebend

wird, erfolgt die Abschatzung der Dubelsteifigkeit aus dem entsprechenden Modell. Zur

Herleitung der Dubelwirkung, die aus dem Biegemechanismus herruhrt, wird als physi-

kalisches Grundmodell der elastisch gebettete Biegebalken gemaß [He & Kwan 2001]

betrachtet [Abbildung 2.3(c)]. Ausgehend von der Differentialgleichung der elastischen

Bettung wird die analytische Losung gemaß Timoshenko ausgewertet, wobei das Mitwir-

ken des Betons anhand der Bettungssteifigkeit Berucksichtigung findet. Wird der Beweh-

rungsstab in der Rissebene hingegen uberwiegend auf Schub belastet, kommt die Modell-

formulierung des Schubmechanismus gemaß [Linero 2006; Linero, Oliver, Huespe

& Pulido 2006] zur Anwendung [Abbildung 2.3(b)]. In beiden Modellansatzen wird

der Einfluss der Rissrichtung und der Plastizitat des Stahles berucksichtigt. Des Weite-

ren zeichnet sich der vorliegende Ansatz durch eine Konformitat mit dem Konzept der

verschmierten Risse und Bewehrung aus, welches ebenfalls in der gegenwartigen Modell-

beschreibung des Stahlbetons verwendet wird. Das konstitutive Gesetz der Dubelwirkung

wird in Form von Spannungen und Verzerrungen formuliert und anders als in [He &

Kwan 2001] in das Materialgesetz des Stahles integriert. Hinsichtlich der genaueren

Beschreibung des Dubelmodells und der numerischen Umsetzung sei auf Abschnitt 3.4

verwiesen.

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2.3 Stahlkorrosion 17

F e 2 +F e 2 +

e -e -

e -e -

e -e -

O H- O H

-

O H O H

F e

O H O H

F e

e -

O H-

e -

O H-

S t a h l

A n o d e

K a t h o d e

W a s s e r

R o s t

H 2 O O 2

Abbildung 2.4: Schematische Darstellung der anodischen und der kathodischen Reaktion

2.3 Stahlkorrosion

Ein weiterer Interaktionsmechanismus zwischen Stahl und Beton stellt die Stahlkorrosi-

on dar. In der gegenwartigen Modellformulierung werden Korrosionsmechanismen zwar

nicht berucksichtigt, jedoch wurde im Rahmen dieser Arbeit eine Schnittstelle imple-

mentiert, uber die die Betonschadigung infolge Rostbildung berucksichtigt werden kann.

Diese Schnittstelle basiert auf einem eindimensionalen Transportmodell, welches die Initi-

ierungsphase des Korrosionsprozesses unter Berucksichtigung von Karbonatisierung und

Chloridtransport beschreibt [Steffens 2000]. Am Lehrstuhl fur Statik und Dynamik

wurde dieses eindimensionale Transportmodell aufgegriffen und fur die Verknupfung mit

dem gegenwartigen Stahlbetonmodell basierend auf einem Mikrozellen-Modell [Maeka-

wa & Ishida 2002] aufbereitet und weiterentwickelt [Kemper 2008]. Dabei wird der

relevante Einfluss von Chlorid auf die Korrosionsrate berucksichtigt. Ziel dieses Kapitels

ist es, die maßgebenden Einflusse hinsichtlich Stahlkorrosion und die damit einhergehende

Betonschadigung zu thematisieren.

2.3.1 Korrosionsmechanismen

Bei der Korrosion handelt es sich um eine elektrochemische Reaktion, bei der zwei gekop-

pelte Teilprozesse gleichzeitig ablaufen. Zum einen die anodische Reaktion (Oxidation)

und zum anderen die kathodische Reaktion (Reduktion). Bei der anodischen Reaktion

wird das Eisen der Stahlbewehrung oxidiert. Indem sich Wassermolekule an der Stahl-

oberflache anlagern, werden positiv geladene Eisen-Ionen aus der Stahlstruktur gelost.

Dieser Prozess geschieht infolge des geringen elektrochemischen Potentials des Eisens. We-

gen der hohen metallischen elektrischen Leitfahigkeit konnen sich die zuruckgebliebenen

Elektronen innerhalb der Stahlstruktur bewegen und sich vom Anodenbereich entfernen.

Beim Ablauf der kathodischen Teilreaktion wird im Porenwasser geloster Sauerstoff an der

Stahloberflache durch Aufnahme der freigesetzten Elektronen reduziert. Unter Verbrauch

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18 Kapitel 2: Stahl-Beton Interaktionen

e x p a n s i v eD r u c k s p a n n u n g e n p rp r

Abbildung 2.5: Rostexpansion infolge fortschreitender Korrosion

von Wasser wandelt sich der Sauerstoff in Hydroxidionen um. Die an der Anode freigesetz-

ten Ionen und die an der Kathode entstehenden Hydroxidionen ziehen sich aufgrund ihrer

gegensatzlichen Ladungen an und reagieren somit zu Eisenhydroxid. Das Eisenhydroxid

bildet eine Vorstufe von Rost, der sich an der Stahloberflache absetzt. In einer weite-

ren chemischen Reaktion entsteht aus dem Eisenhydroxid unter Abspaltung von Wasser

schließlich das Eisenoxid. In Abbildung 2.4 sind die chemischen Reaktionen schematisch

dargestellt.

2.3.2 Volumenexpansion

Da die Endprodukte aus den anodischen und kathodischen Reaktionen ein großeres Volu-

men einnehmen als die Ausgangsstoffe, tritt infolge Rostproduktion auf der Bewehrungs-

oberflache eine Volumenexpansion auf. Aufgrund von Zwangungen werden hierdurch ex-

pansive Spannungen induziert, die auf die umgebende Betonmatrix wirken. Wird in un-

mittelbarer Nahe der Bewehrung die Zugfestigkeit des Betons uberschritten, kommt es

zunachst zu Mikrorissen. Mit zunehmender Rostproduktion jedoch sind Verbundschadi-

gung, Abplatzungen der Betondeckung sowie klaffende Makrorisse die Folgen. In Ab-

bildung 2.5 sind die Betonschadigungen infolge Rostexpansion schematisch dargestellt.

Hinsichtlich des Einflusses von Korrosion auf die Verbundeigenschaften sei an dieser Stel-

le auf Kapitel 2.1.5 verwiesen. Da die Expansion der Korrosionsprodukte stark von den

Umgebungsbedingungen anhangt, begunstigen die entstehenden Risse ein verstarktes Ein-

dringen von weiteren korrosionsfordernden Schadstoffen.

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Kapitel 3

Modellierung der

Materialverhaltensweisen und der

relevanten Interaktionsmechanismen

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die wesentlichen Interaktionen zwischen Stahl und

Beton erortert wurden, erfolgt in diesem Kapitel die Formulierung der konstitutiven Glei-

chungen fur den unbewehrten Beton und fur die Stahlbewehrung sowie die Modellbildung

der relevanten Stahl-Beton Interaktionen. Was die Materialgesetze anbelangt, so werden

beide Materialien (Beton und Stahl) zunachst separat betrachtet. Erst in Kapitel 4.3 er-

folgt dann unter Verwendung von Homogenisierungsstrategien die Zusammenfuhrung die-

ser Materialien zu Stahlbeton.

Im Rahmen der Modellbildung wird unbewehrter Beton als ein teilgesattigtes poroses Ma-

terial betrachtet. Das mechanische zeitinvariante Materialverhalten wird anhand eines

elasto-plastischen Schadigungsmodells abgebildet. Die thermo-hygrischen zeitvarianten Ei-

genschaften werden in Rahmen der Mehrphasigkeit berucksichtigt, indem die zusatzlichen

Feldvariablen Temperatur und Feuchtigkeit eingefuhrt werden. Neben Schwindverformun-

gen werden basierend auf dem Konzept der effektiven Spannungen Kriechmechanismen

berucksichtigt. Die Beschreibung des Materialverhaltens der Stahlbewehrung erfolgt an-

hand eines elasto-plastischen Materialgesetzes mit isotroper Verfestigung. Fur eine wirk-

lichkeitsnahe Modellierung des Kompositmaterials Stahlbeton ist die Berucksichtigung der

relevanten Interaktionen zwischen Stahl und Beton unerlasslich. Zu diesem Zweck werden

ein Verbundgesetz und ein Gesetz zur Beschreibung der Dubelwirkung zum Ende dieses

Kapitels vorgestellt.

19

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20 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

3.1 Beton als poroses Medium

In diesem Abschnitt werden die konstitutiven Gleichungen des gekoppelten hygro-thermo-

mechanischen Modells zur Beschreibung des Materialverhaltens von Beton hergeleitet. Die

mechanische (zeitinvariante) Komponente des Betonmodells ist auf [Meschke, Lackner

& Mang 1998] zuruckzufuhren. Unter Einfuhrung der zusatzlichen Feldvariablen Tem-

peratur und Feuchtigkeit wurde in der Arbeit von [Grasberger 2002] das mechanische

Betonmodell zu einem (zeitvarianten) Mehrphasen-Modell weiterentwickelt [Meschke &

Grasberger 2003; Grasberger & Meschke 2004].

Die Grundidee des entwickelten hygro-thermo-mechanischen Betonmodells basiert auf der

Biot’schen Theorie, die eine makroskopische Formulierung poroser Medien gestattet [Bi-

ot 1941]. Eine Erweiterung dieser Theorie fur teilgesattigte porose Materialien geht auf

Coussy zuruck, der eine thermodynamische Formulierung der Biot’schen Theorie auf-

stellte [Coussy 1995; Coussy 2004]. Darin setzt Coussy die Existenz eines makrosko-

pischen Spannungstensors sowie die Gultigkeit der klassischen kontinuumsmechanischen

Feldgleichungen auf der makroskopischen Ebene voraus. Unter der Annahme einer Poten-

tialfunktion mit den entsprechenden Symmetrieeigenschaften lassen sich somit samtliche

makroskopische Zustandsvariablen thermodynamisch motivieren. Diese makroskopische

Betrachtung erweist sich insofern als eine sinnvolle Basis fur die Formulierung des gekop-

pelten Materialmodells, als die zugrunde liegenden Feldgleichungen unmittelbar auf die

Strukturebene angewandt werden konnen.

Im Rahmen der verwendeten makroskopischen Theorie wird vereinfachend angenommen,

dass Beton sich aus folgenden drei Phasen zusammensetzt:

• einer festen Phase (Matrix) bestehend aus Zuschlagstoffen und Zementstein (inklu-

sive eingeschlossener Poren),

• einer flussigen Phase bestehend aus adsorptivem und kapillarem Wasser

• und aus einer Gasphase als ideale Mischung aus trockener Luft und Wasserdampf.

Es wird ferner postuliert, dass in jedem Materialpunkt des porosen Materials eine Drei-

phasigkeit vorliegt, d.h. jede Phase ist in allen Raumpunkten gleichzeitig vertreten. Das

betrachtete Kontinuum, welches sich aus der Summe aller Raumpunkten zusammensetzt,

wird dabei vollstandig von allen Konstituierenden (Phasen) ausgefullt. Die komplexen

mikromechanischen Interaktionen, die sich zwischen den Phasen abspielen, insbesondere

zwischen der Matrix und dem Adsorptions- und Kapillarwasser, werden phanomenolo-

gisch anhand eines makroskopischen Kapillardrucks pc beschrieben [Bear & Bachmat

1991]. Der Kapillardruck pc, der eine integrative Große darstellt, gibt den durchschnitt-

lichen Druck zwischen der Gasphase und der liquiden Phase an

pc = pg − pl , (3.1)

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3.1 Beton als poroses Medium 21

wobei pg dem durchschnittlichen Druck in der Gasphase und pl dem durchschnittlichen

Druck in der liquiden Phase entspricht [Coussy, Ulm & Mainguy 1999]. Wird vor-

ausgesetzt, dass der Druck in der Gasphase pg sich in einem thermodynamischen Gleich-

gewicht mit dem konstanten atmospharischen Druck befindet, kann pg wegen seiner ver-

nachlassigbarer Großenordnung zu Null gesetzt werden [Grasberger 2002]. Somit gilt

fur den Kapillardruck pc vereinfachend die Beziehung

pc = −pl . (3.2)

Der Zusammenhang zwischen der liquiden Sattigung Sl und dem Kapillardruck pc wird

anhand der Kapillardruck-Sattigungs-Funktion Sl(pc) beschrieben. Die Funktion Sl(pc)

stellt eine wesentliche Kenngroße eines porosen Stoffes dar. Sie erfasst makroskopisch

Informationen uber die Porengroßenverteilung und gibt somit Auskunft uber die Topologie

des Porenraums. Abhangig von der Porenradienverteilung eines porosen Stoffes lassen sich

die entsprechenden Feuchtespeichereigenschaften ableiten, d.h. das Speichervermogen des

Porenraums anWasser wird imWesentlichen von der Topologie des Porenraums bestimmt.

Die Ermittlung der Sl(pc)-Kurve fur ein bestimmtes poroses Medium erfolgt experimentell.

Der zu wahlende Laborversuch hangt davon ab, fur welche Sattigungsbereiche die Sl(pc)-

Kurve aufgestellt werden soll.

Ein gangiges Verfahren zur Ermittlung der Feuchtespeicherkapazitat im (ublichen) Bereich

von 10–98% relative Luftfeuchtigkeit ist das Adsorptions/Desorptions-Verfahren. Mit Hilfe

von Sorptionsisothermen wird fur eine labortechnisch definierte Temperatur und konstante

relative Umgebungsfeuchtigkeit die entsprechende Ausgleichssattigung ermittelt. Die Aus-

gleichssattigung definiert den stationaren Zustand, bei dem die Porenfeuchtigkeit mit den

vorgeschriebenen thermischen und hygrischen Umgebungsbedingungen im Gleichgewicht

steht. Uber das Gesetz von Kelvin zur Beschreibung eines thermodynamischen Gleichge-

wichts an der Grenzflache zwischen der Gas- und Wasserphase (Meniskus) wird zunachst

die vorgeschriebene Porenfeuchtigkeit uber den Kapillardruck pc ausgedruckt. Die kor-

relierende Ausgleichssattigung Sl fur den vorgeschriebenen Kapillardruck pc wird dann

anhand der zusatzlichen Wasseraufnahme (Adsorption) bzw. Wasserabgabe (Desorption)

gravimetrisch ermittelt. Wird der Versuch fur unterschiedliche relative Luftfeuchtigkeiten

bzw. Kapillardrucke wiederholt erhalt man die S-formige Sl(pc)-Kurve. Weitere Labor-

versuche zur Ermittlung der Kapillardruck-Sattigungs-Kurve vor allem fur hohe relative

Luftfeuchtigkeiten (> 98%) ist die Quecksilberdruckporosimetrie (Hg-Porosimetrie) und

das Druckplattenverfahren. Auf eine ausfuhrliche Beschreibung dieser Verfahren wird an

dieser Stelle verzichtet und auf folgende Literatur verwiesen [Cerny & Rovnanıkova

2002; Carmeliet & Abeele ].

In der Regel erweist sich fur Beton die experimentelle Ermittlung der Kapillardruck-

Sattigungs-Kurve Sl(pc) als sehr langwierig, da aufgrund den Transporteigenschaften und

Probengroße ein stationarer hygrischer Gleichgewichtszustand erst in Wochen oder Mona-

ten erreicht wird. Vor diesem Hintergrund sind erganzend zu den experimentellen Tech-

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22 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

niken basierend auf numerischen Modellen funktionale Zusammenhange zwischen dem

Kapillardruck pc und der liquiden Sattigung Sl hergeleitet worden, mit dem Ziel, die To-

pologie des Porenraums zu erfassen [Bear & Bachmat 1991]. In dieser Arbeit findet die

analytische Funktion von Van Genuchten fur die Kapillardruck-Sattigungs-Beziehung

Verwendung [van Genuchten 1980]

Sl(pc) =

[(pcp0

) bb−1

+ 1

]−1

b

. (3.3)

Die materialspezifischen Parameter p0 und b werden gemaß [Baroghel-Bouny, Main-

guy, Lassabatere & Coussy 1999] fur Normalbeton zu b = 2.2478 und p0 = 18.6237

N/mm2 gewahlt. Auf die Relevanz der Sl(pc)-Kurve im Hinblick auf hygro-mechanische

Interaktionen wird in Kapitel 3.1.3 genauer eingegangen.

3.1.1 Elasto-plastisches Schadigungsmodell

Die Beschreibung des nichtlinearen mechanischen Materialverhaltens von Beton erfolgt

auf der Basis eines Mehrflachenmodells unter Berucksichtigung plastischer Deformationen

und irreversibler Steifigkeitsdegradation [Meschke, Lackner & Mang 1998]. Plasti-

sche Deformationen werden als Folge von Mikrorissen betrachtet und werden im Rah-

men des Konzept der verschmierten Risse modelliert [Rots & Blaauwendraad 1989;

Hofstetter & Mang 1995]. Mikrodefekte bzw. geschadigte Materialpunkte fuhren zu

einer Steifigkeitsdegradation, die auf der Makroebene am Entlastungspfad gemessen wer-

den kann. Im Folgenden wird das in [Meschke, Lackner & Mang 1998] entwickelte

Modell vorgestellt, aus dem sich die konstitutiven (mechanischen) Gleichungen fur Beton

herleiten lassen.

In Analogie zur klassischen Mehrflachen-Plastizitatstheorie wird anhand von i Fließflachen

fur samtliche zulassige Spannungszustande ein Bereich elastischen Materialverhaltens im

Spannungsraum definiert

IE = (σm, qk) | fk(σm, qk(αk)) ≤ 0, k = 1, ..., i . (3.4)

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass σm den lastinduzierten (mechanischen) Spannungs-

tensor des Betons symbolisiert. Die Einbeziehung von hygrischen Spannungen in die kon-

stitutiven Gleichungen des Betons wird in Kapitel 3.1.3 naher erortert. Somit beschreiben

die voneinander unabhangigen Fließ- bzw. Schadigungspotentiale fk(σm, qk(αk)) ≤ 0 in

Gleichung (3.4) das mechanische Verhalten von Beton im Druck- und Zugbereich und

bestimmen somit die Degradation der Steifigkeit und den Zuwachs an plastischen Ver-

formungen. Der Index k reprasentiert dabei die jeweilige Fließflache. Die zugehorigen

spannungsaquivalenten Ver- bzw. Entfestigungsfunktionen qk(αk) lassen sich aus den ver-

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3.1 Beton als poroses Medium 23

zerrungsaquivalenten internen Variablen αk ermitteln

qk(αk) = − ∂ U∂ αk

. (3.5)

Hierbei beschreibt U die ver- bzw. entfestigungsabhangige Energiedissipation, die mit mi-

krostruktureller Schadigung im Material assoziiert wird. Wahrend die Schadigungspoten-

tiale fk den zulassigen Spannungsraum kontrollieren, wird die Evolution der Schadigung

durch die Ver- bzw. Entfestigungsfunktionen qk(αk) gesteuert.

Im vorliegenden Modell werden drei Rankine-Fließflachen (k = 1, 2, 3) zur Beschreibung

des Materialverhaltens von Beton im Zugbereich angesetzt. Die Bestimmung des dukti-

len Ver- und Entfestigungsverhaltens im Druckbereich erfolgt anhand einer Drucker-

Prager-Fließflache (k = 4). Zur Erfassung mehrachsiger Beanspruchung konnen mehrere

Rissflachen bzw. eine Kombination aus mehreren Rissflachen gleichzeitig aktiv sein.

3.1.1.1 Beton im Zugbereich

Das quasi-sprode Materialverhalten von Beton im Zugbereich wird auf der Basis des Prin-

zips der maximalen Zugspannung σm formuliert. Die Rissflachen, die sich beim Uber-

schreiten der Betonzugfestigkeit einstellen, werden senkrecht zu den Hauptspannungsach-

sen angenommen. Dieses Materialversagen wird anhand von drei Rankine-Fließflachen

widergegeben. Im Hauptspannungsraum formuliert lauten die Fließfunktionen

fR,A(σm, qR) = σm,A − qR(αR) ≤ 0, A = 1, 2, 3 (3.6)

wobei A die jeweilige Hauptspannungsrichtung angibt. Das Nachbruchverhalten des Be-

tons wird gemaß [Meschke, Lackner & Mang 1998] anhand einer hyperbolischen

Entfestigungsfunktion beschrieben

qR(αR) = ftu1

(

1 +αR

αR,u

)2 . (3.7)

In Abbildung 3.1 ist das Entfestigungsgesetz qR(αR) dagestellt. Erst beim Erreichen der

Betonzugfestigkeit ftu wird die Entfestigungsfunktion relevant und beschreibt bei weite-

rer Laststeigerung die residualen Zugspannungen in Abhangigkeit von der internen Va-

riable αR. Der Parameter αR,u in Gleichung (3.7) ist numerisch bedingt und reduziert

die Netzabhangigkeit einer numerischen Losung. Diese Regularisierung ist im Rahmen

des Konzepts der verschmierten Risse erforderlich, um eindeutige Ergebnisse bei einer

Finite-Elemente-Analyse zu erzielen. Entsprechend des Bruchenergiekonzepts hangt der

Parameter αR,u im Wesentlichen von der spezifischen Bruchenergie Gf des Betons im

mode-I Zustand und von der aquivalenten Lange des jeweiligen finiten Elements lc ab.

Aus der Integration des Entfestigungsgesetzes (3.7) fur den Bereich 0 ≤ αR < ∞ lasst

sich der Parameter αR,u bestimmen. Fur weitergehende Informationen sei an dieser Stelle

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24 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

q R

αR

ftu

0.0

Abbildung 3.1: Hyperbolisches Entfestigungsgesetz fur Beton im Zugbereich.

auf folgende Referenzen verwiesen [Meschke, Lackner & Mang 1998; Grasberger

2002].

3.1.1.2 Beton im Druckbereich

Die Beschreibung der duktilen Materialantwort von Beton im Druckbereich erfolgt an-

hand eines Plastizitatsmodells gemaß Drucker-Prager mit Ver- und Entfestigungsei-

genschaften. Diese Modellformulierung erweist sich insofern sinnvoll, als die benotigten

Modellparameter durch ein- und zweiachsige Druckversuche schnell gewonnen werden

konnen. Somit lautet die angesetzte Fließfunktion fDP fur den Druckbereich wie folgt

fDP (σm, qDP ) =√

J2 − κDP I1 −qDP (αDP )

γDP≤ 0, (3.8)

wobei J2 die zweite Invariante des Spannungsdeviators und I1 die erste Invariante des

Spannungstensors darstellt. Die Modellparameter κDP und γDP werden in Abhangigkeit

des Verhaltnisses der biaxialen zur uniaxialen Festigkeit des Betons fcb/fcu bestimmt

κDP =1√3

(fcb/fcu − 1

2fcb/fcu − 1

)

und γDP =√3

(2fcb/fcu − 1

fcb/fcu

)

, (3.9)

wobei fcb/fcu = 1.16 als typischer Wert fur Beton angesetzt werden kann.

Das zunachst ver- und dann entfestigende nichtlineare Materialverhalten ist in Abbildung

3.2 dargestellt und wird durch folgende Funktion qDP (αDP ) gemaß [Meschke, Lackner

& Mang 1998] beschrieben

qDP (αDP ) =

fcu − fcu−fcyα2

DP,u

(αDP,u − αDP )2 fur αDP < αDP,u

fcu − fcu−fcc(αDP,c−αDP,u)2

(αDP,u − αDP )2 fur αDP,u ≤ αDP < αDP,c

fcc −DDP,u(αDP,c − αDP ) fur αDP,c ≤ αDP

(3.10)

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3.1 Beton als poroses Medium 25

0.0

fcy

fcu

αDP,u αDP,c

αDP

q DP

Abbildung 3.2: Ver- und Entfestigungsgesetz fur Beton im Druckbereich.

mit: fcu Druckfestigkeit

fcy = 0.4fcufcc = fcu/1000

DDP,u = −1.0 · 10−8

Der Parameter αDP,u wird aus den Verzerrungen εu fur σm = fcu fur eine uniaxiale

Druckbelastung ermittelt

αDP,u = c (εu −fcuE

) mit c =1

γDP (1/√3 + κDP )

, (3.11)

hierbei bezeichnet E den Elastizitatsmodul des Betons. Der Wert von αDP,c wird aus der

uniaxialen Bruchenergie des Betons im Druckbereich Gc und der aquivalenten Große des

jeweiligen finiten Elements lc berechnet

αDP,c =3

2

1

fcu

(

cGc

lc− 1

3fcy αDP,u

)

. (3.12)

3.1.1.3 Evolutionsgleichungen

Vereinfachend und auf Anisotropie bei Rissbildung verzichtend, erfolgt die Modellbil-

dung der Steifigkeitsdegradation infolge Mikrodefekte auf der Basis einer isotropen bzw.

skalaren Schadigungsevolution gemaß [Kachanov 1958]. Als Beschreibungsgroße dient

hierbei die Kontinuitat ψ bzw. die Schadigungsvariable d

ψ =A0 −Ad

A0= 1− Ad

A0= 1− d mit 0 ≤ d ≤ 1. (3.13)

Vom Grundgedanken her, gibt d das Verhaltnis von geschadigter Flache Ad zu un-

geschadigter Ausgangsflache A0 an, d.h. fur d = 0 (bzw. ψ = 1) wird ein intaktes und

ungeschadigtes Material beschrieben und bei d = 1 (bzw. ψ = 0) wird von einem vollig

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26 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

zerstorten Material ausgegangen, das sich an eine Kraftubertragung nicht mehr beteiligt.

Die skalare Degradation des elastischen Materialtensors C0m fur Beton lasst sich somit wie

folgt angeben

ψ C0m = (1− d)C0

m . (3.14)

Im Rahmen des kombinierten elasto-plastischen Schadigungsmodells wird der Schadi-

gungsanteil ψ und der Zuwachs der plastischen Verzerrungen εpm anhand eines skalaren

Parameters 0 ≤ β ≤ 1 gesteuert [Meschke, Lackner & Mang 1998]. Dabei werden

inelastische Raten in plastische und schadigende Anteile zerlegt, was ein kombiniertes

Materialverhalten aus einem elasto-plastischen Modell (β = 0) und aus einem skalaren

Schadigungsmodell (β = 1) ermoglicht.

Unter Ausnutzung des Prinzips der maximalen inelastischen Dissipation und Einfuhrung

der Lagrange-Multiplikatoren γk ≥ 0 lassen sich fur die assoziierte Normalenregel die

Evolutionsgesetze fur die plastischen Verzerrungen

εpm = (1− β)4∑

k=1

γk∂ fk∂ σm

, (3.15)

fur die Kontinuitat

(ψ−1) = β4∑

k=1

γk

∂ fk∂ σm

: C0m :

∂ fk∂ σm

∂ fk∂ σm

: σm

, (3.16)

fur die verzerrungsaquivalenten inneren Variablen

αR =

3∑

A=1

γR,A∂ fR,A

∂ qR, (3.17)

αDP = γDP∂ fDP

∂ qDP, (3.18)

sowie die klassischen Kuhn-Tucker-Bedingungen

fk(σm, qk) ≤ 0, γk ≥ 0, γkfk(σm, qk) = 0 (3.19)

angeben. Auf eine detaillierte Herleitung der Evolutionsgleichungen und deren Integration

unter Verwendung des Return-Map-Algorithmus wird an dieser Stelle verzichtet und auf

folgende Literatur verwiesen [Simo, Kennedy & Govindjee 1988; Govindjee, Kay

& Simo 1995; Meschke, Lackner & Mang 1998].

3.1.2 Hygro-thermische Transportgesetze

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Modellbildung des mechanischen Materialver-

haltens im Fokus stand, wird nachfolgend auf das in [Grasberger 2002] vorgestellte

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3.1 Beton als poroses Medium 27

hygro-thermische Transportverhalten von Beton eingegangen. Im Rahmen der Modellie-

rung gilt es dabei, makroskopische Transportgesetze fur die Feuchtigkeit und fur die Tem-

peratur aufzustellen, die in die homogenisierte (makroskopische) Beschreibung des Betons

als 3-Phasen-Medium Eingang finden. Aufgrund der Tatsache, dass die Transportmecha-

nismen stark von den hygro-thermischen Gegebenheiten abhangen und somit der Warme-

und Feuchtehaushalt sich gegenseitig stark beeinflussen, werden die Transportgesetze fur

Warme und Feuchtigkeit zunachst getrennt betrachtet. Im Anschluss daran werden dann

die fur Beton relevanten hygro-thermischen Kopplungen aufgefuhrt.

Ein besonderes Augenmerk im nachsten Unterkapitel 3.1.2.1 richtet sich auf den Feuch-

tetransport innerhalb von Rissen. Diese Betrachtung ist insofern von Interesse, als der

Fluidtransport im Riss unabhangig von der Mikrostruktur ist und dieser sich grund-

legend vom Feuchtestrom im ungeschadigten Bereich unterscheidet [Aldea, Shah &

Karr 1999; Gerard & Marchand 2000; Oshita & Tanabe 2000]. Abhangig von

der Rissoffnungsweite und den hygrischen Bedingungen stellt sich im Riss ein viel großerer

Feuchtestrom ein als im intakten Beton. Risse beschleunigen den Transportprozess, weil

sie als zusatzliche Fließkanale angesehen werden konnen und somit die Durchlassigkeit

des Betons begunstigen. Abhangig von der Rissoffnungsweite kann die Durchlassigkeit

des gerissenen Betons um mehrere Großenordnungen zunehmen [Bazant & Raftshol

1982; Bazant, Sener & Kim 1987; Reinhardt 1997; Aldea, Shah & Karr 1999;

Gerard & Marchand 2000; Oshita & Tanabe 2000; Roels, Vandersteen &

Carmeliet 2003].

3.1.2.1 Transportgesetz fur Feuchtigkeit

Aufgrund des breiten Porengroßenspektrums treten die unterschiedlichen Transportme-

chanismen mehrskalig und gleichzeitig auf, was eine Differenzierung der einzelnen Trans-

portphanomene wesentlich erschwert. Des Weiteren hangt der vorherrschende Transport-

prozess im Porenraum stark vom Aggregatzustand des Wassers ab, das je nach Umge-

bungsbedingung entweder in gasformiger oder in flussiger Form vorliegt. Aufgrund der

komplexen mikro- und mesoskopischen Interaktionen der Feuchteprozesse erfolgt die Mo-

dellierung der unterschiedlichen Transportmechanismen in integraler Form. Die Grundidee

hierzu basiert auf Darcy’s-Gesetz fur laminare Stromung in gesattigten porosen Medien.

Durch die Einfuhrung der makroskopischen hydraulischen Permeabilitat k werden die un-

terschiedlichen Gas- und Flussigkeitstransportanteile zusammengefasst und anhand der

Feuchtestromdichte ql integrativ beschrieben [Bazant & Najjar 1972; Reinhardt

1997]. Die Abhangigkeit der Permeabilitat k vom Feuchtegehalt gestattet,Darcy’s linea-

res Transportgesetz auf teilgesattigte Medien zu erweitern. Basierend auf [Grasberger

2002] lasst sich somit die makroskopische Feuchtestromdichte ql zunachst ohne Tempe-

raturabhangigkeit wie folgt beschreiben

ql =k

µl· ∇ pc , (3.20)

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28 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

wobei der Kapillardruck pc als treibende Kraft angesetzt wird. Der Parameter µl stellt in

der obigen Gleichung die dynamische Viskositat des Wassers dar.

Wie zu Beginn des Kapitels 3.1.2 schon erwahnt, spielt die Wechselwirkung zwischen Ris-

sen und Feuchtetransport eine bedeutende Rolle. Um dieser hygro-mechanischen Wechsel-

wirkung Rechnung zu tragen, wird in der Arbeit [Grasberger 2002] die Permeabilitat

k additiv in zwei Anteile zerlegt

k = kpor + kcrack . (3.21)

Der Parameter kpor beschreibt hierbei die Durchlassigkeit des intakten und un-

geschadigten Betons, die im Wesentlichen von der Topologie des Porenraums und von

der liquiden Sattigung Sl abhangt

kpor = kr(Sl) kφ(φ)k0 . (3.22)

Dabei berucksichtigt die initiale Permeabilitat k0 makroskopisch die Porenraumeigen-

schaften des gesattigten und ungeschadigten Betons. Anhand von praparierten und voll-

gesattigten Betonproben kann k0 experimentell bestimmt werden.

Die relative Permeabilitat kr(Sl) hingegen beschreibt die Durchlassigkeit fur den teil-

gesattigten Zustand. Basierend auf einem Porennetzwerkmodell [van Genuchten 1980]

wird eine von der liquiden Sattigung Sl abhangige Funktion verwendet

kr(Sl) =√

Sl

[

1− (1− S1/ml )m

]2

. (3.23)

Der dimensionslose und materialspezifische Parameter m wird in [Baroghel-Bouny,

Mainguy, Lassabatere & Coussy 1999] fur Normalbeton mit m = 0.4396 angenom-

men.

Die Funktion kφ(φ) in Gleichung (3.22) basiert auf experimentellen Daten und gibt den

Einfluss der veranderlichen Porositat φ auf die Permeabilitat des ungeschadigten Betons

kpor an

kφ(φ) = 10δ mit δ =6 (φ− φ0)

0.3− 0.4φ0

, (3.24)

wobei φ0 die initiale Porositat des Betons im unbelasteten Zustand und φ die verander-

liche (verformungsabhangige) Porositat im belasteten Zustand darstellt [Nyame &

Illston 1981; Grasberger 2002].

Der Parameter kcrack in Gleichung (3.21) tragt dem beschleunigten Fluidtransport im

Riss Rechnung. Wie zu Beginn des Kapitels 3.1.2 angemerkt, stellt sich im Riss abhangig

von der Rissoffnungsweite w und den hygrischen Bedingungen ein viel großerer Feuchte-

strom ein als im intakten Beton. Die erhohte Permeabilitat im Riss kcrack ist unabhangig

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3.1 Beton als poroses Medium 29

von der Mikrostruktur und wird in Abhangigkeit der liquiden Sattigung Sl und der Rissoff-

nungsweite w wie folgt formuliert

kcrack = krc(Sl)kd(w). (3.25)

Die Funktion krc(Sl) beschreibt analog zu kr(Sl) in Gleichung (3.23) die relative Permea-

bilitat innerhalb des Risses. In [Grasberger 2002] wird eine exponentielle Formulierung

hierfur angenommen

krc(Sl) = 8 · 10−6 exp(11.7Sl). (3.26)

Der Tensor kd(w) hingegen gibt abhangig der Rissorientierung und von der Rissweite w

die Durchlassigkeit in einem gesattigten Riss an [Grasberger 2002]. Zur Herleitung

des funktionellen Zusammenhangs zwischen w und kd wird als physikalisches Modell das

kubische Fließgesetz gemaß Poiseuille herangezogen. In Abhangigkeit von der Rissweite

w und der Viskositat des Wassers µl wird der Feuchtestrom q zwischen zwei parallelen,

glatten und wasserundurchlassigen Platten ermittelt [Witherspoon, Wang, Iwai &

Gale 1979]

q =w3

12µl

∇ pc. (3.27)

Die glatten Platten reprasentieren dabei die idealisierten Rissflachen. Die Wasserun-

durchlassigkeit senkrecht zu den Rissflachen ist bei Beton aufgrund des dominanten Flus-

ses entlang des Risses eine zulassige Annahme. Da die Rissflachen im Allgemeinen jedoch

eine Rauhigkeit aufweisen und sich aufgrund der Risstopologie zudem eine Tortuositat

einstellt, wird fur die Rissweite w eine aquivalente hydrauliche Rissweite wh bestimmt

[Barton, Bandis & Bakhtar 1985]

wh =w2

R2.5fur w ≥ wh, (3.28)

die die tatsachliche Rissweite w aus Gleichung (3.27) ersetzt. Die Werte fur w und wh sind

in µm einzusetzen. Mit der makroskopischen Rauhigkeit des Risses R wird eine Anpas-

sung an das Platten-Modell vorgenommen. Dieser Parameter wird aus experimentellen

Untersuchungen an geklufteten Gestein phanomenologisch hergeleitet und wird fur Beton

mit R = 15 angegeben [Grasberger 2002].

Unter Berucksichtigung von Gleichung (3.27) und (3.28) kann der Tensor kd(w) fur eine

Rissweite w wie folgt formuliert werden

kd = T T · k′

d · T , mit k′

d =

0 0 0

0 w3h/(12 lc) 0

0 0 w3h/(12 lc)

. (3.29)

Aufgrund der verschmierten Rissmodellierung wird die diskrete Rissweite wh uber eine

charakteristische Elementlange lc verschmiert [Meschke, Lackner & Mang 1998].

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30 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

Der Tensor T berucksichtigt die Orientierung des Risses in einem Materialpunkt und

dient zur Transformation der lokalen Große k′

d in das globale Koordinatensystem.

Die Rissweite w ist vom Grad der Betonschadigung abhangig und wird beim Uberschreiten

der Zugfestigkeit ftu maßgebend. Im Rahmen der verschmierten Risse errechnet sich w als

Funktion von der inneren Variablen αR wie folgt [Meschke, Lackner & Mang 1998]

w(αR) = βlc αR,u

3

[(

1 +αR

αR,u

)3

− 1

]

(

1 +αR

αR,u

)2 + (1− β) lc αR. (3.30)

3.1.2.2 Transportgesetz fur Warme

Die Beschreibung der Warmestromdichte qt basiert zunachst unter Vernachlassigung

thermo-mechanischer Kopplungsterme auf Fourier’s linearem Warmeleitgesetz

qt = −Dt∇T . (3.31)

Das Gesetz, welches Fourier fur einen trockenen Festkorper aufstellte, beschreibt eine

Proportionalitat zwischen der Warmestromdichte qt und dem Gradienten der Tempe-

ratur T . Die Warmeleitfahigkeit Dt entspricht hierbei dem Proportionalitatsfaktor. Das

negative Vorzeichen in Gleichung (3.31) tragt der Tatsache Rechnung, dass der Warme-

strom entgegen dem Temperaturgradienten stattfindet. Unter der Annahme eines ther-

misch isotropen Materialverhaltens stellt die materialspezifische Warmeleitfahigkeit eine

skalare Große dar. Fur Normalbeton wird in [Hamfler 1988] die Großenordnung fur

Dt mit 1.2 ≤ Dt ≤ 4.0 [W/(mK)] angegeben. In [Oberbeck 1995] wird die thermische

Leitfahigkeit fur einen trockenen Beton zu Dt = 1.85 W/(mK) bestimmt. Basierend auf

experimentellen Daten von [Hundt 1977] wird in [von Smuda & von Wolfersdorf

1990] eine von der Temperatur abhangige Warmeleitfahigkeit Dt(T ) angegeben

Dt(T ) = Dt,dry [0.93 + 3.5 · 10−3(T − 273.1)], (3.32)

wobei Dt,dry die Warmeleitfahigkeit des trockenen Materials darstellt und hier fur 20C

zu Dt,dry = 1.85 W/(mK) gewahlt wird. Die Berucksichtigung der Feuchtigkeit erfolgt im

nachsten Unterkapitel.

3.1.2.3 Hygro-thermische Wechselwirkung

Feuchte- und Temperaturprofile in einer Betonstruktur werden neben den hygro-

thermischen Initialzustanden in erster Linie von den naturlichen Bedingungen der

Umgebung bestimmt. Da im naturlichen Zustand die relative Luftfeuchtigkeit und die

Temperatur standig schwanken, stellt sich im Beton sowohl ein Feuchte- als auch ein

Temperaturgradient ein. Hygrische und thermische Transportvorgange im Beton treten

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3.1 Beton als poroses Medium 31

demzufolge stets zeitgleich auf und mussen daher hinsichtlich ihrer hygro-thermischen

Interaktionen formuliert werden. Nur in speziell praparierten Laborversuchen werden

zwecks Parameterbestimmung isotherme Umgebungsbedingungen geschaffen, die dann

eine weitgehend entkoppelte Betrachtung erlauben. In allen anderen Strukturanalysen

jedoch muss fur eine realitatsnahe Beschreibung von Transportvorgangen die Wechsel-

wirkung zwischen Warme und Feuchtigkeit berucksichtigt werden [Oberbeck 1995;

Steffens 2000; Grasberger 2002; Wormann 2004].

Einfluss des Feuchtegehalts auf den Warmetransport

Das Porenwasser im Beton, welches uberwiegend als Sorptions- und Kapillarwasser vor-

liegt, beeinflusst den Warmetransport in unterschiedlicher Weise. Zum einen dient das im

Beton befindliche Porenwassser als ein zusatzliches Speichermedium fur Warme und tragt

somit zum Warmehaushalt bei. Die Gesamtwarmekapazitat des Betons setzt sich daher

additiv aus der Warmekapazitat des trockenen Stoffes (Matrix) und aus der Warmeka-

pazitat des Wassers zusammen. Dabei ist der Warmeanteil des Wassers von der liquiden

Sattigung Sl abhangig. Ein weiterer Einflussfaktor des Porenwassers auf den Warmetrans-

port liegt in der Feuchteabhangigkeit der Temperaturleitfahigkeit Dt. Diese Kopplung be-

ruht auf der Tatsache, dass die Warmeleitfahigkeit des Wassers wesentlich hoher als die

der Porenluft ist und daher mit zunehmender liquider Sattigung Sl eine erhohte Tempera-

turleitfahigkeitDt beobachtet werden kann. Zur Beschreibung der Temperaturleitfahigkeit

Dt als Funktion vom Feuchtegehalt wird in der Literatur haufig ein linearer Zusammen-

hang angenommen [Oberbeck 1995; Lewis & Schrefler 1998]. In dieser Arbeit

liegt der Ansatz aus [Grasberger 2002] zugrunde, der sich aus einer Kombination aus

Gleichung (3.32) und dem Ansatz gemaß [Lewis & Schrefler 1998] zusammensetzt

Dt(T, Sl, φ) = Dt,dry [0.93 + 3.5 · 10−3(T − 273.1)]

[

1 + 4φSlρl

(1− φ)ρs

]

. (3.33)

Neben der Dichte des Wassers ρl und der Dichte des Feststoffes (Matrix) ρs findet in

Gleichung (3.33) auch der Einfluss der Porositat φ Berucksichtigung.

Einfluss der Temperatur auf den Feuchtetransport

Eine weitere hygro-thermische Wechselwirkung besteht in der Temperaturabhangigkeit

der hydraulischen Permeabilitat. Es ist zu beobachten, dass sich mit steigender Tempera-

tur ein zunehmender Feuchtestrom einstellt. Dieser Zusammenhang lasst sich mit den tem-

peraturabhangigen Eigenschaften des Wassers, wie z.B. Oberflachenspannung und Visko-

sitat, begrunden [Oberbeck 1995]. Von tiefen Temperaturen bzw. Eisbildung absehend

wird gemaß [Grasberger 2002] die hydraulische Permeabilitat kpor fur den ungeschadig-

ten Materialbereich aus Gleichung (3.22) um eine dimensionslose skalare Funktion kt(T )

erweitert

kpor = kr(Sl) kφ(φ) kt(T )k0 , (3.34)

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32 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

die die Temperaturabhangigkeit der hydraulischen Permeabilitat berucksichtigt. In

Abhangigkeit von der absoluten Temperatur T wird fur kt(T ) der Ansatz aus [Bazant

& Najjar 1972] gewahlt

kt(T ) =T

T0exp

[

4680

(1

T0− 1

T

)]

, (3.35)

mit T0 = 293.1 K als Referenztemperatur, die einer ublichen Umgebungstemperatur von

20C entspricht.

3.1.3 Gekoppelte Zustandsgleichungen des hygro-thermischen

Schadigungsmodells

Mogliche Belastungsszenarien des hygro-thermischen Schadigungsmodells sind die auf der

Makroebene messbaren Verformungen sowie messbare Veranderungen des Feuchte- und

Warmehaushaltes in einer Betonstruktur. Die Beschreibung der entsprechenden gekoppel-

ten Materialantwort auf makroskopischer Ebene erfolgt mit Hilfe von externen Zustands-

großen. In [Grasberger 2002] werden als externe Zustandsvariablen das Verzerrungsfeld

εm, die Anderung des Feuchtegehalts ml und das Temperaturfeld T vorgeschlagen. Der

Feuchtegehalt ml [kg/m3] lasst sich uber die Dichte des Wassers ρl, die Gesamtporositat

des Betons φ und uber den Grad der liquiden Sattigung Sl wie folgt ermitteln

ml = ρl φSl. (3.36)

Unter der Annahme kleiner Verformungen, d.h. der geometrische linearen Theorie, lasst

sich der lineare, symmetrische Verzerrungstensor des Betons εm additiv zerlegen

εm = εem + εpm + εthm + εfm. (3.37)

Die reversible mechanische Verformungsenergie wird anhand des elastischen Verzer-

rungstensors εem beschrieben. Bei der Entlastung bleibende (irreversible) Verformungen

hingegen definieren die plastischen Verzerrungen εpm des unbewehrten Betons. Verfor-

mungsanderungen infolge Temperatureinwirkung rufen thermische Verzerrungen εthm her-

vor, und langzeitige Kriechverformungen werden uber den Verzerrungstensor εfm erfasst.

Basierend auf der Biot-Coussy Theorie [Biot 1941; Coussy 1995; Coussy 2004],

die bereits in Kapitel 3.1 kurz Erwahnung fand, lasst sich die thermodynamisch motivier-

te freie Energiefunktion Ψm durch einen Satz interner und externer Zustandsvariablen

eindeutig bestimmen

Ψm = W(εem, ml, T, ψ, γf) + U(αR, αDP ). (3.38)

Die elastische Verzerrungsenergie W wird dabei durch die elastischen Verzerrungen εem,

den Feuchtegehalt ml, die Temperatur T , die Kontinuitat ψ aus Gleichung (3.13) und

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3.1 Beton als poroses Medium 33

durch die kriechinduzierten Mikroverformungen γf beschrieben. Auf diesen viskosen mi-

krostrukturellen Verformungen γf wird in Kapitel 3.1.5.3 genauer eingegangen. Die Funk-

tion U hingegen beschreibt den dissipativen Anteil der freien Energie Ψm, der mit dem

nichtlinearen Materialverhalten von Beton verknupft ist und anhand der Ver- und Entfe-

stigungsparameter αR und αDP aus Gleichung (3.17) bzw. (3.18) bestimmt wird.

Das Einsetzen der materiellen Zeitableitung der freien Energiefunktion Ψm in den zwei-

ten Hauptsatz der Thermodynamik und anschließendes Ableiten nach samtlichen internen

und externen Zustandsvariablen liefert die gekoppelten Zustandsgleichungen. Zur Verein-

fachung und aus Effizienzgrunden werden in der vorliegenden Arbeit nicht samtliche ther-

modynamisch konsistenten Wechselwirkungen fur die Herleitung der Zustandsgleichungen

berucksichtigt. Unter den naturlichen hygrischen und thermischen Umgebungsbedingun-

gen konnen einige Kopplungen bzw. Feldgleichungen aufgrund ihres kleinen Anteils ver-

nachlassigt werden, da sie eine untergeordnete Rolle fur den Beton darstellen. So wird

neben der Annahme kleiner Verzerrungen in Gleichung (3.37) und der Vernachlassigung

der Gasphase pg = 0 in Gleichung (3.2) zusatzlich vorausgesetzt, dass keine zu hohen

oder zu tiefen Temperaturen im Porenraum vorherrschen, so dass das Kapillarwasser we-

der im Siede- noch im Gefrierzustand vorzufinden ist. Basierend auf diesen Uberlegungen

werden in den Arbeiten [Coussy, Eymard & Lassabatere 1998] und [Grasberger

2002] im Rahmen der Modellbildung zusatzlich folgende Annahmen getroffen:

• es gibt keine Diskontinuitaten im Temperatur- und Feuchtigkeitsfeld

• der Zuwachs an Porositat φ infolge Mikrorisse wird nicht berucksichtigt

• hygro-mechanische Prozesse bewirken keine Anderung der Temperaturverteilung

• das Schadigungsinkrement dψ hat keinen Einfluss auf den inkrementellen liquiden

Fluiddruck dpl

Des Weiteren haben –abhangig vom verwendeten Kriechmodell– die kriechinduzierten

Mikroverformungen dγf keinen Einfluss auf die Spannungs-, Feuchtigkeits- und Tempe-

raturverteilung, worauf in Kapitel 3.1.5.3 genauer eingegangen wird. Unter Beachtung

der getroffenen Annahmen lassen sich die makroskopischen Zustandsgleichungen mit den

zugehorigen relevanten Kopplungen in inkrementeller Form wie folgt angeben [Grasber-

ger 2002; Grasberger & Meschke 2003]:

Totale Matrixspannungen σm

dσm = ψ C0m :

[dεm − dεpm − dεthm − dεfm

]−B dpl +Λ dψ (3.39)

Fluiddruck pl

dpl = ψMdml

ρl− ψMB :

[dεm − dεpm − dεthm − dεfm

](3.40)

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34 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

Entropie S

dS =Cu

T0dT. (3.41)

In Gleichung (3.39) stellt B = b1 den zweistufigen Tensor des tangentialen elastischen

Biot-Koeffizienten b dar und beschreibt den Einfluss eines Feuchtegradienten auf die Ma-

trixspannungen. Ein sinnvoller Ansatz fur b leitet sich aus der Gegenuberstellung der

makroskopischen Zustandsgleichung (3.39) mit einer mikroskopischen Betrachtungsweise

des porosen Mediums her. Unter Verwendung des Kompressionsmoduls des Skelettmate-

rials Ks und des Kompressionsmoduls des Betons K lasst sich in Anlehnung an [Coussy

1995; Carmeliet 2001; Grasberger 2002] folgender Ausdruck fur den Kopplungs-

koeffizient b fur Teilsattigung herleiten

b = Sl

[

1− ψK

Ks

]

. (3.42)

Zur Identifikation der Wechselwirkung zwischen den Matrixspannungen dσm mit der

Schadigungsevolution dψ, wird der Kopplungskoeffizient Λ = Λ(εem, pl) aus den Sym-

metriebedingungen der gemischten Ableitungen des Potentials Ψm aus Gleichung 3.38

hergeleitet. Diese Betrachtung basiert auf der Tatsache, dass die gemischten Ableitungen

des Potentials Ψm nach den Zustandsvariablen unabhangig von der gewahlten Reihenfolge

der Ableitungen sind (Maxwell-Symmetrien). Somit ergeben sich unter Einbeziehung der

Gleichung (3.42) fur den Biot-Koeffizienten b folgende Beziehungen

∂Λ

εem=∂(ψC0

m)

∂ψ= C

0m sowie

∂Λ

∂pl= −∂B

∂ψ= Sl

K

Ks. (3.43)

Das Einsetzen der obigen Symmetriebedingungen in die inkrementelle Formulierung des

Kopplungskoeffizienten Λ = Λ(εem, pl)

dΛ =∂Λ

∂εem

dεem +∂Λ

∂pldpl (3.44)

und anschließende Integration liefert den gesuchten zweistufigen Kopplungstensor

Λ = C0m : (εm − εpm − εthm − εfm) +

K

Ks

pl

Sl dpl 1 (3.45)

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass der Einfluss der Temperatur T indirekt uber die

temperaturinduzierten volumetrischen Verzerrungen dεthm = αth dT 1 berucksichtigt wird.

Der Parameter αth stellt hierbei den materialspezifischen thermischen Ausdehnungskoef-

fizienten dar.

Die Beschreibung der Feuchtigkeitsverteilung erfolgt uber den makroskopischen Fluid-

druck pl aus Gleichung (3.40). Dieser kann uber die Beziehung pl = −pc aus Gleichung

(3.2) alternativ durch den Kapillardruck pc ausgedruckt werden. Der Biot-Modul M aus

Gleichung (3.40) lasst sich, wie auch der Biot-Koeffizient b, aus der Gegenuberstellung

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3.1 Beton als poroses Medium 35

der mikroskopischen Eigenschaften des porosen Mediums mit den makroskopischen Zu-

standsgleichungen herleiten. In [Grasberger 2002] wird unter Vernachlassigung von

thermischen Effekten einen vereinfachten Ausdruck fur M angegeben

M =1

ψ

[

φ∂Sl

∂pl

]−1

. (3.46)

Unter den zu Beginn dieses Kapitels genannten Annahmen, lasst sich das Inkrement der

Entropie dS aus Gleichung (3.41) lediglich als Funktion der Temperatur T darstellen.

Dabei bezeichnet der materialspezifische Parameter Cu die Warmekapazitat des Betons

mit T0 als Referenztemperatur.

Die vollstandige Beschreibung zur Herleitung der Zustandsgleichungen (3.39) bis (3.41) ist

nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Daher sei an dieser Stelle erneut auf folgende

Referenzen verwiesen [Coussy 1995; Grasberger 2002; Grasberger & Meschke

2003; Coussy 2004].

3.1.4 Effektive Spannungen

Die starke Interaktion zwischen der Porenfeuchtigkeit und den Matrixspannungen ist so-

wohl auf mikroskopischer als auch auf struktureller Ebene ein wesentliches Merkmal fur

zementgebundene Materialien. So manifestiert sich diese Wechselwirkung beispielsweise

in der Abhangigkeit der Zug- und Druckfestigkeit des Betons von der Materialfeuchtigkeit

oder, wie bereits in Kapitel 3.1.5 erortert, weisen langzeitige Kriechverformungen eben-

falls eine starke Abhangigkeit vom Grad der Feuchtigkeit auf. Zur Beschreibung dieser

weiteren hygro-mechanischen Wechselwirkung wird das Konzept der effektiven Spannun-

gen herangezogen. Dieser Losungsansatz hat seinen Ursprung in der Bodenmechanik und

wurde vorwiegend fur geotechnische Problemstellungen formuliert, wobei die Anwendung

zunachst auf vollgesattigte Materialien mit inkompressiblen Konstituierenden beschrankt

war [von Terzaghi 1936]. Verfeinerungen des Konzepts der effektiven Spannungen un-

ter Berucksichtigung der Kompressibilitat des Matrixmaterials [Biot 1941] oder die For-

mulierung fur teilgesattigte porose Medien [Bishop 1959] erweiterten zunehmend das

Anwendungsspektrum.

Eine weitere Spezifizierung des Konzepts auf elastisch effektive Spannungen zur Beschrei-

bung des feuchteabhangigen Materialverhaltens von Beton geht auf die Arbeit [Cous-

sy, Eymard & Lassabatere 1998] zuruck. Dieser Losungsansatz jedoch ist auf ein

lineares Materialverhalten beschrankt und bietet somit ein begrenztes Anwendungsspek-

trum. Eine uberschaubare und praxisorientierte Verfeinerung des Konzepts stellen die in

[Coussy 1989] eingefuhrten plastisch effektiven Spannungen dar. Diese Methode erlaubt

es, mit lediglich einem zusatzlichen Materialparameter das plastische Materialverhalten

und die hygrisch induzierten Spannungen in Verbindung zu setzen. So ist es beispielsweise

moglich, schwindinduzierte Risse ohne die explizite Verwendung von Schwindverzerrun-

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36 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

gen zu modellieren, da die Schadigungsevolution neben den Matrixspannungen σm auch

vom Kapillardruck pc abhangt.

Die totale Formulierung der Matrixspannungen σm lasst sich aus der Integration der

einzelnen Summanden aus Gleichung (3.39) unter Einbeziehung der Gleichung (3.42) fur

den Biot-Koeffizient b, Gleichung (3.45) fur den Kopplungstensor Λ und aus Gleichung

(3.2) fur den Fluiddruck pl in Abhangigkeit vom Kapillardruck pc wie folgt angeben

σm = ψ C0m :

[εm − εpm − εthm − εfm

]+

[

1− ψK

Ks

] ∫

pc

Sl(pc) dpc 1 . (3.47)

Ausgehend aus Gleichung (3.47) lassen sich die elastisch effektiven Spannungen σ′em iden-

tifizieren, die mit den elastischen Verzerrungen der Matrix εem korrespondieren

σ′em = σm −

[

1− ψK

Ks

] ∫

pc

Sl(pc) dpc 1 = ψ C0m :

[εm − εpm − εthm − εfm

]. (3.48)

An dieser Stelle sei erneut auf die Bedeutung der Kapillardruck-Sattigungs-Beziehung

Sl(pc) in Gleichung (3.47) zur Beschreibung der hygrisch-induzierten Spannungen ver-

wiesen. Aus Informationen uber die Porennetzstruktur muss die Funktion Sl(pc) fur den

verwendeten Beton adaquat angepasst werden.

Zur makroskopischen Beschreibung der plastisch effektiven Matrixspannungen σ′pm = σ′

m

wird im Rahmen der Poroplastizitat der plastische Biot-Koeffizient bp eingefuhrt [Coussy

1989]

σ′

m = σm − bppc 1. (3.49)

Mit lediglich einem zusatzlichen Materialparameter bp wird dem plastischen Materialver-

halten des Betons im Hinblick auf hygrisch induzierte Spannungen Rechnung getragen.

Der plastisch effektive Spannungstensor σ′

m stellt hierbei die thermodynamisch assozi-

ierende Große zu den plastischen Matrixverzerrungen εpm dar. Der ursprunglich fur den

gesattigten Zustand vorgeschlagene plastische Biot-Koeffizient bp wurde fur teilgesattigte

porose Medien weiterentwickelt. Einen geeigneten Ausdruck fur bp wird in [Grasberger

& Meschke 2001] aus der Gegenuberstellung der Spannungen in der Mikroebene mit

den (makroskopischen) plastisch effektiven Spannungen σ′

m hergeleitet. In Anhangigkeit

von der Kontinuitat ψ, der Porositat φ und der liquiden Sattigung Sl wird folgender

Zusammenhang postuliert

bp = ψ φSl. (3.50)

3.1.5 Kriechen von Beton

In diesem Kapitel wird auf das Kriechen von Beton insbesondere im Zusammenwirken

mit hygrischen Wechselwirkungen eingegangen. Dabei ist das Hauptaugenmerk auf die

feuchtigkeitsinduzierten zusatzlichen Verformungen (Trocknungskriechen) gerichtet, die

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3.1 Beton als poroses Medium 37

bei mechanisch belasteten Strukturen bei gleichzeitiger Austrocknung auftreten. Es wer-

den zunachst die mikrostrukturellen Ursachen fur das Trocknungskriechen beschrieben

und anschließend ein adaquates Kriechmodell vorgeschlagen, welches in der Lage ist, die

strukturellen und intrinsischen Anteile des Trocknungskriechens zu quantifizieren. Ein

interessanter und neuartiger Losungsansatz liegt in der Formulierung des verwendeten

Kriechmodells im Rahmen der effektiven Spannungen, wodurch die physikalische Un-

trennbarkeit von Schwinden und Kriechen manifestiert wird.

3.1.5.1 Allgemeine Kriechmechanismen

Neben den lastunabhangigen Schwindverformungen treten beim Vorherrschen einer me-

chanischen Belastung weitere zeitabhangige Verformungen auf. Mit Kriechen werden im

Allgemeinen die zeitvarianten Verformungen bezeichnet, die unter einer konstanten Dau-

erbelastung neben den elastischen Deformationen zu beobachten sind. Die genauen Ur-

sachen fur das Betonkriechen sind bis heute nicht abschließend geklart. Es ist jedoch

allgemein anerkannt, dass sich die Kriechmechanismen innerhalb der Zementmatrix ab-

spielen, und die Zuschlagstoffe aufgrund ihrer hohen Festigkeit eine untergeordnete Rolle

spielen. Das Kriechverhalten von Beton lasst sich im Allgemeinen anhand von “inneren”

und “außeren” Einflussgroßen beschreiben.

Was den “inneren” Einflussgroßen anbelangt, so hangt die Große der Kriechverformungen

von der Zusammensetzung des Betons und von den damit einhergehenden Materialeigen-

schaften ab. Als maßgebliche Wirkungsgroße wird hierbei das freie (physikalisch gebun-

dene) Porenwasser angesehen, welches sich im Porengefuge bewegt und dabei Gleit- und

Verdichtungsvorgange innerhalb der Mikro- und Nanostruktur aktiviert und beschleunigt.

Die innere Struktur des Betons, insbesondere die Permeabilitat, wird von den beton-

technologischen Parametern, wie beispielsweise Wasser-Zement-Wert, Zementsorte und

Zuschlagstoffe, bestimmt. Da das Porenwasser einen dominanten Einfluss auf die Kriech-

vorgange ausubt, wird bei einem geringen Wasser-Zement-Wert der Kapillarporenraum

und damit die Gleit- und Verdichtungsvorgange reduziert, wodurch geringere Kriechver-

formungen resultieren. Die Zuschlagstoffe selbst kriechen zwar nicht, jedoch widersetzen

sich steifere Zuschlagskorner den Verformungen des Zementsteins starker als weiche Zu-

schlage.

Neben den “inneren” Einflussgroßen hinsichtlich der betontechnologischen Beschaffenheit

stellen die “außeren” Einwirkungen den zweiten maßgebenden Einflussfaktor dar. Hierzu

zahlen die mechanische Belastung sowie die umgebungsbedingten hygrischen und ther-

mischen Gegebenheiten. Andert sich beispielsweise der Feuchtegehalt des Porenraums

oder steigt die Umgebungstemperatur an, so wird ein Anwachsen der Kriechverformun-

gen beobachtet. Großere aufgebrachten Spannungen verstarken ebenfalls die Kriechme-

chanismen. Daruber hinaus ist der Zeitpunkt, in dem eine mechanische Belastung aufge-

bracht wird, und die Dauer der Belastung auch sehr entscheidend fur die Evolution der

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38 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

Kriechverformungen. Aufgrund des stetigen Erhartungsprozesses des Zementsteins fuhrt

ein großes Belastungsalter, d.h. ein spates Aufbringen der Belastung, zu geringeren Gleit-

und Verdichtungsvorgangen innerhalb des Betongefuges. Mit steigendem Belastungsalter

des Betons nehmen die Kriechverformungen daher ab.

Aufgrund der zahlreichen Einflussparameter und Komplexitat der mikromechanischen

Vorgange wird eine genaue Beschreibung der Kriechverformungen erschwert. Daher exi-

stiert bis dato keine allgemeingultige Kriechtheorie. Von den genannten Einflussfaktoren

wird nachfolgend die bedeutende Wechselwirkung zwischen den hygrischen Einwirkungen

und den Kriechmechanismen genauer untersucht und anschließend ein adaquates Modell

zur Beschreibung der Kriechverformungen formuliert.

3.1.5.2 Einfluss der Feuchtigkeit auf das Kriechen – Trocknungskriechen

Versuche bestatigen, dass eine nicht vernachlassigbare Abhangigkeit zwischen den

Kriechverformungen und dem Feuchtetransport im Porenraum besteht [Pickett 1942;

Bazant & Xi 1994; Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm 1997; Kovler 1999;

Benboudjema, F.Meftah & Torrenti 2001; Benboudjema, Meftah & Tor-

renti 2005a]. Unterscheidet sich die Porenfeuchtigkeit im Beton von der Umgebungs-

feuchtigkeit, wird ein Feuchteaustausch in Gang gesetzt. Aufgrund der hoheren Poren-

feuchtigkeit, kommt es daher zum Austrocknen des Betons. Bis sich ein hygrisches Gleich-

gewicht einstellt, konnen abhangig von der hydraulischen Durchlassigkeit und Dicke der

Betonstruktur teilweise Jahre, ja sogar Jahrzehnte vergehen [Reinhardt 1997].

Der Einfluss des Austrocknens auf die Kriechverformungen wurde erstmalig in [Pickett

1942] genauer untersucht. Es wurde die Beobachtung gemacht, dass die Verformungen,

die sich infolge mechanischer Last bei gleichzeitiger Austrocknung einstellen, großer sind

als die Summe der Verformungen, die infolge von Austrocknung und mechanischer Bela-

stung separat gemessen werden. Die zusatzlichen Verformungen werden in der Literatur

mit Trocknungskriechen (engl. drying creep) bezeichnet, und das Phanomen wird nach

dem Entdecker Pickett-Effekt benannt. In Abbildung 3.3 sind die Beobachtungen von G.

Pickett anhand eines eindimensionalen Beispiels veranschaulicht. Um den Pickett-Effekt

zu bestatigen, sind mindestens drei Versuche mit identischen Probekorpern erforderlich.

Zunachst mussen ohne die Berucksichtigung einer mechanischen Last die aus der Aus-

trocknung resultierenden Schwindverformungen am (unversiegelten) Probekorper gemes-

sen werden. In Abbildung 3.3 ist dieser Versuch mit “1” gekennzeichnet. Die zugehorigen

Schwindverformungen werden mit εshr angegeben. Die Indizierung wird in Anlehnung an

die englische Bezeichnung “shrinkage” gewahlt. Im nachsten Schritt wird in einem wei-

teren Probekorper anhand einer hygrischen Versiegelung zunachst der Feuchteaustausch

mit der Umgebung verhindert und anschließend mit einer konstanten Spannung belastet.

Die sich dabei einstellenden Kriechverformungen εbc werden mit Grundkriechen (engl. ba-

sic creep) bezeichnet. Dieser Versuch ist in Abbildung 3.3 mit “2” markiert. Abschließend

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3.1 Beton als poroses Medium 39

z e n t r i s c h e L a s tS c h w i n d e n G r u n d k r i e c h e n S c h w i n d e n

m i t K r i e c h e ns sse s h r

e b c

e t c

e s h r e b c e t c+ <

1 2 3V e r s i e g e l u n g

Abbildung 3.3: Schematische Darstellung des Trocknungskriechens [Pickett 1942]

werden unversiegelte Probekorper untersucht, die neben der konstanten Spannung gleich-

zeitig einer Austrocknung ausgesetzt werden (“3” in Abbildung 3.3). Die dabei gemessenen

Gesamtverformungen werden mit εtc (engl. total creep) bezeichnet. Werden die gemesse-

nen zeitabhangigen Verformungen anschließend gegenubergestellt, so wird erkennbar, dass

das Superpositionsprinzip nicht erfullt wird

εtc > εshr + εbc. (3.51)

Eine mechanisch belastete Betonstruktur, die gleichzeitig austrocknet, weist uber den

gesamten Zeitraum stets eine großere Verformung auf, als die Summe aus den Einzel-

mechanismen Schwinden und Grundkriechen. Die durch das Austrocknen hervorgerufene

zusatzliche Verformung

εdc = εtc − (εshr + εbc) (3.52)

entspricht dem zuvor angesprochenen Trocknungskriechen. Versuche zeigen, dass der

Pickett-Effekt bei einem hoheren Feuchtegradienten, einer hoheren außeren Belastung

und bei einem großeren Belastungszeitraum ausgepragter ist. Die genauen mikromechani-

schen Mechanismen hinsichtlich des Pickett-Effekts sind zwar bis dato nicht abschließend

geklart, jedoch herrscht uber die Ursachen weitgehend eine einheitliche Meinung [Bazant

& Wu 1974; Bazant & Xi 1994; Granger 1996; Bazant, Hauggaard, Baweja

& Ulm 1997; Benboudjema 2002; Benboudjema, Meftah & Torrenti 2005a].

Demnach werden zwei Ursachen fur das Trocknungskriechen genannt:

• Ein Anteil des Pickett-Effekts wird mit der Bildung von Mikrorissen begrundet, die

im Zuge der Austrocknung an der Oberflache der Struktur initiiert werden. Diese

strukturelle Komponente wird in der Literatur haufig mit “micro-cracking effect”

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40 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

bezeichnet. Da eine Betonprobe an der Oberflache auszutrocknen beginnt, bilden

sich dort infolge des Feuchtegradienten hohe Spannungen. Uberschreiten die resul-

tierenden Zugspannungen die Zugfestigkeit des Betons, kommt es zu Rissbildungen.

Diese Mikrorisse, die infolge der Klaffung der Rissflachen eine zu den Schwindver-

formungen entgegengesetzte Verformung hervorrufen, reduzieren somit in einem un-

belasteten Probekorper die gemessenen Schwindverformungen. Im Vergleich werden

in druckbelasteten Strukturen, die gleichzeitig austrocknen, großere Gesamtverfor-

mungen gemessen, da infolge der Druckspannung die Risse uberdruckt werden und

daher eine wesentlich kleinere entgegengesetzte Verformung auftritt. Es sei ange-

merkt, dass selbst in druckbelasteten Strukturen wahrend des Austrocknens Mikro-

risse an der Oberflache auftreten, deren Rissoffnung und Verteilung jedoch durch

die Belastung maßgeblich gesteuert werden kann [Sicard, Francois, Ringot &

Pons 1992]. Aufgrund von inelastischen Materialbeziehungen konnen sich diese

Mikrorisse nicht schließen und beeinflussen die gemessenen Verformungen uber den

gesamten Zeitraum. Diese Differenz in den gemessenen Verformungen zeichnet sich

insbesondere dadurch aus, dass sie zu Beginn der Austrocknung sehr schnell ansteigt

und bereits nach wenigen Tagen stagniert [Bazant & Wu 1974; Bazant & Xi

1994; Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm 1997]. Diese Entwicklung ist auf

den Feuchtegradienten zuruckzufuhren, der zu Beginn des Austrocknungsprozesses

die großten hygrischen Zugspannungen induziert. In Abbildung 3.3 ist dieser struk-

turelle Anteil anhand der unterschiedlichen Rissoffnungsweiten im Probekorper “1”

und “’3’ angedeutet.

• Der zweite Anteil des Trocknungskriechens ist intrinsischer Natur und wird auf-

grund des Austrocknungsprozesses den verstarkten Mikrodiffusionen innerhalb des

Zementsteins zugeschrieben. Da das Kriechen des Zementsteins unmittelbar mit der

Porenfeuchtigkeit verknupft ist, fuhrt ein Feuchtegradient zu einer Verstarkung und

Beschleunigung der Kriechmechanismen. Im Unterschied zu einem versiegelten Pro-

bekorper mit einem konstanten Feuchtigkeitsgehalt treten in diesem Fall großere

Kriechverformungen auf.

Zur Differenzierung der Anteile betreffend des Trocknungskriechens existieren keine ge-

eigneten Messverfahren, da zum einen die Schwind- und Kriechmechanismen nicht ohne

Weiteres voneinander getrennt werden konnen und zudem Mikrorisse sowohl im Schwind-

experiment (“1” in Abbildung 3.3) als auch in dem belasteten unversiegelten Probekorper

(“3” in Abbildung 3.3) nicht vermieden werden konnen. Vor diesem Hintergrund ist die

Verwendung von numerischen Modellen, die die wesentlichen hygro-mechanischen Wech-

selwirkungen abbilden konnen, umso reizvoller, da zur Quantifizierung der Anteile le-

diglich die entsprechenden Kopplungen deaktiviert werden konnen. Nachfolgend wird das

zugrundegelegte Kriechmodell zur Beschreibung von Grund- und Trocknungskriechen vor-

gestellt und im Rahmen der effektiven Spannungen aus Kapitel 3.1.4 in das gegenwartige

hygro-mechanische Schadigungsmodell integriert. Es sei an dieser Stelle betont, dass sich

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3.1 Beton als poroses Medium 41

generell die Modellbildungen hinsichtlich Trocknungskriechen stets auf den intrinsischen

Anteil beziehen. Die strukturelle Komponente ruhrt von den plastischen und schadigenden

Eigenschaften des Betons her und ist physikalisch betrachtet von den Kriechmechanismen

entkoppelt. Wenn nachfolgend von Trocknungskriechen die Rede ist, so ist stets der int-

rinsische Anteil gemeint.

3.1.5.3 Modellierung der Kriechverformungen

In dieser Arbeit wird von einem linearen Zusammenhang zwischen den auftretenden

Kriechverformungen und den aufgebrachten Spannungen ausgegangen. Sofern die Bela-

stung etwa bis zu 40% der Druckfestigkeit des Betons betragt, ist diese Annahme zutref-

fend. Nichtlineare Kriechverformungen, die bei hoheren Belastungen infolge Mikrorissbil-

dungen ein fruhzeitiges Strukturversagen hervorrufen konnen, sind nicht Gegenstand die-

ser Arbeit.

Das gegenstandliche Kriechmodell basiert auf die Microprestress-Solidification-Theorie

[Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm 1997], die eine zunehmend breite Akzeptanz

genießt. So wird beispielsweise in [Sercombe, Hellmich, Ulm & Mang 2000; Lack-

ner, Hellmich & Mang 2002] die Anwendung des Kriechgesetzes auf Spritzbeton an-

gewandt. Eine kurzlich vorgeschlagene Erweiterung der Theorie auf Temperatureinflusse

[Bazant, Cusatis & Cedolin 2004] vergroßert zunehmend das Anwendungsspektrum.

DieMicroprestress-Solidification-Theorie stellt eine Erweiterung der Solidification-Theorie

dar [Bazant & Prasannan 1989], in der das Langzeitkriechen in Zusammenhang mit

der Zementsteinbildung infolge Hydratation gebracht wird. Diese Annahme trifft jedoch

fur lange Zeitraume nicht zu, da die Steifigkeitszunahme des Zementsteins fruher ab-

geschlossen wird als die zu beobachtenden Kriechverformungen. In der Microprestress-

Solidification-Theorie hingegen wird, ungeachtet der Betonerhartung infolge Hydratation,

das Langzeitkriechen unter Berucksichtigung von hygrischen Transportvorgangen formu-

liert.

In Abbildung 3.4 werden anhand einer Gelpore die hygro-mechanischen Ursachen fur

das (intrinsische) Trocknungskriechen gemaß [Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm

1997] illustriert. Der Theorie liegt zu Grunde, dass uber die gegenuberliegenden Gelpo-

renwande Querverbindungen bestehen (rote gestrichelte Linien), die im Laufe der Zeit

unterbrochen werden. Der Grund fur diese Unterbrechungen wird im Spaltdruck pd ge-

sehen, der maßgebend wird, wenn Wasser an der Absorption gehindert wird. Der Spalt-

druck pd wird in der Gelpore zum einen uber die Porenwand und zum anderen uber

die querverlaufenden Verbindungen getragen. Die Summe der Spannungen, die in diesen

Querverbindungen vorliegen, wird mit Microprestress Sf bezeichnet und steht mit dem

Spaltdruck pd und mit lokalen Spannungen, die infolge der Hydratation entstehen, im

Gleichgewicht. Die Unterbrechungen in den Querverbindungen fuhren zu einer Entspan-

nung von Sf und ermoglichen dadurch eine (Schub-)Gleitung γf der entgegengesetzten

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42 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

C H S - P h a s e n

M i k r o g l e i t u n g e n g f

S p a l t d r u c k p d

M i c r o p r e s t r e s s S f

F e u c h t i g k e i t s a b h ä n g i g e M i k r o g l e i t u n g e n i n e i n e r G e l p o r e

Abbildung 3.4: Hygro-mechanische Prozesse in einer Gelpore [Bazant, Hauggaard, Ba-

weja & Ulm 1997]

Seiten der Porenwande. Diese Gleitvorgange werden als Ursache fur die makroskopischen

Kriechverformungen εfm betrachtet.

In der ursprunglichen Formulierung der Microprestress-Solidification-Theorie wird der Mi-

croprestress Sf als eine Funktion der Porenfeuchtigkeit ausgewertet, so dass die Mecha-

nismen des Trocknungskriechens hierdurch erklart werden konnen. Es werden Mikrodif-

fusionen im Porenraum angenommen, die infolge eines Feuchtegradienten die Zerstorung

der Querverbindungen beschleunigen. Die damit einhergehende Anderung des Microprest-

ress Sf fuhrt in der Theorie zu einer Reduzierung der Viskositat der Gelpore und somit

zu großeren Kriechverformungen εfm. Im gegenwartigen Kriechmodell wird von der ur-

sprunglichen Formulierung der Microprestress-Solidification-Theorie abgewichen, indem

der Microprestress Sf von der Feuchtigkeitsverteilung entkoppelt wird. Zur Beschreibung

des Trocknungskriechens wird das Konzept der effektiven Spannungen aus Kapitel 3.1.4

herangezogen. Es wird dabei die Annahme getroffen, dass nicht die totalen Matrixspan-

nungen σm aus Gleichung (3.47) sondern die plastisch effektiven Spannungen σ′

m aus

Gleichung (3.49) die treibende Kraft fur die Kriechmechanismen darstellen. Abweichend

von [Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm 1997] wird in dieser Arbeit das Kriech-

gesetz mit den plastisch effektiven Spannungen σ′

m formuliert

εfm =Em

ηf (Sf)(C0

m)−1 : σ′

m , (3.53)

wobei der Parameter ηf(Sf ) als die Summe aller viskosen Gleitvorgange γf auf makro-

skopischer Ebene angesehen werden kann, der vom Microprestress Sf abhangt. Unter

Einbeziehung der Gleichungen (3.47) fur die totalen Matrixspannungen σm und (3.49)

fur die plastisch effektiven Spannungen σ′

m kann das obige Kriechgesetz umformuliert

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3.1 Beton als poroses Medium 43

werden

εfm =Em

ηf (Sf)(C0

m)−1 : σ′

m =Em

ηf (Sf)(C0

m)−1 : σ

︸ ︷︷ ︸

Grundkriechen

+Em

ηf (Sf)(C0

m)−1 : σpc.

︸ ︷︷ ︸

Trocknungskriechen

(3.54)

Wahrend der erste Summand aus Gleichung 3.54 exakt das Kriechgesetz gemaß der

Microprestress-Solidification-Theorie wiedergibt, liefert das Konzept der effektiven Span-

nungen ad hoc ein Gesetz fur das Trocknungskriechen (zweiter Summand). Als treibende

Kraft hierfur werden die hygrischen Spannungen σpc identifiziert, die aus der obigen Um-

formung aus den Gleichungen (3.47) und (3.49) herruhren

σpc =

[

1− ψK

Ks

] ∫

pc

Sl(pc) dpc 1− bppc 1. (3.55)

Es ist an dieser Stelle zu betonen, dass im Unterschied zu der ursprunglichen Formulierung

der Microprestress-Solidification-Theorie die Viskositat nf (Sf) nicht von der Porenfeuch-

tigkeit abhangt. In der gegenstandlichen Formulierung unterliegen ein versiegelter und ein

unversiegelter Probekorper somit der gleichen viskosen Kinematik nf (Sf). In Anlehnung

an [Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm 1997] wird fur die Viskositat

1

ηf(Sf )= c p Sp−1

f (3.56)

angegeben, und das Microprestress Sf wird entsprechend [Sercombe, Hellmich, Ulm

& Mang 2000; Lackner, Hellmich & Mang 2002] als die zu den Gleitverformungen

γf korrespondierende Große angesehen

Sf = Sf (γf) = Sf0 −Hγf , (3.57)

wobei Sf0 den initialen Wert fur das Microprestress Sf und H, c, p konstante Modellpa-

rameter darstellen. In [Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm 1997] und in dieser

Arbeit wird p = 2 verwendet. Die Parameter Sf0, H und c werden entsprechend der

(Grund-)Kriechversuche kalibriert. Die Evolutionsgleichung fur die Gleitverformungen γfwird mit

γf = c S2f (3.58)

beschrieben und entspricht exakt der Formulierung in [Bazant, Hauggaard, Baweja

& Ulm 1997], wenn hygrische Wechselwirkungen vernachlassigt werden. Wird die zeitli-

che Ableitung vom Microprestress Sf = −H γf aus Gleichung (3.57) in Gleichung (3.58)

eingesetzt, folgt folgende Differentialgleichung

Sf = −H cS2f , (3.59)

deren Integration zu der geschlossenen Form fur das Microprestress Sf fuhrt

Sf =1

cH t(3.60)

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44 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

Wird Sf in Gleichung (3.56) eingesetzt, folgt die fur die Viskositat des Betons schließlich

folgender Zusammenhang

1

ηf= 2H−11

t. (3.61)

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass sich der Modellparameter c in Gleichung 3.61

herausrauskurzt. Folglich bleibt in dieser Modellformulierung lediglich der Parameter H

ubrig, der sich aus Grundkriechversuchen herleiten lasst (siehe z.B. Abbildung 6.10).

Hinsichtlich des gegenwartigen Losungsansatzes sei angemerkt, dass mit der Berucksichti-

gung der plastisch effektiven Spannungen sowohl das Grundkriechen als auch das Trock-

nungskriechen mit ein und demselben Kriechmodell aus Gleichung (3.54) abgebildet wer-

den konnen. Ein zweites Kriechmodell, wie beispielsweise in [Bazant & Chern 1985;

Benboudjema, Meftah & Torrenti 2005a], ist nicht erforderlich. Die Verwendung

des plastisch effektiven Spannungstensors σ′

m ist insofern als sinnvoll zu bewerten, als diese

Große das makroskopische Spannungsfeld beschreibt, welches unter Berucksichtigung von

Betonschadigung die auf das Skelett wirkende Belastung reprasentiert. Der Unterschied

zwischen der ursprunglichen Formulierung der Microprestress-Solidification-Theorie und

der gegenwartigen Beschreibung liegt lediglich in der Interpretation der physikalischen

Vorgange. Wahrend in [Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm 1997] das intrinsi-

sche Trocknungskriechen aus Anderungen des Microprestress Sf infolge von Mikrodif-

fusionen im Porenraum herruhrt, werden in dieser Modellbeschreibung als Ursache die

hygrischen Spannungen postuliert. Doch sowohl die Anderung des Microprestress Sf als

auch die hygrischen Spannungen resultieren aus einem Feuchtigkeitsgradienten. Da das

gegenwartige Kriechmodell mit dem hygrischen Feld bereits gekoppelt ist, werden keine

weiteren Kriechparameter zur Erfassung der hygro-mechanischen Interaktion benotigt. In

[Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm 1997] hingegen erfolgt die Beschreibung des

Pickett-Effekts anhand eines weiteren Kalibrierungsparameters.

3.2 Stahlbewehrung

Zur Beschreibung der konstitutiven Gleichungen fur die Stahlbewehrung wird ein elasto-

plastisches Modell mit isotroper Verfestigung herangezogen [Simo & Hughes 1998]. Ein

im Rahmen der Elastoplastizitat formulierter Ansatz zur Modellierung von metallischen

Werkstoffen ist weit verbreitet und gibt das nichtlineare Materialverhalten hinreichend

genau wieder. Fur den eindimensionalen Fall ist in Abbildung 3.5 die entsprechende

Spannungs-Dehnungs-Beziehung σs(εs) mit den elastischen und plastischen Dehnungs-

anteilen (εes, εps) schematisch dargestellt. Die plastischen Verzerrungen lassen sich nach

dem Entlasten als bleibende Verformungen identifizieren. An dieser Stelle sei betont, dass

das in Abbildung 3.5 veranschaulichte Materialgesetz lediglich das Materialverhalten der

Bewehrung als Kontinuum beschreibt. Das von der Bewehrungsoberflache abhangige Ver-

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3.2 Stahlbewehrung 45

E s

s y

e s

s s

e sp e s

e

Abbildung 3.5: Elasto-plastische Spannungs-Dehnungs-Beziehung mit linearer Verfestigung

bundverhalten zur Beschreibung von Stahl-Beton Interaktionen findet erst in Kapitel 3.3

Berucksichtigung.

Analog zum linearisierten Verzerrungstensor des Betons εm aus Gleichung (3.37) lassen

sich die Gesamtverformungen der Stahlbewehrung εs additiv in einen elastischen εes und

in einen plastischen Anteil εps zerlegen

εs = εes + εps. (3.62)

Zur Differenzierung der Verformungen der Stahlbewehrung von den Verformungen des

Betons werden die Stahlverzerrungen mit einem “s” indiziert.

Im Rahmen der Elastoplastizitat lasst sich die ratenunabhangige Formulierung des Span-

nungstensors des Stahles σs aus der Ableitung der freien Energiefunktion Ψs nach den ela-

stischen Stahlverzerrungen εes aus Gleichung (3.62) wie folgt herleiten [Simo & Hughes

1998]

σs =∂Ψs

∂εes

= C0s : ε

es = C

0s : (εs − εps). (3.63)

Der Parameter C0s stellt hierbei den linear-elastischen und isotropen Materialtensor des

Stahles dar.

Experimentelle Untersuchungen an Metallen haben gezeigt, dass ein hydrostatischer Span-

nungszustand keine plastischen Verformungen hervorruft. Demnach hat nur der deviato-

rische Anteil des Spannungstensors einen Einfluss auf die Fließbedingung. Vor diesem

Hintergrund wird ein klassisches J2-Fließgesetz vom von Mises-Typ mit einer isotropen

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46 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

Verfestigungsfunktion vorgeschlagen. Die Fließflache fP , welche die zulassigen Spannungs-

zustande kontrolliert, lasst sich in Abhangigkeit des Spannungsdeviators s = dev[σs] und

der internen plastischen Variablen αP formulieren

fP (s, qP (αP )) = || s ||+√

2

3qP (αP ) ≤ 0. (3.64)

Die lineare Verfestigungsevolution

qP (αP ) = −(σy +K αP ), (3.65)

die mit einer Zunahme der Fließspannung verknupft ist, wird von der internen Variablen

αP gesteuert. Der Parameter σy stellt hierbei die initiale Fließspannung des Stahles und

K den konstanten Verfestigungsparameter dar. Die Zunahme an plastischen Verzerrungen

wird im Rahmen der assoziierten Plastizitatstheorie uber den Spannungsgradienten der

Fließflache und anhand des Konsistenzparameters γP ermittelt

εps = γP∂fP∂ s

= γPs

|| s || = γP n. (3.66)

Wahrend n die Richtung der plastischen Verzerrungen angibt, beschreibt der Proportio-

nalitatsfaktor γP den Wert des plastischen Verzerrungsinkrements.

Zur Beschreibung der isotropen Verfestigungsevolution qP (αP ) dient die assoziierte Ver-

festigungsregel, die mittels der internen plastischen Variablen αP beschrieben wird

αP = γP∂fP∂ qP

= γP

2

3. (3.67)

Aufgrund der Irreversibilitat der plastischen Verzerrungen kann der Konsistenzparameter

γP , fur den Fall, dass die Fließbedingung erfullt ist (fP = 0), nur Werte γP ≥ 0 annehmen.

Aus dieser Uberlegung lassen sich die Kriterien fur die plastischen Be- und Entlastungs-

zustande (Kuhn-Tucker-Bedingungen), wie sie bereits auch fur das Betonmodell in

Gleichung (3.19) angegeben wurden, formulieren

fP (s, qP ) ≤ 0, γP ≥ 0, γP fP (s, qP ) = 0. (3.68)

Auf die Integration der Materialgleichungen des Stahles unter Verwendung des Return-

Map-Algorithmus wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Als weiterfuhrende Literatur

wird auf [Simo & Hughes 1998] verwiesen.

3.3 Modellierung der Verbundbeziehung

Nachdem in Kapitel 2.1.1 die Verbundmechanismen zwischen Stahl und Beton insbeson-

dere in Zusammenhang mit Rissbildungen erortert wurden, erfolgt nun eine fur Struktur-

analysen geeignete Modellformulierung der Verbundkraft-Schlupf-Beziehung. Eine makro-

skopische Beschreibung des Verbundverhaltens bietet den numerischen Vorteil, grobere

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3.3 Modellierung der Verbundbeziehung 47

Netzdiskretisierungen vorzunehmen, da in diesem Fall keine explizite Modellierung der

Verbundflache erforderlich ist und somit auch keine zusatzlichen Freiheitsgrade zur Be-

schreibung der Schlupfverformungen benotigt werden. Diesem numerischen Gewinn, den

ein makroskopisch formulierter Ansatz mit sich bringt, steht jedoch gegenuber, dass lokale

Informationen bezuglich der Verbundkraft-Schlupf-Beziehung lediglich im Integral erfasst

werden konnen. Vor dem Hintergrund eines numerisch effizienten Modells zur Berech-

nung von Stahlbetonstrukturen zu formulieren, stellt dies jedoch eine vertretbare Ein-

schrankung dar. Es wird daher in der vorliegenden Arbeit auf eine explizite Abbildung

der Verbundflache verzichtet und ein makroskopischer Ansatz bevorzugt, bei dem die mit

dem Schlupf einhergehende Diskontinuitat im Verzerrungsfeld uber eine Modifikation des

konstitutiven Gesetzes der Stahlbewehrung beschrieben wird [Monti, Filippou & Spa-

cone 1997; Luccioni, Lopez & Danesi 2005; Linero 2006; Manzoli, Oliver,

Huespe & Diaz 2008]. Dabei werden Schlupfverformungen, die erst bei Schadigung des

Verbundgefuges aktiviert werden, mit der Abnahme der Stahlspannungen in Relation ge-

setzt. Die Berucksichtigung von Schlupf uber die reduzierten Stahlspannungen stellt quasi

ein neues Materialgesetz fur den Stahl dar, welches sich abhangig von der Verbundqua-

litat in der Schlupf-Stahl–Beziehung manifestiert. Dieses Modellierungskonzept hat zum

einen den Vorteil, ohne zusatzliche Freiheitsgrade, den Einfluss des Verbundversagens auf

das Strukturverhalten zu beschreiben. Zum anderen wird mit der Berucksichtigung des

Schlupfes im Materialgesetz des Stahles die Verzerrungskompatibilitat zwischen “Stahl

mit Verbund” und Beton gewahrt, was die Modellbeschreibung des Stahlbetons als Kom-

positmaterial wesentlich vereinfacht.

3.3.1 Kinematische Beziehung

Kann der perfekte Verbund zwischen der Bewehrung und dem umgebenden Beton infolge

von Rissbildungen nicht mehr aufrecht erhalten werden, treten Relativverschiebungen auf.

Die dabei auftretende Diskontinuitat im Verschiebungsfeld wird durch die Schlupfverzer-

rung εi beschrieben

εi = εm − εs , (3.69)

die sich aus der Differenz zwischen der Matrixverzerrung εm und der Stahlverzerrung

εs berechnen lasst. Die skalaren Großen εm und εs stellen hierbei die Komponenten des

jeweiligen Verzerrungstensors in Langsrichtung der Bewehrung dar; εm des Betons aus

Gleichung (3.37) und εs des Stahles aus Gleichung (3.62). Analog zu der Indizierung der

Kenngroßen des Betons mit einem “m” (fur Matrix) und des Stahles mit einem “s” (fur

Stahl) werden Schlupfkenngroßen mit einem “i” (fur Interface) gekennzeichnet, um auch

hervorzuheben, dass Schlupfverformungen lediglich aus einer Relativverschiebung zwi-

schen den Konstituierenden (Stahl und Beton) an der Verbundflache herruhren. Wie zu

Beginn des vorangegangenen Kapitels bereits beschrieben, wird das konstitutive Gesetz

des Stahles aus Kapitel 3.2 um Schlupfdeformationen erweitert. Hierzu werden gemaß

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48 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

E S E is s

s s is i

e s e i

e s i

S t a h l S c h l u p f

Abbildung 3.6: Uniaxiales rheologisches Model fur das Schlupf-Stahl–System in Langsachse

der Bewehrung [Linero 2006]

[Linero, Oliver, Huespe & Pulido 2006; Manzoli, Oliver, Huespe & Diaz

2008] die uniaxialen Schlupfverzerrungen εi und die Stahlverzerrungen in Stabrichtung

εs als ein in Reihe geschaltetes System betrachtet (Mischungsregel nach Reuss). In Abbil-

dung 3.6 ist das entsprechende rheologische System dargestellt. Die Gesamtverformung in

Stabrichtung εsi fur das Schlupf-Stahl–System lasst sich entsprechend der angenommenen

Serienschaltung aus der Summe der Einzelkomponenten angeben

εsi = εs + εi. (3.70)

Unter der Annahme, dass zwischen der Matrixverzerrung εm und der Gesamtverformung

des Schlupf-Stahl–Systems εsi eine Verzerrungskompatibilitat in Stablangsrichtung vor-

liegt, d.h. εm!= εsi, kann die Beschreibung der Diskontinuitat in der Verbundflache

aus Gleichung (3.69) in eine kontinuierliche Darstellung uberfuhrt werden. Fur einen

dreidimensionalen Belastungszustand lasst sich die Gesamtverformung des Schlupf-Stahl–

Systems aus Gleichung (3.70) unter Beachtung der elastischen und plastischen Verzer-

rungsanteile des Stahles aus Gleichung (3.62) wie folgt darstellen

εsi = εs + εi = εes + εps + εi. (3.71)

Fallt das Koordinatensystem der Bewehrungslage mit dem globalen System zusammen, so

verfugt der Verzerrungstensor des Schlupfes εi lediglich uber die Komponente εi und zwar

in Stablangsrichtung; die ubrigen Komponenten sind Null. Weicht die Bewehrungslage

jedoch vom globalen Koordinatensystem ab, muss die lokale skalare Schlupfverformung εiin das globale System transformiert werden. Hierzu wird an dieser Stelle auf das Kapitel

3.3.3 verwiesen.

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3.3 Modellierung der Verbundbeziehung 49

t m a x

E ie i

s i

m a x . V e r b u n d s p a n n u n g

Abbildung 3.7: Eindimensionales elasto-plastisches Verbundspannung-Schlupf-Gesetz σi(εi)

gemaß [Linero 2006]

3.3.2 Konstitutive Beziehung des Stahles mit Schlupf

Wie in Gleichung (3.70) aufgefuhrt und in Abbildung 3.6 dargestellt, setzt sich die Gesamt-

verformung des Schlupf-Stahl–Systems εsi, unter der getroffenen Annahme einer uniaxialen

Serienschaltung, additiv aus den Verformungen des Stahles und Schlupfes zusammen. Fur

die Spannungen gilt hingegen folgende Beziehung

σsi = σs = σi, (3.72)

d.h. die Spannungen des Schlupf-Stahl–Systems σsi konnen aufgrund des rheologischen

Modells mit den Stahlspannungen σs und mit den Verbundspannungen σi gleichgesetzt

werden. Unter Beachtung dieser Spannungsgleichheit in Stablangsrichtung, lasst sich das

zuvor formulierte konstitutive Gesetz des Stahles in Gleichung (3.63) mit Hilfe der kine-

matischen Beziehung aus Gleichung (3.71) um Schlupfverzerrungen εi erweitern

σs = C0s : ε

es = C

0s : (εsi − εps − εi). (3.73)

Zur Identifizierung der Schlupfverzerrungen εi, wird eine makroskopische

Verbundspannung-Schlupf–Beziehung σi(εi) mit einem elasto-plastischen Verbund-

verhalten gemaß [Linero 2006; Manzoli, Oliver, Huespe & Diaz 2008]

angenommen. Das eindimensionale Verbundspannung-Schlupf–Gesetz zur Beschreibung

der Verbundmechanismen in Richtung der Bewehrung ist in Abbildung 3.7 dargestellt.

Der zugehorige Materialparameter τmax entspricht der maximalen Verbundspannung,

bei der die Verbundkapazitat erreicht wird und den plastischen Bereich des Verbund-

gesetzes kennzeichnet. Der Parameter Ei stellt die effektive Verbundsteifigkeit dar.

Beide Parameter τmax und Ei sind von der Verbundqualitat bzw. von den Verbund-

eigenschaften abhangig und konnen, wie in Abbildung 3.8 illustriert, aus klassischen

Ausziehversuchen bestimmt werden [Linero, Oliver, Huespe & Pulido 2006].

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50 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

P m a x

P

u

P / u u , e

P , sA u s z i e h v e r s u c h

s i

l

Abbildung 3.8: Ausziehversuch zur Ermittlung der Verbundeigenschaften

Aus der Last-Verschiebungskurve P (u) des Ausziehversuchs kann uber die im Beton

eingebettete Lange l und Querschnittsflache As des Stabes die effektive Verbundsteifigkeit

Ei hergeleitet werden

Ei =P

u

l

As

. (3.74)

Die Verformungsanteile des Stahles mussen beim Ausziehversuch herausgerechnet werden,

um Ei lediglich aus den Verbundverformungen gemaß Gleichung (3.74) zu berechnen. Die

Ermittlung der maximalen Verbundspannung τmax, die beim Ausschopfen der Verbundka-

pazitat erreicht wird, erfolgt vereinfacht uber die maximale Ausziehkraft Pmax und uber

die Querschnittsflache As des eingebetteten Stabes

τmax =Pmax

As≤ σy. (3.75)

Fur den Fall, dass aufgrund einer sehr guten Verbundqualitat großere Verbundspannungen

ubertragen werden konnten als durch die Fließspannung des Stahles σy gegeben ist, gilt

τmax = σy, da in diesem Fall die Verbundkapazitat durch das Fließen des Stahles und

nicht durch ein Verbundversagen begrenzt wird.

Der effektive Elastizitatsmodul Esi des Schlupf-Stahl–Systems aus Abbildung 3.6 lasst sich

unter der getroffenen Annahme einer Reihenschaltung anhand der Stahlsteifigkeit Es und

der Verbundsteifigkeit Ei wie folgt angeben

Esi =1

1/Es + 1/Ei. (3.76)

Fur den Grenzwert Ei → ∞ und τmax = σy wird eine perfekte Verbundqualitat abgebil-

det, und das Schlupf-Stahl–System degeneriert zu dem bereits in Kapitel 3.2 vorgestellten

konstitutiven Gesetz des Stahles. Fur diese Grenzwertbetrachtung gilt folglich Esi = Es

und εi = 0. In Abbildung 3.9 sind fur unterschiedliche Verbundeigenschaften qualitativ

die Spannungs-Dehnungs-Beziehung des Schlupf-Stahl–Systems veranschaulicht. Die ge-

strichelte Linie gibt die unveranderte Spannungs-Dehnungs-Beziehung des Stahles wieder

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3.3 Modellierung der Verbundbeziehung 51

s y

e s

s sp e r f e k t e r V e r b u n d

n o r m a l e r V e r b u n d

s c h w a c h e r V e r b u n d

s y=

s y<

t m a x

E s i

t m a x

Abbildung 3.9: Modifiziertes konstitutives Gesetz des Stahles fur unterschiedliche Verbund-

qualitaten

(perfekter Verbund). Mit abnehmender Verbundqualitat jedoch, kann sowohl eine Dege-

neration der Steifigkeit Esi als auch ein reduziertes Spannungsniveau in Abbildung 3.9

beobachtet werden. Einen qualitativ ahnlichen Zusammenhang zwischen Verbundqualitat

und Verbundmechanismen wird auch in [Monti & Spacone 2000] angegeben.

Die Fließbedingung und Evolutionsgleichung fur das elasto-idealplastische Verbundgesetz

σi(εi) werden hier nicht explizit aufgefuhrt, da sie sich direkt aus den bereits vorgestellten

konstitutiven Gleichungen des Stahles aus Kapitel 3.2 in analoger Weise angeben las-

sen. Wird die Fließbedingung des Stahles in Gleichung (3.64) fur den eindimensionalen

Spannungszustand σi ausgewertet und dabei die isotrope Verfestigung in Gleichung (3.65)

vernachlassigt (K = 0), erhalt man die Fließ- und Evolutionskriterien fur das Verbund-

gesetz.

3.3.3 Numerische Umsetzung

Das vorgestellte eindimensionale Verbundmodell soll im Kontext einer raumlichen Formu-

lierung im globalen Koordinatensystem Berucksichtigung finden. Hierzu wird zunachst das

eindimensionale Schlupf-Stahl-System aus Abbildung 3.6 betrachtet. Aus der Spannungs-

gleichheit σsi = σi in Langsrichtung der Bewehrung aus Gleichung (3.72) folgt

σsi = Esi (εsi − εps)!= Es (εsi − εps − εi), (3.77)

wodurch folgender Zusammenhang fur die Schlupfverzerrungen εi gewonnen wird

εi = a (εsi − εps) mit a = 1−Esi/Es . (3.78)

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52 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

3

2

a s

εi

Abbildung 3.10: Transformation der uniaxialen Schlupfverformungen εi vom lokalen ins glo-

bale (23)-Koordinatensystem

Gemaß Abbildung 3.10 lassen sich die eindimensionalen Schlupfverzerrungen εi aus Glei-

chung (3.78) in einem von der Richtung der Bewehrung festgelegten lokalen Koordinaten-

system (Darstellung ∼) in Matrixnotation wie folgt angeben

[εi] =

0

0

a (εsi − εps)

0

0

0

. (3.79)

Die Transformation von Verzerrungen vom globalen (23)-Koordinatensystem ins lokale

Koordinatensystem (∼) erfolgt in der (23)-Ebene entsprechend der (6x6)-Rotationsmatrix

[Q(αs)] = [Q]

[ε] = [Q(αs)] [ε] = [Q] [ε], (3.80)

wobei fur die Verzerrungsmatrizen [ε] und [ε] die Ingenieurmaße gemaß Gleichung (A.1)

gelten. Die Transformationsvorschrift (3.80) sowie die entsprechende Rotationsmatrix

[Q(αs)] sind im Anhang A.1 angegeben. Die Anwendung dieser Transformationsvorschrift

auf die Schlupfverzerrungen aus Gleichung (3.79) fuhrt zu einer raumlichen Darstellung

der Schlupfverzerrungen zunachst noch im lokalen Koordinatensystem

[εi] = a [I] [Q] [εsi − εps] mit I33 = 1 sonst Iij = 0, i, j = 1...6. (3.81)

Mithilfe der (6x6)-Matrix I wird aus den Gesamtverformungen die schlupfrelevante Kom-

ponente in Richtung der Bewehrung isoliert. Gleichung (3.81) besitzt gegenuber Gleichung

(3.79) den Vorteil, dass die lokalen Schlupfverformungen [εi] uber die globalen Gesamtver-

formungen ausgedruckt werden. Fur eine globale Beschreibung der Schlupfverformungen

[εi] muss nur noch mittels Gleichung (3.80) eine Rucktransformation in das globale System

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3.3 Modellierung der Verbundbeziehung 53

erfolgen

[εi] = [Q−1] [εi] = a [Q−1] [I] [Q] [εsi − εps]. (3.82)

Die obige Herleitung kann in das konstitutive Gesetz des Schlupf-Stahl–Systems aus Glei-

chung (3.73) eingesetzt werden. Die globale Beziehung lautet in Matrixnotation wie folgt

[σs] = [C0s] [ε

es] = [C0

s] [εsi − εps − εi] = [C0s]

[

εsi − εps − a [Q−1][I] [Q] [εsi − εps]]

= [C0s]

[

[1]− a [Q−1][I] [Q]]

[εsi − εps]

= [Csi] [εsi − εps] mit [Csi] = [C0s]

[

[1]− a [Q−1] [I] [Q]]

.

(3.83)

Der Vorteil dieser Darstellung besteht darin, dass zur Berucksichtigung der Schlupfver-

formungen lediglich die Elastizitatsmatrix des Stahles [C0s] durch die Matrix [Csi] ersetzt

werden muss. Somit kann die gesamte algorithmische Formulierung zur Losung der kon-

stitutiven Beziehungen des Stahles nahezu unverandert ubernommen werden.

Anmerkung 1:

In der vorliegenden Arbeit wird fur den Stahl anstelle der isotropen Elastizitatsmatrix

[C0s] eine modifizierte anisotrope Matrix [Cs] angesetzt, die sich lediglich aus einer unidi-

rektionalen Steifigkeit und den Schubsteifigkeiten zusammensetzt. Im lokalen Koordina-

tensystem (∼) gemaß Abbildung 3.10 ist [Cs] wie folgt definiert

[Cs] =

0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0

0 0 Es 0 0 0

0 0 0 Gs 0 0

0 0 0 0 Gs 0

0 0 0 0 0 Gs

, (3.84)

wobei Es den Elastizitatsmodul und Gs den Schubmodul des Stahles darstellen. Auf-

grund des Wegfalls der invarianten Eigenschaft von [C0s] muss die Elastizitatsmatrix [Csi]

des Schlupf-Stahl–Systems aus Gleichung (3.83) neu formuliert werden. Aus der Transfor-

mationsvorschrift im Anhang A.2 folgt fur die Beschreibung von [Cs] im globalen Koor-

dinatensystem

[Cs] = [QT ][Cs][Q]. (3.85)

Mit der obigen Beziehung wird das konstitutive Gesetz des Schlupf-Stahl–Systems aus

Gleichung (3.83) neu aufgestellt

[σs] = [Cs][εes] = [QT ][Cs][Q]

[

[1]− a [Q−1][I] [Q]]

[εsi − εps]

= [Csi] [εsi − εps] mit [Csi] = [QT ][Cs][Q][

[1]− a [Q−1] [I] [Q]]

.(3.86)

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54 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

S t a h l

B e t o n

g *

g *

G D ( a c )a c

Abbildung 3.11: Dubelwirkung (dowel action) eines gerissenen Stahlbetonelements mit dem

effektiven Schubmodul GD(αc) parallel zu der Rissflache

Anmerkung 2:

Sollen in einer Strukturanalyse Dubelmechanismen ebenfalls Berucksichtigung finden, so

sind des Weiteren die Schubterme der Stahlmatrix [Cs] aus Gleichung (3.84) mit den

Dubelsteifigkeiten gemaß Gleichung (3.120) zu ersetzen. Im Folgenden werden diese Dubel-

steifigkeiten in Abhangigkeit der Rissrichtung hergeleitet.

3.4 Modellierung der Dubelwirkung

Die Wirkungsmechanismen der Dubelwirkung wurden bereits in Kapitel 2.2 naher be-

schrieben. In diesem Abschnitt wird eine numerische Formulierung zur Beschreibung der

Dubelwirkung vorgestellt. Das Modell berucksichtigt dabei die Schub- bzw. Biegedeforma-

tionen des Bewehrungstabes, aus denen die gesuchten Steifigkeitsreserven des gerissenen

Stahlbetonelements aus Abbildung 3.11 herruhren. Wie in Gleichung (3.84) angemerkt,

erfolgt in der vorliegenden Arbeit die Beschreibung des Stahles bereits mehrdimensio-

nal. Diese Tatsache vereinfacht die Modellierung der Dubelwirkung wesentlich, da hierfur

lediglich die Schubkomponenten des Stahles modifiziert werden mussen. Basierend auf

physikalischen Grundmodellen gilt es, in Abhangigkeit der Rissrichtung einen strukturel-

len, effektiven Schubmodul GD(αc) herzuleiten und diese in die konstitutiven Gleichungen

des Stahles zu integrieren. Dabei werden in Kapitel 3.4.3 zwei unterschiedliche Dubelme-

chanismen betrachtet. Ist der Biegemechanismus fur die Dubelwirkung maßgebend, wird

als physikalisches Grundmodell der elastisch gebettete Biegebalken gemaß [He & Kwan

2001] betrachtet. Wird hingegen die Annahme getroffen, dass der Bewehrungsstab in

der Rissebene uberwiegend auf Schub belastet wird, kommt eine Modellformulierungen

gemaß [Linero 2006; Linero, Oliver, Huespe & Pulido 2006] zur Anwendung. Die-

se Modellformulierung der Dubelwirkung wird im Kontext der verschmierten Risse und

der verschmierten Bewehrung aufgestellt und ist somit konform mit der gegenwartigen

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3.4 Modellierung der Dubelwirkung 55

a c

d A

d A s i n a c

dA cosa

ct 1 2

t x

t y

s x

s y

s 1

B e t o n

S t a h l

x

y

12

a c

D

D

Abbildung 3.12: Gleichgewicht an einem differentiellen gerissenen Stahlbetonelement in

Abhangigkeit der Rissrichtung αc

Modellbeschreibung des Stahlbetons.

3.4.1 Kinetik und Kinematik

Der gesuchte effektive Schubmodul GD(αc) entspricht der Dubelsteifigkeit eines gerissenen

Stahlbetonelements, wenn dieses parallel zum Riss belastet wird. Um den Einfluss der

Rissrichtung zu erfassen, wird zunachst das konstitutive Gesetz eines gerissenen Stahl-

betonelements im Riss-Koordinatensystem hergeleitet. Anschließend lasst sich aus der

Schubkomponente des konstitutiven Gesetzes der effektive Schubmodul GD(αc) direkt

angeben.

In Abbildung 3.12 ist ein differentielles Stahlbetonelement mit der Rissrichtung αc und

mit zwei unabhangigen Bewehrungslagen dargestellt. Die Rissrichtung αc stellt hierbei

eine bekannte Große dar. Sie leitet sich aus der Hauptspannungsrichtung der Betonzug-

spannungen und wird anhand des Rankine-Versagenskriteriums aus Kapitel 3.1.1.1 ermit-

telt. Abhangig von αc wird das 12-Koordinatensystem (Riss-KOS) entlang der Rissflache

und orthogonal dazu gelegt. Das xy-Koordinatensystem (Stahl-KOS) entspricht dem des

Stahles und muss nicht zwangslaufig mit dem globalen Koordinatensystem des Stahlbe-

tonelements ubereinstimmen. Auch die zwei Bewehrungslagen mussen nicht orthogonal

zueinander verlaufen; dies wurde in Abbildung 3.12 aus Grunden der Ubersicht gewahlt.

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56 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

Die Spannungen σ1 und τ12 entsprechen den Zug- bzw. Schubspannungen im Riss, die auf-

grund der Dubelwirkung der Bewehrung ubertragen werden konnen. Als Reaktion treten

axiale Stahlspannungen σx, σy sowie Schubspannungen τDx , τDy in den Bewehrungsstaben

auf. Die Schubspannungen werden mit einem “D” indiziert, da diese die Dubelspannungen

der einzelnen Bewehrungsstabe im Stahl-KOS darstellen. Aus dem Kraftegleichgewicht in

Richtung von σ1 und τ12 lassen sich folgende Beziehungen fur die Spannungen herleiten

σ1 = (τDx + τDy ) sinαc cosαc + σx cos2 αc + σy sin2 αc (3.87)

τ12 = τDx cos2 αc − τDy sin2 αc + (σy − σx) sinαc cosαc . (3.88)

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Spannungen σ1, τ12 nicht uber eine Rotation

des Stahl-KOS um den Winkel αc ermittelt werden konnen, da das differentielle Stahl-

betonelement durch eine unstetige Steifigkeitsverteilung gekennzeichnet ist und somit die

klassischen Transformationsgesetze fur ein Kontinuum nicht gelten.

Die zu den Spannungen σx, σy, τDx , τ

Dy zugehorigen Verformungen lassen sich in Abhangig-

keit von den Verformungen im Riss ε1 und γ12 aus den geometrischen Beziehungen her-

leiten.[γDx

γDy

]

= T 1

[

ε1γ12

]

und

[

εxεy

]

= T 2

[

ε1γ12

]

, (3.89)

wobei T 1 und T 2 die Transformationsmatrizen darstellen

T 1 =

[

sinαc cosαc cos2 αc

sinαc cosαc − sin2 αc

]

, T 2 =

[

cos2 αc − sinαc cosαc

sin2 αc sinαc cosαc

]

. (3.90)

Liegt fur die Bewehrungen der elastische Fall vor, so konnen im Stahl-KOS folgende

Gesetze fur die Schubspannungen

τDx = GDx γ

Dx , τDy = GD

y γDy (3.91)

und fur die axialen Spannungen

σx = Ex εx, σy = Ey εy (3.92)

angenommen werden. Der Parameter GDx bzw. GD

y stellt die Schubsteifigkeit des einzelnen

Bewehrungsstabs in x- bzw. y-Richtung dar. Zu beachten ist, dass er nicht zwangslaufig

mit dem Schubmodul des Stahles korrelieren muss. Der Parameter GDx bzw. GD

y hangt vom

betrachteten physikalischen Grundmodell der Dubelwirkung ab und wird im Kapitel 3.4.3

spezifiziert. Fur die axiale Steifigkeiten Ex, Ey hingegen wird der E-Modul des Stahles Es

eingesetzt, d.h.

Ex = Ey = Es . (3.93)

Zur besseren Differenzierung der Steifigkeitsanteile der einzelnen Bewehrungsstabe, erfolgt

nachfolgend die Bezeichnung jedoch weiterhin mit Ex und Ey. Werden die geometrischen

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3.4 Modellierung der Dubelwirkung 57

Beziehungen aus Gleichung (3.89) in die konstitutiven Beziehungen (3.91) und (3.92)

eingesetzt, folgt eine Beziehung zwischen den Verformungen ε1 und γ12 im Riss und den

Spannungen im Stahl-KOS[

τDxτDy

]

=

[

GDx 0

0 GDy

]

︸ ︷︷ ︸

G

[

γDxγDy

]

= GT 1

[

ε1γ12

]

, (3.94)

[

σxσy

]

=

[

Es 0

0 Es

]

︸ ︷︷ ︸

E

[

εxεy

]

= E T 2

[

ε1γ12

]

. (3.95)

Werden Gleichung (3.94) und (3.95) in die Gleichgewichtsbeziehungen (3.87) und (3.88)

eingesetzt, folgt das im Riss-KOS definierte konstitutive Gesetz fur das gerissene Stahl-

betonelement aus Abbildung 3.12[

σ1τ12

]

=T T

1 GT 1 + T T2 E T 2

[

ε1γ12

]

, (3.96)

welches uber die Transformationsmatrizen T 1 und T 2 von der Rissrichtung αc abhangt.

Die konstitutive Matrix des gerissenen Stahlbetonelements kc lasst sich aus dem Materi-

algesetz (3.96) direkt ableiten

kc =

[

kc,11 kc,12kc,21 kc,22

]

=

∂σ1∂ε1

∂σ1∂γ12

∂τ12∂ε1

∂τ12∂γ12

= T T

1GT 1 + T T2E T 2 . (3.97)

Der Index c verweist auf das lokale Referenzkoordinatensystem, welches durch das 12-

Koordinatensystem (Riss-KOS) gegeben ist. Ausgeschrieben lauten die einzelnen Kompo-

nenten wie folgt

kc,11 =∂σ1∂ε1

= (GDx +GD

y ) sin2 αc cos

2 αc + Ex cos4 αc + Ey sin

4 αc (3.98)

kc,12 =∂σ1∂γ12

= (GDx − Ex) sinαc cos

3 αc − (GDy −Ey) sin

3 αc cosαc (3.99)

kc,21 =∂τ12∂ε1

= (GDx −Ex) sinαc cos

3 αc − (GDy −Ey) sin

3 αc cosαc = kc,12 (3.100)

kc,22 =∂τ12∂γ12

= GDx cos4 αc +GD

y sin4 αc + (Ex + Ey) sin2 αc cos

2 αc . (3.101)

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58 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

Wie bereits zu Beginn des Kapitels angemerkt, lasst sich der gesuchte effektive Schub-

modul des gerissenen Stahlbetonelements GD(αc) aus einer Belastung parallel zum Riss

herleiten. Somit gilt folgende Identifikation

GD(αc) =∂τ12∂γ12

!= kc,22 = GD

x cos4 αc +GDy sin4 αc + (Ex + Ey) sin

2 αc cos2 αc . (3.102)

In der gegenwartigen Formulierung findet die axiale Steifigkeit der Bewehrung uber die

Matrix E ebenfalls in den Dubelmechanismen Berucksichtigung. Dieser Anteil wird im

Unterschied zu [He & Kwan 2001] außer Acht gelassen und erklart womoglich die relativ

geringe Dubelwirkung in ihren numerischen Simulationen. In [Pietruszczak & Win-

nicki 2003] hingegen wird fur ein gerissenes Stahlbetonelement die gleiche konstitutive

Matrix wie in Gleichung (3.97) angegeben.

Zur vollstandigen Beschreibung der Dubelmechanismen, muss noch die Schubsteifigkeit

des einzelnen Bewehrungsstabes in x-Richtung GDx bzw. in y-Richtung GD

y identifiziert

werden. Nachdem im nachsten Kapitel zunachst der Einfluss der Rissrichtung auf die

Dubelwirkung illustriert wird, erfolgt in Kapitel 3.4.3 abhangig vom verwendeten Grund-

modell die Herleitung der Modellparameter GDx bzw. GD

y .

3.4.2 Einfluss der Rissrichtung

Der effektive Schubmodul des gerissenen Stahlbetonelements GD(αc) aus Gleichung

(3.102) soll in Abhangigkeit der Rissrichtung αc veranschaulicht werden. Hierzu wird aus

Grunden der Ubersicht lediglich eine Bewehrung in x-Richtung betrachtet. Somit folgt aus

Gleichung (3.101) mit GDy = Ey = 0 der effektive Schubmodul eines unter dem Winkel αc

gerissenen Stahlbetonelements zu

GD(αc) = GDx cos4 αc + Ex sin2 αc cos

2 αc . (3.103)

In Abbildung 3.13 ist die Auswertung der obigen Formel in skalierter Form GD(αc)/GDx

dargestellt. Fur die Schubsteifigkeit der Bewehrung GDx wird vereinfacht der Schubmo-

dul des Stahles Gs angesetzt und fur die axiale Steifigkeit Ex der E-Modul des Stahl-

es Es. Wie erwartet ist die Dubelwirkung am wirksamsten, wenn der Riss senkrecht

zum Bewehrungsstab verlauft. Wird jedoch der Winkel bezogen auf die Bewehrungs-

achse flacher, d.h. αc → 90, nimmt der effektive Schubmodul GD(αc) kontinuierlich ab;

bis letztlich fur αc = 90 der Bewehrungsstab keine Schubspannungen mehr entlang der

Rissflache ubertragt. Lediglich uber die Verzahnung der Rissoberflachen (aggregate inter-

lock) konnten weitere Schubspannungen aktiviert werden. Dieser Mechanismus ist jedoch

unabhangig von der Dubelwirkung und wird in der gegenwartigen Arbeit außer Betracht

gelassen.

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3.4 Modellierung der Dubelwirkung 59

4 5 9 00a c [ ° ]

1 . 0

g *G D / G x

a cG D ( a c )

x

y

12

a c

D

Abbildung 3.13: Einfluss der Rissrichtung αc auf die Dubelwirkung

3.4.3 Physikalische Grundmodelle

Fur den in Gleichung (3.102) hergeleiteten effektiven Schubmodul des gerissenen Stahlbe-

tonelements GD(αc) gilt es nun, die Schubsteifigkeit des einzelnen Bewehrungsstabes GDx

bzw. GDy zu definieren. Abhangig von einer Biege- oder Schubbeanspruchung des Beweh-

rungsstabs im Riss, werden entsprechende physikalische Grundmodelle herangezogen, die

zur Beschreibung der Dubelmechanismen dienen. Ruhrt die Dubelwirkung uberwiegend

aus einem Biegemechanismus der Bewehrung her, wird als physikalisches Grundmodell ein

elastisch gebetteter Biegebalken gemaß [He & Kwan 2001] betrachtet. Wird hingegen

der Bewehrungsstab in der Rissebene uberwiegend auf Schub belastet, kommt eine Mo-

dellformulierungen gemaß [Linero 2006; Linero, Oliver, Huespe & Pulido 2006]

zur Anwendung.

a) Schubmechanismus

Wird angenommen, dass in einem Riss der Bewehrungsstab uberwiegend auf Schub be-

lastet wird, kann, wie in Abbildung 3.14 illustriert, die Schubsteifigkeit des Bewehrungs-

stabes im Riss GDx , G

Dy durch den Schubmodul des Stahles Gs approximiert werden

GDx = Gs bzw. GD

y = Gs . (3.104)

Dementsprechend lassen sich die Dubelspannungen aus Gleichung (3.91) infolge einer

dubelrelevanten Schubverformung γDx , γDy fur eine Bewehrung in x- bzw. y-Richtung fur

den elastischen Fall wie folgt angeben

τDx = GDx γ

Dx = Gs γ

Dx bzw. τDy = GD

y γDy = Gs γ

Dy . (3.105)

Die Dubelfestigkeit wird in diesem Ansatz auf den Schubmodul des Stahles zuruckgefuhrt.

Werden diese effektiven Schubsteifigkeiten GDx , G

Dy in Gleichung (3.102) fur den effektiven

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60 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

G Dx

x

y

G Dy

g x

t xD

t yD

D

g yD

Abbildung 3.14: Modellierung der Dubelwirkung basierend auf dem Schubmechanismus

Schubmodul GD(αc) eingesetzt, wird die Rissabhangigkeit der Dubelwirkung automatisch

berucksichtigt. Im Ansatz von [Linero 2006; Linero, Oliver, Huespe & Pulido

2006] wird der Schubmechanismus zwar ebenfalls uber den Schubmodul des Stahles

beschrieben, jedoch bleibt in ihrer Arbeit die wichtige Abhangigkeit der Rissrichtung

außer Betracht.

b) Biegemechanismus

Wird der Bewehrungsstab im Riss hauptsachlich auf Biegung beansprucht, erfolgt die

Modellierung der Dubelwirkung anhand eines Biegebalkens. Das zugrundeliegende physi-

kalische Grundmodell ist in Abbildung 3.15 schematisch dargestellt. Es ist ein Biegebalken,

der elastisch im Beton gebettet ist. Der Beton stellt dabei mit der Bettungssteifigkeit kfdie elastische Federbettung des Biegebalkens dar, der uber die Lange l infolge Dubelwir-

kung verformt wird. Die gesuchte Schubsteifigkeit des Balkens im Riss GDx , G

Dy lasst sich in

diesem Fall durch einen effektiven Schubmodul Gf des betrachteten Balken-Feder-Systems

beschreiben

GDx = Gf bzw. GD

y = Gf , (3.106)

wobei die Abhangigkeit von der Rissrichtung bereits uber den effektiven Schubmodul

GD(αc) aus Gleichung (3.102) erfasst wird. Analog zu Gleichung (3.105) lassen sich infolge

einer Schubverformung γDx bzw. γDy die Dubelspannungen fur eine gebettete Bewehrung

in x- bzw. y-Richtung wie folgt formulieren

τDx = GDx γ

Dx = Gf γ

Dx bzw. τDy = GD

y γDy = Gf γ

Dy . (3.107)

Ausgehend von der Differentialgleichung der elastischen Bettung wird zur Herleitung der

effektiven Schubsteifigkeit des Balken-Feder-Systems Gf die analytische Losung gemaß

Timoshenko ausgewertet. Die folgenden Gleichungen basieren auf [He & Kwan 2001].

Eine detaillierte Herleitung des Problems findet sich in [El-Ariss 2006]. Die analytische

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3.4 Modellierung der Dubelwirkung 61

u

u / 2

l

k f

x

y

g xD

Abbildung 3.15: Modellierung der Dubelwirkung basierend auf der Balkentheorie mit elasti-

scher Bettung [He & Kwan 2001]

Losung der Differentialgleichung liefert in Abhangigkeit des E-Moduls Es, des Flachen-

tragheitsmoments Is und der Querschnittsflache As der Bewehrung sowie der Lange l und

des Parameters λ den effektiven Schubmodul

Gf =EsIsAs

l λ3. (3.108)

Fur ein Kreisprofil mit dem Stabdurchmesser ds betragt das Flachentragheitsmoment Is =

π d4s/64. Die fur die Dubelwirkung relevante Verformungslange l kann aus der analytischen

Losung der Verformungsfunktion zu

l = π/λ (3.109)

abgeschatzt werden. Wird die obige Beziehung in Gleichung (3.108) eingesetzt, folgt fur

den effektiven Schubmodul des Systems folgende Beziehung

Gf =EsIsAs

π λ2. (3.110)

Der Parameter λ in der Einheit [1/m] entspricht der relativen Steifigkeit der Bettung und

wird mit

λ = 4

kf ds4Es Is

(3.111)

angegeben. Die benotigte Bettungssteifigkeit des Betons kf ist die maßgebliche Große zur

Beschreibung der Dubelwirkung. Aus experimentellen Auswertungen wird in der Litera-

tur fur kf eine Streuung zwischen 75 bis 450 N/mm3 angegeben. Gemaß [He & Kwan

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62 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

2001; El-Ariss 2006] wird fur kf eine Funktion angesetzt, die in Abhangigkeit der

Druckfestigkeit des Betons fcu aus experimentellen Daten abgeschatzt wird

kf =127 c1

√fcu

d2/3s

. (3.112)

Die Druckfestigkeit des Betons fcu ist in [N/mm2] und der Stabdurchmesser ds in [mm]

einzusetzen. Der dimensionslose Modellparameter c1 berucksichtigt im Falle einer Beweh-

rungsschar den Abstand der Bewehrungsstabe zueinander und betragt c1 = 0.6 fur einen

Stababstand von etwa 25mm und c1 = 1.0 fur großere Stababstande.

Wie eingangs erwahnt, wird zur Beschreibung der Dubelwirkung entweder von einer

Schubbelastung oder von einer Biegebelastung der Bewehrung im Riss ausgegangen. Aus-

gehend von diesen beiden Belastungsszenarien leiten sich aus den vorgestellten physi-

kalischen Grundmodellen die effektiven Schubmodule fur eine Bewehrung in x- bzw. in

y-Richtung ab

GDx = GD

y =

Gs : Schubmodul des Stahles (Schubmechanismus)

Gf : elastische Bettung (Biegemechanismus).(3.113)

Die Wahl, welches Modell anzusetzen ist, hangt von der jeweiligen Strukturanalyse und

von dem zu erwartenden Risstyp ab. Sind Risse uberwiegend aus einem mode-II Bela-

stungszustand zu erwarten, kann von einer schubbeanspruchten Bewehrung im Riss aus-

gegangen werden, d.h. GDx = GD

y = Gs. Treten Risse hingegen uberwiegend aus einer

mode-I Belastung auf, aus der im Allgemeinen auch großere Rissweiten resultieren, kann

von einem dominanten Biegemechanismus der Bewehrung im Riss ausgegangen werden,

d.h. GDx = GD

y = Gf .

Anmerkung zum plastischen Verhalten:

Die konstitutiven Gesetze fur die Dubelspannungen τDx , τDy aus Gleichung (3.105) und

(3.107) basieren auf linear-elastische Dubelmechanismen. Solange die Bewehrung sich im

elastischen Bereich befindet, ist diese Annahme auch zutreffend. Im plastischen Bereich

hingegen, wird die maximale Dubelkapazitat durch das Fließen der Stahlbewehrung be-

grenzt. Experimentelle Untersuchungen zeigen fur die Dubelwirkung daher ein annahernd

lineares, elasto-plastisches Verhalten auf [He & Kwan 2001]. In der gegenwartigen For-

mulierung wird die Dubelwirkung auf der konstitutiven Seite des Stahles berucksichtigt.

Diese Beschreibung hat den Vorteil, dass anhand der in Kapitel 3.2 vorgestellten J2-

Plastizitat des Stahles, das elasto-plastische Verhalten der Dubelwirkung automatisch

erfasst wird. Die Fließbedingungen des Stahles gelten somit auch fur die Dubelwirkung,

und es mussen daher keine weiteren Kriterien, wie in [Linero 2006; Linero, Oliver,

Huespe & Pulido 2006], definiert werden.

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3.4 Modellierung der Dubelwirkung 63

B e t o n

Y

a m

a s

a c

a s

Z

y s

z sy c

z ca c

B e t o n

Abbildung 3.16: Ebene Betrachtung eines gerissenen Stahlbetonelements

3.4.4 Numerische Umsetzung

In [He & Kwan 2001] erfolgt die Modellierung der Bewehrung eindimensional. Daher

kann in solchem Fall die Dubelwirkung nur auf der konstitutiven Seite des Betons Ein-

gang in die Stahlbetonformulierung finden. Wie aus Gleichung (3.84) ersichtlich wird,

werden in der vorliegenden Arbeit hingegen auch die Schubkomponenten der Bewehrung

berucksichtigt. Vor diesem Hintergrund werden, anders als in [He & Kwan 2001], die

Dubelmechanismen in die konstitutiven Gleichungen des Stahles integriert. Hinsichtlich

der Vorgehensweise wird zunachst die im lokalen (Riss)-Koordinatensystem definierte Stei-

figkeitsmatrix kc(αc) aus Gleichung (3.97) abhangig vom Winkel αc in das Koordinaten-

system des Stahles uberfuhrt. Die fur die Dubelwirkung relevanten Schubkomponenten

ersetzen anschließend den Schubmodul der Stahlbewehrung.

In Abbildung 3.16 ist ein ebenes, gerissenes Stahlbetonelement mit einem Bewehrungsstab

dargestellt. Zur Herleitung der Dubelmechanismen werden drei unterschiedliche Koordi-

natensysteme betrachtet. Das Stahlbetonelement ist in der vorliegenden Arbeit in der

globalen (YZ)-Ebene formuliert. Fur die Bewehrung ist das (yszs)-Koordinatensystem

maßgebend. Anhand des Winkels αs bezogen auf das globale System ist die Orientierung

der Bewehrung festgelegt. Um die Abhangigkeit der Rissrichtung auf die Dubelwirkung

numerisch zu beschreiben, wird senkrecht und parallel zu der Rissebene das (yczc)-Riss-

Koordinatensystem gelegt. Der Winkel αm bezogen auf das globale System lasst sich dabei

aus der Hauptspannungsrichtung der Betonzugspannungen aus Kapitel 3.1.1.1 herleiten.

Die Steifigkeitsmatrix kc(αc) aus Gleichung (3.97) ist im Riss-Koordinatensystem definiert

und beschreibt die ebene Spannungs-Dehnungsbeziehung eines gerissenen Stahlbetonele-

ments mit zwei unabhangigen Bewehrungsstaben. Sowohl die aufgebrachten Verformungen

als auch die resultierenden Spannungen beziehen sich auf das Riss-Koordinatensystem.

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64 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

Unter Beachtung der allgemeinen 3D-Matrixnotation fur Verzerrungen und Spannungen

[ε] =

εxxεyyεzz

2 εxy2 εyz2 εxz

und [σ] =

σxxσyyσzzσxyσyxσxz

, (3.114)

lasst sich kc(αc) in Anlehnung an das (yczc)-Riss-Koordinatensystem aus Abbildung 3.16

in eine raumliche Darstellung uberfuhren

[Kc(αc)] = [Kc] =

0 0 0 0 0 0

0 kc,11 0 0 kc,12 0

0 0 0 0 0 0

0 0 0 kc,22 0 0

0 kc,21 0 0 kc,22 0

0 0 0 0 0 0

. (3.115)

Hinsichtlich der raumlichen Komponente Kc[4, 4] sei angemerkt, dass die zu der Verfor-

mung εxy korrespondierende Dubelwirkung sich identisch, wie zu der ebenen Verformung

εyz verhalt, so dass Kc[4, 4] = Kc[5, 5] angenommen werden kann. Die Steifigkeitsma-

trix kc(αc) ist ursprunglich fur zwei unabhangige Bewehrungsstabe ausgewertet. Wird

gemaß Abbildung 3.16 ein Bewehrungsstab betrachtet, lautet die raumliche Darstellung

bei Auswertung der Gleichungen (3.98) bis (3.101) mit GDx = Ex = 0 wie folgt

[Kc] =

0 0 0 0 0 0

0 GDy s

2c2 + Ey s4 0 0 (Ey −GD

y ) s3c 0

0 0 0 0 0 0

0 0 0 GDy s

4 + Ey s2c2 0 0

0 (Ey −GDy ) s

3c 0 0 GDy s

4 + Ey s2c2 0

0 0 0 0 0 0

, (3.116)

mit den Abkurzungen s = sin(αc) und c = cos(αc).

In der Herleitung der Steifigkeitsmatrix kc(αc) aus Gleichung (3.97) wurde zunachst

aus Grunden der Ubersicht von einer Bewehrungsfuhrung entlang des globalen Koor-

dinatensystems ausgegangen. Fallt jedoch, wie in Abbildung 3.16 dargestellt, das (yszs)-

Koordinatensystem der Bewehrung nicht mit dem globalen (YZ)-System zusammen, be-

rechnet sich der fur die Dubelwirkung relevante Winkel αc wie folgt

αc = αm − αs. (3.117)

Der Winkel αm wird dabei aus der Hauptspannungsrichtung der Betonzugspannungen

ermittelt, und mit einer gegebenen Bewehrungslage ist der konstante Winkel αs ebenfalls

bekannt.

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3.4 Modellierung der Dubelwirkung 65

Um die Dubelwirkung in das Materialgesetz des Stahles integrieren zu konnen, ist es

zunachst erforderlich, die Steifigkeitsmatrix [Kc] aus Gleichung (3.116) vom (yczc)-Riss-

Koordinatensystem in das (yszs)-Koordinatensystem des Stahles zu uberfuhren. Dabei

wird vorausgesetzt, dass sowohl die aufgebrachten Verformungen im Riss als auch die

resultierenden Spannungen der Stahlbewehrung zuzuordnen sind. Mithilfe der Rotations-

matrix [Q(αc)] aus Gleichung (A.3) im Anhang lautet die effektive Steifigkeitsmatrix des

gerissenen Stahlbetonelements im (yszs)-Koordinatensystem des Stahles somit wie folgt

[Ks] = [QT (αc)][Kc][Q(αc)]. (3.118)

Die Schubkomponenten Ks[5, 5] und Ks[6, 6] der Steifigkeitsmatrix [Ks] des gerissenen

Stahlbetonelements entsprechen den effektiven Dubelsteifigkeiten GDs [5, 5] und GD

s [6, 6]

im (yszs)-Koordinatensystem des Stahles

GDs [5, 5] = Ks[5, 5] und GD

s [6, 6] = Ks[6, 6]. (3.119)

Diese Schubkomponenten ersetzen im Materialgesetz des Stahles aus Gleichung (3.84) den

Schubmodul

[Cs] =

0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0

0 0 Es 0 0 0

0 0 0 Gs 0 0

0 0 0 0 GDs [5, 5] 0

0 0 0 0 0 GDs [6, 6]

. (3.120)

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66 Kapitel 3: Modellierung der Materialverhalten und Interaktionsmechanismen

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Kapitel 4

Modellierung von Stahlbeton

Die Zusammenfuhrung der beiden Materialien Beton und Stahl zum Verbundwerkstoff

Stahlbeton ist das Ziel dieses Kapitels. Hinsichtlich der Modellierung wird ein makro-

skopischer Ansatz gewahlt, der im Rahmen der Homogenisierung die bereits vorgestellten

interaktiven Mechanismen zwischen Stahl und Beton (Dubelwirkung und Verbund) mit-

berucksichtigt. Zunachst werden die klassischen Grundlagen der Homogenisierung erortert

und ein adaquates Reprasentatives Volumenelement (RVE) formuliert. Zur Losung der

Homogenisierungsgleichungen wird aufgrund der expliziten und geschlossenen Formulie-

rung die analytische Mori-Tanaka Homogenisierungsstrategie verwendet, die auf Eshelbys

Inklusionsproblem basiert. Es werden anschließend samtliche Homogenisierungsvariablen

hergeleitet, die zur Ermittlung des makroskopischen Materialverhaltens benotigt werden.

Zur Beschreibung des lokalen Verhaltens der Konstituierenden auf der Mesoskala werden

weiterhin die klassischen kontinuumsmechanischen Gleichungen angesetzt. Somit konnen

die bestehenden Materialgesetze von Stahl und Beton unverandert ubernommen werden.

Die Einbettung des Homogenisierungskonzepts in ein Finite-Elemente-Modell wird ab-

schließend anhand einer numerischen Prozedur verdeutlicht.

Im Hinblick auf die Anwendung der Homogenisierungsgleichungen auf nichtlineare Ma-

terialien, sind geringfugige Modifikationen erforderlich, um auf makroskopischer Ebene

realistische Strukturanworten abbilden zu konnen. Das gewahlte Homogenisierungskonzept

ist des Weiteren vor dem Hintergrund zu verstehen, das weitgehend allgemein formulierte

Modell auf textilbewehrtem Beton bzw. Faserbeton erweitern zu konnen. Hierzu ist ledig-

lich das konstitutive Gesetz der eingebetteten Stahlbewehrung durch das Fasermaterial zu

ersetzen.

67

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68 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

B e t o n e l e m e n t

a ) e x p l i z i t b ) e i n g e b e t t e t c ) v e r s c h m i e r t

S t a b e l e m e n t

Abbildung 4.1: Modellierungskonzepte fur Stahlbeton

4.1 Modellierungskonzepte

In der vorliegenden Arbeit stellt die Betonmatrix mit den eingelegten Stahlbewehrun-

gen das Kompositmaterial Stahlbeton dar. Hinsichtlich einer numerischen Beschreibung

des Trag- und Verformungsverhaltens sind in der Literatur drei unterschiedliche Ansatze

gelaufig. In Abbildung 4.1 ist die explizite, die eingebettete und die verschmierte Metho-

de veranschaulicht. Nachfolgend erfolgt eine kurze Erorterung dieser Ansatze mit den

jeweiligen Vor- und Nachteilen.

a) Explizite Modellierung:

Die Bewehrung wird in diesem Fall anhand von Stabelementen explizit modelliert, und ih-

re Anteile gehen uber die geometrischen Kenngroßen, wie z.B. Querschnittsflache, Lange,

E-Modul, additiv in die globale Steifigkeitsmatrix ein. Aus Einfachheitsgrunden wird da-

bei meistens ein Zugstab herangezogen, der lediglich axiale Krafte ubertragt. Die Vernet-

zung einer Stahlbetonstruktur kann bei dieser diskreten Modellierung jedoch nicht frei

gewahlt werden, da aufgrund der Verschiebungskompatibilitat die Stabelemente nur an

den Randern eines Betonelements angebracht werden konnen, d.h. Beton- und Stahlele-

mente teilen sich die gleichen Knoten. Diese Einschrankung hat daher den Nachteil, dass

die Netzdiskretisierung an die Bewehrungsfuhrung anzupassen ist und somit in der Nahe

der Bewehrungslage ein sehr feines Netz erforderlich ist. Sowohl die großere Netzdich-

te als auch die Tatsache, dass jeder einzelne Bewehrungsstab mit finiten Stabelementen

diskretisiert werden muss, erhoht den Rechen- und Diskretisierungsaufwand erheblich.

Hinsichtlich des Verbundverhaltens wird -wenn keine weiteren Bedingungen formuliert

werden- aufgrund der Verformungskompatibilitat stets von einem vollen Verbund ausge-

gangen. Sollen aber ebenfalls Schlupfverformungen berucksichtigt werden, muss die Dis-

kretisierung um Verbundelemente erganzt werden. Diese konnen entweder knotenweise

oder linienweise anhand von Kontaktelementen modelliert werden. Durch Zuweisung ei-

nes konstitutiven Verbundgesetzes kann dann die Kraftubertragung an der Verbundflache

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4.1 Modellierungskonzepte 69

mitberucksichtigt werden. Dies erhoht jedoch zusatzlich den Rechen- und Diskretisie-

rungsaufwand. Aufgrund der einfachen Umsetzung der expliziten Modellierung kann in

einigen Strukturbeispielen die Verwendung dieser Methode dennoch interessant sein. Vor

allem wenn in einer Struktur viele Bewehrungen mit unterschiedlichen Orientierungen und

Querschnittsflachen betrachtet werden und der Einfluss des Schlupfes vernachlassigbar ist,

kann die Anwendung der diskreten Modellierung durchaus geeignet sein.

b) Eingebettete Modellierung:

Eine alternative Beschreibung des Verbundwerkstoffes Stahlbeton erfolgt uber die ein-

gebettete Methode [Phillips & Zienkiewicz 1976; Elwi & Hrudey 1989; Hartl

2002; Huber 2006]. Hierbei wird die Bewehrung zunachst ebenfalls anhand eines eindi-

mensionalen Zugstabs reprasentiert. Anders als in der expliziten Modellierung, wird jedoch

der Bewehrungsstab in das Betonelement eingebettet, wobei fur das Bewehrungselement

die gleichen Ansatzfunktionen und Knotenfreiheitsgrade wie fur das Betonelement gewahlt

werden. Somit konnen die Steifigkeits- und Krafteanteile des Bewehrungsstabs durch Inte-

gration entlang des Stabes ermittelt werden. Die Gesamtsteifigkeit des Systems setzt sich

dann additiv aus der Integration entlang der Stahlbewehrung und der Integration uber das

Betonelement zusammen. Gegenuber der expliziten Methode ist die Lage der Bewehrung

innerhalb eines Betonelements beliebig. Daher kann eine Stahlbetonstruktur unabhangig

von der Bewehrungsfuhrung diskretisiert werden. Nachteilig an der eingebetteten Mo-

dellierung ist jedoch, dass die genaue Position des Stabsegments in jedem Betonelement

unterschiedlich sein kann. Damit die Integration entlang des Bewehrungsstabs element-

weise erfolgen kann, sind daher zunachst die isoparametrischen Koordinaten des Beweh-

rungsstabes innerhalb des Betonelements zu bestimmen. Sofern nur wurfelformige Be-

tonelemente verwendet werden und die Bewehrungen parallel zu den Strukturoberflachen

verlaufen, konnen diese isoparametrischen Koordinaten einfach ermittelt werden. Werden

hingegen verzerrte Volumenelemente fur den Beton verwendet, sind zur Ermittlung der

isoparametrischen Koordinaten der Bewehrung iterative Verfahren erforderlich. Nachteilig

ist des Weiteren, dass hinsichtlich der Verbundmodellierung ein weiterer Freiheitgrad fur

den Schlupf eingefuhrt werden muss, da von der Verformungskompatibilitat abgewichen

wird. Eine interessante Erweiterung der eingebetteten Methode stellt die Vorspannung der

Bewehrung dar. Da die exakte Position und Orientierung der Bewehrungsfuhrung inner-

halb der Gesamtstruktur berucksichtigt wird, kann uber einen Krafteansatz das Konzept

der Einbettung mit relativ wenig Aufwand auf Spannbetonstrukturen erweitert werden

[Hartl 2002].

c) Verschmierte Modellierung:

Eine breite Akzeptanz genießt auch das Konzept des verschmierten Ansatzes, bei dem

stellvertretend fur die Betonmatrix mit den Bewehrungen ein homogenes Ersatzmateri-

al definiert wird [Mehlhorn 1996; He & Kwan 2001; Pietruszczak & Winnicki

2003; Wormann 2004; Luccioni, Lopez & Danesi 2005; Linero 2006; Man-

zoli, Oliver, Huespe & Diaz 2008]. Bei dieser Betrachtung wird die Stahlbeweh-

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70 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

rung gleichmaßig im Betonelement verteilt, so dass in jedem materiellen Punkt sowohl

Beton- als auch Stahlanteile vorhanden sind (Abbildung 4.1 c)). Zur Herleitung der kon-

stitutiven Gleichungen des homogenisierten Ersatzmaterials werden bei der numerischen

Integration die Bewehrungsanteile in jedem Gausspunkt den Betonanteilen hinzuaddiert.

Das betrifft insbesondere die lokalen Beton- und Stahlspannungen sowie die Steifigkei-

ten der Konstituierenden, die sich direkt aus den jeweiligen Materialgesetzen herleiten

lassen. Abhangig vom Homogenisierungskonzept wird der Bewehrungsgrad, die Orientie-

rung und Geometrie der Bewehrung wahrend des Integrationsprozesses in unterschiedli-

cher Qualitat mitberucksichtigt. Die verschmierte Methode kommt haufig bei Strukturen

zum Einsatz, die uberwiegend eine gleichmaßige Verteilung der Bewehrung aufweisen. So

werden in Flachentragwerken, wie z.B. in Platten oder Scheiben, einzelne Bewehrungsla-

gen schichtweise in verschmierter Form betrachtet. Aber auch in Biegebalken, in denen

Bewehrungsstabe nicht flachig sondern vereinzelt in der Betonstruktur verteilt sind, kann

eine Homogenisierung vorgenommen werden. Dazu werden nur die Betonelemente mit der

Bewehrung verschmiert, die sich in unmittelbarer Nahe der Bewehrungsfuhrung befinden.

Die Gesamtstruktur setzt sich in diesem Fall aus Betonelementen sowie aus den homoge-

nisierten Stahlbetonelementen zusammen. Ein wesentlicher Vorteil der Homogenisierung

besteht darin, dass bei Berucksichtigung der Bewehrung, keine zusatzlichen globalen Frei-

heitsgrade definiert werden mussen, was eine Einsparung an Rechenzeit bedeutet. Auch

die weitgehend von der Bewehrungsfuhrung unabhangige Vernetzung der Gesamtstruktur,

wirkt sich positiv auf den Rechen- und Diskretisierungsaufwand aus. Was die Verbundmo-

dellierung anbelangt, so kommt in der gegenwartigen Arbeit ein Ansatz gemaß [Luccioni,

Lopez & Danesi 2005; Linero 2006; Manzoli, Oliver, Huespe & Diaz 2008] zur

Anwendung. Schlupfverformungen zwischen der Betonmatrix und der Bewehrung werden

hierbei indirekt uber modifizierte Stahlspannungen berucksichtigt (siehe Kapitel 3.3), so

dass in Stablangsrichtung weiterhin ein kompatibler Verformungszustand zwischen den

Konstituierenden vorherrscht.

In der vorliegenden Arbeit wird das verschmierte Modellierungskonzept verwendet.

Nachfolgend werden zunachst die klassischen Grundgleichungen der Homogenisierung

vorgestellt. Anschließend werden die aus der Mori-Tanaka Homogenisierungsstrategie

herruhrenden Variablen fur ein Drei-Phasen-Komposit hergeleitet [Mori & Tanaka

1973].

4.2 Grundlagen der Homogenisierung

Heterogene Materialien (Verbund- oder Kompositwerkstoffe) kommen zum Einsatz, wenn

bautechnisch vorteilhafte Eigenschaften unterschiedlicher Materialen kombiniert werden

sollen. Dabei werden die physikalischen Eigenschaften eines Ausgangsmaterials durch

Beimischungen weiterer Materialien ertuchtigt. In dieser Art von Materialertuchtigung

konnen sowohl mechanische Materialeigenschaften aber beispielsweise auch thermische

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4.2 Grundlagen der Homogenisierung 71

M a t r i x

P a r t i k e l k u r z e F a s e r l a n g e F a s e r

Abbildung 4.2: Beispiele von Verbundwerkstoffen

oder hygrische Eigenschaften von Interesse sein [Reiter & Dvorak 1998; Petter-

mann, Plankensteiner, Bohm & Rammerstorfer 1999; Dormieux & Lemar-

chand 2001]. In Bezug auf mogliche Anwendungsbereiche sei hier kurz auf textilbe-

wehrte Betone [Richter 2005], glasfaserverstarkte Polymere [Meraghni, Desrumaux

& Benzeggagh 2002] oder aber auch auf Mineralgewebe, wie sie in der Biomechanik

vorkommen, [Hellmich & Ulm 2002; Grytz & Meschke 2009] hingewiesen.

Im Kontext heterogener Materialien stellen die Beimischungen die Inhomogenitaten des

Kompositmaterials dar, da sie die Homogenitat des Ausgangsmaterial aufheben. Wenn im

weiteren Verlauf dieser Arbeit von Inklusionen oder Einschlusse die Rede ist, so sind eben-

falls die Beimischungen gemeint, deren Volumenanteile uberlicherweise geringer sind als

die des Ausgangsmaterials. In Abbildung 4.2 sind einige Beispiele von Verbundwerkstof-

fen, so wie sie haufig verwendet werden, dargestellt. Aufgrund der geometrischen Großen-

verhaltnisse zwischen den mikro- oder mesoskopischen Inhomogenitaten und der makro-

skopischen Kompositstruktur, mussen zur Beschreibung von mechanischen Vorgangen

unterschiedliche Skalen eingefuhrt werden. Homogenisierungskonzepte dienen hierbei als

Schnittstellen zwischen Mikro-, Meso- und Makroebenen und kommen bei Mehrskalenpro-

blemen zum Einsatz, wenn Feldvariablen von einer Betrachtungsebene in eine andere zu

ubertragen sind. Bei Verbundmaterialien liegt das Hauptziel der Homogenisierung in der

Beschreibung des mechanischen Werkstoffverhaltens auf makroskopischer Ebene, welches

sich im Wesentlichen durch die Eigenschaften der einzelnen Konstituierenden sowie deren

mikromechanischen Interaktionen auszeichnet. Dabei unterscheidet sich in der Regel das

Materialverhalten des Komposits erheblich von den Materialeigenschaften der einzelnen

Konstituierenden. Die Volumenanteile und die Geometrie der einzelnen Phasen sowie die

mikrostrukturelle Beschaffenheit des Verbundmaterials sind die maßgebenden Parameter

hinsichtlich der globalen Strukturantwort. Auch wenn beispielsweise das Matrixmaterial

und die eingebetteten Inhomogenitaten isotrope Eigenschaften haben, kann das Verbund-

material aufgrund der Geometrie und der raumlichen Verteilung der Inhomogenitaten ein

anisotropes Verhalten aufweisen.

Da die Modellierung der Mikrostruktur aufgrund ihrer Komplexitat sich im Allgemeinen

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72 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

als sehr schwierig erweist, wird anhand eines homogenisierten Ersatzmaterials das effektive

bzw. gemittelte Materialverhalten abgeschatzt, welches dem strukturellen Verhalten des

Kompositmaterials als Kontinuum entspricht. Hierbei wird versucht, die globale Struktu-

rantwort des heterogenen Materials aus den bekannten Materialeigenschaften der einzel-

nen Phasen sowie aus deren mikromechanischen Interaktionen abzuleiten. Ein wesentlicher

Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass dabei das lokale Verhalten der Konstituie-

renden auf der Mesoskala nach wie vor durch die klassischen kontinuumsmechanischen

Gleichungen beschrieben werden kann. Somit konnen die bestehenden Materialgesetze

der einzelnen Phasen unverandert ubernommen werden. Obgleich mit homogenisierten

Ersatzmaterialien in den meisten Fallen lediglich eine Approximation der makroskopi-

schen Materialeigenschaften beschrieben wird, eignen sie sich insbesondere auch fur Para-

meterstudien. Des Weiteren konnen mit Homogenisierungskonzepten anhand von inversen

Analysen eine Optimierung der Mikrostruktur vorgenommen werden.

4.2.1 RVE

Ein sehr gangiger und weit verbreiteter Losungsansatz in der Mikromechanik zur Be-

schreibung von effektiven Materialeigenschaften basiert auf dem Reprasentative Volumen-

element (RVE) [Zaoui 2002; Zohdi & Wriggers 2005]. Die Kernidee dieser Methode

besteht darin, fur einen materiellen Punkt der Kompositstruktur ein reprasentatives Ele-

ment zu formulieren, dessen mechanischen Eigenschaften herzuleiten und diese dem be-

trachteten Materialpunkt zuzuweisen. Die mechanischen Materialeigenschaften des RVEs

sind hierbei aus gemittelten Werten mittels Homogenisierungskonzepten aus einem aqui-

valenten homogenen Ersatzmaterial zu bestimmen. Folglich sind es effektive Eigenschaf-

ten, die dem Verbundmaterial auf makroskopischer Ebene zugeordnet werden. Vorteilhaft

an dieser Homogenisierungsprozedur ist, dass die Materialgesetze der Konstituierenden

nach wie vor benutzt werden konnen und fur das homogene Ersatzmaterial die klassi-

schen kontinuumsmechanischen Gleichungen gelten.

Da letztendlich die effektiven Materialeigenschaften des Verbundwerkstoffs durch das RVE

bestimmt werden, sind bei dessen Wahl sorgfaltige Uberlegungen erforderlich. In einem

RVE wird die Mikrostruktur des Komposits abgebildet. Je nachdem, welche Anforderun-

gen an das RVE gestellt werden, erfolgt die Abbildung entweder in vereinfachter Form

oder aber auch in einer komplexen Darstellungen. Damit der reprasentative Charakter

des Volumenelements sichergestellt ist, mussen die einzelnen Konstituierenden statistisch

uber den betrachteten Kontrollraum verteilt sein, d.h. das RVE muss eine ausreichende

Menge an heterogenen Phasen beinhalten. Aus dieser Forderung folgt, dass die Lange l des

RVE wesentlich großer als die Inhomogenitaten mit einer charakteristischen Große d und

zugleich wesentlich kleiner als eine markante Dimension der makroskopischen Struktur L

ist. Diese geometrische Bedingung des RVE lasst sich wie folgt formulieren

d≪ l ≪ L. (4.1)

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4.2 Grundlagen der Homogenisierung 73

X

Y

Z L

d 3 d 1 d 2> > ,

d 1

d 2

z s

d 3

M a k r o s t r u k t u r M i k r o s t r u k t u r

y s

x s

y s

x s

Abbildung 4.3: Eine Kompositstruktur in unterschiedlichen Betrachtungsebenen: Strukture-

bene (links), Mikroebene (rechts)

Z

Ya 2

a 1

l

C1

C2

Cm

ε∗

ε∗

∂V

Abbildung 4.4: Das gewahlte Reprasentative Volumen Element (RVE) fur Stahlbeton

In Abbildung 4.3 ist eine Gegenuberstellung von unterschiedlichen Betrachtungsebenen

fur ein Kompositmaterial mit langen elliptischen Fasern dargestellt. Die charakteristische

Große d konnte in diesem Fall der Durchmesser bzw. der Radius der Inhomogenitat sein.

Die in Abbildung 4.3 skizzierte Makrostruktur entspricht in dieser Arbeit dem Kompo-

sitmaterial Stahlbeton. Die in der globalen (YZ)-Ebene befindliche Stahlbewehrung ist

in der Betonmatrix eingebettet und wird anhand von langen zylindrischen Fasern idea-

lisiert. In Abbildung 4.4 ist das zugrundeliegende RVE fur Stahlbeton skizziert. In der

vorliegenden Arbeit setzt sich das RVE aus der Betonmatrix mit der Steifigkeit Cm und

aus maximal zwei unterschiedlichen Bewehrungen mit den Steifigkeiten C1 und C2 zusam-

men. Die Orientierung des jeweiligen Bewehrungsstabs wird innerhalb der (YZ)-Ebene

mit dem Winkel α1 bzw. α2 angegeben. Im RVE ist zunachst das Bewehrungsmaterial

nicht festgelegt. So kann durch die Wahl der Steifigkeiten C1 und C2 beispielsweise auch

textilbewehrter Beton betrachtet werden [Richter 2005].

Belastet wird das RVE mit gleichformigen, d.h. konstanten Verzerrungen ε∗. Hierzu

werden kinematische Randbedingungen in Form eines linearen Verschiebungsfelds vor-

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74 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

geschrieben

u(x) = ε∗ · x, x ∈ ∂V. (4.2)

Aus der Losung dieses mikromechanischen Randwertproblems folgen die gesuchten effek-

tiven Materialeigenschaften des homogenisierten Ersatzmaterials. Abhangig von der Ori-

entierung und vom Volumenanteil der jeweiligen Bewehrung, ist das zu erwartende effek-

tive Materialverhalten im Allgemeinen anisotrop und in einigen Spezialfallen transversal-

isotrop. Die Losung des Randwertproblems ist von der Wahl des Homogenisierungskon-

zepts abhangig und wird in den nachsten Unterkapiteln hergeleitet.

4.2.2 Klassische Mikro-Makro Beziehungen

In diesem Abschnitt werden die klassischen Homogenisierungsgleichungen fur ein Drei-

Phasen-Komposit angegeben. Diese sind zunachst unabhangig vom gewahlten Homoge-

nisierungsmodell und werden erst in Kapitel 4.3 basierend auf dem gewahlten Homo-

genisierungskonzept konkretisiert. Im Fokus steht die Verknupfung von lokalen Mikro-

bzw. Mesogroßen mit den makroskopischen Feldvariablen und das daraus folgende Ma-

terialverhalten des heterogenen Kompositmaterials. Hinsichtlich der Notation werden im

Folgenden die zu der Betonmatrix gehorigen Parameter mit dem Index “m” und die zu

den Bewehrungen mit dem Index “1” bzw. “2” gekennzeichnet. Makroskopische (homoge-

nisierte) Kenngroßen werden mit einem hochgestellten Stern “∗” markiert. Zur Herleitung

der effektiven mechanischen Eigenschaften des homogenisierten Ersatzmaterials, erfolgt

eine volumetrische Mittelung bzw. Integration uber das RVE. Somit lasst sich das uber

das Volumen V gemittelte Verzerrungsfeld des RVEs wie folgt angeben

< ε >V=1

V

V

ε(x) dV, (4.3)

wobei ε(x) die Funktion des Verzerrungsfelds innerhalb des gesamten RVEs darstellt. Fur

die mittleren Spannungen lasst sich eine analoge Formulierung angeben

< σ >V=1

V

V

σ(x) dV. (4.4)

Der Ausdruck σ(x) ist der zum Verzerrungstensor ε(x) zugehoriger Spannungstensor.

Fur einen perfekten Verbund und fur konstante homogene Randbedingungen ε∗, so wie

sie in Gleichung (4.2) vorgeschrieben sind, weisen die einzelnen Phasen innerhalb des RVEs

ebenfalls eine konstante Spannungs- und Verzerrungsverteilung auf [Zohdi & Wriggers

2005]. Somit lassen sich die mittleren Verzerrungen und Spannungen aus Gleichung (4.3)

und (4.4) vereinfacht uber die Volumenanteile ci = Vi/V der drei diskreten Phasen mit

i = 1, 2, m ausdrucken

< ε >V=∑

i

ci < ε >i= c1 ε1 + c2 ε2 + cm εm mit < ε >i= εi, (4.5)

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4.2 Grundlagen der Homogenisierung 75

< σ >V=∑

i

ci < σ >i= c1 σ1 + c2 σ2 + cm σm mit < σ >i= σi. (4.6)

Die Feldvariablen < ε >i= εi und < σ >i= σi entsprechen den Mittelwerten der zu-

gehorigen Phase. In Gleichung (4.5) und (4.6) wird zudem implizit die Annahme getroffen,

dass das Gesamtvolumen V des RVEs von allen drei Phasen vollstandig ausgefullt wird,

d.h. es muss gelten

c1 + c2 + cm = 1. (4.7)

Sofern die Annahme gilt, dass ein perfekter Verbund zwischen der Betonmatrix und den

Inhomogenitaten vorherrscht, lassen sich die homogenisierten, gemittelten Verzerrungen

< ε >V aus Gleichung (4.5) als die makroskopischen Verzerrungen ε∗ identifizieren [Zohdi

& Wriggers 2005]

< ε >V= ε∗. (4.8)

Die zugehorigen makroskopischen Kompositspannungen lassen sich analog angeben

< σ >V= σ∗. (4.9)

Da die Konstituierenden Beton und Stahl in sich als homogen und daher als Kontinuum

betrachtet werden, lassen sich die Phasenspannungen σi aus den jeweiligen Materialgeset-

zen herleiten. Hierzu sind jedoch die Verzerrungen innerhalb jeder Phase εi zunachst zu

ermitteln. Die Abschatzung dieser Verzerrungsfelder ist die wesentliche Kernaufgabe der

Homogenisierung und hangt vom gewahlten Homogenisierungskonzept ab. Anhand eines

(mechanischen) vierstufigen Lokalisierungstensors bzw. Konzentrationstensors A werden

Mittelwerte der lokalen Feldvariablen mit makroskopischen Feldvariablen verknupft. In

der gegenwartigen Formulierung werden die drei Phasenverzerrungen εi aus der makro-

skopischen Belastung ε∗ abgeschatzt

εi = Ai : ε∗, (i = 1, 2, m). (4.10)

Mit der obigen Beziehung wird unter Beachtung von Gleichung (4.8) das makroskopische

Verzerrungsfeld aus Gleichung (4.5) ausgewertet

ε∗ = c1 ε1 + c2 ε2 + cm εm

= c1A1 : ε∗ + c2A2 : ε

∗ + cmAm : ε∗

= (c1A1 + c2A2 + cmAm) : ε∗ = 11 : ε∗ = ε∗.

(4.11)

Fur diskrete Phasen ist die volumetrische Mittelung uber die Konzentrationstensoren

demnach der vierstufige Einheitstensor

<A >V= c1A1 + c2A2 + cmAm = 11. (4.12)

Somit mussen in einem Drei-Phasen-Komposit lediglich zwei Lokalisierungstensoren be-

kannt sein, der dritte lasst sich uber die obige Gleichung ermitteln. Die Tensoren Ai

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76 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

(i = 1, 2, m) der jeweiligen Phase sind abhangig von den gewahlten Randbedingungen

des RVEs sowie vom gewahlten Homogenisierungskonzept und beinhalten Informationen

hinsichtlich Volumenanteile, Phasenmoduli, Orientierung und Geometrie der Inhomoge-

nitaten.

Der SonderfallAi = 11 reprasentiert die klassische Mischungstheorie, in der fur alle Phasen

die gleichen makroskopischen Verzerrungen angesetzt werden (εi = ε∗). Das rheologische

Modell hierzu ist eine Parallelschaltung der Konstituierenden, die zu einer Addition der

Steifigkeiten fuhrt und somit eine obere Schranke hinsichtlich der Kompositsteifigkeit dar-

stellt (Modell nach Voigt). Alternativ wird haufig anstelle von den kinematischen Randbe-

dingungen aus Gleichung (4.2) Spannungsrandbedingungen fur das RVE vorgeschrieben.

In diesem Fall werden die Phasenspannungen σi mithilfe eines Spannungslokalisierungs-

tensor B aus den makroskopischen Spannungen σ∗ abgeschatzt (σi = Bi : σ∗). Die Wahl

Bi = 11 gibt in diesem Fall eine untere Schranke der makroskopischen Steifigkeit an, wobei

die Konstituierenden in Serie gedacht werden konnen (Modell nach Reuss).

Fur den elastischen Fall lasst sich das makroskopische konstitutive Gesetz fur das Er-

satzmaterial mit den jeweiligen konstitutiven Gesetzen σi = Ci : εi und aus Gleichung

(4.6) und (4.9) fur die makroskopischen Spannungen sowie aus Gleichung (4.10) fur die

Phasenverzerrungen εi wie folgt angeben

σ∗ = c1 σ1 + c2 σ2 + cm σm

= c1 C1 : ε1 + c2 C2 : ε2 + cm Cm : εm

= c1 C1 : A1 : ε∗ + c2 C2 : A2 : ε

∗ + cm Cm : Am : ε∗

= (c1 C1 : A1 + c2 C2 : A2 + cm Cm : Am) : ε∗

= C∗ : ε∗ mit C

∗ =∑

i

ci Ci : Ai (i = 1, 2, m)

(4.13)

wobei C∗ kein (messbarer) Materialparameter im eigentlichen Sinne ist, sondern vielmehr

einen homogenisierten effektiven Steifigkeitstensor fur das Komposit darstellt.

Die zentrale Aufgabenstellung besteht darin, die Schlusselparameter Ai aus Gleichung

(4.10) unter Erfullung der vorgeschriebenen kinematischen Randbedingungen des RVEs

abzuschatzen. Die Qualitat der Losung ist dabei abhangig vom gewahlten Homogenisie-

rungskonzept. In dieser Arbeit kommt ein analytisches Homogenisierungsmodell gemaß

[Mori & Tanaka 1973] zur Anwendung. Analytische Methoden basieren im Wesentli-

chen auf Eshelbys Grundlosung [Eshelby 1957], in der das Inhomogenitatsproblem in

ein aquivalentes Eigendehnungsproblem umformuliert wird. Bevor in Abschnitt 4.3 das

analytische Mori-Tanaka Homogenisierungsmodell vorgestellt und die dazugehorigen Lo-

kalisierungstensoren Ai konkretisiert werden, erfolgt zunachst eine kurze Erlauterung des

grundlegenden Losungsansatzes von Eshelby.

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4.2 Grundlagen der Homogenisierung 77

W I

W m

e *

e *

M a t r i x

I n k l u s i o n

W m

e *

e *

M a t r i xe d

h e t e r o g e n e r K ö r p e r ä q u i v a l e n t e r h o m o g e n e r E r s a t z k ö r p e r m i t E i g e n d e h n u n g e n

W = W m + W I

W I

Abbildung 4.5: Umformulierung des Inhomogenitatsproblems in ein homogenes Problem mit

Eigendehnungen εd [Eshelby 1957]

4.2.3 Grundlosung nach Eshelby

Die wichtigste Grundlage analytischer Homogenisierungsmethoden in der Mikromecha-

nik geht auf Eshelbys Werk zuruck [Eshelby 1957]. Darin formuliert er die infolge einer

Inhomogenitat auftretenden Verzerrungsfluktuationen in ein aquivalentes homogenes Pro-

blem mit Eigendehnungen um. In Abbildung 4.5 ist diese Umformulierung schematisch

dargestellt. Das zu betrachtende Gesamtgebiet Ω setzt sich aus der Matrix Ωm und aus

einer ellipsoidformigen Inklusion bzw. Inhomogenitat ΩI zusammen

Ω = Ωm + ΩI . (4.14)

Die Inklusion und die Matrix sind in sich betrachtet homogen aber nicht zwangslaufig

isotrop. Zunachst wird der heterogene Gesamtkorper durch einen aquivalenten homogenen

Ersatzkorper mit konstanten Eigendehnungen εd ersetzt, wobei die Eigendehnungen auf

das Gebiet ΩI beschrankt sind

εd =

0 in Ωm

εd in ΩI .(4.15)

Es sei angemerkt, dass im gesamten aquivalenten Ersatzkorper Ω keine Inhomogenitat

vorhanden ist und das zu der Inhomogenitat zugehorige Gebiet ΩI ebenfalls mit Ma-

trixmaterial gefullt ist. Die Aquivalenz zeichnet sich dadurch aus, dass die aufgebrachten

Eigendehnung εd so zu wahlen sind, dass unter der makroskopischen Belastung ε∗ der

homogene Ersatzkorper die gleichen lokalen Spannungs- und Verzerrungsfelder aufweist,

wie der heterogene Ausgangskorper. Fur eine Inhomogenitat mit elastischen Eigenschaf-

ten und ellipsoider Geometrie, die in einer unendlich ausgedehnten elastischen Matrix

perfekt eingebettet ist, gibt Eshelby eine geschlossene Losung fur die lokalen Verzerrungs-

felder an. Dabei werden die Verzerrungen innerhalb der Inhomogenitat εI anhand eines

vierstufigen Tensors T aus den makroskopischen Verzerrungen ε∗ ermittelt

εI = T : ε∗ mit (4.16)

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78 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

T =[11+ S : ((Cm)

−1 : CI − 11)]−1. (4.17)

Auf eine detaillierte Herleitung des Lokalisierungstensors T wird an dieser Stelle verzichtet

und auf folgende Referenz verwiesen [Gross & Seelig 2006]. In den Tensor T fließen

die mikromechanischen Informationen, wie z.B. die Matrixsteifigkeit Cm, die Steifigkeit

der Inhomogenitat CI sowie der sogenannte Eshelbytensor S vierter Stufe ein. Dieser

zentrale Parameter S folgt aus der direkten Umformulierung des Inklusionsproblems und

weist folgende Eigenschaften auf:

• Hinsichtlich der Inklusion hangt S lediglich von der Geometrie jedoch nicht von

deren absoluten Große oder Steifigkeit ab.

• Hinsichtlich der Matrix hangt S nur von den elastischen Matrixeigenschaften ab.

• Fur eine isotrope Matrix lasst sich S direkt aus der Querkontraktion der Matrix

und aus der Gestalt der Inklusion (Achsenverhaltnisse) herleiten.

Fur eine ellipsoide Inhomogenitat, die in einer isotropen Matrix eingebettet ist, lasst

sich der konstante Eshelbytensor S explizit beschreiben. Im Anhang B.1 ist S fur den

Spezialfall einer zylinderformigen Inhomogenitat in einer isotropen Matrix aufgefuhrt.

Fur anisotrope Matrixeigenschaften hingegen existiert fur den Eshelbytensor S kein ge-

schlossener Ausdruck. Zur dessen Ermittlung sind in solchem Fall numerische Verfahren

erforderlich.

Wird fur den Konzentrationstensor A aus Gleichung (4.10) die geschlossene

Losung T gemaß Eshelby aus Gleichung (4.17) verwendet, so folgt die “Dilute”-

Homogenisierungslosung [Benveniste 1987; Gross & Seelig 2006]. Die Approxi-

mation der “dunnen” (engl. dilute) Verteilung zeichnet sich dadurch aus, dass die lokalen

Verzerrungen εI aus Gleichung (4.16) unabhangig vom Volumenanteil der Inhomogenitat

bestimmt werden. Folglich werden keine Interaktionen zwischen den Inhomogenitaten

berucksichtigt. Die Inhomogenitat ist vom Matrixmaterial umgeben und “sieht” keine

weiteren benachbarten Inhomogenitaten. Bei der Dilute-Verteilung wird daher auch von

einer wechselwirkungsfreie Homogenisierung gesprochen. Fur großere Volumenanteile an

Inhomogenitaten, weist die Dilute-Losung infolge von Phaseninteraktionen große Fehler

auf, wohingegen fur kleinere Volumenanteile eine gute Approximation erzielt werden kann.

Im Folgenden wird das analytische Mori-Tanaka Homogenisierungskonzept, welches auf

Eshelbys Grundlosung basiert, vorgestellt [Mori & Tanaka 1973] und die zugehorigen

Lokalisierungstensoren AMTi fur Gleichung (4.10) hergeleitet. Die hochgestellte Indizie-

rung “MT” verweist dabei auf die Mori-Tanaka Losung.

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4.3 Mori-Tanaka Homogenisierungskonzept 79

W I

W m

e *

e *

M a t r i x

I n k l u s i o n

L ö s u n g s a n s a t z n a c h E s h e l b y( T h e o r i e d e r " d ü n n e n " V e r t e i l u n g )

W I

W m

e m

M a t r i x

I n k l u s i o n

e m

m a k r o s k o p i s c h e B e l a s t u n g : e mm a k r o s k o p i s c h e B e l a s t u n g : e *

M o r i - T a n a k a L ö s u n g s a n s a t z( E f f e k t i v e - F e l d T h e o r i e )

Abbildung 4.6: Gegenuberstellung von Homogenisierungsansatzen: “Dilute”-Verteilung

(links), Ansatz von Mori-Tanaka (rechts)

4.3 Mori-Tanaka Homogenisierungskonzept

In diesem Abschnitt werden die fur die Homogenisierungsprozedur erforderlichen Glei-

chungen und Variablen hergeleitet. Zunachst wird davon ausgegangen, dass sich alle Pha-

sen elastisch verhalten. Der Einfluss von materiellen Nichtlinearitaten wird erst in Unter-

kapitel 4.3.2 abgehandelt.

In der gegenwartigen Arbeit kommt ein analytisches Verfahren gemaß [Mori & Tanaka

1973] zur Anwendung. Die analytische Homogenisierung bietet gegenuber numerischen

Verfahren den Vorteil, mit einem geringeren Rechenaufwand die effektiven Materialpa-

rameter des Komposits abzuschatzen. Dabei wird im Allgemeinen ein vereinfachtes RVE

betrachtet. Ist hingegen die genaue Beschreibung der Mikrostruktur von Interesse, konnen

mit numerischen Verfahren das Mikrogefuge des Komposit diskret abgebildet und mit-

tels einer untergeordneten Finite-Elemente-Rechnung das Materialverhalten des RVE si-

muliert werden. Aufgrund der bereits numerisch aufwandigen Mehrphasen-Modellierung

des Werkstoffs Beton im Rahmen poroser Medien (siehe Abschnitt 3.1) wurde sich eine

zusatzliche numerische Homogensierung negativ auf eine effiziente Gestaltung des Modells

auswirken, da eine Homogenisierung in jedem Integrationspunkt und fur jeden Zeitschritt

zu erfolgen hat. Im Falle des Mori-Tanaka Homogenisierungskonzepts hingegen kann ohne

einen wesentlich zusatzlichen Rechenaufwand eine geschlossene explizite Formulierung auf

Materialpunktebene angegeben werden.

Im Wesentlichen ist das Mori-Tanaka Homogenisierungsmodell [Mori & Tanaka 1973]

eine Verfeinerung der zuvor beschriebenen Losung der dunnen wechselwirkungsfreien Ver-

teilung (“dilute solution”). Der grundlegende Unterschied besteht in der makroskopischen

Belastung, die die Inhomogenitat unmittelbar “spurt”. Wahrend im wechselwirkungsfrei-

en Ansatz die Inhomogenitat die makroskopischen Verzerrungen ε∗ als Belastung wahr-

nimmt, sind es in der Mori-Tanaka Theorie die Matrixverzerrungen εm. In Abbildung 4.6

sind beide Konzepte gegenubergestellt. Folglich werden in der Mori-Tanaka Theorie die

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80 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

Verzerrungen innerhalb der Inhomogenitat unmittelbar aus den Matrixverzerrungen εm

und nicht aus den makroskopischen Verzerrungen ε∗ abgeschatzt. Dieser Ansatz wird da-

her auch als Effektive-Feld-Theorie bezeichnet. Vor allem in Kompositmaterialien, die uber

ein ausgepragtes und zusammenhangendes Matrixmaterial verfugen, kommt aufgrund des

dominanten Einflusses der Matrix dieser Losungsansatz zur Anwendung. Ein wesentli-

cher Vorteil der Mori-Tanaka Methode liegt darin, dass im Vergleich zu der einfachen

Eshelby- bzw. “Dilute”-Losung Interaktionen zwischen den Inklusionen im gemittelten

Sinn berucksichtigt werden. Da zur Beschreibung der gesuchten Verzerrungen innerhalb

der Inhomogenitat die Matrixverzerrungen εm herangezogen werden und diese wiederum

von den Volumenanteilen des Komposits abhangen, werden Wechselwirkungen zwischen

benachbarte Inklusionen indirekt miterfasst.

Ein alternatives analytisches Homogenisierungsmodell, welches ebenfalls Wechselwirkun-

gen zwischen Inhomogenitaten berucksichtigt, ist die “Selbstkonsistente Methode”. Die-

ses Verfahren kommt zur Anwendung, wenn die Matrixphase nicht zusammenhangend ist

oder wenn sie eine untergeordnete Rolle fur das Komposit spielt. Der maßgebende Un-

terschied zu der Mori-Tanaka Grundidee besteht in der Definition des Referenzmediums,

welches unmittelbar von der Inhomogenitat wahrgenommen wird. In der Mori-Tanaka

Modellannahme “kennt” die Inhomogenitat lediglich die Existenz der Matrixphase, d.h.

als Referenzmedium dient hierbei das Matrixmaterial. In der “Selbstkonsistente Metho-

de” hingegen wird als Referenzmedium das verschmierte Kompositmaterial betrachtet,

d.h. in dieser Modellannahme wird die Inklusion vom (gesuchten) Kompositmaterial um-

geben. Da in diesem Fall als umgebendes Referenzmedium das Kompositmaterial selbst

betrachtet wird, wird die “Selbstkonsistente Methode” auch als Effektive-Medien Theorie

bezeichnet. Aufgrund der dominanten Matrixphase in Stahlbeton, wird dieses Konzept

jedoch nicht weiter verfolgt.

4.3.1 Lokalisierungstensoren fur das Drei-Phasen-Komposit

Hinsichtlich der benotigten Parameter besteht die Zielsetzung darin, fur das betrachtete

Drei-Phasen-Komposit aus Abbildung 4.4 die Lokalisierungstensoren AMTi der jeweiligen

Phase sowie die makroskopische Steifigkeit des Komposits C∗ basierend auf der Mori-

Tanaka Theorie herzuleiten [Mori & Tanaka 1973; Benveniste 1987]. Die folgenden

Gleichungen basieren zunachst auf elastische Betrachtungen. Erst in Unterkapitel 4.3.2

wird auf materielle Nichtlinearitaten im Hinblick auf Homogenisierung eingegangen.

Die gesuchten Lokalisierungstensoren AMTi werden benotigt, um aus den bekannten ma-

kroskopischen Verzerrungen ε∗ die Phasenverzerrungen εi zu berechnen

εi = AMTi : ε∗ (i = 1, 2, m). (4.18)

Aus den Phasenverzerrungen εi konnen wiederum mit den jeweiligen konstitutiven Ge-

setzen die zugehorigen Spannungen σi(εi) bestimmt werden. Im Prinzip kann zum Losen

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4.3 Mori-Tanaka Homogenisierungskonzept 81

des Mori-Tanaka Randwertproblems im ersten Schritt auf Eshelbys Eigendehnungspro-

blem zuruckgegriffen werden. Demnach kann analog zu Gleichung (4.16) zur Abschatzung

der jeweiligen Phasenverzerrung εi folgende Annahme getroffen werden

εi = T i : εm (i = 1, 2, m). (4.19)

Anders als in Eshelbys Ansatz werden in der Mori-Tanaka Theorie uber die Tensoren

T i die Matrixverzerrungen εm (und nicht die makroskopischen Verzerrungen ε∗) mit den

Phasenverzerrungen εi verknupft. Die Lokalisierungstensoren T i konnen unverandert aus

Eshelbys Losung aus Gleichung (4.17) entnommen werden, indem der vierstufige Tensor

fur jede unabhangige Inhomogenitat und fur die Matrix aufzustellen ist

T i =[11 + Si : ((Cm)

−1 : Ci − 11)]−1

(i = 1, 2, m). (4.20)

Der Tensor Cm ist die isotrope Betonsteifigkeit, die Materialtensoren C1,C2 stellen die

Steifigkeiten der Inhomogenitaten dar und S1,S2 die zugehorigen Eshelbytensoren. Ha-

ben die Bewehrungen, wie in Abbildung 4.4 illustriert, eine beliebige Orientierung αj

innerhalb der globalen (YZ)-Ebene, so mussen die zugehorigen Eshelbytensoren in das

globale Koordinatensystem transformiert werden. In Matrixnotation lasst sich die Trans-

formation mit der Rotationsmatrix [Q(α)] aus Anhang A.3 gemaß [Richter 2005] wie

folgt durchfuhren

[Sj ] = [Q(αj)]−1 [S lok] [Q(αj)] (j = 1, 2). (4.21)

Der lokale Eshelbytensor Slok ist im Anhang B.1 in Matrixnotation angegeben. Wird

Gleichung (4.20) fur die Matrixphase ausgewertet (i = m), so folgt der vierstufige Ein-

heitstensor T m = 11, was auch konform mit Gleichung (4.19) ist. Da die Matrixverzer-

rungen εm in Gleichung (4.19) jedoch unbekannt sind, ist eine Umformulierung nach den

bekannten makroskopischen Verzerrungen ε∗ erforderlich. Dazu werden die Matrixverzer-

rungen εm aus Gleichung (4.19) zunachst uber die Verzerrungen innerhalb der Inklusionen

beschrieben

εm = T−11 : ε1 = T

−12 : ε2 . (4.22)

Die homogenisierten Verzerrungen aus Gleichung (4.8) werden in Verbindung mit Glei-

chung (4.5) fur die makroskopischen Verzerrungen ε∗ erneut betrachtet

ε∗ = c1 ε1 + c2 ε2 + cm εm (4.23)

und anhand Gleichung (4.22) umformuliert

ε∗ = c1 ε1 + c2 ε2 + cm εm

= c1 ε1 + c2 T 2 : T−11 : ε1 + cm T

−11 : ε1

= (c1 11+ c2 T 2 : T−11 + cm T

−11 ) : ε1 .

(4.24)

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82 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

Schließlich lasst sich der Lokalisierungstensor fur die erste Inhomogenitat AMT1 aus der

obigen Gleichung wie folgt identifizieren

ε1 = AMT1 : ε∗ mit A

MT1 =

[c1 11+ c2 T 2 : T

−11 + cm T

−11

]−1. (4.25)

Zur Ermittlung von AMT2 wird analog verfahren

ε∗ = c1 T 1 : T−12 : ε2 + c2 ε2 + cm T

−12 : ε2

= (c1 T 1 : T−12 + c2 11+ cm T

−12 ) : ε2,

(4.26)

und AMT2 lasst sich wie folgt angeben

ε2 = AMT2 : ε∗ mit A

MT2 =

[c1 T 1 : T

−12 + c2 11+ cm T

−12

]−1. (4.27)

Werden ε1 und ε2 entsprechend Gleichung (4.19) eingesetzt, kann schließlich der Lokali-

sierungstensor fur die Matrixphase hergeleitet werden

ε∗ = c1 T 1 : εm + c2 T 2 : εm + cm εm

= (c1 T 1 + c2 T 2 + cm 11) : εm(4.28)

mit

εm = AMTm : ε∗ mit A

MTm = [c1 T 1 + c2 T 2 ++cm 11]−1 . (4.29)

Werden die vierstufigen Konzentrationstensoren miteinander genauer verglichen

AMT1 =

[c1 11+ c2 T 2 : T

−11 + cm T

−11

]−1

AMT2 =

[c1 T 1 : T

−12 + c2 11+ cm T

−12

]−1

AMTm = [c1 T 1 + c2 T 2 + cm 11]−1 ,

(4.30)

so lassen folgende Identifikationen herleiten[A

MTm

]−1

=[A

MT1

]−1

: T 1 sowie[A

MTm

]−1

=[A

MT2

]−1

: T 2 . (4.31)

Mit diesen Identifikationen lasst sich zeigen, dass die volumetrische Mittelung uber die

Konzentrationstensoren auch in der Mori-Tanaka Theorie den vierstufigen Einheitstensor

ergibt

<AMT >V = c1A

MT1 + c2A

MT2 + cmA

MTm

= c1AMT1 + c2 T 2 : T

−11 : AMT

1 + cm T−11 : AMT

1

= (c1 11+ c2 T 2 : T−11 + cm T

−11 )

︸ ︷︷ ︸[

AMT

1

]

−1

: AMT1

!= 11

(4.32)

und somit die klassische Grundgleichung der Homogenisierung aus Gleichung (4.12) auch

erfullt wird.

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4.3 Mori-Tanaka Homogenisierungskonzept 83

Analog zu Gleichung (4.13) kann aus den Lokalisierungstensoren AMTi und den jeweiligen

konstitutiven Gesetzen σi(εi) fur den elastischen Fall das makroskopische konstitutive

Gesetz fur das Drei-Phasen-Komposit im Rahmen des Mori-Tanaka Homogenisierungs-

modells angegeben werden

σ∗ = c1 σ1 + c2 σ2 + cm σm

= c1 C1 : ε1 + c2 C2 : ε2 + cm Cm : εm

= c1 C1 : AMT1 : ε∗ + c2 C2 : A

MT2 : ε∗ + cm Cm : AMT

m : ε∗

= (c1 C1 : AMT1 + c2 C2 : A

MT2 + cm Cm : AMT

m ) : ε∗

= C∗ : ε∗ mit C

∗ =∑

i

ci Ci : AMTi (i = 1, 2, m).

(4.33)

Fur eine Inhomogenitat berucksichtigt der effektive Steifigkeitstensor des Komposits C∗

(im Gegensatz zu der Dilute- bzw. Eshelbylosung) die jeweiligen Grenzfalle fur Einpha-

sigkeit. Wird beispielsweise ein Zwei-Phasen-Komposit mit c2 = 0 betrachtet

C∗ = c1 C1 : A

MT1 + cm Cm : AMT

m , (4.34)

so entspricht C∗ fur c1 = 0 und cm = 1− c1 = 1 in diesem Ansatz der Matrixsteifigkeit

C∗ = Cm : AMT

m = Cm : 11 = Cm (4.35)

und fur c1 = 1 und cm = 1− c1 = 0 lasst sich die Steifigkeit der Inhomogenitat herleiten

C∗ = c1 C1 : A

MT1 = C1 : 11 = C1. (4.36)

Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass fur den elastischen Fall die Lokalisierungstenso-

ren AMTi und der makroskopische Steifigkeitstensor C

∗ lediglich von der Mikrostruktur

abhangen und somit unabhangig von der makroskopischen Belastung ε∗ ermittelt werden

konnen. Fur eine wahrend der Belastung unveranderliche Mikrostruktur konnen makro-

skopische Kenngroßen daher direkt und explizit angegeben werden.

4.3.2 Einfluss von Schadigung und Plastizitat

Die Berucksichtigung von Plastizitat oder von Schadigung stellt im Rahmen mikromecha-

nischer Homogensierung ein breites Forschungsfeld dar. So existieren in der Literatur sehr

unterschiedliche Ansatze zur Beschreibung von Schadigungsmechanismen. Eine gangige

Methode besteht darin, Risse innerhalb der Matrix ebenfalls als eine eigenstandige Phase

des Komposits zu modellieren [Dormieux & Lemarchand 2001; Meraghni, Des-

rumaux & Benzeggagh 2002; Gross & Seelig 2006; Xi, Eskandari-Ghadi,

Suwito & Sture 2006]. Unter Annahme einer Risstopologie werden Risse wie Inklusio-

nen betrachtet, denen jedoch keine Steifigkeit zugewiesen wird. Die Schadigungsevolution

wird dabei uber den Volumenanteil der Risse gesteuert. Vorteilhaft an dieser Methode ist,

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84 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

dass makroskopische Nichtlinearitaten, wie z.B. die Degradation der Struktursteifigkeit,

mit einem linear elastischen Matrixmaterial beschrieben werden konnen. Aufgrund der li-

near elastischen Beziehungen der einzelnen Konstituierenden konnen auch die klassischen

Homogenisierungsgleichungen unverandert ubernommen werden.

Weisen hingegen die einzelnen Phasen ein nichtlineares Materialverhalten auf, so kom-

men ublicherweise entweder Sekanten- oder Tangentenformulierungen zum Einsatz, die

iterativ gelost werden [Zaoui 2002; Zheng, Denda & Weng 2003; Pettermann,

Plankensteiner, Bohm & Rammerstorfer 1999]. Zur Beschreibung der effektiven

nichtlinearen Materialeigenschaften von Stahlbeton wird in der gegenwartigen Arbeit die

Sekantenmethode verwendet. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass im nichtlinearen Be-

lastungszustand die Lokalisierungstensoren AMTi aus Gleichung (4.30) aus den Sekanten-

steifigkeiten der einzelnen Phasen errechnet werden. Demnach hangen die Lokalisierungs-

tensoren AMTi vom aktuellen Schadigungszustand ab und werden anhand den vierstufigen

Tensoren T i aus Gleichung (4.20) mit der Betonsteifigkeit

Cm = ψ C0m (4.37)

ausgewertet. Der Parameter Cm beschreibt hierbei die Sekante der geschadigten Betonma-

trix (siehe Gleichung (3.14)). Hinsichtlich der Sekantensteifigkeiten der Bewehrungen C1

und C2 ist die Formulierung Csi aus Gleichung (3.86) fur die Tensoren T i zu verwenden

Cj = Csi(αj) (j = 1, 2), (4.38)

wobei zur Berucksichtigung der Dubelsteifigkeit die Steifigkeit Cs aus Gleichung (3.120)

in Csi(αj) einfließt. Der Winkel αj gibt gemaß Abbildung 4.4 die jeweilige Orientierung

der Bewehrung innerhalb der globalen (YZ)-Ebene an. Aufgrund der isotropen bzw. ska-

laren Schadigungsmodellierung des Betons, kann der fur eine isotrope Matrix definierte

Eshelbytensor S1 und S2 aus Gleichung (4.21) zur Herleitung von T i zwar prinzipiell

verwendet werden. Doch wenn das Matrixmaterial zunehmend schadigt (ψ → 0), kon-

vergiert die effektive Steifigkeit des Komposits –bis auf die Steifigkeit in Richtung der

Bewehrung– ebenfalls gegen Null. Dieser Effekt folgt aus der direkten Auswertung der

Mori-Tanaka Gleichungen und ruhrt aus dem dominanten Einfluss der Betonmatrix her.

In Richtung der Bewehrung hingegen bleibt als residuale Struktursteifigkeit die Axialstei-

figkeit der Bewehrung ubrig. Wahrend also fur ψ → 0 im Hinblick auf das Tragverhalten

von Stahlbeton in Stablangsrichtung die residuale Struktursteifigkeit korrekt wiedergege-

ben wird, geht die in Schubrichtung definierte Dubelwirkung mit der Homogenisierung

verloren. Um fur ein komplett geschadigtes Matrixmaterial (ψ = 0) in Schubrichtung

dennoch eine Reststeifigkeit zu erhalten, werden in der gegenwartigen Arbeit die rele-

vanten Schubterme des Eshelbytensors geringfugig modifiziert. Dieser Schritt ist vor dem

Hintergrund zu verstehen, ein Modell zu formulieren, welches auf makroskopischer Ebe-

ne die gewunschten Struktursteifigkeiten des Komposits adaquat wiedergibt. Nachdem

samtliche Komponenten der Kompositsteifigkeit fur ein ungeschadigtes (ψ = 1) und fur

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4.3 Mori-Tanaka Homogenisierungskonzept 85

0

2 0 0 0

4 0 0 0

6 0 0 0

8 0 0 0

1 0 0 0 0

0 0 . 2 0 . 4 0 . 6 0 . 8

effektiver Schubmodul G* 2

3 [MPa]

S c h ä d i g u n g s v a r i a b l e d [ - ]

o b e r e S c h r a n k e ( V O I G T )

u r s p r ü n g l i c h e F o r m u l i e r u n g

m o d i f i z i e r t e F o r m u l i e r u n g

D ü b e l w i r k u n g ( c s GD o w e l )

1

V

V

2

3

Abbildung 4.7: Effektive Schubsteifigkeit G∗

23 mit und ohne Modifikation des Eshelbytensors

ein vollstandig geschadigtes Matrixmaterial (ψ = 0) untersucht wurden, ergab fur den in

Anhang B.1 angegebenen Eshelbytensor folgende Modifikation

[S] =

S1111 S1122 S1133

S2211 S2222 S2233

S3311 S3322 S3333

2S1212

ψ 2 2S2323

ψ 2 2S1313

. (4.39)

Die Multiplikation der Schubterme 2S2323 und 2S1313 mit der Kontinuitat ψ 2 fuhren

zu den gewunschten physikalischen Dubelsteifigkeiten. In Abbildung 4.7 ist das Ergeb-

nis dieser Modifikation anhand der Schubsteifigkeit des Komposits G∗

23 in Abhangigkeit

der Schadigungsvariable d = 1− ψ im lokalen (23)-Koordinatensystem verdeutlicht. Wie

bereits angemerkt, konvergiert die Schubsteifigkeit des Komposits mit dem unmodifizier-

ten Eshelbytensor (ursprungliche Formulierung) fur ein vollstandig geschadigtes Materi-

al (d = 1) gegen Null (G∗

23 = 0). Wird hingegen die Modifikation des Eshelbytensors

gemaß Gleichung (4.39) vorgenommen, entspricht die residuale Kompositsteifigkeit bei

vollstandig zerstortem Matrixmaterial (d = 1) exakt der in Abschnitt 3.4 definierten

Dubelsteifigkeit csGD (modifizierte Formulierung). Der Volumenanteil der Bewehrung cs

folgt aus der konsistenten Auswertung der Homogenisierung. Eine weitere interessante

Beobachtung ist, dass die Losung der modifizierten Formulierung fur d → 1 gegen Voigts

Losung konvergiert, in der die Matrixsteifigkeit und die Stahlsteifigkeit als ein parallel

geschaltetes System angesehen werden konnen. Ist die Betonmatrix vollstandig zerstort

(d = 1), werden Schubdeformationen nur noch uber die Schubsteifigkeit der Stahles (also

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86 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

M a t r i x I n h o m o g e n i t ä t 1 I n h o m o g e n i t ä t 2

a u s g l o b a l e n V e r f o r m u n g e n e *

= A 1M T : e *e 1 = A 2

M T : e *e 2= A mM T : e *e m

l o k a l e V e r z e r r u n g e n i n n e r h a l b j e d e r P h a s e

l o k a l e k o n s t i t u t i v e G e s e t z e

S p a n n u n g e n : s m

S t e i f i g k e i t : C m

S p a n n u n g e n : s 1

S t e i f i g k e i t : C 1

S p a n n u n g e n : s 2

S t e i f i g k e i t : C 2

s m s 1 s 2+ c 1 + c 2= c ms *< s > V =

+ c 1 + c 2 = c m C m : A mM T C 1 : A 1

M T C 2 : A 2M T C

* t a n t a n t a n, t a n

B e r e c h n u n g d e r E l e m e n t s t e i f i g k e i t s m a t r i x u n d V e k t o r d e r i n n e r e n K r ä f t ei n j e d e m G a u s s p u n k t z u j e d e m L a s t s c h r i t t

F l u s s - D i a g r a m m z u r n u m e r i s c h e n U m s e t z u n g

s i ( e i )

h o m o g e n i s i e r t e S p a n n u n g e n u n d t a n g e n t i a l e S t e i f i g k e i ts * C * , t a n

t a n t a n t a n

Abbildung 4.8: Flussdiagramm fur die numerische Umsetzung des Homogenisierungskonzepts

Dubelsteifigkeit) abgetragen.

4.4 Numerische Umsetzung

Hinsichtlich der numerischen Umsetzung werden in der gegenwartigen Arbeit zwei Rand-

wertprobleme nacheinander und interaktiv gelost; zum einen das makromechanische auf

Strukturebene und zum anderen das mikromechanische auf Gausspunktebene (RVE). Bei-

de Berechnungen sind voneinander abhangig, und jede Losung beeinflusst auch die Losung

der anderen Ebene. Fur das gegenwartige Drei-Phasen-Komposit ist in Abbildung 4.8 das

Flussdiagramm fur die prinzipielle numerische Umsetzung dargestellt.

Zunachst werden aus den globalen Strukturverformungen u, die aus der Finite-Elemente-

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4.4 Numerische Umsetzung 87

Rechnung folgen, unter der Annahme der geometrisch linearen Theorie die makroskopi-

schen Verzerrungen ε∗ berechnet

ε∗ =1

2(∇u+∇Tu). (4.40)

Wie aus Abbildung 4.8 hervorgeht, werden anschließend mithilfe der Lokalisierungstenso-

ren AMTi aus Gleichung (4.30) die lokalen Verzerrungen εi der Konstituierenden berech-

net. Fur das gegenwartige Drei-Phasen-Komposit sind es die Matrixverzerrungen

εm = AMTm : ε∗ (4.41)

sowie die zwei voneinander unabhangigen Stahlverzerrungen

ε1 = AMT1 : ε∗ und ε2 = A

MT2 : ε∗. (4.42)

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass wenn Schlupfverformungen ebenfalls berucksichtigt

werden, die obigen Stahlverzerrungen ε1 bzw. ε2 als die Gesamtverformungen des Schlupf-

Stahl-Systems entsprechend Abbildung 3.6 und Gleichung (3.71) anzusehen sind

εj = AMTj : ε∗ = εsij = εsj + εij , (4.43)

wobei j = 1, 2 den jeweiligen Bewehrungsstab kennzeichnet. Das lokale Materialverhalten

der Konstituierenden auf der Mesoskala wird nach wie vor durch die kontinuumsmechani-

schen Gleichungen beschrieben. Somit werden als nachstes die lokalen Spannungen und die

zugehorigen Materialsteifigkeiten aus den bereits formulierten Materialgesetzen in jedem

Integrationspunkt ermittelt. Ohne Berucksichtigung von hygrischen und thermischen Ein-

wirkungen sowie von Kriechverformungen werden die Betonspannungen gemaß Gleichung

(3.47) berechnet

σm = Cm : εem = ψ C0m :

[A

MTm : ε∗ − εpm

], (4.44)

und die jeweiligen Spannungen des Schlupf-Stahl-Systems werden entsprechend Gleichung

(3.86) bestimmt

σj = Cj : εej = Cj

[A

MTj : ε∗ − ε

pj

](j = 1, 2), (4.45)

wobei die Sekantensteifigkeit Cj aus Gleichung (4.38) zu entnehmen ist. Aus den lokalen

Spannungen σm sowie σ1 und σ2 werden im nachsten Schritt die homogenisierten makro-

skopischen Spannungen σ∗ entsprechend Gleichung (4.6) durch volumetrische Mittelung

bestimmt. Mithilfe der lokalen tangentialen Materialsteifigkeit der jeweiligen Phase

Ctani = dσi/ dεi (i = 1, 2, m) (4.46)

wird zudem in jedem Gausspunkt die homogenisierte makroskopische tangentiale Steifig-

keit des Komposits ermittelt

C∗,tan =

dσ∗

dε∗= c1

dσ1

dε∗+ c2

dσ2

dε∗+ cm

dσm

dε∗

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88 Kapitel 4: Modellierung von Stahlbeton

= c1dσ1

dε1:dε1dε∗

+ c2dσ2

dε2:dε2dε∗

+ cmdσm

dεm:dεmdε∗

= c1 Ctan1 : AMT

1 + c2 Ctan2 : AMT

2 + cm Ctanm : AMT

m

=∑

i

ci Ctani : AMT

i (i = 1, 2, m), (4.47)

die die Makroverzerrungen ε∗ mit den Makrospannungen σ∗ verknupft. Abschließend wird

fur das iterative Integrationsverfahren mit den makroskopischen Spannungen σ∗ und mit

der makroskopischen tangentialen Steifigkeit C∗,tan der Vektor der inneren Krafte sowie

die Elementsteifigkeitsmatrix ermittelt.

Hinsichtlich des inkrementellen Integrationsverfahrens im Rahmen der Finite-Elemente-

Methode wird an dieser Stelle auf [Grasberger 2002] verwiesen. Da im gegenstandli-

chen Betonmodell [Grasberger 2002] lediglich die mechanische Komponente um die

Steifigkeitsanteile der Stahlbewehrung erganzt wird, lasst sich unter der Annahme, dass

die Bewehrung innerhalb des Komposits keinen Einfluss auf den Feuchte- und Tempe-

raturtransport nimmt, das in [Grasberger 2002] beschriebene Integrationsverfahren

vollstandig und unverandert ubernehmen. Um die Robustheit und die Effizienz des ge-

genwartigen Stahlbetonmodells in Bezug auf die zeitliche Diskretisierung zu optimieren,

wird in einigen Strukturanalysen von dem in [Grasberger 2002] vorgeschlagenen impli-

ziten Verfahren abgewichen und die “implizit-explizit”-Integrationsmethode gemaß [Oli-

ver, Huespe & Cante 2008] bevorzugt.

Des Weiteren sei angemerkt, dass im Rahmen des inkrementellen Zeitintegrationsver-

fahrens die Lokalisierungstensoren AMTi aus Gleichung (4.30) explizit ermittelt werden.

Demnach werden sie fur den Zeitschritt tn+1 vereinfacht aus den Sekantensteifigkeiten

des Zeitschrittes tn berechnet. Die vierstufigen Tensoren T i aus Gleichung (4.20) zum

Zeitschritt tn+1 werden folglich mit der Matrixsteifigkeit

Cm = ψnC0m (4.48)

ausgewertet, wobei ψnC0m die Sekante der geschadigten Betonmatrix zum Zeitschritt tn be-

schreibt. Diese Annahme, die bei sehr kleinen Zeitschritten zu marginalen Abweichungen

fuhrt, vereinfacht die numerische Integration erheblich, da zum einen die Lokalisierungs-

tensoren AMTi aus der Linearisierung rausfallen und andererseits die Verzerrungen εi

innerhalb eines Zeitschritts als bekannt vorausgesetzt werden.

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Kapitel 5

Verifizierung des Modells anhand

von numerischen Beispielen

In diesem Kapitel werden anhand von numerischen Untersuchungen die wesentlichen Lei-

stungsmerkmale des entwickelten Stahlbetonmodells herausgearbeitet. Da der Fokus dieser

Arbeit in der Modellierung von Stahlbeton liegt, werden in diesem Abschnitt nur rein me-

chanische Beispiele betrachtet. Anhand von Ein-Element Untersuchungen sollen sowohl

die Plausibilitat als auch die Zuverlassigkeit des Modells beurteilt werden. Ein besonderes

Augenmerk konzentriert sich in den Untersuchungen auf das Zusammenwirken der beiden

Werkstoffe bei fortschreitenden Schadigungs- und Plastizitatsmechanismen.

An verschiebungsgesteuerten Beispielen wird zunachst der Einfluss der Bewehrungsrich-

tung, der Verbundqualitat und des Volumenanteils der Bewehrung auf das makroskopische

Materialverhalten untersucht. Anschließend wird auf die Steifigkeitsdegradationen der

einzelnen Konstituierenden eingegangen und deren Einfluss auf die Gesamtsteifigkeit

des Komposits ausgewertet. Abschließend wird der Einfluss der Dubelwirkung auf das

makroskopische Trag- und Verformungsverhalten untersucht und dabei der relevante

Einfluss des Risswinkels verdeutlicht.

Fur die nachfolgenden numerischen Analysen wird ein wurfelformiges Finites Element mit

einer Kantenlange von 100 mm herangezogen. Diesem Element werden sowohl Beton- als

auch Stahleigenschaften zugewiesen. Aus Abbildung 5.1 konnen Geometrie, Randbedin-

gungen sowie die relevanten Materialparameter fur den Beton und fur die Stahlbewehrung

entnommen werden.

89

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90 Kapitel 5: Verifizierung des Modells anhand von numerischen Beispielen

Y

Z

1 0 0 m m

100 m

m

D i c k e t = 1 0 0 m m

Beton

E-Modul Em = 20000 N/mm2

Querkontraktion νm = 0.2

Zugfestigkeit ftu = 2.0 N/mm2

Bruchenergie Gf = 0.1 Nmm/mm2

Stahlbewehrung

E-Modul Es = 200000 N/mm2

Fließspannung σy = 200 N/mm2

Verfestigungsparameter K = 0 N/mm2

Abbildung 5.1: Geometrie, Randbedingungen und Materialparameter fur die numerische Si-

mulationen

5.1 Einfluss der Bewehrungsrichtung

In diesem Beispiel soll der Einfluss der Bewehrungsrichtung auf das Trag- und Verfor-

mungsverhalten einer Stahlbetonstruktur ausgewertet werden. Hierzu wird ein Stahl-

betonelement verschiebungsgesteuert belastet. Der Bewehrungsgrad entspricht 2%, und

es wird von einem vollen Verbund ausgegangen, um weitere Verbundeffekte auszu-

schließen. Fur unterschiedliche Anordnungen der Bewehrung innerhalb der Betonstruk-

tur werden numerische Simulationen durchgefuhrt. Dabei werden die Winkel α =

0, 15, 30, 45, 60, 90 bezogen auf die globale Z-Achse betrachtet. Aus Abbildung

5.2 konnen sowohl die Systemskizze mit den Randbedingungen als auch die zugehorigen

Last-Verschiebungskurven entnommen werden.

Wie erwartet stellt sich die maximale Struktursteifigkeit dann ein, wenn die Beweh-

rungsachse mit der Belastungsrichtung zusammenfallt (α = 90). In diesem Fall kann

die gesamte axiale Steifigkeit der Bewehrung ausgeschopft werden. Keinen Anteil an die

Gesamtsteifigkeit liefert die Bewehrung, wenn sie senkrecht zu der Belastungsrichtung

verlauft (α = 0), da in der Stahlmodellierung lediglich die uniaxiale Steifigkeit sowie die

Schubkomponenten berucksichtigt werden (siehe Gleichung (3.84) bzw. (3.120)). Fur diese

Anordnung (α = 0) wird aufgrund des geringen Bewehrungsgrades eine Strukturantwort

erwartet, die der unbewehrten Betonstruktur gleichkommt. Wie aus Abbildung 5.2 zu ent-

nehmen ist, sind daher die Last-Verschiebungskurven der unbewehrten Struktur (graue

Kurve) und der mit α = 0 ausgefuhrten Kompositstruktur deckungsgleich. Hinsicht-

lich der residualen Kapazitaten des Stahlbetonelements im Nachbruchbereich des Betons

werden diese durch die Fließspannung der Bewehrung bestimmt. Da mit zunehmendem

Winkel die Bewehrung ihre dominierende Wirkung entfaltet, nehmen die Tragreserven des

Stahlbetonelements ebenfalls zu. Die negative tangentiale Steifigkeit des Komposits, die

unmittelbar nach der Bildung der ersten Risse zu beobachten ist, deutet auf eine Entla-

stung der Struktur hin. Dieses Phanomen ist typisch fur gerissene Stahlbetonstrukturen

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5.2 Schadigungs- und Plastizitatsmechanismen 91

0

1 0 0 0 0

2 0 0 0 0

3 0 0 0 0

4 0 0 0 0

5 0 0 0 0

0 0 . 1 0 . 2 0 . 3 0 . 4 0 . 5 0 . 6 0 . 7 0 . 8

Reaktionskraft r [N]

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

u n b e w e h r t a = 0

a = 4 5

a = 6 0

a = 9 0

a = 1 5

a = 3 0

a

u

u

V o l u m e n a n t e i l d e rB e w e h r u n g c = 2 %

Y

Z

Abbildung 5.2: Einfluss der Bewehrungslage auf das Strukturverhalten eines Stahlbetonele-

ments

und wurde bereits auch in Experimenten bestatigt [Ouyang, Wollrab, Kulkarni &

Shah 1997]. Die Ursache hierfur liegt im abrupten Verlust der initialen Betonsteifigkeit,

die mit der Initiierung der ersten Risse einhergeht. Zu diesem Zeitpunkt ist fur die Ge-

samtsteifigkeit des Komposits die Entfestigungsfunktion des Betons aus Abbildung 3.1

besonders maßgebend, da diese mit dem Beginn der Schadigung eine große negative tan-

gentiale Steifigkeit aufweist. Dieser negative Steifigkeitsanteil des Betons manifestiert sich

sodann augenblicklich in den Last-Verschiebungskurven. Mit zunehmender außerer Bela-

stung jedoch schwindet der Einfluss des Betons, und die Gesamtsteifigkeit des Komposits

konvergiert, wie auch im folgenden Unterkapitel verdeutlicht wird, zu der Steifigkeit der

Bewehrung.

5.2 Schadigungs- und Plastizitatsmechanismen

Der Einfluss von lokalen Schadigungs- und Plastizitatsmechanismen bezogen auf das ma-

kroskopische Materialverhalten soll naher untersucht werden. Hierzu wird im Folgen-

den die Last-Verschiebungskurve der zuvor betrachteten Analyse aus Abbildung 5.2 fur

α = 90 im Hinblick auf ihre charakteristischen Punkte genauer diskutiert.

In Abbildung 5.3 sind neben der zu untersuchenden Kurve zusatzlich die voneinander

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92 Kapitel 5: Verifizierung des Modells anhand von numerischen Beispielen

0

1 0 0 0 0

2 0 0 0 0

3 0 0 0 0

4 0 0 0 0

5 0 0 0 0

0 0 . 1 0 . 2 0 . 3 0 . 4 0 . 5

Reaktionskraft r [N]

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

S t a h l b e t o n

u n b e w e h r t e r B e t o n

" n a c k t e r " S t a h l

S t a h l f l i e ß e n

B e t o n r e i ß e n

r e s i d u a l e B e t o n k a p a z i t ä t

u

u

V o l u m e n a n t e i l d e rB e w e h r u n g c = 2 %

Y

Z a = 9 0 °

" t e n s i o n - s t i f f e n i n g "

Abbildung 5.3: Makroskopisches Materialverhalten infolge von lokalen Versagensmechanismen

unabhangigen Last-Verschiebungskurven von unbewehrtem Beton sowie die des reinen

bzw. “nackten” Stahles gezeichnet (gestrichelte Linie). Fur die Stahlbewehrung wird ein

elasto-plastisches Gesetz gemaß Abbildung 3.5 jedoch ohne Verfestigung angesetzt. Damit

die Kurven miteinander vergleichbar sind, ist die Last-Verschiebungskurve des Stahles mit

dem zugehorigen Volumenanteil von 2% skaliert.

Die initiale elastische Steifigkeit des Komposits setzt sich additiv aus den linear elastischen

Materialmatrizen der Konstituierenden zusammen. Aufgrund des geringen Volumenan-

teils der Bewehrung entspricht die Initialsteifigkeit des Komposits etwa der Steifigkeit

der ungerissenen Betonmatrix. Die erste Nichtlinearitat in der Last-Verschiebungskurve

des Komposits ist aufgrund der geringen Zugfestigkeit des Betons mit der Entstehung

der ersten Rissen verknupft. Ab diesem Belastungsniveau ist fur die weitere Entwick-

lung der makroskopischen Steifigkeit die Entfestigungsfunktion des Betons aus Abbildung

3.1 maßgebend. Wegen der vorhandenen Restfestigkeit des Betons sind die Tragreser-

ven der gerissenen Stahlbetonstruktur großer als die des “nackten” Stahles. Auf diesen

versteifenden Effekt (tension stiffening) wurde bereits in Kapitel 2.1.4 hingewiesen. Es

sei noch einmal betont, dass in der gegenwartigen Arbeit kein eigenstandiges tension

stiffening–Modell formuliert ist. Die in Abbildung 5.3 dargestellte versteifende Wirkung

ruhrt allein aus der Entfestigungsfunktion des Betons her. Da mit zunehmender Belastung

die residuale Steifigkeit und Tragkapazitat des Betons sukzessiv abnimmt, klingt dieser

versteifende Effekt ebenfalls ab. Eine weitere charakteristische Nichtlinearitat in der glo-

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5.3 Einfluss der Verbundqualitat 93

0

1 0 0 0 0

2 0 0 0 0

3 0 0 0 0

4 0 0 0 0

5 0 0 0 0

0 0 . 1 0 . 2 0 . 3 0 . 4 0 . 5

Reaktionskraft r [N]

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

p e r f e k t e r V e r b u n d

g u t e r V e r b u n d

s c h w a c h e r V e r b u n d

u n b e w e h r t e r B e t o n

u

u

V o l u m e n a n t e i l d e rB e w e h r u n g c = 2 %

Y

Z

Abbildung 5.4: Vergleich unterschiedlicher Verbundqualitaten auf makroskopoischer Ebene

balen Last-Verschiebungskurve ist durch das Fließen des Stahles gekennzeichnet. Dieser

Punkt markiert fur dieses Beispiel zugleich die maximale Tragfahigkeit der Struktur. Was

den weiteren Verlauf anbelangt, so konvergiert die Last-Verschiebungskurve des Kompo-

sits aufgrund der abnehmenden Restfestigkeit des Betons zu der Kurve des “nackten”

Stahles.

5.3 Einfluss der Verbundqualitat

Nachdem in den letzten beiden numerischen Beispielen von einem perfekten Verbund aus-

gegangen wurde, soll der Einfluss von unterschiedlichen Verbundqualitaten im Hinblick

auf das Strukturverhalten naher untersucht werden. Als Referenzkurve dient erneut die

Last-Verschiebungskurve der zuvor betrachteten Analyse aus Abbildung 5.2 fur α = 90,

die bereits fur einen perfekten Verbund ausgewertet ist. Hinsichtlich der Gegenuberstel-

lung werden in Abbildung 5.4 drei unterschiedliche Verbundqualitaten untersucht.

Beim perfekten Verbund treten zwischen der Stahlbewehrung und der Betonmatrix kei-

ne Schlupfverformungen auf, d.h. εi = 0. In der Modellbildung wird zum einen fur die

maximale Verbundspannung τmax aus Gleichung (3.75) die Fließspannung des Stahles

σy angesetzt (τmax = σy). Zum anderen gilt fur das makroskopische Verbundspannung-

Schlupf–Gesetz aus Abbildung 3.7 die Beziehung Ei → ∞. Bei der Wahl dieser Verbund-

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94 Kapitel 5: Verifizierung des Modells anhand von numerischen Beispielen

parameter wird das Verbundgesetz nicht aktiviert, und die Strukturkapazitat wird durch

das Fließen des Stahles und nicht durch ein Verbundversagen bestimmt (siehe Abschnitt

3.3.2).

Die Last-Verschiebungskurve, die mit einer guten Verbundqualitat ausgewertet ist, unter-

scheidet sich in Bezug auf die Kurve, die mit einem perfekten Verbund ermittelt wurde,

im Wesentlichen durch eine degenerierte Struktursteifigkeit. In diesem Beispiel wird die

Tragfahigkeit der Struktur zwar ebenfalls durch das Fließen der Bewehrung begrenzt

(τmax = σy), jedoch gilt fur die effektive Verbundsteifigkeit Ei aus Gleichung (3.74) nicht

Ei → ∞. Durch die Zuweisung eines konkreten Wertes fur Ei, wird ein nachgiebiges

Verbundverhalten simuliert, wobei die Verbundkapazitat jedoch nach wie vor durch das

Fließen der Stahlbewehrung bestimmt wird.

In der dritten Analyse zeichnet sich der schwache Verbund dadurch aus, dass die maximale

Verbundspannung τmax erreicht wird, noch bevor der Stahl zu fließen beginnt (τmax < σy)

und zudem –z.B. aufgrund einer glatten Oberflache der Bewehrung– eine kleine effekti-

ve Verbundsteifigkeit Ei maßgebend ist. Hier tritt also das Verbundversagen noch vor

dem Stahlfließen ein. Wahrend der gesamten Analyse bleibt fur diesen Fall daher die

Bewehrung im linear-elastischen Bereich. Eine degenerierte Struktursteifigkeit sowie eine

reduzierte Tragkapazitat sind die Folgen einer schwachen Verbundqualitat.

5.4 Einfluss des Volumenanteils

In diesem Abschnitt soll anhand eines Stahlbetonelements untersucht werden, wie sich

der Volumenanteil der Bewehrung auf die makroskopische Strukturantwort bemerkbar

macht. Fur die Stahlbewehrung wird das in Abbildung 3.5 dargestellte elasto-plastische

Gesetz ohne Verfestigung angesetzt, und fur den Beton ist die Entfestigungsfunktion aus

Abbildung 3.1 maßgebend. Hinsichtlich der Verbundqualitat ist ein perfekter Zustand

angenommen worden. Fur die Volumenanteile c = 0%, 2%, 5%, 25%, 50%, 100% an Be-

wehrungsmaterial werden numerische Untersuchungen durchgefuhrt. Aus Abbildung 5.5

konnen die Systemskizze und die berechneten Last-Verschiebungsdiagramme entnommen

werden. Aufgrund der unterschiedlichen Großenordnungen sind die Reaktionskrafte in

einem logarithmischen Maßstab dargestellt.

Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass fur den Fall, dass kein Bewehrungsmaterial

berucksichtigt wird (c = 0%), aus den Homogenisierungsgleichungen das konstitutive

Gesetz des Beton resultiert. Besteht hingegen die Gesamtstruktur vollstandig aus Stahl-

material (c = 100%), wird die Last-Verschiebungskurve des ideal elasto-plastischen Stahl-

gesetzes maßgebend. Diese beiden Losungen, die eine Grenzfallbetrachtung beschreiben,

bestatigen somit die Richtigkeit der Gleichungen (4.35) und (4.36), die aus der Konsistenz

der Mori-Tanaka Homogenisierung fur Einphasigkeit herruhren.

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5.5 Auswertung der Dubelwirkung basierend auf unterschiedlichen Modellannahmen 95

1

1 0

1 0 0

1 0 0 0

0 0 . 1 0 . 2 0 . 3 0 . 4 0 . 5 0 . 6 0 . 7 0 . 8

Reaktionskraft r [kN]

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

c = 2 %

c = 0 % ( u n b e w e h r t e r B e t o n )

c = 5 %

c = 2 5 %

c = 5 0 %

c = 1 0 0 % ( n u r S t a h l )

u

u

Y

Z

V o l u m e n a n t e i l d e rB e w e h r u n g c = 0 . . . 1 0 0 %

Abbildung 5.5: Einfluss des Bewehrungsanteils c auf das Strukturverhalten

5.5 Auswertung der Dubelwirkung basierend auf un-

terschiedlichen Modellannahmen

Die physikalischen Grundmodelle zur Beschreibung der Dubelwirkung waren bereits Ge-

genstand des Kapitels 3.4.3 und sollen im Folgenden anhand von numerischen Simulatio-

nen gegenubergestellt werden. In diesem Zusammenhang wird zudem die in Abbildung

3.13 visualisierte Wichtigkeit der Rissrichtung herausgestellt.

Betrachtet wird in der gegenwartigen Analyse ein zweifach bewehrtes Stahlbetonelement

mit den Volumenanteilen von c1 = c2 = 2%, welches mit verschiebungsgesteuerten Schub-

verformungen belastet wird. In Abbildung 5.6 ist das statische System mit den zugehori-

gen Randbedingungen dargestellt. Um die Mechanismen der Dubelwirkung weitestgehend

isoliert zu betrachten, wird in den Rechnungen von Schlupfverformungen abgesehen (per-

fekter Verbund).

Das Augenmerk in diesen numerischen Analysen konzentriert sich auf die im Riss-

Koordinatensystem definierte effektive Dubelsteifigkeit aus Gleichung (3.102)

GD(αc) = GDY cos4 αc +GD

Z sin4 αc + (EY + EZ) sin2 αc cos

2 αc . (5.1)

Fur die axialen Steifigkeiten wird der E-Modul des Stahles Es mit EY = EZ = Es einge-

setzt. Die Wahl der Steifigkeiten GDY und GD

Z hingegen richtet sich nach den im Kapitel

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96 Kapitel 5: Verifizierung des Modells anhand von numerischen Beispielen

0

1 0 0 0 0

2 0 0 0 0

3 0 0 0 0

4 0 0 0 0

5 0 0 0 0

6 0 0 0 0

0 0 . 2 0 . 4 0 . 6 0 . 8 1

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

Reaktionskraft r [N]

e l a s t i s c h e B e t t u n g

G D ( a c ) m i t G f

u u

V o l u m e n a n t e i l d e rB e w e h r u n g c 1 = c 2 = 2 %

Y

Z

a c

u n b e w e h r t e r B e t o n

S c h u b -m e c h a n i s m u s

G D ( a c ) m i t G s

u n a b h ä n g i g v o n R i s s r i c h t u n gG D ( a c ) = G s = k o n s t .

Abbildung 5.6: Vergleich der physikalischen Grundmodelle zur Beschreibung der Dubelwir-

kung

3.4.3 vorgestellten Modellierungskonzepten. Soll der Biegemechanismus als Grundmodell

herangezogen werden, ist fur die Steifigkeiten GDY und GD

Z der effektive Schubmodul der

elastischen Bettung Gf aus Gleichung (3.108) gemaß der Balkentheorie anzusetzen (siehe

Abbildung 3.15)

GDY = GD

Z = Gf . (5.2)

Wird hingegen die Annahme getroffen, dass die Lastubertragung im Riss uberwiegend

aus der Schubwirkung des Bewehrungsstabes herruhrt, wird der Schubmodul des Stahles

Gs maßgebend

GDY = GD

Z = Gs. (5.3)

In Abbildung (5.6) sind die entsprechenden Last-Verschiebungskurven, die aus den beiden

genannten Modellen herruhren, dargestellt. Aufgrund des relativ geringen Volumenanteils

an Stahlmaterial entspricht die initiale Kompositsteifigkeit nahezu der des unbewehrten

Betons. Die wesentlichen Merkmale der Dubelwirkung sind korrekterweise erst unmittel-

bar nach der Rissinitiierung zu beobachten. Unter Berucksichtigung der Rissrichtung αc

weist der Schubmechanismus hinsichtlich der Dubelwirkung eine großere Struktursteifig-

keit als der Biegemechanismus auf. Diese Beobachtung ist jedoch nicht allgemeingultig, da

die Große des Parameters Gf u.a. auch von der Bettungssteifigkeit des Betons abhangt.

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5.5 Auswertung der Dubelwirkung basierend auf unterschiedlichen Modellannahmen 97

Was die maximale Strukturkapazitat anbelangt, so wird diese im gegenwartigen Beispiel

durch das Stahlfließen begrenzt. Aufgrund der Annahme eines perfekten Verbunds war

ein Verbundversagen bereits ausgeschlossen.

Um die Relevanz des Risswinkels αc in Bezug auf die Dubelwirkung zu verdeutlichen, ist

eine weitere numerische Analyse durchgefuhrt worden, bei der fur die effektive Dubelstei-

figkeit aus Gleichung (5.1) der konstante Schubmodul des Stahles Gs eingesetzt wird

GD(αc) = Gs. (5.4)

Wahrend also in Gleichung (5.3) fur die Steifigkeiten GDY und GD

Z der Schubmodul Gs ver-

wendet wird, ersetzt dieser die effektive Dubelsteifigkeit GD. Letztendlich wird von einem

Bewehrungsmodell ausgegangen, welches sich in axialer Richtung aus dem E-Modul und

in Schubrichtung aus dem Schubmodul des Stahles zusammensetzt. Die vom Risswin-

kel abhangige Dubelwirkung, so wie es in Gleichung (3.120) dargestellt ist, bleibt also

vollig außer Betracht. Die aus dieser Analyse herruhrende Last-Verschiebungskurve ist

ebenfalls in Abbildung (5.6) gezeichnet (gestrichelte Linie). Aus dem Vergleich mit den

zuvor beschriebenen Kurven wird ersichtlich, dass ohne Berucksichtigung der infolge der

Rissbildung auftretenden Steifigkeitsdegradation eine sehr steife effektive Schubsteifigkeit

zu verzeichnen ist. Ungeachtet der Rissbildung wird in diesem Beispiel stets von der vollen

Entfaltung der Schubsteifigkeit des Stahles fur das Komposit ausgegangen.

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98 Kapitel 5: Verifizierung des Modells anhand von numerischen Beispielen

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Kapitel 6

Validierung des Modells anhand von

Experimenten

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die mechanischen Komponenten des entwickelten

Stahlbetonmodells anhand numerischer Beispiele auf Plausibilitat untersucht und die we-

sentlichen Leistungsmerkmale hervorgehoben wurden, werden die Zuverlassigkeit und Qua-

litat der Losungen mittels experimenteller Untersuchungen validiert. Dabei werden sowohl

bewehrte als auch unbewehrte Strukturen betrachtet. Im Hinblick auf unbewehrte Analy-

sen werden in erster Linie die hygro-mechanischen Interaktionen betrachtet, die aufgrund

ihrer langzeitigen Wirkung die maßgebenden Kriterien fur die Dauerhaftigkeit darstel-

len. Im Vordergrund der bewehrten Analysen steht das Zusammenwirken von Beton und

Stahl als Kompositmaterial. Um interaktive Mechanismen zwischen den Konstituierenden

akkurat zu beschreiben und ihren Einfluss auch auf das makroskopische Trag- und Ver-

formungsverhalten quantitativ zu erfassen, werden Zug-, Schub- und Biegeversuche mit

dem entwickelten Modell nachgerechnet. Dabei sind die infolge von Verbundversagen und

Dubelwirkung einhergehenden Spannungsumlagerungen und Steifigkeitsdegradationen von

besonderem Interesse. Auch auf die versteifende Wirkung des Betons bei gerissenen und

uberwiegend auf Zug beanspruchten Stahlbetonstrukturen soll kurz eingegangen werden.

Ziel dieses Kapitels ist nicht nur die Auswertung von Versagensmechanismen auf Struk-

turebene. Da im gegenwartigen Homogenisierungskonzept die Materialgesetze der ein-

zelnen Konstituierenden nach wie vor auf Materialpunktebene angewandt werden, ste-

hen auch lokale Informationen zur besseren Beurteilung der numerischen Ergebnisse zur

Verfugung.

99

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100 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

6.1 Unbewehrte Strukturen

In diesem Abschnitt werden die wesentlichen hygro-mechanischen Komponenten des ent-

wickelten Modells aus Kapitel 3.1 anhand von Experimenten validiert. Dabei werden

gezielt die Kopplungen hinsichtlich des Feuchtetransports in Rissen sowie der Schwind-

und Kriechmechanismen betrachtet. Weitere thermo-hygro-mechanische Kopplungen wer-

den nicht untersucht, da der Fokus dieser Arbeit in der numerischen Entwicklung eines

Stahlbetonmodells liegt. Fur eine umfassende Validierung und Verifizierung des hygro-

mechanischen Modells in Bezug auf unbewehrten Beton sei auf [Grasberger 2002]

verwiesen.

Da das gegenwartige Modell im Rahmen der porosen Medien formuliert ist, ist die An-

wendung der Grundgleichungen nicht auf Beton beschrankt. Sollen andere porose Medien

als Beton betrachtet werden, ist hierfur lediglich die Kenntnis uber die maßgebenden

hygrischen Parameter erforderlich. Von daher wird im folgenden Beispiel der Feuchte-

transport in gerissenen Ziegelsteinen nachgerechnet. Anschließend werden umfangreiche

Schwind- und Kriechversuche an zylindrischen Betonproben numerisch und experimentell

ausgewertet, mit dem Ziel das Trocknungskriechen zu quantifizieren.

6.1.1 Feuchtetransport in gerissenen Ziegelsteinen

6.1.1.1 Messverfahren und experimentelle Durchfuhrung

In dieser Analyse wird die in Kapitel 3.1.2.1 beschriebene Modellierung der wichtigen

hygro-mechanischen Wechselwirkung validiert. Dabei soll die Tauglichkeit der vorgenom-

menen Erfassung des Feuchtetransports in Rissen aus Gleichung (3.29) uberpruft werden.

Am Institut fur Bauphysik der Universitat Leuven (Belgien) sind hierzu experimentelle

Untersuchungen durchgefuhrt worden. Durch glatte Schnitte wurden in getrockneten Pro-

bekorpern aus Ziegelsteinen vertikal verlaufende Risse induziert. Die Risse befanden sich

in der Mitte der Probekorper und wiesen eine Rissweite von w = 0.01 mm und w = 0.1 mm

auf. Die trockenen Probekorper mit den Dimensionen (80 · 80 mm2) wurden anschließend

an der Unterkante durch ein Wasserbad befeuchtet. Der hierdurch eingeleitete Feuchte-

transport infolge kapillaren Saugens wurde mittels Mikrofokus-Computertomographie zu

verschiedenen Zeiten aufgezeichnet und ausgewertet. Der Versuchsaufbau zur Visualisie-

rung des Wassertransports ist in Abbildung 6.1 schematisch dargestellt. Weitere Informa-

tionen uber die Versuchsdurchfuhrung und uber die Messtechnik konnen [Roels, Van-

dersteen & Carmeliet 2003] entnommen werden. Durch dieses Messverfahren werden

zwei wesentliche hygrische Aspekte untersucht. Zum einen wird anhand von gemessenen

Feuchtigkeitsprofilen der Transport innerhalb der ungerissenen Struktur visualisiert. Des

Weiteren werden Kenntnisse uber den beschleunigten Feuchtetransport innerhalb und in

der unmittelbaren Umgebung des Risses gewonnen. Beide Informationen werden zur Ab-

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6.1 Unbewehrte Strukturen 101

L i n s e

g e r i s s e n e rP r o b e k ö r p e r

R ö n t g e n g e r ä t

K a m e r a

W a s s e r b e h ä l t e r

Abbildung 6.1: Versuchsaufbau zur Visualisierung des kapillaren Wassertransports [Roels,

Vandersteen & Carmeliet 2003]

sicherung der gegenwartigen hygro-mechanischen Komponente des Modells verarbeitet.

6.1.1.2 Hygrische Eingangsparameter

Die wesentlichen hygrischen Parameter zur Berechnung von Transportvorgangen in ei-

nem ungeschadigten porosen Medium sind die Kapillardruck-Sattigungs-Beziehung Sl(pc)

aus Gleichung (3.3), die initiale (kapillare) Porositat φ0 sowie die initiale und relative

Permeabilitat k0 und kr(Sl) aus Gleichung (3.22) und (3.23). In der gegenwartigen, rein

hygrischen Untersuchung tritt keine Veranderung des Porenraums auf, so dass kφ(φ) in

Gleichung (3.24) zu kφ(φ) = 1.0 gewahlt werden kann. Folglich lasst sich in dieser Analyse

die isotrope liquide Permeabilitat fur ein intaktes Material aus Gleichung (3.22) wie folgt

angeben

kpor = kr(Sl)k0. (6.1)

Aus experimentellen Untersuchungen sowie unter Annahme eines Porennetzwerkmodells

wird fur die Ziegelproben die liquide Permeabilitat kpor hergeleitet [Carmeliet, Des-

camps & Houvenaghel 1999; Roels, Vandersteen & Carmeliet 2003]. Im rech-

ten Graphen der Abbildung 6.2 sind die Ergebnisse des Porennetzwerkmodells uber den

Kapillardruck pc aufgetragen. Der in dieser Arbeit verwendete Ausdruck fur kr(Sl) aus

Gleichung (3.23) approximiert mit dem zugehorigen Parameter m = 0.7 sehr gut das

hygrische Verhalten des Ziegelsteins und wird fur die nachfolgenden Rechnungen ver-

wendet. Zur Beschreibung der zugehorigen Feuchtespeichereigenschaften des Ziegelsteins

wird die Feuchtespeicherfunktion ml(pc) = ρl φSl(pc) mit dem Druckplattenverfahren so-

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102 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

Kapillardruck pc [Pa]

Wassergehaltm

l[kg/m

3]

1e+081e+071e+06100000100001000

160

140

120

100

80

60

40

20

0

ApproximationNetzwerk-Modell

Kapillardruck pc [Pa]

Permeabilitatkpor[m

2]

1e+101e+081e+0610000

1e-14

1e-16

1e-18

1e-20

1e-22

1e-24

1e-26

Abbildung 6.2: Maßgebende hygrische Eingangsparameter zur numerischen Untersuchung:

Feuchtespeicherfunktion (links), relative Permeabilitat (rechts)

wie mit dem Sorptionsverfahren experimentell bestimmt und mit einer Funktion vom van

Genuchten-Typ abgebildet

ml(pc) = msatl

2∑

i=1

li (1 + (ci pc)ni)

1−ni

ni (6.2)

(msatl = 157 kg/m3, l1 = 0.3, l2 = 0.7, c1 = 1.25 · 10−5, c2 = 1.8 · 10−5, n1 = 1.65, n2 =

6.0). Im linken Graphen der Abbildung 6.2 ist der Verlauf der Feuchtespeicherfunktion

ml(pc) dargestellt. Die sehr steilen Verlaufe in den hygroskopischen Kurven aus Abbildung

6.2 im Bereich von etwa pc = 0.1 MPa lassen auf eine rapide Anderung der hygrischen

Vorgange schließen. Dieses Stadium markiert den sogenannten kritischen Wassergehalt,

bei dem sich das Absorptionswasser allmahlich zu einer durchgehenden liquiden Phase

formiert. Hierdurch werden die Transportvorgange innerhalb des Porenraums wesentlich

beschleunigt [Roels, Carmeliet & Hens 1999]. In den Rechnungen wird im Bereich

pc = 0.1 MPa daher eine numerische Instabilitat erwartet. Eine feinere zeitliche Diskreti-

sierung ist bei so hohen Gradienten insofern unumganglich.

6.1.1.3 Experiment vs. numerische Analysen

In Abbildung 6.3 sind fur den Ziegelstein mit der Rissweite w = 0.01mm die Feuch-

tigkeitsverteilungen aus den Computertomographieaufnahmen mit den Finite-Elemente-

Ergebnissen zu unterschiedlichen Zeiten gegenubergestellt. Infolge der kapillaren Wirkung

wird Feuchtigkeit an der Unterkante des Ziegelsteins aufgesaugt und schreitet aufgrund

des Gradienten in die oberen trockenen Bereiche fort. Die mit dem gegenwartigen Modell

berechnete Verteilung der Porenfeuchtigkeit weist uber den gesamten Zeitraum eine gute

Ubereinstimmung mit den experimentellen Messungen auf. Lediglich die leichte Asymme-

trie infolge von Materialinhomogenitaten kann mit dem numerischen Modell nicht abge-

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6.1 Unbewehrte Strukturen 103

E X P E R I M E N T

t = 6 min t = 15 min

t = 25 min t = 40 min

Abbildung 6.3: Gegenuberstellung der numerischen Simulation mit experimentellen Messun-

gen: Fortschritt der Feuchtigkeitsfront in der gerissenen Ziegelsteinprobe mit

der Rissweite w = 0.01 mm

bildet werden. Es sei angemerkt, dass aufgrund der relativ hohen liquiden Permeabilitat

kpor des Ziegelsteins der Feuchtigkeitstransport innerhalb des Ziegelmaterials sich wesent-

lich schneller als beispielsweise in Beton oder Mortel vollzieht. Abhangig von der Beton-

oder Mortelzusammensetzung kann es teilweise Jahre dauern, bis die Feuchtigkeit eine

Tiefe von wenigen Zentimetern erreicht [Reinhardt 1997].

Das Transportverhalten von Feuchtigkeit innerhalb des Risses wird in Abbildung 6.4 an-

hand der Wasserfront im Riss beschrieben. Die durchgezogenen Linien im linken Dia-

gramm geben die zeitliche Entwicklung der gemessenen Wasserfronten in den Rissen

w = 0.01 mm und w = 0.1 mm an. Die korrespondierenden Kurven aus den Finite-

Elemente-Analysen sind gestrichelt dargestellt. Der wichtige Einfluss der Rissbreite auf

die Transporteigenschaften ist deutlich zu erkennen. Wahrend in der Ziegelsteinprobe mit

der Rissbreite w = 0.1 mm das Wasser innerhalb des Risses bereits nach wenigen Se-

kunden die Oberkante der Struktur in 80 mm Hohe erreicht, stellt sich dieser Zustand

in der Ziegelsteinprobe mit w = 0.01 mm erst nach etwa 5500 Sekunden ein. In beiden

Experimenten wird zudem beobachtet, dass eine weitere Fließrichtung senkrecht zu den

Rissflachen maßgebend wird, die bei der Ziegelsteinprobe mit w = 0.1 mm wesentlich

ausgepragter ist. Da der Ziegelstein wahrend des gesamten Experiments in einem Wasser-

behalter steht, befeuchtet der wassergesattigte Riss seine unmittelbare Umgebung [Ro-

els, Vandersteen & Carmeliet 2003]. Demnach fungiert der wassergesattigte Riss

als eine zusatzliche Wasserflache, wodurch der Befeuchtungsprozess innerhalb der gesam-

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104 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

numerische Analyse

Messungen

w = 0.01mm

w = 0.1mm

Zeit [s]

Hoheder

Wasserfront[m

m]

6000500040003000200010000

80

70

60

50

40

30

20

10

0

numerische Analyse

Messungen

w = 0.01mm

w = 0.1mm

Zeit [s]

Wassergehaltm

l[kg/m]

6000500040003000200010000

1

0.8

0.6

0.4

0.2

0

Abbildung 6.4: Validierung des Feuchtigkeitstransports in gerissenen Ziegelsteinen mit den

Rissweiten w = 0.01 mm und w = 0.1 mm

ten Ziegelsteinprobe beschleunigt wird. Der gemessene Wassergehalt ml aus Abbildung

6.4 bestatigt diese Beobachtung. Im rechten Graphen ist fur die untersuchten Ziegelstein-

proben die zeitliche Entwicklung der “aufgesaugten“ Gesamtwassermengen dargestellt.

Der stationare Sattigungszustand1, bei dem der gesamte (verbundene) Porenraum des

Probekorpers gesattigt ist und eine weitere Wasseraufnahme daher nicht mehr moglich

ist, wird in dem Versuch mit w = 0.1 mm etwa doppelt so schnell erreicht wie in dem Ver-

such mit der kleineren Rissbreite w = 0.01 mm. Da in der Ziegelsteinprobe mit w = 0.1

mm die Wasserfront im Riss bereits in den ersten Sekunden die Strukturhohe von 80 mm

erreicht, tritt entlang der Rissflachen bereits fruh ein zusatzlicher Feuchtestrom in die

Ziegelmatrix ein, so dass der stationare Sattigungszustand hierdurch wesentlich schneller

erreicht wird. In der Ziegelsteinprobe mit der Rissbreite w = 0.01 mm hingegen stellt sich

der stationare Sattigungszustand ungefahr erst dann ein, wenn die Wasserfront die Ober-

kante der Struktur erreicht. Sowohl die berechnete Feuchteverteilung in der Umgebung

des Risses als auch die zeitlichen Entwicklungen des totalen Wassergehalts und der Hohe

der Wasserfront zeigen eine gute Ubereinstimmung mit den experimentellen Messungen.

6.1.1.4 Diskussion

Die vorgestellten numerischen Analysen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die im

Riss vorliegende Permeabilitat kcrack aus Gleichung (3.25). Da die Rissoberflachen der

Ziegelsteinproben im Vergleich zu Beton eine deutlich großere Wasserdurchlassig aufwei-

sen, verhalt sich der Feuchtetransport nicht wie das vorausgesetzte kubische Fließgesetz

gemaß Poiseuille aus Gleichung (3.27), in dem die Rissflachen als wasserundurchlassige

Platten idealisiert werden. In [Roels, Vandersteen & Carmeliet 2003] wird daher

1Der stationare Sattigungszustand ist durch den maximalen Wassergehalt msatl = 157 kg/m3 aus

Gleichung (6.2) gegeben. Bezogen auf die gegenwartigen Ziegelsteinproben mit den Dimensionen 0.08 · 0.08m2 wird msat

l in Abbildung 6.4 mit 157 · 0.08 · 0.08 = 1.0 kg/m angegeben.

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6.1 Unbewehrte Strukturen 105

der Feuchtetransport entlang des Risses durch eine weitere Fließkomponente berucksich-

tigt, die vom diskreten Riss in die umgebende Matrix gerichtet ist. Die fur die numerischen

Analysen kalibrierte Permeabilitat kcrack kann in der gegenwartigen Modellbildung unter-

schiedlich formuliert und interpretiert werden.

Zwar kann unter Verwendung des Tortuositats- bzw. Rauigkeitsfaktors R aus Gleichung

(3.28) eine aquivalente Rissweite wh berechnet werden, mit der das hygrische Verhalten

realitatsnah wiedergegeben wird. Jedoch andert sich dadurch die physikalische Interpre-

tation der Rissweite wh. Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels angesprochen, wurden

in dieser Experimentreihe glatte und parallele Risse (konstante Rissweiten) untersucht.

Physikalisch betrachtet, mussten in Gleichung (3.28) daher die initiierten Rissweiten w

mit den hydraulischen Rissweiten wh gleichgesetzt werden (w = wh). Unter Verwendung

des Tortuositats- bzw. Rauigkeitsfaktors R jedoch weicht, obwohl glatte und parallele

Risse betrachtet werden, die aquivalente Rissweite wh von der tatsachlichen Rissweite w

ab. Eine Kalibrierung des Parameters R beschreibt in diesem Fall indirekt die verzogerte

Fließrichtung entlang des Risses aufgrund der Durchlassigkeit der Rissflachen.

Damit die wesentlichen Gleichungen, aus denen sich die Permeabilitat kcrack zusammen-

setzt, auch fur wasserdurchlassige Rissflachen weiterhin unverandert verwendet werden

konnen, wird in Anlehnung an [Fauchet, Coussy, Carrere & Tardieu 1991; Rein-

hardt 1997; Aldea, Ghandehari, Shah & Karr 2000] der Feuchtestrom inner-

halb eines Risses durch einen Korrekturfaktor abgemindert. Der idealisierte Poiseuille-

Feuchtestrom aus Gleichung (3.27) lasst sich somit mit

qh = ξ q (6.3)

angeben. Der in dieser Arbeit verwendete Korrekturfaktor 0 ≤ ξ ≤ 1 berucksichtigt dabei

den Feuchtetransport senkrecht zu den Rissflachen, der vor allem bei Materialien maßge-

bend wird, die eine hohe initiale Permeabilitat k0 aufweisen. Verhalten sich die Rissflachen

in etwa wie wasserundurchlassige Platten, wie beispielsweise in Beton, so kann der Kor-

rekturfaktor ξ = 1.0 gewahlt werden, und das kubische Poiseuille-Fließgesetz und die

Abschatzung der hydraulischen Rissweite aus Gleichung (3.28) bleiben unverandert. Be-

sitzt das porose Material jedoch eine sehr hohe initiale Permeabilitat, findet keine Aus-

pragung der Fließrichtung innerhalb des Risses statt, da sich die Fließeigenschaften im

intakten und im gerissenen Material kaum voneinander unterscheiden. In diesem Fall kann

ξ = 0 gesetzt werden. Wie bereits die Untersuchungen aus dem vorherigen Kapitel auf-

zeigen, ist die liquide initiale Permeabilitat der untersuchten Ziegelsteinproben um einige

Großenordnungen hoher als die des Betons oder des Mortels. Daher ist die Annahme von

wasserundurchlassigen Rissflachen (ξ = 1.0) nicht zutreffend. Die vorgestellten numeri-

schen Ergebnisse aus Kapitel 6.1.1.3 basieren auf ξ = 0.1 fur die Ziegelsteinprobe mit

w = 0.01 mm und ξ = 0.25 fur das Beispiel mit w = 0.1 mm. Aus dem Vergleich der Kor-

rekturfaktoren wird ersichtlich, dass in Ziegelsteinen der Feuchtefluss innerhalb des Risses

mit zunehmender Rissbreite dem kubischen Poiseuille-Fließgesetz folgt. Es sind jedoch

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106 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

w = 0.1 mm

w = 0.01 mm

(intakt)w = 0 mm

Kapillardruck pc [Pa]

NormiertePermeabilitatk/k

0[–]

1e+071e+0610000010000

10000

100

1

0.01

0.0001

1e-06

1e-08

Abbildung 6.5: Normierte Permeabilitaten k/k0 der ungerissenen Matrix (w = 0 mm) und

der Permeabilitaten im Riss (w = 0.01, w = 0.1 mm) vs. Kapillardruck pc

weitere Untersuchungen insbesondere im Zusammenhang mit rauen und unebenen Rissen

erforderlich, um die Fließeigenschaften innerhalb eines Ziegelsteins besser zu bewerten.

Abschließend werden in Abbildung 6.5 die zu den Rissweiten w = 0.01 mm und w = 0.1

mm korrespondierenden Permeabilitaten kcrack aus den numerischen Simulationen ge-

meinsam mit der liquiden Permeabilitat kpor des intakten Ziegelsteins (w = 0 mm) ge-

genubergestellt. In der Abbildung sind diese mit der initialen Permeabilitat k0 skaliert

und in der Komponentendarstellung visualisiert. Die Ziegelsteinprobe mit der Rissweite

w = 0.01 mm weist in dem relevanten Bereich des Kapillardrucks in etwa die gleichen

hygrischen Eigenschaften auf wie das ungeschadigte Ziegelmaterial. Diese Beobachtung

wird auch in den Feuchtigkeitsprofilen aus Abbildung 6.3 und durch den relativ kleinen

Korrekturfaktor ξ = 0.1 bestatigt. Fur die Rissweite w = 0.1 mm hingegen steigt die

Permeabilitat und somit der Feuchtefluss im Riss um ein Vielfaches an. Werden fur den

gesattigten Zustand (pc = 0 MPa) die Permeabilitaten im gerissenen Zustand ausgewer-

tet, so ist bei w = 0.01 mm etwa eine 7-fache und bei w = 0.1 mm etwa eine 25000-fache

Steigerung gegenuber der initialen Permeabilitat zu verzeichnen. Solche Großenordnungen

werden ebenfalls in [Reinhardt 1997; Oshita & Tanabe 2000; Aldea, Ghandeha-

ri, Shah & Karr 2000] beobachtet. Der immense Zuwachs bei w = 0.1 mm verdeutlicht

die Wichtigkeit dieser hygro-mechanischen Wechselwirkung, die fur eine realistische Be-

schreibung von Transportprozessen unerlasslich ist.

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6.1 Unbewehrte Strukturen 107

h/2 = 500 m

m

r = 8 0 m m

s

Civeaux B11 Civeaux BHP Penly

E-Modul Em [MPa] 33700 36700 36200

Querkontraktion νm [–] 0.248 0.245 0.19

Druckfestigkeit fcu [MPa] 40.2 64.5 34.3

Zugfestigkeit ftu [MPa] 3.7 3.8 3.4

Betondichte ρ [kg/m3] 2334 2376 2276

Initiale Porositat φ0 [–] 0.146 0.127 0.15

Uniaxiale Belastung σ [MPa] 10 12 12

Umgebung Initiale Bedingungen

Temperatur T [C] 20± 1 20

Relative Feuchtigkeit RH [%] 50 ± 5 ≈ 100

Abbildung 6.6: Materialparameter, Geometrie und Randbedingungen der drei untersuchten

Beton-Zylinderproben [Granger 1996]

6.1.2 Kriech- und Schwindversuche an Zylinderproben

6.1.2.1 Experimentelle Durchfuhrung und Randbedingungen

In diesem Abschnitt wird die hygro-mechanische Komponente des entwickelten Modells

aus Kapitel 3.1.5 im Hinblick auf langzeitige Verformungen infolge von Trocknungs-

schwinden und Kriechen validiert. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Ermittlung der

Schwind- und Kriechverformungen, mit dem Ziel das Trocknungskriechen (Pickett-Effekt)

zu quantifizieren. Hierzu werden mehrere experimentelle Auswertungen herangezogen, die

in [Granger 1996] dokumentiert sind. Die Messungen sind an 28 Tage alten zylindri-

schen Betonprobekorpern vorgenommen worden, die wahrend der gesamten Versuchs-

dauer unter isothermen Konditionen (T = 20C ± 1C) einer relativen Luftfeuchtigkeit

von RH = 50% ± 5% ausgesetzt waren. Es wurden dabei drei Betonproben von unter-

schiedlicher Zusammensetzung untersucht. Diese werden in der Arbeit von [Granger

1996] mit “Civeaux B11”, “Civeaux BHP” sowie “Penly” bezeichnet und weisen unter-

schiedliche mechanische und hygrische Materialeigenschaften auf, die der Tabelle in Ab-

bildung 6.6 entnommen werden konnen. Um verlassliche Messungen zu erhalten, wurden

die Probekorper zuvor hygrisch versiegelt, damit wahrend des Hydratationsprozesses kei-

ne Austrocknung stattfindet. Fruhzeitige Verformungen, die dem chemischen Schwinden

zuzuschreiben sind, werden von den gemessenen totalen Schwindverformungen abgezogen,

da in der gegenstandlichen Arbeit das Trocknungsschwinden im Fokus steht.

Die experimentellen Auswertungen hinsichtlich des Wasserverlusts wurden an gesattigten

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108 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

zylindrischen Proben mit den Dimensionen 16 · 15 cm2 (Durchmesser · Hohe) vorgenom-

men, die an der Mantelflache zu trocknen beginnen. Um einen radialen Feuchtigkeitsfluss

zu gewahrleisten, wurden beide Enden der Proben versiegelt. Die Messungen hinsicht-

lich der Schwind- und Kriechverformungen erfolgten an zylindrischen Proben mit den

Dimensionen 16 · 100 cm2 (Durchmesser · Hohe). Um Ungenauigkeiten in den Messun-

gen zu reduzieren, erfolgte die Ablesung der Verformungen an der Mantelflache in der

Mitte der Struktur. Der zeitliche Verlauf des Wasserverlusts und die Schwindverformun-

gen wurden an (mechanisch) unbelasteten Probekorpern gemessen. Zur Ermittlung der

Kriechverformungen hingegen wurde eine konstante Spannung auf zwei identische Pro-

bekorper aufgebracht, von denen ein Probekorper vollstandig hygrisch versiegelt war, um

die gemessenen Verformungen dem Grundkriechen zuzuordnen. Die mechanische Bela-

stung sowie die Umgebungs- und Initialbedingungen sind in Abbildung 6.6 zusammen-

gefasst. Aufgrund der isothermen Bedingungen tritt kein Temperaturgradient innerhalb

der Struktur auf. Basierend auf dem entwickelten hygro-mechanischen Modell aus Kapitel

3.1.3 und dem Kriechmodell aus Kapitel 3.1.5.3 werden im Rahmen der Finite-Elemente-

Methode die Schwind- und Kriechversuche nachgerechnet. Zu Beginn der Simulation wird

an der austrocknenden Mantelflache der Struktur ein hoher Feuchtigkeitsgradient erwar-

tet. Daher wird in diesem Bereich eine feinere Vernetzung gewahlt. Die Diskretisierung

des zylindrischen Probekorpers mit 8-knotigen Volumenelementen ist unter Ausnutzung

der Symmetrieeigenschaften ebenfalls in Abbildung 6.6 dargestellt.

6.1.2.2 Ermittlung der hygrischen Eingangsparameter anhand von Austrock-

nungsversuchen

Eine wesentliche Kenngroße poroser Medien ist die Feuchtespeicherfunktion ml(pc) =

ρl φSl(pc). Da fur die gegenstandlichen Betonsorten keine Informationen zu den Feuch-

tespeichereigenschaften vorliegen, wird in der Referenzliteratur [Granger 1996] eine

hyperbolische Beschreibung vorgeschlagen

h(ml) = 1− 0.5 ·[ml −m0

l

m0l −meq

l

]2

, (6.4)

die an einem ahnlichen Beton aus experimentellen Untersuchungen hergeleitet wurde

[Pihlajavaara 1982]. Der Parameter h beschreibt die Porenfeuchtigkeit. Mit dem Was-

sergehaltm0l wird die Menge an Wasser im Initialzustand und mitmeq

l die Wassermenge im

Civeaux B11 Civeaux BHP Penly

Initaler Wassergehalt m0l [kg/m3] 128.8 110.7 132.7

Gleichgewichts-Wassergehalt meql [kg/m3] 58.8 67.9 62.1

Tabelle 6.1: Wassergehalte der untersuchten Betonproben im Initialzustand sowie im hygri-

schen Gleichgewichtszustand bei RH = 50% [Granger 1996]

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6.1 Unbewehrte Strukturen 109

Penly

Civeaux BHP

Civeaux B11

Kapillardruck pc [MPa]

Permeabilitatkpor[m

2]

200150100500

1e-21

1e-22

1e-23

1e-24

Penly

Civeaux B11

Civeaux BHP

Zeit [Tag]

Wasserverlust

[%]

1000100101

3.5

3

2.5

2

1.5

1

0.5

0

Abbildung 6.7: Hygrische Eigenschaften der untersuchten Probekorper: Kalibrierte liquide

Permeabilitat (links) anhand von numerischen Nachrechnungen des Wasser-

verlustes (rechts)

Gleichgewichtszustand angegeben, die zu der relativen Umgebungsfeuchtigkeit RH = 50%

korrespondiert. Die gemessenen Wassermengen fur die untersuchten Betonsorten sind in

[Granger 1996] angegeben und in Tabelle 6.1 zusammengefasst. Es soll an dieser Stelle

betont werden, dass sich die angegebenen Wassergehalte in Tabelle 6.1 auf das freie und

ungebundene Wasser innerhalb der Porenstruktur beziehen. Werden die initialen Wasser-

mengen m0l = ρl φ0 Sl mit den angegebenen initialen Porositaten φ0 aus Abbildung 6.6

ausgewertet, so kann zu Beginn der Messungen eine liquide Porenraumsattigung Sl von

etwa 88% fur alle drei Betone angenommen werden.

Da fur Porenfeuchtigkeiten im Bereich von 0.4 ≤ h ≤ 1 der hygrische Zustand maßgeblich

durch die Kapillarwirkung gekennzeichnet ist [Carmeliet & Abeele ; Cerny & Rov-

nanıkova 2002], kann Gleichung (6.4) uber das Gesetz von Kelvin in die erforderliche

Feuchtespeicherfunktion ml(pc) umgerechnet werden

ln(h) = − pcMv

ρl Rv T(6.5)

[Mv = 0.018 kg/mol, ρl = 1 · 10−6 kg/mm3, T = 293K, Rv = 8.315 · 103 (Nmm)/(Kmol)].

Fur die gegenstandlichen Betonsorten liegen des Weiteren keine Informationen uber die

hygrische Durchlassigkeit vor. Daher werden ausgehend von Austrocknungsversuchen die

Permeabilitaten abgeschatzt. Fur die relative Permeabilitat werden fur alle drei Beton-

sorten der Ansatz aus Gleichung (3.23) gewahlt, wobei der materialspezifische Parameter

m entsprechend [Baroghel-Bouny, Mainguy, Lassabatere & Coussy 1999] fur

Normalbeton mit m = 0.4396 angesetzt wird. Die fehlenden initialen Permeabilitaten

k0 der untersuchten Betone werden mithilfe von Austrocknungsversuchen kalibriert. Im

rechten Graphen der Abbildung 6.7 ist die experimentelle Auswertung des gemessenen

Wasserverlusts fur die drei Betone uber die Zeit aufgetragen. Die Kurven stellen dabei die

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110 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

t=4.3 Jahre

t=2 Jahre

t=1 Jahr

t=7 Monate

t=2 Monate

t=5 Tage

t=0

Radius r [mm]

Porenfeuchtigkeith

[-]

80706050403020100

1

0.9

0.8

0.7

0.6

0.5

Abbildung 6.8: Evolution der relativen Porenfeuchtigkeit innerhalb des Probekorpers Civeaux

BHP anhand von numerischen Analysen

numerischen Auswertungen dar, die mit den Werten aus Tabelle 6.2 erzielt werden. Wie

erwartet, trocknet der Beton mit der hochsten Porositat φ0 und dem großten initialen

Wassergehalt m0l am starksten (“Penly”). Die fur die nachfolgenden Rechnungen verwen-

deten Permeabilitaten kpor sind unter Einbeziehung von k0 und ml(pc) im linken Graphen

der Abbildung 6.7 veranschaulicht.

Um einen Einblick in die hygrischen Transportmechanismen innerhalb des Porenraums zu

erhalten, ist in Abbildung 6.8 fur den Beton “Civeaux BHP” die Feuchtigkeitsverteilung

entlang des Radius fur unterschiedliche Zeitpunkte numerisch ausgewertet. Die schnelle

Abnahme der Porenfeuchtigkeit h an der Oberflache der Zylinderprobe zu Beginn der

Austrocknung ruft einen hohen Gradienten innerhalb der Struktur hervor, so dass sich

innerhalb der Struktur eine ungleichformige Feuchtigkeitsverteilung einstellt. Nach etwa

4.3 Jahren klingt der Gradient ab und der initiale Wassergehalt m0l = 110.7 kg/m3 sinkt

auf den Gleichgewichts-Wassergehalt meql = 67.9 kg/m3. Die Porenfeuchtigkeit und die

relative Umgebungsfeuchtigkeit von RH = 50% stehen dann in einem hygrischen Gleich-

gewicht. In den numerischen Analysen in [Granger 1996] wird fur diesen Beton der

stationare Zustand etwa mit 5 Jahren angegeben. Diese Abweichung ist vermutlich auf

die unterschiedlichen verwendeten relativen Permeabilitaten kr(Sl) zuruckzufuhren.

Civeaux B11 Civeaux BHP Penly

Initiale Permeabilitat k0 [10−21 m2] 3.0 1.0 3.5

Tabelle 6.2: Kalibrierte initiale Permeabilitat k0 anhand von Messungen des Wasserverlusts

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6.1 Unbewehrte Strukturen 111

6.1.2.3 Trocknungsschwinden und Grundkriechen

Die Modellierung der Schwindverformungen basiert in dieser Arbeit auf dem Konzept der

effektiven Spannungen (siehe Kapitel 3.1.4). Verformungen infolge von Wasser- und Feuch-

tigkeitsumlagerungen innerhalb des Porenraums werden anhand des Kapillardrucks pc be-

schrieben, welcher auf die Matrix des porosen Materials wirkt. Die hygrisch-induzierten

Spannungen σpc, die die Schwindverformungen hervorrufen, konnen und unter Einbezie-

hung der Gleichungen (3.47) und (3.49) wie folgt beschrieben werden

σpc =

[

1− ψK

Ks

] ∫

pc

Sl(pc) dpc 1− bppc 1. (6.6)

Die Auswertung der obigen Gleichung im Rahmen dieser numerischen Untersuchung er-

gab, dass neben der Sl(pc)-Kurve die maßgebende Einflussgroße in Bezug auf Schwindver-

formungen der elastische Biot-Koeffizient b aus Gleichung (3.42) bzw. das Verhaltnis der

Kompressionsmoduli K/Ks ist. Die in [Grasberger 2002] verwendete Abschatzung fur

K/Ks mit K/Ks = (1 − φ0)3 liefert jedoch keine zufriedenstellenden Losungen hinsicht-

lich der auftretenden Schwindverformungen. Daher wird in der gegenwartigen numerischen

Analyse der Wert K/Ks fur jeden Beton anhand der gemessenen Schwindverformungen

kalibriert. In Tabelle 6.3 sind diese Werte zusammengefasst. Die entsprechenden gemesse-

nen und berechneten Schwindverformungen sind in der linken Spalte der Abbildung 6.9 fur

die drei untersuchten Betone dargestellt. Die Schwindverzerrungen, die in den ersten 500

Tagen an den Betonproben “Civeaux B11” und “Penly” gemessen wurden, unterscheiden

sich ein wenig von den numerischen Ergebnissen. Die Gestalt der numerisch berechneten

Kurven wird maßgeblich anhand der hygrischen Spannungen σpc uber die Kapillardruck-

Sattigungs-Kurve Sl(pc) bestimmt, wohingegen die maximalen Schwindverformungen vom

Verhaltnis K/Ks abhangen. Verliert im Laufe der Zeit der Feuchtegradient innerhalb des

Probekorpers an Bedeutung (siehe Abbildung 6.8), so nimmt die Rate der Schwindver-

zerrungen ebenfalls ab. Ein stationarer Zustand in den Schwindverformungen stellt sich

ein, sobald ein hygrisches Gleichgewicht mit der Umgebung erreicht ist.

Zur Bestimmung der Verformungen betreffend des Grundkriechens wurden versiegelte

Zylinderproben mit einer konstanten Spannung belastet. Die fur das verwendete Kriech-

gesetz aus Kapitel 3.1.5.3 erforderlichen Parameter konnen direkt aus den Messungen

hergeleitet werden [Bazant, Hauggaard, Baweja & Ulm 1997]. Aus der viskosen

Verformung ηf aus Gleichung (3.61) lasst sich die Nachgiebigkeit der Kriechverformungen

Civeaux B11 Civeaux BHP Penly

Verhaltnis K/Ks [–] 0.25 0.48 0.45

Tabelle 6.3: Kalibrierte Kompressionsmoduli anhand von Schwindversuchen

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112 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

Simulation

Messungen

C i v e a u x B11

Zeit [Tage]

Schwindverzerrungen

[10−6]

25002000150010005000

700

600

500

400

300

200

100

0

Simulation

Messungen

C i v e a u x B11

Zeit [Tage]

Grundkriechen

ε[10-6]

10001001010.1

700

600

500

400

300

200

100

0

Simulation

Messungen

C i v e a u x BHP

Zeit [Tage]

Schwindverzerrungen

[10−6]

25002000150010005000

700

600

500

400

300

200

100

0

Simulation

Messungen

C i v e a u x BHP

Zeit [Tage]

Grundkriechen

ε[10-6]

10001001010.1

700

600

500

400

300

200

100

0

Simulation

Messungen

P e n l y

Zeit [Tage]

Schwindverzerrungen

[10−6]

25002000150010005000

700

600

500

400

300

200

100

0

Simulation

Messungen

P e n l y

Zeit [Tage]

Grundkriechen

ε[10-6]

10001001010.1

700

600

500

400

300

200

100

0

Abbildung 6.9: Vergleich der numerischen Ergebnisse mit experimentellen Messungen fur drei

verschiedene Betone: Schwindverformungen (links) und Verformungen infolge

Grundkriechen (rechts)

in Ratenform angeben

J =dJ

dt=

1

σεf =

1

ηf= 2H−1 1

t, (6.7)

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6.1 Unbewehrte Strukturen 113

Kalibrierung J

Messungen

J = 2H−1/t ≈ 3.937/t

C i v e a u x BHP

Zeit t [Tage]

Rateder

Nachgieb

igkeit

der

KriechverformungendJ/d

t[10−

6/(MPad)]

1000010001001010.10.010.001

100000

10000

1000

100

10

1

0.1

0.01

0.001

0.0001

Abbildung 6.10: Numerische Analyse vs. Messungen: Rate der Nachgiebigkeit der Kriechver-

formungen (Grundkriechen) des untersuchten Betons “Civeaux BHP”

die sich auch direkt aus den Auswertungen der Grundkriechversuche ableiten lasst. Fur

den Beton “Civeaux BHP” sind die gemessenen Verformungen uber die Beziehung εf/σ in

J umgerechnet und in einer doppel-logarithmischen Skala in Abbildung 6.10 dargestellt.

Aus dem Diagramm lasst sich der Parameter H durch Kalibrierung direkt ablesen [Ser-

combe, Hellmich, Ulm & Mang 2000]. Fur die Betone “Civeaux B11” und “Penly”

werden ebenfalls die Nachgiebigkeiten der Kriechverformungen gezeichnet und die zu-

gehorigen Parameter H aus dem Diagramm abgegriffen. Diese sind fur die drei Betone in

Tabelle 6.4 zusammengefasst und werden fur die nachfolgenden Rechnungen verwendet.

Die aus dem Kriechmodell herruhrenden Verformungen an versiegelten Proben (Grund-

kriechen) und die zugehorigen numerischen Simulationen konnen der rechten Spalte der

Abbildung 6.9 fur die drei untersuchten Betone entnommen werden. Mit dem gegenwarti-

gen Modell werden die experimentellen Messdaten uber den gesamten Zeitraum sehr gut

beschrieben.

Civeaux B11 Civeaux BHP Penly

Kriechparameter H [106MPa] 0.197 0.508 0.259

Tabelle 6.4: Kalibrierte Modellparameter anhand von Experimenten mit Grundkriechen

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114 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

cracking

intrinsisch

Trocknungsschwinden

Grundkriechen

Zeit [Tage]

Verzerrungen[10−

6]

2000150010005000

1400

1200

1000

800

600

400

200

0

Abbildung 6.11: Numerische Analyse vs. Messungen: Anteile der Schwind- und Kriechverfor-

mungen des untersuchten Betons “Civeaux BHP”

6.1.2.4 Identifikation des Trocknungskriechens

Die zusatzlichen Verformungen, die in einem belasteten Probekorper bei gleichzeitiger

Austrocknung auftretenden (Trocknungskriechen), werden in diesem Abschnitt fur die

drei untersuchten Betonsorten identifiziert und in ihre intrinsischen und strukturellen

(“cracking”) Anteile zerlegt (siehe Kapitel 3.1.5.2). Da bislang fur die Quantifizierung

dieser Anteile kein geeignetes Messverfahren vorhanden ist, werden hierzu mit dem ge-

genwartige Modell numerische Simulationen durchgefuhrt.

Zur Ermittlung des strukturellen Anteils (“cracking”) werden die zuvor betrachteten

Schwindversuche aus Abbildung 6.9 unter den vorgeschriebenen konstanten Spannun-

gen aus den Kriechversuchen erneut berechnet, wobei jedoch im Modell die Kriechme-

chanismen deaktiviert werden. Die dadurch gewonnenen Verformungen beschreiben den

Schwindvorgang unter einer konstanten Druckbelastung. Es sei an dieser Stelle angemerkt,

dass diese berechneten Verformungen rein hypothetischer Natur sind, da sie trotz einer

Druckbelastung keine Kriechverformungen beinhalten. Mit dieser Vorgehensweise wird

das Uberdrucken der Oberflachenrisse wahrend des Austrocknungsprozesses berucksich-

tigt, was bei regularen Schwindversuchen (ohne mechanische Belastung) nicht auftritt.

Die Differenz zwischen den Verformungen, die aus diesen numerischen Untersuchungen

herruhren, und den gemessenen Schwindverformungen aus Abbildung 6.9 lasst sich als

struktureller Anteil (“cracking”) des Trocknungskriechens (Pickett-Effekts) interpretie-

ren. Es sei angemerkt, dass selbst in den druckbelasteten Probekorpern Oberflachenrisse

auftreten konnen [Sicard, Francois, Ringot & Pons 1992].

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6.1 Unbewehrte Strukturen 115

cracking

intrinsisch

Trocknungs-schwinden

Grundkriechen

Zeit [Tage]

Verzerrungen[10−

6]

2000150010005000

2000

1500

1000

500

0

Abbildung 6.12: Numerische Analyse vs. Messungen: Anteile der Schwind- und Kriechverfor-

mungen des untersuchten Betons “Civeaux B11”

Die Identifikation des intrinsischen Anteils des Trocknungskriechens erfolgt anhand ei-

ner inversen Untersuchung. Die intrinsische Komponente wird erhalten, wenn von den

Gesamtverformungen, die an einem druckbelasteten und austrocknenden Probekorper ge-

messen werden, die Verformungen infolge (druckbelasteten aber versiegelten) Grundkrie-

chens, die Verformungen infolge (unversiegelten) Trocknungsschwindens und die zuvor

bestimmten “cracking”-Verformungen abgezogen werden.

In den Abbildungen 6.11, 6.12 und 6.13 sind die gemessenen Schwind- und Kriechverfor-

mungen mit den numerischen Ergebnissen entsprechend ihrer Anteile fur jeden untersuch-

ten Beton gegenubergestellt. Die Ergebnisse weichen von den experimentellen Messungen

vor allem im Anfangsstadium ab, wobei das langzeitige Verhalten als zufriedenstellend be-

wertet wird. Die relativ großen Abweichungen, die im Beton “Civeaux B11” (Abbildung

6.12) zu verzeichnen sind, konnen moglicherweise aus Ungenauigkeiten in den Messungen

herruhren, die in [Benboudjema, F.Meftah & Torrenti 2001] thematisiert werden.

Was den strukturellen Anteil des Pickett-Effekts anbelangt, so steigt dieser in den ersten

Tagen rapide an und stagniert bei einem nahezu konstanten Wert. Ein ahnlicher Verlauf

wird auch in [Granger 1996; Bazant, Hauggaard & Baweja 1997] bestatigt und

tragt der Tatsache Rechnung, dass infolge des hohen hygrischen Gradienten zu Beginn

des Austrocknungsprozesses die Rissinitiierung vonstatten geht. Fur die drei untersuch-

ten Betone wird der strukturelle Verzerrungsanteil des Trocknungskriechens zwischen 75

µm/m und 157 µm/m identifiziert. Dieser macht bis zu 50% der elastischen Verformungen

aus. Eine gleiche Großenordnung wird fur die gegenstandlich untersuchten Betone auch

in [Granger 1996; Benboudjema, Meftah & Torrenti 2005a] angegeben.

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116 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

cracking

intrinsisch

Trocknungsschwinden

Grundkriechen

Zeit [Tage]

Verzerrungen[10−

6]

2000150010005000

2000

1500

1000

500

0

Abbildung 6.13: Numerische Analyse vs. Messungen: Anteile der Schwind- und Kriechverfor-

mungen des untersuchten Betons “Penly”

Aus den numerischen Simulationen geht des Weiteren hervor, dass der intrinsische Anteil

des Trocknungskriechens in etwa die gleiche Großenordnung wie der strukturelle Anteil

aufweist. Fur die untersuchten Betone sind die Maximalwerte der intrinsischen sowie der

strukturellen Verformungen basierend auf den numerischen Losungen in Tabelle 6.5 ge-

genubergestellt. Anscheinend unterschatzt das gegenwartige Kriechmodell im Rahmen

der effektiven Spannungen insbesondere im Anfangsstadium den intrinsischen Anteil des

Trocknungskriechens. Da sich hygrische Prozesse in zementgebundenen Materialien sehr

langsam vollziehen, nimmt die Feuchtigkeit erst in einem fortgeschrittenen Stadium Ein-

fluss auf die intrinsische Komponente des Pickett-Effekts. Daher nimmt in allen numeri-

schen Analysen die intrinsische Verformung mit der Zeit stetig zu. Hinsichtlich des langzei-

tigen Verformungsverhaltens werden die numerischen Auswertungen als zufriedenstellend

bewertet.

Civeaux B11 Civeaux BHP Penly

struktureller Anteil [µm/m] 75 81 157

intrinsischer Anteil [µm/m] 128 57 86

Tabelle 6.5: Maximale Verzerrungen infolge Trocknungskriechens basierend auf Simulations-

rechnungen

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6.1 Unbewehrte Strukturen 117

t = 963 Tage

t = 363 Tage

t = 63 Tage

t = 5 Taget = 30 Stunden

Radius r [mm]

plastischeeff

ektive

Span

nungenσ′[M

Pa]

80706050403020100

5

0

-5

-10

-15

-20

-25

Abbildung 6.14: Zeitlicher Verlauf der plastisch effektiven Spannungen σ′ in Richtung der

Zylinderachse uber den Radius r (Civeaux BHP)

6.1.2.5 Spannungs- und Verzerrungsverteilungen

Um bessere Einblicke in hygro-mechanische Prozesse zu gewinnen, werden in diesem Ab-

schnitt die Spannungen und die Verzerrungen innerhalb der Betonprobekorper genauer

untersucht. Dazu werden mit den numerischen Simulationen Spannungs- und Verzerrungs-

profile ausgewertet. Da sich die Verlaufe der untersuchten Betone aufgrund der gleichen

Randbedingungen qualitativ kaum voneinander unterscheiden, wird nachfolgend stellver-

tretend fur alle Analysen der Beton “Civeaux BHP” betrachet.

In Abbildung 6.14 ist der zeitliche Verlauf der plastisch effektiven Spannungen σ′ in Rich-

tung der Zylinderachse dargestellt. Hierbei wird ein Schnitt entlang des Radius betrachtet.

Die Verlaufe werden aus der Analyse bestimmt, in der der Zylinderprobekorper mit ei-

ner konstanten mechanischen Spannung von σ = 12 MPa belastet wird und gleichzeitig

uber die Mantelflache austrocknet. Obwohl die mechanische Last wahrend des gesam-

ten Experiments unverandert ist, stellt sich – sobald die Austrocknung vonstatten geht

– eine ungleichformige Verteilung der Spannungen ein. Der induzierte Feuchtegradient,

der von einem hygrischen Ungleichgewicht zwischen der Porenfeuchtigkeit und der Um-

gebungsfeuchtigkeit herruhrt, ruft innerhalb der Struktur zusatzliche Spannungen her-

vor, die auf das Skelett des Betons wirken. Wie in [Bazant, Hauggaard & Baweja

1997; Benboudjema 2002; Benboudjema, Meftah & Torrenti 2005b] berichtet,

bleibt die ungleichformige Spannungsverteilung erhalten, auch wenn die Probe das hy-

grische Gleichgewicht erreicht. Neben dem Einfluss der Feuchtigkeit spiegelt sich in den

Spannungsverteilungen auch der Einfluss der Betonrisse wider. Obwohl eine mechanische

Druckspannung von σ = 12 MPa vorliegt, werden infolge des Feuchtegradienten hohe

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118 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

t = 963 Tage

t = 363 Tage

t = 63 Tage

t = 5 Tage

t = 30 Stunden

Radius r [mm]

Kriechverzerrungenεf

[10−

6]

80706050403020100

500

450

400

350

300

250

200

150

100

50

0

Abbildung 6.15: Zeitlicher Verlauf der Kriechverzerrungen εf in uniaxialer Richtung entlang

des Radius r (Civeaux BHP)

Zugspannungen an der Mantelflache induziert, die uber der Zugfestigkeit des Betons lie-

gen. Die dabei auftretenden Risse dringen mit der Zeit tiefer in die Zylinderprobe ein und

rufen Spannungsumlagerungen hervor. Der Bereich, in dem Zugspannungen vorherrschen,

kennzeichnet gleichzeitig die Risstiefe. Aus Abbildung 6.14 wird eine maximale Risstiefe

von 6 mm beobachtet, die sich etwa nach 13 Tagen einstellt. Die Risstiefe, die in dem zu-

gehorigen Schwindversuch (ohne mechanische Belastung) beobachtet wird, betragt etwa

11 mm und spiegelt den strukturellen Anteil des Trocknungskriechens wider. Die aus die-

sen Simulationen berechnete Rissverteilung und Rissevolution wird ebenfalls in [Sicard,

Francois, Ringot & Pons 1992; Benboudjema 2002; Bisschop & van Mier

2002; Benboudjema, Meftah & Torrenti 2005b] bestatigt.

Fur die betrachteten Spannungsprofile aus Abbildung 6.14 sind die zugehorigen Kriech-

verformungen εf (auf Materialpunktebene) in Abbildung 6.15 visualisiert. Da in der ge-

genwartigen Arbeit die plastisch effektiven Spannungen σ′

m die treibende Kraft fur Kriech-

verformungen sind (siehe Gleichung (3.53)), fuhren Anderungen in σ′

m zu sofortigen Ande-

rungen im Kriechprozess. Daher ruft eine ungleichformige Spannungsverteilung innerhalb

der Struktur auch inhomogene Kriechverformungen hervor. Des Weiteren geht aus den

Verzerrungsprofilen hervor, dass in der Nahe der Oberflache aufgrund von geschadigtem

Material (und geringen Spannungen) die Kriechvorgange nahezu zum Stillstand kommen,

wahrend im Innern des Zylinders die Kriechverformungen weiter zunehmen. Es sei an

dieser Stelle angemerkt, dass die experimentelle Auswertung der Kriechverzerrungen aus

Abbildung 6.9 als Mittelwerte uber die gesamte Struktur zu verstehen sind, die mithilfe

von Messpunkten an der Mantelflache des zylindrischen Probekorpers bestimmt wurden.

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 119

Diese “makroskopischen” Verformungen sind nicht mit den lokalen Kriechverformungen

auf Materialpunktebene aus Abbildung 6.15 zu verwechseln.

6.2 Bewehrte Betonstrukturen

Nachfolgend werden mit dem entwickelten Stahlbetonmodell bewehrte Betonstrukturen

untersucht mit dem Ziel, die relevanten Stahl-Beton Interaktionen zu quantifizieren. Zur

Validierung des Verbundmodells wird eine uniaxial bewehrte Betonscheibe unter Zugbe-

lastung betrachtet [Ouyang, Wollrab, Kulkarni & Shah 1997]. In dieser Analyse

wird zudem die versteifende Wirkung des gerissenen Betons herausgestellt. Um den Ein-

fluss der Dubelwirkung zu verdeutlichen, werden anschließend schubbeanspruchte zwei-

achsig bewehrte Scheiben herangezogen [Collins, Vecchio & Mehlhorn 1985; Vec-

chio & Collins 1986]. Abhangig vom Grad der Bewehrung werden dabei unterschied-

liche Versagensmechanismen betrachtet. Im Hinblick auf kombinierte Beanspruchungen

werden mit dem entwickelten Modell zudem biegebeanspruchte Stahlbetonbalken nachge-

rechnet [Leonhardt & Walther 1962; Ruiz, Elices & Planas 1998]. Dabei wird

die Qualitat der Losungen bewertet und der relevante Einfluss der Bewehrung in Bezug

auf die Rissentwicklung thematisiert.

6.2.1 Zug: Uniaxial-bewehrte Betonscheibe

In dieser Analyse wird die mechanische Komponente des entwickelten Stahlbetonmodells

hinsichtlich der Verbundeigenschaft untersucht. Die Mehrphasigkeit des Betons bleibt au-

ßer Betracht. Gegenstand der numerischen Analyse ist eine zugbeanspruchte Stahlbeton-

scheibe, die in [Ouyang, Wollrab, Kulkarni & Shah 1997] experimentell untersucht

wurde. Die Struktur mit den Dimensionen 635 · 127 · 50.8 mm3 ist in der Mitte beidseitig

mit einer Tiefe von 10 mm gekerbt, um an dieser Stelle eine Schwachung des Querschnit-

tes zu erzielen. Bewehrt ist die Scheibe in achsialer Richtung durch drei Stahlstabe mit je

einem Durchmesser von 9.5 mm. Bezogen auf die Gesamtstruktur entspricht das einem Be-

wehrungsgrad von etwa ρs = 3.3%. In Abbildung 6.16 sind Geometrie, Randbedingungen

sowie die Finite-Elemente-Diskretisierung dargestellt.

Diskretisiert wird die Struktur mit insgesamt 3261 8-knotigen Volumenelementen. Da in

Dickenrichtung der Betonscheibe keine großeren Spannungs- und Verzerrungsgradienten

zu erwarten sind, erfolgt hierbei die Diskretisierung lediglich uber drei Elementreihen.

Grundsatzlich ist in der Modellierung zwischen Beton- und Stahlbetonelementen zu diffe-

renzieren. Den Betonelementen wird das in Abschnitt 3.1.1 beschriebene elasto-plastische

Schadigungsverhalten zugewiesen, das Materialverhalten des Stahles entspricht der J2-

Plastizitat aus Kapitel 3.2. Um eine feinere Auflosung uber die mechanische Schadigung

zu erhalten, erfolgt eine Verschmierung eines Bewehrungsstabes lediglich uber eine Ele-

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120 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

3 f 9 . 5 m m

6 3 5 m m5 0 . 8 m m

127 m

m

d r e i S t a h l b e t o n - E l e m e n t r e i h e nu , F

u , FK e r b e

Abbildung 6.16: Geometrie, Randbedingungen sowie Diskretisierung der uniaxial bewehrten

Scheibe [Ouyang, Wollrab, Kulkarni & Shah 1997]

mentreihe. Wie aus Abbildung 6.16 zu entnehmen ist, setzt sich die Struktur uber die Hohe

somit aus drei Stahlbetonelementen (dunkel-grau) und acht Betonelementen (hell-grau)

zusammen. Eine feinere raumliche Diskretisierung der Betonscheibe liefert auf Strukture-

bene aufgrund der homogenen Zugbeanspruchung nahezu identische Losungen [Linero

2006]. Selbst wenn ein viel groberes Netz als in diesem Beispiel gewahlt wird, sind die

Abweichungen in den Strukturergebnissen marginal. In einer Vorabstudie, auf deren Er-

gebnisse hier nicht eingegangen wird, wurde daher die gewahlte Netzdiskretisierung als

hinreichend genau bewertet.

Der Volumenanteil der Bewehrung c, der fur die Homogenisierungsgleichungen benotigt

wird, ist aufgrund der ungleichmaßigen Verschmierung der Bewehrung innerhalb der Be-

tonscheibe fur diese Diskretisierung zu bestimmen. Aus dem gewahlten Netz ergibt sich

bei drei Elementreihen in Dickenrichtung eine Elementlange von le = 50.8mm/3 = 16.93

mm und bei elf Elementreihen in Hohenrichtung eine Elementhohe von he = 127mm/11 =

11.54 mm. Fur ein Stahlbetonelement mit der Querschnittsflache Ae = le · he folgt ent-

sprechend Abbildung 6.17 fur den Volumenanteil c = As/Ae = π/4 · 9.52/(16.93 ·11.54) =0.363.

B e t o n

le

heS t a h l

Q u e r s c h n i t s f l ä c h e

d e s S t a h l e s A s

Q u e r s c h n i t s f l ä c h ed e s E l e m e n t s A e

V o l u m e n a n t e i lc = A s / A e

A s

Abbildung 6.17: Ermittlung des Volumenanteils c fur ein Stahlbetonelement aus dem Verhalt-

nis der Querschnittsflachen

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 121

Beton

E-Modul Em = 27350 N/mm2

Querkontraktion νm = 0.2

Zugfestigkeit ftu = 3.19 N/mm2

Bruchenergie Gf = 0.1 Nmm/mm2

Stahlbewehrung

E-Modul Es = 191600 N/mm2

Fließspannung σy = 508 N/mm2

Verfestigungsparameter K = 0 N/mm2

Verbund

effektive Verbundsteifigkeit Ei = 1130.3 · 103 N/mm2

maximale Verbundspannung τmax = 311.1 N/mm2

Tabelle 6.6: Material- und Modellparameter fur die numerische Simulation der uniaxial be-

wehrten Scheibe

Die fur die numerische Analyse benotigten Materialparameter sind in Tabelle 6.6 zusam-

mengefasst. Sie konnen weitgehend aus [Ouyang, Wollrab, Kulkarni & Shah 1997]

entnommen werden. Lediglich die Verbundparameter Ei und τmax, die zur Beschreibung

des Verbundgesetzes aus Abbildung 3.7 erforderlich sind, werden anhand eines Auszieh-

versuchs gemaß [Naaman, Namur, Alwan & Najm 1991] abgeschatzt. In den Auszieh-

versuchen wird ein Stab mit einem Durchmesser von 0.5 mm und einer Bettungslange von

25 mm betrachtet. Aus den entsprechenden Last-Verschiebungskurven folgt eine Auszieh-

steifigkeit von etwa P/u = 8.9 kN/mm und eine maximale Ausziehkraft von Pmax = 61 N.

Mit diesen Werten konnen die Verbundparameter aus Gleichungen den (3.74) und (3.75)

zu Ei = 1130.3 N/mm2 und τmax = 311.1 N/mm2 abgeschatzt werden (siehe auch [Li-

nero 2006; Linero, Oliver, Huespe & Pulido 2006]). Parameter hinsichtlich der

Dubelwirkung werden in der gegenwartigen Untersuchung nicht benotigt, da aufgrund der

uniaxialen makroskopischen Zugbelastung kein Einfluss der Dubelwirkung zu erwarten ist.

In Abbildung 6.18 ist die experimentell ermittelte Last-Verschiebungskurve mit der nu-

merischen Losung gegenubergestellt. Die experimentelle Kurve (dicke graue Linie) setzt

sich aus insgesamt drei Versuchen mit identischen Probekorpern zusammen. Die Kurve

weist dabei die wesentlichen Charakteristika auf, die auch in dem numerischen Beispiel

aus Kapitel 5.1 bei der Kurve mit α = 90 beobachtet werden. Die initiale Steifigkeit der

Stahlbetonstruktur entspricht aufgrund des noch ungerissenen Zustands nahezu der Be-

tonsteifigkeit. Etwa bei F = 24 kN tritt auf makroskopischer Ebene dann die erste Nicht-

linearitat auf. Innerhalb der Struktur ist die Betonzugfestigkeit ftu erreicht und die ersten

Risse entstehen. Mit zunehmender Rissbildung nimmt zunachst die axiale Steifigkeit des

Komposits ab, so dass die Gesamtsteifigkeit geringer ist als die des “nackten” Stahles

(gestrichelte Linie). Die Tragkapazitat hingegen ist aufgrund der versteifenden Wirkung

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122 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

0

1 0

2 0

3 0

4 0

5 0

6 0

7 0

0 0 . 5 1 1 . 5 2 2 . 5 3

Reaktionskraft F [kN]

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

E x p e r i m e n t

n u m e r i s c h e A n a l y s e

S t e i f i g k e i t d e s" n a c k t e n " S t a h l e s

t e n s i o n s t i f f e n i n g

u n b e w e h r t e r B e t o n

Abbildung 6.18: Uniaxial bewehrte Scheibe unter Zug: Einfluss von lokalen Versagensmecha-

nismen auf makroskopischer Ebene

des Betons (tension-stiffening) hoher als die des reinen Stahles. Da bei weiterer Belastung

der Beton zunehmend entfestigt, konvergiert die Kompositsteifigkeit zu der Stahlsteifig-

keit. In diesem Beispiel wird die maximale Traglast von ungefahr F = 62 kN bei einer

Verschiebung von etwa u = 1 mm erreicht. Wird bei diesem Belastungsniveau der Ver-

formungszustand des Stahles ausgewertet, so wird ein linear-elastisches Materialverhalten

erkennbar. Folglich wird im gegenwartigen Experiment das Verbundversagen fur die ma-

ximale Tragkapazitat der Struktur maßgebend. Eine weitere Belastungssteigerung kann

aufgrund von Verbundschadigung nicht mehr von Beton an die Bewehrungsstabe weiter-

gegeben werden. Ein Vergleich der experimentellen Kurve mit der numerischen Analyse

weist uber die gesamten Belastungsschritte eine gute Ubereinstimmung auf. Daruber hin-

aus wird mit der verschiebungsgesteuerten Simulation ein duktiles Nachbruchverhalten

prognostiziert.

In Abbildung 6.19 ist der Rissfortschritt zu unterschiedlichen Belastungsstadien anhand

der Schadigungsvariablen d dargestellt. Die ersten Risse werden aufgrund der Schwachung

des Querschnitts in unmittelbarer Nahe der Kerbung sichtbar. Im Zuge der Laststeigerung

tritt die Schadigung jedoch aufgrund der homogenen Zugbelastung nicht lokal auf sondern

erstreckt sich nahezu uber die gesamte Struktur. Dennoch sind Lokalisierungseffekte zu

beobachten. Mit zunehmender Belastung bilden sich ausgehend von der Mitte der Struktur

weitere nahezu parallele Risse bis eine Stabilisierung der Rissverteilung eintritt und sich

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 123

1 . 0

0 . 9

0 . 8

0 . 7

0 . 6

0 . 5

0 . 4

0 . 3

0 . 2

0 . 1

0 . 0

u = 0 . 1 m m

u = 0 . 2 5 m m

u = 0 . 5 m m

u = 0 . 7 3 m m

u = 1 . 0 3 m m

Abbildung 6.19: Uniaxial bewehrte Betonscheibe: Visualisierung des Rissfortschritts anhand

der Schadigungsvariable d [-]

ein charakteristischer Rissabstand einstellt. Die Auswertung der Simulation bei u = 1.03

mm entspricht dem Zustand beim Erreichen der maximalen Traglast. Aus dem Bild ist

zu entnehmen, dass die Rissinitiierung vorrangig an der Ober- und Unterkante der Struk-

tur vonstatten geht. Diese Beobachtung ist auf die versteifende Wirkung der Bewehrung

zuruckzufuhren, wodurch ein Klaffen der Rissflachen weitestgehend eingeschrankt wird

[Linero 2006; Manzoli, Oliver, Huespe & Diaz 2008].

6.2.2 Schub: Zweiachsig bewehrte Scheiben

In der gegenwartigen Analyse werden zweiachsig bewehrte Betonscheiben hinsichtlich des

Trag- und Verformungsverhaltens untersucht. Dabei wird der Einfluss des Bewehrungsgra-

des, der Verbundqualitat sowie der Dubelwirkung im Hinblick auf das Strukturversagen

hervorgehoben. Die quadratischen Stahlbetonstrukturen mit den Dimensionen 890·890·70mm3 werden in der Scheibenebene gleichmaßig und parallel zu den Kantenlangen bewehrt.

Hierzu werden in Dickenrichtung zwei Bewehrungslagen mit einem Stababstand von et-

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124 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

8 9 0 m m

890 m

m

t

t

D i c k et = 7 0 m m

y

z

t

Abbildung 6.20: Zweiachsig bewehrte Stahlbetonscheiben unter Schubbelastung [Collins,

Vecchio & Mehlhorn 1985; Vecchio & Collins 1986]

wa 50 mm angeordnet. Der Versuchsaufbau und die Durchfuhrung der Experimente sind

in [Collins, Vecchio & Mehlhorn 1985; Vecchio & Collins 1986] dokumen-

tiert und skizzenhaft in Abbildung 6.20 dargestellt. Von den insgesamt dreißig gepruften

Stahlbetonscheiben mit unterschiedlichen Belastungen und Bewehrungsgraden werden in

diesem Kapitel zwei Scheiben nachgerechnet, die in den Versuchen mit PV16 und PV27

bezeichnet sind. In diesen beiden Beispielen wird eine reine Schubbelastung betrachtet,

die gleichmaßig uber die Elementkanten aufgebracht wird.

Fur die Scheibe PV16 wird ein kleiner Bewehrungsgrad von ρy = ρz = 0.0074 gewahlt. Des

Weiteren wird diese Scheibe mit einem Stahl ausgefuhrt, der eine geringe Fließspannung

aufweist (σy = 255 N/mm2). Durch die Wahl dieser Versuchsparameter soll eine fruhe

Mitbeteiligung des Stahles an der Gesamttraglast bezweckt werden. Die zweite Stahlbe-

tonscheibe PV27 hingegen wird mit einem hohen Bewehrungsgrad von ρy = ρz = 0.0179

und einer hohen Fließspannung des Stahles (σy = 442 N/mm2) ausgestattet. Die Intention

bei dieser Analyse besteht darin, ein fruhes Plastifizieren des Stahles zu unterbinden und

dadurch die Tragkapazitat des Betons weitestgehend auszuschopfen. In Tabelle 6.7 sind

die zu den Scheiben PV16 und PV27 zugehorigen Materialparameter aufgefuhrt. Bis auf

wenige Ausnahmen, konnen die Materialdaten weitgehend aus den experimentellen Do-

kumenten entnommen werden [Collins, Vecchio & Mehlhorn 1985; Vecchio &

Collins 1986]. Hinsichtlich der Zugfestigkeit wird fur PV16 der Wert ftu = 1.1 N/mm2

aus dem Last-Verschiebungsdiagramm abgegriffen. Fur die Stahlbetonscheibe PV27 wird

die Zugfestigkeit entsprechend [Vecchio & Collins 1986] aus der Druckfestigkeit ab-

geschatzt ftu ≈ 0.33√fcu = 0.33

√20.5 = 1.49 N/mm2. Des Weiteren wird fur die Quer-

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 125

Stahlbetonscheibe PV16

BETON

E-Modul Em = 21700 N/mm2

Querkontraktion νm = 0.2

Zugfestigkeit ftu = 1.1 N/mm2

Druckfestigkeit fcu = 21.7 N/mm2

Bruchenergie Gf = 0.04 Nmm/mm2

STAHLBEWEHRUNG

E-Modul Es = 200000 N/mm2

Fließspannung σy = 255 N/mm2

Bewehrungsgrad ρ = 0.0074

Stahlbetonscheibe PV27

BETON

E-Modul Em = 21600 N/mm2

Querkontraktion νm = 0.2

Zugfestigkeit ftu = 1.49 N/mm2

Druckfestigkeit fcu = 20.5 N/mm2

Bruchenergie Gf = 0.04 Nmm/mm2

STAHLBEWEHRUNG

E-Modul Es = 200000 N/mm2

Fließspannung σy = 442 N/mm2

Bewehrungsgrad ρ = 0.0179

Tabelle 6.7: Material- und Modellparameter zur Simulation der zweiachsig bewehrten Scheiben

kontraktion des Betons der ubliche Wert von νm = 0.2 gewahlt. Was die Bruchenergie Gf

des verwendeten Betons anbelangt, so wird diese aus der Druckfestigkeit des Betons fcuentsprechend Model Code [CEB-FIP 1990] abgeschatzt

Gf = Gf0

(fcmfcm0

)0.7

mit fcm0 = 10 N/mm2. (6.8)

Der Parameter Gf0 hangt dabei vom großten Zuschlagskorn ab. In [Vecchio & Collins

1986] ist es mit 6 mm angegeben, so dass hierfur Gf0 = 0.02375 Nmm/mm2 folgt. Wird

fur beide Betone die Druckfestigkeit von etwa fcm = fcu = 21 N/mm2 angesetzt, errechnet

sich die Bruchenergie zu Gf = 0.02375 (21/10)0.7 ≈ 0.04 Nmm/mm2. Was die Verbund-

und Dubeleigenschaften anbelangt, so werden diese in der jeweiligen numerischen Simu-

lation in den folgenden Unterkapiteln konkretisiert.

Fur den Stahl wird das im Abschnitt 3.2 beschriebene elasto-plastische Materialgesetz

ohne Verfestigung verwendet (K = 0). Das nichtlineare Materialverhalten von Beton ist

durch das im Abschnitt 3.1.1 formulierte Gesetz gemaß [Meschke, Lackner & Mang

1998] gegeben, wobei in dieser Analyse die inelastischen Verformungsanteile sich ledig-

lich aus den plastischen Verzerrungen zusammensetzen. Schadigende Verformungsanteile

werden nicht berucksichtigt. Das nichtlineare Materialgesetz des Betons zeichnet sich da-

her durch ein entfestigendes elasto-plastisches Verhalten aus. Hierzu wird dem skalaren

Modellparameter β in Gleichung (3.15) der Wert β = 0 zugewiesen. Diese Wahl fur

den Parameter β ist durch die relevanten Druckstreben des Betons begrundet, die bei

Schubversuchen ausgepragt sind. Anders als im vorherigen Beispiel, in dem die Druck-

festigkeit des Betons aufgrund der nahezu homogenen Zugspannungen keinen relevanten

Einfluss auf die Ergebnisse hat, zeichnet sich bei diesen schubbeanspruchten Scheiben das

Tragverhalten wesentlich durch die Druckstreben aus. In Vorabsimulationen, die mit dem

gegenwartigen Stahlbetonmodell durchgefuhrt worden sind, konnte diese Beobachtung

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126 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

bestatigt werden.

Hinsichtlich der Finite-Elemente-Simulation kommen 1024 8-knotige Volumenelemente

zum Einsatz, wobei eine Elementreihe in Dickenrichtung gewahlt wird. Aufgrund der

gleichmaßigen Bewehrungsverteilung innerhalb der Struktur werden allen finiten Ele-

menten die Materialeigenschaften des entwickelten Stahlbetonelements zugewiesen. Rei-

ne Betonelemente werden daher nicht verwendet. Die fur die Homogenisierungsprozedur

benotigten Volumenanteile des Stahlmaterials (c1, c2) entsprechen wegen der gleichmaßi-

gen Verschmierung der Bewehrung den gegebenen Bewehrungsgraden. Fur PV16 wird

c1 = c2 = 0.0074 und fur PV27 wird c1 = c2 = 0.0179 angesetzt.

6.2.2.1 Numerische Analyse der Stahlbetonscheibe PV16

Fur die bewehrte Betonscheibe PV16 wurde bewusst eine Stahlsorte mit einer geringen

Fließspannung verwendet (σy = 255 N/mm2), um als Versagensmechanismus das Plastifi-

zieren des Stahles zu erzielen. Werden hinsichtlich der Verbundeigenschaften die gleichen

Parameter wie aus dem Beispiel aus Kapitel 6.2.1 angesetzt, so plastifiziert der Stahl noch

bevor der Verbund versagt (σy < τmax). Demnach wird in dieser numerischen Analyse von

einem perfekten Verbund ausgegangen. Fur die Verbundparameter aus Abbildung 3.7 be-

deutet dies: σy < τmax und Ei → ∞.

In Abbildung 6.21 sind die Ergebnisse aus der numerischen Simulation mit den experi-

mentellen Messdaten in einem (τ−γ)–Diagramm gegenubergestellt. Die effektiven Schub-

spannungen τ sind keine lokalen Großen sondern werden aus dem Quotienten der aufad-

dierten Reaktionskrafte entlang einer Strukturkante und der Kantenflache A = 890 · 70mm2 bestimmt. Die Strukturverzerrungen γ werden uber die aufgebrachten Verschiebun-

gen im Verhaltnis zu der Strukturhohe von 890 mm errechnet. Aus Abbildung 6.21 kann

entnommen werden, dass zu Beginn des Experiments die initiale Schubsteifigkeit des unge-

rissenen Betons maßgebend fur die Struktursteifigkeit ist. Die uniaxialen Steifigkeiten der

Bewehrung werden wegen der homogenen Schubverformungen noch nicht aktiviert. Die

Kapazitat des unbewehrten Betons ist jedoch schnell ausgeschopft, so dass mit den ersten

Rissbildungen das Tragvermogen der Bewehrung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine

gute Ubereinstimmung der numerischen Analyse mit den gemessenen Daten ist bei der Si-

mulation zu beobachten, in der die Dubelwirkung außer Betracht gelassen wird (schwarze

Linie). In dieser Rechnung sind die Schubsteifigkeiten des Stahles aus Gleichung (3.120)

zu Null gesetzt, so dass lediglich die uniaxiale Steifigkeit des Stahles berucksichtigt wird.

Wird hingegen die Dubelwirkung berucksichtigt – unabhangig davon, ob der Biege- oder

Schubmechanismus dominant ist – folgt aus der numerischen Simulation eine deutliche

Uberschatzung der Tragkapazitat von etwa 30%. Diese Beobachtung ist auf die Annah-

me zuruckzufuhren, dass mit der eintretenden Plastifizierung des Stahles der Verlust der

Dubelwirkung einhergeht. In [Martın-Perez & Pantazopoulou 2001] werden daher

die Spannungen infolge der Dubelwirkung mit einem Faktor skaliert, mit dem beim Errei-

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 127

0

0 . 5

1

1 . 5

2

2 . 5

3

3 . 5

0 2 4 6 8 1 0 1 2 1 4

effektive Schubspannungen t [MPa]

S c h u b v e r f o r m u n g e n g [ * 1 0 - 3 ]

m i tD ü b e l w i r k u n g

o h n eD ü b e l w i r k u n g

u n b e w e h r t e rB e t o n E x p e r i m e n t

P V 1 6

8 9 0 m m

890 m

m

t

t

D i c k e t = 7 0 m m

y

z

t

B e w e h r u n g s g r a d

r y = r z = 0 . 0 0 7 4

Abbildung 6.21: Experiment vs. numerische Analyse: Schubbeanspruchte Stahlbetonscheibe

chen der Fließspannung die Dubelwirkung zu Null gesetzt wird. In dieser Analyse werden

das duktile Nachbruchverhalten und die maximale Tragfahigkeit der Stahlbetonstruktur

primar vom Stahlfließen sowie von den Druckstreben des Betons beherrscht.

6.2.2.2 Numerische Analyse der Stahlbetonscheibe PV27

Fur die vorliegende Stahlbetonscheibe liegen keine Informationen uber die Verbundei-

genschaften vor. Daher wird der Einfluss der Verbundqualitat anhand verschiedener Ver-

bundspannungen τmax ausgewertet. Die numerischen Ergebnisse sind in Abbildung 6.22

mit den experimentellen Messdaten gegenubergestellt. Wie im vorherigen Beispiel sind die

effektiven Variablen τ und γ als Strukturgroßen zu verstehen. Die durchgezogenen Kurven

(schwarz und grau) im Diagramm wurden mit den gleichen Verbundparametern berechnet

(τmax = 200 N/mm2 und Ei → ∞) und unterscheiden sich lediglich in der Dubelwirkung.

In dieser Analyse wird erkennbar, dass ohne Berucksichtigung der Dubelwirkung (schwar-

ze Kurve) sowohl die maximale Traglast als auch die Steifigkeit der Struktur deutlich

unterschatzt wird. Erst unter Einbeziehung von Dubelmechanismen wird zumindest die

Struktursteifigkeit gut beschrieben. Aufgrund der dominierenden Schubbeanspruchung

wird fur die Dubelwirkung das schubbasierte physikalische Grundmodell angesetzt (siehe

Abbildung 2.3). Wird unter Berucksichtigung der Dubelmechanismen eine bessere Ver-

bundqualitat betrachtet (τmax = 300 N/mm2 und Ei → ∞), so erhoht sich die Gesamt-

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128 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

0 1 2 3 4 5 6 7 8

S c h u b v e r f o r m u n g e n g [ * 1 0 - 3 ]

effektive Schubspannungen t [MPa]

E x p e r i m e n t

V e r b u n d -q u a l i t ä t

8 9 0 m m

890 m

m

t

t

D i c k e t = 7 0 m m

y

z

t

B e w e h r u n g s g r a d

r y = r z = 0 . 0 1 7 9

P V 2 7

o h n eD ü b e l w i r k u n g

m i tD ü b e l w i r k u n g

u n b e w e h r t e rB e t o n

Abbildung 6.22: Experiment vs. numerische Analyse: Schubbeanspruchte Stahlbetonscheibe

traglast der Struktur (gestrichelte Kurve). Aus dem Diagramm ist folglich zu entnehmen,

dass die maximal ubertragbare Verbundspannung τmax zwischen 200 N/mm2 und 300

N/mm2 betragt. Aufgrund der Tatsache, dass die maximale Verbundspannung kleiner als

die Fließspannung des verwendeten Stahles ist (σy = 442 N/mm2), weist der Stahl uber

die gesamte Belastungsdauer ein linear-elastisches Materialverhalten auf. Demnach ist in

diesem Beispiel die Strukturkapazitat durch das Ausschopfen der maximalen Verbund-

spannung gekennzeichnet.

6.2.2.3 Diskussion: Dubelwirkung

Aus den Abbildungen 6.21 und 6.22 werden fur die untersuchten Stahlbetonscheiben un-

terschiedliche Strukturverhalten hinsichtlich der Dubelwirkung erkennbar. Wahrend in

der Stahlbetonscheibe PV16 keine Dubelmechanismen aktiviert werden, kommt in der

Scheibe PV27 die Verdubelung maßgeblich zum Tragen. Der Grund fur das unterschied-

liche Verhalten kann auf die Abhangigkeit der Dubelwirkung von den Stahlspannungen

zuruckgefuhrt werden. In [Martın-Perez & Pantazopoulou 2001] wird auf die ex-

perimentelle Beobachtung verwiesen, dass mit eintretender Plastifizierung des Stahles der

Verlust der Dubelwirkung einhergeht. Basierend auf der Balkentheorie mit elastischer

Bettung wird daher in [Martın-Perez & Pantazopoulou 2001] ein Dubelmodell an-

gegeben, welches den Einfluss der Stahlspannung auf die Dubelwirkung berucksichtigt.

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 129

Hierbei werden die Spannungen infolge der Dubelwirkung mit dem Faktor f =√1− A2

skaliert, wobei 0 ≤ A ≤ 1 das Verhaltnis der axialen Stahlspannung σs zu der Fließ-

spannung σy des Stahles angibt (A = σs/σy). Der Faktor f tragt den experimentellen

Beobachtungen Rechnung, dass die ubertragbare Dubelkraft im Rissquerschnitt mit zu-

nehmender Stahlzugspannung zu Null konvergiert [Martın-Perez & Pantazopoulou

2001]. Somit geht fur die axiale Stahlspannungen σs = σy die Dubelwirkung vollstandig

verloren (A = 1).

Da in der Scheibe PV16 aufgrund des geringen Bewehrungsgrades und der geringen Fließ-

spannung ein fruhes Stahlfließen auftritt, kommen die Dubelmechanismen nicht zum Tra-

gen. In der Scheibe PV27 hingegen weist der Stahl uber die gesamte Belastungsdauer ein

linear-elastisches Materialverhalten auf, so dass sich die Dubelkrafte ausbilden konnen.

Die Abhangigkeit der Dubelwirkung vom Spannungszustand des Stahles konnte im ge-

genwartigen Stahlbetonmodell beispielsweise analog zu [Martın-Perez & Pantazo-

poulou 2001] anhand einer Skalierung der Schubsteifigkeiten des Stahles aus Gleichung

(3.120) mit einem Faktor vereinfacht berucksichtigt werden. In der gegenwartigen Arbeit

wird jedoch hierauf verzichtet, da fur eine zuverlassige Bestimmung eines Skalierungs-

faktors weitere Analysen herangezogen werden mussen. Der in dieser Arbeit verwendete

Ansatz zur Beschreibung der Dubelmechanismen stellt eine Basis fur eine weitere Verfei-

nerung des Dubelmodells dar.

6.2.3 Biegung: 3-Punkt-Biegeversuche

Nachdem in den vorherigen Kapiteln die Leistungsfahigkeit des entwickelten Modells an

zug- und schubbeanspruchten Stahlbetonstrukturen demonstriert wurde, liegt der Fokus

dieses Abschnittes in der numerischen Untersuchung von Biegetragern. Hierzu werden

verschiebungsgesteuerte 3-Punkt-Biegeversuche herangezogen, die in [Ruiz, Elices &

Planas 1998] dokumentiert sind. Im Hinblick auf das Trag- und Verformungsverhalten

soll in erster Linie der Einfluss des Bewehrungsgrades und der Verbundqualitat heraus-

gestellt werden. In der gegenstandlichen Analyse werden zwei leichtbewehrte Biegebalken

mit den Dimensionen 1350 · 300 · 50 mm3 (Lange·Hohe·Breite) betrachtet. Bewehrt sind

die Betonstrukturen mit 2 bzw. 4 profilierten Stahlstaben mit je einem Durchmesser von

2.5 mm. Die Betondeckung betragt bis zur Bewehrungsachse 45 mm. In Abbildung 6.23

sind die Anordnung der Bewehrungen, die Randbedingungen sowie die Finite-Elemente-

Diskretisierung dargestellt. Die Biegetrager, die im weiteren Verlauf mit “A” und “B”

bezeichnet werden, weisen die Bewehrungsgrade von ρA = 0.065% und ρB = 0.13% auf.

Hinsichtlich der Bewehrungsgrade sei angemerkt, dass beide Stahlbetonbalken unterbe-

wehrt sind und nicht uber die gemaß EC 2 erforderliche Mindestbewehrung zur Sicherung

duktilen Bauteilversagens verfugen.

Fur beide Biegetrager wird eine Diskretisierung mit 1116 8-knotigen Volumenelementen

gewahlt, wobei zwei Elementreihen die Breite der Struktur abbilden. Ahnlich zu dem Bei-

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130 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

1 2 0 0 m m

5 0

3 0 0

u

7 5 7 5

2 f 2 . 5 m mp r o f i l i e r t 5 0

3 0 0

4 f 2 . 5 m mp r o f i l i e r t

B e w e h r u n g s g r a d

r A = 0 . 0 6 5 %

B e w e h r u n g s g r a d

r B = 0 . 1 3 %

A B

Abbildung 6.23: Geometrie, Randbedingungen sowie Diskretisierung des Biegebalkens [Ruiz,

Elices & Planas 1998]

spiel aus Kapitel 6.2.1 kommen sowohl Beton- als auch Stahlbetonelemente zum Einsatz.

Von den insgesamt 1116 Volumenelementen werden 86 Elementen das Materialverhalten

des homogenisierten Stahlbetons zugewiesen. Die ubrigen Elemente beschreiben die Ma-

terialeigenschaften des Betons. Aus Abbildung 6.24 kann die Vernetzung des Biegebalkens

uber die Breite entnommen werden. Den hellgrauen Elementen werden Betoneigenschaf-

ten und den dunkelgrauen Elementen werden Stahlbetoneigenschaften zugewiesen. Der

Volumenanteil des Stahles innerhalb eines Stahlbetonelements lasst sich entsprechend

Abbildung 6.17 fur den Biegetrager “A” mit cA = As/Ae = π/4 · 2.52/(25 · 10) = 0.0196

und fur den Biegetrager “B” mit cB = As/Ae = 2 · π/4 · 2.52/(25 · 10) = 0.0393 angeben.

Die fur die numerischen Analysen benotigten Materialparameter sind zuvor aus standar-

disierten Experimenten fur den gegenstandlichen Biegebalken ermittelt worden [Ruiz,

Elices & Planas 1998]. An Zugversuchen wurden der E-Modul und die Fließspannung

des Stahles gemessen. Die mechanischen Kenndaten des Betons leiten sich aus Druck-

und Biegeversuchen an unbewehrten Probekorpern ab. Ferner sind Ausziehversuche mit

dem verwendeten Beton und Bewehrungsstab realisiert worden, um Informationen uber

die Verbundqualitat zu erhalten. Samtliche relevanten Materialdaten sind in Tabelle 6.8

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 131

2 5 2 5

2 0

2 0

1 0

2 f 2 . 5 m mp r o f i l i e r t

[ m m ]

4 f 2 . 5 m mp r o f i l i e r t

B e t o n -e l e m e n t e

A B

Abbildung 6.24: 3-Punkt-Biegebalken: Vernetzung der Querschnitte fur Balken “A” und “B”

in Detailansicht

zusammengefasst. Die angegebenen Verbundparameter τmax und Ei leiten sich entspre-

chend Gleichung (3.74) und (3.75) direkt aus der gemessenen Last-Verschiebungskurve

des Ausziehversuchs ab, die ebenfalls in [Ruiz, Elices & Planas 1998] angegeben

ist. Beim Vergleich der maximalen Verbundspannung τmax = 570.4 N/mm2 mit der

Fließspannung des Stahles σy = 587 N/mm2 wird erkennbar, dass die profilierte Be-

wehrung einen nahezu perfekten Verbund aufweist. Die Zerstauchungsenergie Gc wird

Beton

E-Modul Em = 30500 N/mm2

Querkontraktion νm = 0.2

Zugfestigkeit ftu = 3.8 N/mm2

Druckfestigkeit fcu = 39.5 N/mm2

Bruchenergie Gf = 0.0625 Nmm/mm2

Zerstauchungsenergie Gc = 3.125 Nmm/mm2

Stahlbewehrung

E-Modul Es = 162000 N/mm2

Fließspannung σy = 587 N/mm2

Verfestigungsparameter K = 0 N/mm2

Verbund

effektive Verbundsteifigkeit Ei = 611.1 · 103 N/mm2

maximale Verbundspannung τmax = 570.4 N/mm2

Tabelle 6.8: Material- und Modellparameter fur die numerische Simulation des 3-Punkt-

Biegebalkens [Ruiz, Elices & Planas 1998]

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132 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

0

2

4

6

8

1 0

1 2

1 4

0 0 . 2 0 . 4 0 . 6 0 . 8 1

Reaktionskraft P [kN]

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

E x p e r i m e n t A

u n b e w e h r t e r B e t o n

0

2

4

6

8

1 0

1 2

1 4

0 0 . 2 0 . 4 0 . 6 0 . 8 1Reaktionskraft P [kN]

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

E x p e r i m e n t B

S i m u l a t i o n( m i t K e r b u n g )

S i m u l a t i o n( o h n e K e r b u n g )

u n b e w e h r t e r B e t o n

S i m u l a t i o n( o h n e K e r b u n g )

S i m u l a t i o n( m i t K e r b u n g )

r s = 0 . 0 6 5 % r s = 0 . 1 3 %

Abbildung 6.25: 3-Punkt-Biegeversuche: Vergleich der Last-Verschiebungskurven aus den nu-

merischen Analysen mit den experimentellen Messdaten aus [Ruiz, Elices

& Planas 1998]

nach [Meschke, Lackner & Mang 1998] aus der gegebenen Bruchenergie Gf mit

Gc = 50 · Gf = 50 · 0.0625 = 3.125 Nmm/mm2 abgeschatzt. Entsprechend den Zugver-

suchen an der Stahlbewehrung [Ruiz, Elices & Planas 1998], wird das im Abschnitt

3.2 beschriebene ideal elasto-plastische Materialgesetz verwendet. Fur das nichtlineare

Materialverhalten von Beton kommt das im Abschnitt 3.1.1 beschriebene Gesetz gemaß

[Meschke, Lackner & Mang 1998] zum Einsatz, wobei mit β = 0.4 sowohl plastische

Matrixverzerrungen als auch Steifigkeitsdegradationen berucksichtigt werden.

In Abbildung 6.25 sind fur beide Biegebalken die experimentell ermittelten Last-

Verschiebungskurven mit den numerischen Losungen gegenubergestellt. Zu jedem Ex-

periment liegen zwei numerische Auswertungen vor. Die schwarzen durchgezogenen Lini-

en korrespondieren zu den Simulationen, bei denen in Balkenmitte eine kleine Kerbung

berucksichtigt wird. Bei den gestrichelten Last-Verschiebungskurven hingegen erfolgen

die Simulationen ohne Kerbung. Durch die Schwachung des Querschnitts anhand einer

Kerbe wird eine kleine Vorschadigung bezweckt, die eine Streuung in den gemessenen

Materialparametern berucksichtigt. Aus Abbildung 6.25 wird ersichtlich, dass die im Ver-

such gemessenen maximalen Traglasten sehr gut durch die entsprechenden Simulationen

anhand eines Oberwertes (ohne Kerbung) und eines Unterwertes (mit Kerbung) einge-

grenzt werden. Es zeigt sich ferner, dass in den gegenwartigen Beispielen der Einfluss

der Vorschadigung lediglich in der Nahe der maximalen Traglast ausgepragt ist und bei

weiterer Laststeigerung relativ schnell abklingt.

Was den Verlauf der Last-Verschiebungskurven anbelangt, so zeichnet sich die initiale

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 133

Struktursteifigkeit zunachst durch die des unbewehrten und ungerissenen Betons aus.

Beim Uberschreiten der Zugfestigkeit des Betons werden auf Strukturebene die ersten

Nichtlinearitaten sichtbar. Der plotzliche Verlust an Struktursteifigkeit unmittelbar nach

dem Erreichen der maximalen Traglast ist auf die negative Steifigkeitstangente des Be-

tons zuruckzufuhren, die sich aufgrund des geringen Bewehrungsgrades umso starker auf

makroskopischer Ebene bemerkbar macht. Anders als in den vorangegangenen Beispie-

len aus Kapitel 6.2.1 und 6.2.2 unterscheidet sich die maximale Traglast der bewehrten

Biegetrager aufgrund des geringen Bewehrungsgrades nicht wesentlich von der maximalen

Traglast des unbewehrten Pendants. Im Nachbruchbereich hingegen weist die unbewehrte

Struktur in Vergleich zu den bewehrten Biegetragern keine nennenswerten Tragreserven

auf, so dass zunehmend das duktile Verhalten des Stahles maßgebend wird. Werden die

bewehrten Strukturen “A” und “B” miteinander verglichen, so wird erkennbar, dass zwar

die maximalen Traglasten nicht so stark vom Bewehrungsgrad abhangen, die Tragreser-

ven im Nachbruchbereich sich hingegen als nahezu proportional zum Bewehrungsgrad

beschreiben lassen [Ruiz, Elices & Planas 1998].

Eine numerische Auswertung der Verbundkapazitat verdeutlicht, dass im Balken “A”

bereits bei einer aufgebrachten Verschiebung von etwa u = 0.2 mm die maximale Ver-

bundspannung von τmax = 570.4 N/mm2 erreicht wird. Das in Abbildung 3.6 dargestellte

Schlupf-Stahl–System ist ab diesem Belastungsschritt durch ein elasto-plastisches Ma-

terialverhalten gekennzeichnet. Im Balken “B” hingegen werden aufgrund des hoheren

Bewehrungsanteils die Tragreserven des Betons mehr ausgeschopft. Die maximale Ver-

bundspannung τmax wird in den gesamten Simulationen des Biegebalkens “B” nicht uber-

schritten.

Fur Balken “B” ist die Rissentwicklung und -verteilung anhand der Schadigungsvariablen

d numerisch ausgewertet und fur vier Belastungsstadien in Abbildung 6.26 visualisiert.

Mit zunehmender Belastung breiten sich Risse sowohl in vertikaler Richtung als auch

entlang der Verbundflache aus. Aufgrund des relativ geringen Bewehrungsgrades bleibt

jedoch der Schadigungsbereich in der Mitte des Biegebalkens konzentriert. Ein charakte-

ristischer Rissabstand, der z.B. in stark bewehrten Biegetragern zu beobachten ist (siehe

Abbildung 6.30), stellt sich in dieser Analyse nicht ein. Die aus den numerischen Simu-

lationen ermittelte Rissverteilung wird in den experimentellen Auswertungen bestatigt

[Ruiz, Elices & Planas 1998].

Im Hinblick auf die Dubelwirkung konnten keine nennenswerten Unterschiede in den ge-

samten numerischen Simulationen beobachten werden. Die Ergebnisse sind mit und ohne

Berucksichtigung der Dubelwirkung nahezu gleich. Die Ursache hierfur liegt zum einen an

den relativ geringen Bewehrungsgraden der untersuchten Biegebalken. Zum anderen ist in

diesen Analysen die vorherrschende Verformung der Bewehrungen durch uniaxiale Verzer-

rungen gekennzeichnet, so dass Schubverformungen (und somit die Dubelmechanismen)

eine untergeordnete Rolle spielen.

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134 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

1 . 00 . 90 . 80 . 70 . 60 . 50 . 40 . 30 . 20 . 10 . 0

u = 0 . 2 1 m m u = 0 . 5 1 m m

u = 0 . 7 5 m m u = 1 . 0 5 m m

Abbildung 6.26: Numerische Auswertung des Rissfortschritts am Biegebalken “B” (ρB =

0.13%) anhand der Schadigungsvariablen d [-]

6.2.4 Biegung: 4-Punkt-Biegeversuch

In dieser numerischen Analyse erfolgt eine qualitative Auswertung eines in [Leonhardt

& Walther 1962] dokumentierten 4-Punkt-Biegeversuchs. Hierbei handelt es sich um

einen langsbewehrten Biegetrager ohne Bugelbewehrung, bei dem – anders als in den

beiden vorherigen Analysen – eine sich uber großere Bereiche erstreckende Schadigungs-

evolution und Rissverteilung erwartet wird.

Der Betonbalken mit den Dimensionen 400 · 32 · 19 cm3 (Lange·Hohe·Breite) ist mit zwei

profilierten Stahlstaben mit einem Durchmesser von 26 mm bewehrt, was einem Beweh-

rungsgrad von ρs = 1.86% entspricht. Die Geometrie und Randbedingungen der Struktur

sowie die Finite-Elemente-Diskretisierung konnen Abbildung 6.27 entnommen werden.

Aufgrund der Symmetrie wird lediglich die Halfte der Struktur vernetzt, wobei die Dicken-

richtung mit einer Elementreihe diskretisiert wird. Von den insgesamt 3200 Elementen

werden 216 Elementen die Materialeigenschaften des homogenisierten Stahlbetons zuge-

wiesen, die sich in Hohenrichtung der Struktur uber zwei Elementreihen erstrecken. Die

ubrigen Elemente beschreiben das Materialverhalten des reinen Betons. Der Volumenan-

teil des Stahles innerhalb der Stahlbetonelemente lasst sich entsprechend Abbildung 6.17

abhangig von der Diskretisierung mit c = As/Ae = 0.279 angeben.

Hinsichtlich der Materialdaten werden in der Referenzliteratur [Leonhardt & Walt-

her 1962] keine vollstandigen Angaben gemacht. Daher werden die Materialparameter

durch die in [Jendele & Cervenka 2006] aufgefuhrten Angaben erganzt, da die Au-

toren [Jendele & Cervenka 2006] ebenfalls die Versuchsserien nachgerechnet haben.

Die maximale Verbundspannung τmax wird wegen der Verwendung von profilierten Be-

wehrungsstaben gemaß [Ruiz, Elices & Planas 1998] abgeschatzt. In Tabelle 6.9

sind die zugrundegelegten Materialparameter zusammengetragen. Aus dem Vergleich der

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 135

1 8 0

1 9

2 7

2 0

2 f 2 6 m mp r o f i l i e r t

1 6 2 1 8

u , P

z w e i S t a h l b e t o n - E l e m e n t r e i h e n

[ c m ]

5

B e w e h r u n g s g r a d

r s = 1 . 8 6 %

Abbildung 6.27: Geometrie, Randbedingungen sowie Diskretisierung des Biegebalkens [Leon-

hardt & Walther 1962]

maximalen Verbundspannung τmax = 570.4 N/mm2 mit der Fließspannung des Stahles

σy = 456 N/mm2 geht fur die profilierte Bewehrung eine perfekte Verbundqualitat her-

vor. Die Stahlbewehrung wird mit dem im Abschnitt 3.2 beschriebenen elasto-plastischen

Materialgesetz modelliert.

Fur das nichtlineare Materialverhalten von Beton kommt entsprechend Abschnitt 3.1.1

das elasto-plastische Schadigungsmodell zum Einsatz [Meschke, Lackner & Mang

1998]. Um den Einfluss des skalaren Parameters β zur Steuerung der Anteile hinsichtlich

Schadigung und Plastizitat zu verdeutlichen, werden in den numerischen Nachrechnungen

Beton

E-Modul Em = 32000 N/mm2

Querkontraktion νm = 0.2

Zugfestigkeit ftu = 1.64 N/mm2

Druckfestigkeit fcu = 28.5 N/mm2

Bruchenergie Gf = 0.062 Nmm/mm2

Zerstauchungsenergie Gc = 3.1 Nmm/mm2

Stahlbewehrung

E-Modul Es = 200000 N/mm2

Fließspannung σy = 456 N/mm2

Verfestigungsparameter K = 0 N/mm2

Verbund

effektive Verbundsteifigkeit Ei = ∞maximale Verbundspannung τmax = 570.4 N/mm2

Tabelle 6.9: Material- und Modellparameter fur die numerische Simulation des 4-Punkt-

Biegebalkens

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136 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

0

1 0

2 0

3 0

4 0

5 0

6 0

7 0

8 0

0 5 1 0 1 5 2 0 2 5 3 0 3 5 4 0

b = 0 . 4

b = 0

u n b e w e h r t

E x p e r i m e n t

Reaktionskraft P [kN]

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

Abbildung 6.28: 4-Punkt-Biegeversuch: Vergleich der Last-Verschiebungskurven des nume-

risch untersuchten Biegebalkens mit experimentellen Messwerten aus [Leon-

hardt & Walther 1962]

die Werte β = 0.4 (Plastizitat und Schadigung) und β = 0 (nur Plastizitat) angesetzt.

In Abbildung 6.28 sind fur den untersuchten Biegebalken die experimentellen Messda-

ten sowie die berechneten Last-Verschiebungskurven dargestellt. Solange die Zugfestig-

keit des Betons nicht uberschritten wird, sind die initialen Struktursteifigkeiten des un-

bewehrten und bewehrten Balkens nahezu identisch. Die Tragfahigkeit des Betons im

Zugbereich nimmt jedoch mit dem Auftreten der ersten Risse sukzessiv ab, so dass ab

diesem Belastungsschritt das Tragvermogen zunehmend durch die Bewehrung gegeben

ist. Der nichtlineare Verlauf der Last-Verschiebungskurven hingegen wird weiterhin durch

den Schadigungsfortschritt des Betons bestimmt. In dieser Analyse ist aufgrund des ho-

hen Bewehrungsgrades die maximale Traglast des Stahlbetontragers im Vergleich zum

unbewehrten Biegetrager um ein Vielfaches hoher. Daher unterscheidet sich diese Struk-

turantwort wesentlich von den Beispielen aus Kapitel 6.2.3.

Wie in Abbildung 6.28 zu erkennen ist, wird in der numerischen Simulation mit β = 0.4 die

maximale Traglast deutlich unterschatzt. Ursache hierfur liegt in der isotropen Beschrei-

bung der Schadigung. In den zug- und schubbeanspruchten Zonen wird infolge der isotro-

pen Formulierung der Schadigung nicht nur die Steifigkeit in Richtung der Rissnormalen

skalar abgemindert sondern auch samtliche Steifigkeitsanteile senkrecht zu der Rissnorma-

len. Die fur das Tragverhalten eines Biegetragers charakteristischen Druckstreben konnen

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 137

0

1 0

2 0

3 0

4 0

5 0

6 0

7 0

8 0

0 5 1 0 1 5 2 0 2 5 3 0 3 5 4 0

s c h w a c h e r V e r b u n d

v o l l e r V e r b u n d

u n b e w e h r t

E x p e r i m e n t

Reaktionskraft P [kN]

V e r s c h i e b u n g u [ m m ]

Abbildung 6.29: 4-Punkt-Biegeversuch: Einfluss der Verbundqualitat auf das globale Tragver-

halten (ausgewertet fur β = 0)

mit einer isotropen Schadigungsformulierung somit nicht ausreichend modelliert werden,

was zu einer Unterschatzung der Tragkapazitat fuhrt. Diese Schlussfolgerung wird anhand

der numerischen Analyse ohne Betrachtung von Schadigungseffekten (β = 0) bestatigt.

Wie in Abbildung 6.28 dargestellt, wird das Tragverhalten des Biegetragers mit einem rei-

nen elasto-plastischen Materialgesetz fur Beton (β = 0) besser erfasst. Was die maximale

Traglast jedoch anbelangt, so wird sie in der numerischen Nachrechnung etwa um 25 %

uberschatzt. Die Ursache hierfur kann zum einen auf die ungenauen bzw. unvollstandigen

Angaben der Materialparameter zuruckgefuhrt werden. Aber auch die Annahme einer

perfekten Verbundwirkung stellt eine obere Abschatzung der Traglast dar.

Um den Einfluss der Verbundwirkung zu verdeutlichen, wird die numerische Simulati-

on mit β = 0 mit einer reduzierten Verbundqualitat wiederholt. Aus den in [Naaman,

Namur, Alwan & Najm 1991] dokumentierten Ausziehversuchen lassen sich hierfur

folgende Verbundparameter herleiten: Ei = 1130.3 · 103 N/mm2 und τmax = 311.1 N/mm2

(siehe Abschnitt 6.2.1). In Abbildung 6.29 ist die Last-Verschiebungskurve des Biegebal-

kens mit reduzierter Verbundqualitat (“schwacher Verbund”) mit der zuvor berechneten

Kurve aus Abbildung 6.28 (“voller Verbund”) gegenubergestellt. Es ist deutlich zu erken-

nen, dass eine schwachere Verbundwirkung sowohl die Struktursteifigkeit als auch die ma-

ximale Traglast reduziert. Das reale Tragverhalten des untersuchten Biegetragers wird von

diesen beiden Kurven gut eingegrenzt. Demnach stellen die beiden untersuchten Verbund-

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138 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

0 . 0 0 0 e + 0 0 4 . 5 5 9 e - 0 1 9 . 1 1 9 e - 0 1 1 . 3 6 8 e + 0 0 1 . 8 2 4 e + 0 0 2 . 2 8 0 e + 0 0 2 . 7 3 6 e + 0 0 3 . 1 9 1 e + 0 0 3 . 6 4 7 e + 0 0 4 . 1 0 3 e + 0 0 4 . 5 5 9 e + 0 0

u = 4 7 m m

R i s s w e i t e [ m m ]

Abbildung 6.30: Versagensbild gemaß [Leonhardt & Walther 1962] und numerische Aus-

wertung der Rissverteilung bei u = 47 mm

eigenschaften eine obere und untere Abschatzung fur die tatsachliche Verbundqualitat des

Biegebalkens dar. Des Weiteren zeigen die verschiebungsgesteuerten Nachrechnungen –

unabhangig von der Verbundqualitat– ein ausgepragtes duktiles Nachbruchverhalten auf.

Aufgrund der lastgesteuerten Versuchsdurchfuhrung lasst sich aus den experimentellen

Untersuchungen keine Auswertung des Nachbruchverhaltens vornehmen.

Nachfolgend wird die Simulation mit perfektem Verbund und β = 0 betrachtet. Fur den

letzten Belastungsschritt in der numerischen Simulation (u = 47 mm) ist die Rissvertei-

lung ausgewertet und in Abbildung 6.30 dem experimentellen Versagensbild gegenuberge-

stellt. Im Experiment kommt es zu einer unsymmetrischen Schadigungsverteilung, welche

z.B. auf Inhomogenitaten im Material oder auf Exzentritaten in der Versuchsdurchfuhrung

zuruckgefuhrt werden kann. Das Bruchbild ist in der linken Halfte des Balkens durch einen

flachen Schubriss entlang der Bewehrung sowie einen diagonalen Makroriss gekennzeich-

net. Diese beobachteten Versagensflachen sind in der numerischen Analyse gut erkennbar.

Um das Zusammenwirken der beiden Konstituierenden insbesondere im geschadigten Zu-

stand zu verdeutlichen, sind in Abbildung 6.31 entlang der Bewehrung die Spannungen im

Belastungsschritt u = 7 mm ausgewertet. Es wird sowohl beim Stahl als auch beim Beton

die Zugspannungskomponente in Richtung der Bewehrungsachse betrachtet. Aufgrund

der unterschiedlichen Großenordnungen werden die Betonspannungen σm mit der Zugfe-

stigkeit ftu=1.64 N/mm2 und die Stahlspannungen σs mit der Fließspannung σy = 456

N/mm2 skaliert. Aus dem Diagramm gehen sehr deutlich die Spannungsumlagerungen

hervor, die im Zuge von Rissbildungen vonstattengehen. In Bereichen, in denen der Beton

eine großere Schadigung aufweist und sich daher am Lastabtrag weniger beteiligt, wird

die Stahlbewehrung umso starker beansprucht. Hierdurch treten – so wie in Abbildung 2.2

illustriert – lokale Spannungsspitzen in unmittelbarer Nahe der einzelnen Risse auf. Aus

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6.2 Bewehrte Betonstrukturen 139

0

0 . 2

0 . 4

0 . 6

0 . 8

1

0

relative Spannungen [-]

L ä n g e d e s B a l k e n s L [ c m ]

B e t o n s p a n n u n g e n

s m / f t u

S t a h l -s p a n n u n g e n

s s / s y

5 0 1 0 0 1 5 0 2 0 0B a l k e n m i t t e

Abbildung 6.31: Numerische Auswertung der Spannungsverteilung am Biegebalken entlang

der Bewehrungsachse im Belastungsschritt u = 7 mm

der Verteilung der Betonspannungen in Abbildung 6.31 geht des Weiteren hervor, dass

in der ungerissenen Zone (etwa bei 20 ≤ L ≤ 50 cm) die Betonspannungen maßgeblich

am Lastabtrag beteiligt sind. Mit zunehmender Nahe zu der geschadigten Zone in Bal-

kenmitte (L = 200 cm) hingegen nimmt die residuale Kapazitat des Betons ab, und die

Stahlspannungen werden maßgebend. In diesem Belastungsschritt (u = 7 mm) bleiben

die Stahlspannungen unterhalb der Fließgrenze σy. Wie in Abbildung 6.32 dargestellt,

erreichen die Stahlspannungen erst bei etwa u = 20 mm die Fließspannung σy. Da die

Zugbeanspruchung in Balkenmitte maximal ist, breiten sich die plastischen Stahldehnun-

gen im Zuge der Laststeigerung sukzessiv zu den Balkenenden aus, wodurch ein duktiles

Strukturverhalten fur den Biegebalken hervorgerufen wird.

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140 Kapitel 6: Validierung des Modells anhand von Experimenten

0

L ä n g e d e s B a l k e n s L [ c m ]

5 0 1 0 0 1 5 0 2 0 0B a l k e n m i t t e

0

1 0 0

2 0 0

3 0 0

4 0 0

5 0 0

Zugspannungen [MPa] u = 2 0 m m

u = 7 m m

s y = 4 5 6 M P a

Abbildung 6.32: Numerische Auswertung der Stahlspannungen entlang der Bewehrungsachse

im Belastungsschritt u = 7 mm und u = 20 mm

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Kapitel 7

Zusammenfassung und Ausblick

7.1 Zusammenfassung

Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein mikromechanisch motiviertes Modell zur Simulati-

on von Stahlbetonstrukturen unter Einbeziehung von hygro-mechanischen Einwirkungen

sowie Kriechmechanismen vorgestellt. Die wesentlichen Schwerpunkte des entwickelten

Modells lagen in der Modellierung der Interaktionsmechanismen zwischen der Stahlbe-

wehrung und dem geschadigten Beton sowie in dem mikromechanisch orientierten Stahl-

betonmodell.

In Kapitel 2 wurden die relevanten mechanischen Interaktionen zwischen Stahl und Beton

im Hinblick auf das Trag- und Verformungsverhalten untersucht. Hierzu zahlten das Ver-

bundverhalten sowie die Dubelwirkung. Dabei wurden die mikrostrukturellen Vorgange

zunachst beschrieben und anschließend Moglichkeiten zur Modellierung der Verbund- und

Dubelwirkungsmechanismen aufgezeigt. Die mit der Stahlkorrosion einhergehende Be-

tonschadigung wurde ebenfalls als eine weitere Interaktion kurz thematisiert.

Die Formulierung der konstitutiven Gleichungen fur den Beton und fur die Stahlbeweh-

rung sowie die Modellbildung der relevanten Stahl-Beton-Interaktionen waren Gegenstand

des Kapitels 3. Dabei wurden die Materialien (Beton und Stahl) zunachst separat be-

trachtet. Zur Modellierung des Materialverhaltens von Beton wurden basierend auf der

Theorie Poroser Medien die mechanischen zeitinvarianten sowie die zeitvarianten thermi-

schen und hygrischen Eigenschaften berucksichtigt. Innerhalb des Konzepts der effekti-

ven Spannungen wurde des Weiteren zur Erfassung von langzeitigen hygro-mechanischen

Verformungen ein Kriechgesetz herangezogen, mit dem ohne Verwendung eines weiteren

Gesetzes sowohl das Grundkriechen als auch das Trocknungskriechen abgebildet werden

konnen. Die Beschreibung des Materialverhaltens der Stahlbewehrung erfolgte anhand ei-

nes elasto-plastischen Gesetzes mit isotroper Verfestigung. Zur wirklichkeitsnahen Beruck-

sichtigung der relevanten Interaktionen zwischen Stahl und Beton erfolgte abschließend

die Vorstellung des in dieser Arbeit verwendeten Verbundgesetzes und eines Gesetzes zur

141

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142 Kapitel 7: Zusammenfassung und Ausblick

Beschreibung der Dubelwirkung.

Aufbauend auf den bereits vorgestellten Material- und Interaktionsgesetzen aus Kapitel 3

erfolgte in Kapitel 4 auf der Grundlage eines analytischen Homogenisierungskonzepts die

Zusammenfuhrung der Konstituierenden Beton und Stahl zum Verbundwerkstoff Stahl-

beton. Die dabei verwendete makroskopische (verschmierte) Formulierung basiert auf den

Mori-Tanaka Homogenisierungsgleichungen. Damit das Strukturverhalten des Komposits

im gerissenen Zustand physikalisch sinnvoll wiedergegeben werden kann, erfolgte anhand

der Betonschadigung eine Modifikation des Eshelbytensors. Die numerische Umsetzung

des entwickelten Stahlbetonmodells im Rahmen der Finite-Elemente-Methode wurde an-

schließend aufgezeigt.

Anhand von numerischen Beispielen erfolgte in Kapitel 5 die Verifikation des gegenstand-

lichen Modells. Hierbei lag das Hauptaugenmerk auf den neu entwickelten mechanischen

Komponenten des Simulationsmodells. Der Einfluss der Stahlbewehrung und die damit

verknupften Stahl-Beton-Interaktionen wurden anhand eines Ein-Element-Beispiels im

Hinblick auf Schadigung- und Plastizitatsmechanismen auf Plausibilitat uberpruft.

Den Abschluss dieser Arbeit bildete in Kapitel 6 die Validierung des entwickelten Mo-

dells anhand von experimentell untersuchten unbewehrten sowie bewehrten Strukturen.

Im Hinblick auf unbewehrte Analysen wurden zunachst die hygro-mechanischen Interak-

tionen anhand von Feuchtigkeitsprofilen in gerissenen Ziegelsteinproben untersucht. Zur

Bewertung des Kriechmodells wurden anschließend Schwind- und Kriechversuche an drei

verschiedenen Betonsorten betrachtet. Im Vordergrund der untersuchten bewehrten Be-

tonstrukturen stand das Zusammenwirken von Beton und Stahl und dessen Einfluss auf

das makroskopische Trag- und Verformungsverhalten. Hierzu wurden Zug-, Schub- und

Biegeversuche mit dem entwickelten Modell nachgerechnet. Die infolge von Verbundver-

sagen und Dubelwirkung einhergehenden Spannungsumlagerungen und Steifigkeitsdegra-

dationen waren dabei von besonderem Interesse.

7.2 Ausblick

Das entwickelte Stahlbetonmodell berucksichtigt bereits viele zeitabhangige sowie zeitun-

abhangige hygro-mechanische Wechselwirkungen. Die Leistungsfahigkeit und das Anwen-

dungsspektrum des Simulationsmodells wurden anhand von Gegenuberstellungen von nu-

merischen Analysen mit experimentellen Auswertungen demonstriert. Zur Vergroßerung

des Leistungsspektrums werden folgende Erweiterungen als sinnvoll betrachtet:

• Das gegenwartige Modell beinhaltet bereits eine Schnittstelle, uber die die expan-

siven Spannungen infolge Rostbildung berucksichtigt werden konnen. Hierzu ist le-

diglich ein geeignetes Modell erforderlich, welches aus der Evolution der Rostmenge

unter Berucksichtigung von Betonschadigung diese expansiven Spannungen errech-

net.

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7.2 Ausblick 143

• Eine Berucksichtigung des Materialverhaltens von Stahl und Beton in Abhangigkeit

von hohen Temperaturen kann zur Simulation von Schadigung in Stahlbetonstruk-

turen genutzt werden. Innerhalb des Homogenisierungsverfahrens mussen hierzu le-

diglich die entsprechenden konstitutiven Gesetze des Stahles und des Betons ange-

passt werden. Die bereits formulierten Homogenisierungsgleichungen und deren nu-

merische Umsetzung in ein Finite-Elemente-Modell konnen theoretisch unverandert

ubernommen werden.

• Basierend auf der Micro-Prestress-Solidification-Theorie zur Beschreibung von lang-

zeitigen Kriechverformungen existieren bereits Ansatze, den Einfluss der Tempera-

tur auf das Kriechverhalten mit zu berucksichtigen. Diese Erweiterung kann ohne

großeren Aufwand in das Kriechgesetz integriert werden.

• Das in dieser Arbeit verwendete Homogenisierungskonzept ist weitgehend allgemein

formuliert, so dass eine Anwendung auf beispielsweise textilbewehrtem Beton bzw.

Faserbeton eine sinnvolle Erganzung darstellt. Hierzu ist lediglich das konstitutive

Gesetz der eingebetteten Stahlbewehrung durch das des Fasermaterials zu ersetzen

und abhangig von der Geometrie des Fasermaterials den entsprechenden Eshelby-

tensor neu zu definieren.

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144 Kapitel 7: Zusammenfassung und Ausblick

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Anhang A

Koordinatentransformation

A.1 Transformation von Verzerrungen und Spannun-

gen

Die globalen Verzerrungen und Spannungen sind in Matrixnotation wie folgt gegeben

[ε] =

ε11ε22ε33

2 ε122 ε232 ε13

und [σ] =

σ11σ22σ33σ12σ23σ13

. (A.1)

Zu beachten ist, dass die Schubkomponenten der Verzerrungen im Ingenieurmaß definiert

sind. Eine Transformation in ein lokales Koordinatensystem (Darstellung ∼) innerhalb

23-Ebene gemaß Abbildung 3.10 erfolgt mit der Rotationsmatrix [Q(α)]

[ε] = [Q(α)] [ε] [σ] = [Q−T (α)] [σ], (A.2)

wobei der positive Winkel α sich aus der Rechtsdrehung der x1-Achse ergibt. Fur diese

Rotation lautet [Q(α)]

[Q(α)] =

1 0 0 0 0 0

0 cos2(α) sin2(α) 0 sin(α) cos(α) 0

0 sin2(α) cos2(α) 0 − sin(α) cos(α) 0

0 0 0 cos(α) 0 sin(α)

0 −2 sin(α) cos(α) 2 sin(α) cos(α) 0 cos2(α)− sin2(α) 0

0 0 0 − sin(α) 0 cos(α)

.(A.3)

Haufig findet sich in der Literatur eine andere Darstellung der Rotationsmatrix (siehe

z.B. [Richter 2005]). Die Ursache hierfur liegt in der unterschiedlichen Definition bzw.

145

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146 Anhang A: Koordinatentransformation

Anordnung der einzelnen Komponenten. Sind beispielsweise die Schubkomponenten der

Spannungs- und Verzerrungsmatrix in einer anderen Reihenfolge definiert als in Glei-

chung (A.1) angegeben, ist die Rotationsmatrix [Q(α)] durch Vertauschen von Zeilen und

Spalten adaquat anzupassen.

A.2 Transformation der Werkstoffbeziehung

Ausgangspunkt zur Beschreibung der globalen Werkstoffbeziehung gemaß Abbildung 3.10

ist zunachst das konstitutive Gesetz im lokalen Koordinatensystem (∼)

[σ] = [C] [ε], (A.4)

wobei die Elastizitatsmatrix [C] im lokalen Koordinatensystem angegeben ist. Mittels der

Rotationsmatrix [Q] = [Q(α)] aus Gleichung (A.3) und der Transformationsvorschrift fur

die Spannungen und Verzerrungen aus Gleichung (A.2) kann Gleichung (A.4) wie folgt

umgeschrieben werden

[Q−T ][σ] = [C] [Q] [ε]

[σ] = [QT ] [C] [Q] [ε]

[σ] = [C] [ε] mit [C] = [QT ] [C] [Q].

(A.5)

In der obigen Gleichung bezeichnet [C] die Elastizitatsmatrix im globalen Koordinatensy-

stem. Diese durchgefuhrte Transformation ist fur eine anisotrope Beschreibung erforder-

lich. Fur eine isotrope Werkstoffbeziehung hingegen gilt aufgrund des invarianten Cha-

rakters [C] = [C].

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Anhang B

Eshelbytensor

B.1 Eshelbytensor fur eine zylindrische Inhomoge-

nitat

Eshelbytensor S in Matrixnotation und im lokalen (123)-Koordinatensystem fur eine

zylindrische Inhomogenitat, die in einer isotropen Matrix mit der Querkontraktion νmeingebettet ist. Es gilt: d1 = d2 und d3 → ∞

1

2

3

d 2

d 1

d 3 ® ¥[S] =

S1111 S1122 S1133

S2211 S2222 S2233

S3311 S3322 S3333

2S1212

2S2323

2S1313

mit:

S1111 =5− 4νm8(1− νm)

, S1122 =4νm − 1

8(1− νm), S1133 =

νm2(1− νm)

S2211 = S1122, S2222 = S1111, S2233 = S1133

S3311 = S3322 = S3333 = 0

S1212 =3− 4νm8(1− νm)

, S2323 = S1313 =1

4und alle anderen Sijkl = 0

147

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148 Anhang B: Eshelbytensor

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Curriculum Vitae

Personliche Daten

Name: Erkan Rumanus

Geburtsdatum: 03.05.1977

Staatsangehorigkeit: deutsch

Schul- und Berufsbildung

seit Mai 2003:

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fur Statik und Dynamik an der Ruhr-

Universitat Bochum mit Aufgabenbereichen in der Lehre sowie in Forschung und

Entwicklung

Oktober 1998 – Marz 2003:

Hochschulstudium Bauingenieurwesen an der Ruhr-Universitat Bochum mit dem Schwer-

punkt “Konstruktiver Ingenieurbau” Diplomabschluss (Dipl.-Ing.)

September 1997 – Juni 1998:

Soldat der Bundeswehr in Speyer, Koblenz und Essen

Juni 1997:

Abitur: Allgemeine Hochschulreife im Stadtischen Aufbaugymnasium (UNESCO-Schule)

in Essen