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Diskrete Mathematik Marcel Ern´ e Fakult¨ at f¨ ur Mathematik und Physik Vorlesung ur Studierende des Bachelor- und Master-Studienganges Mathematik Sommersemester 2011 2. Relationen und Digraphen 32
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Diskrete Mathematik - IAZDerne/diskret/dateien/DiskMath_2.pdf · Diskrete Mathematik Marcel Ern e Fakult at f ur Mathematik und Physik Vorlesung fur Studierende des Bachelor- und

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Diskrete MathematikMarcel Erne

Fakultat fur Mathematik und Physik

Vorlesungfur Studierende des

Bachelor- und Master-Studienganges Mathematik

Sommersemester 2011

2. Relationen und Digraphen

32

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Inhaltsverzeichnis

2 Relationen und Digraphen 342.1 Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342.2 Digraphen und Ordnungsrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 382.3 Relationenalgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442.4 Wege und Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

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2 Relationen und Digraphen

2.1 Relationen

Zur Erinnerung: Anschaulich ist eine Relation ein Beziehung zwischen gewissenObjekten; mathematisch gesehen ist eine (binare) Relation eine Menge R vongeordneten Paaren. Im Falle R ⊆ X×Y spricht man von einer Relation zwischenX und Y , und im Spezialfall R ⊆ X×X von einer Relation auf X. Jede RelationR kann als Relation auf einer (nicht eindeutig bestimmten) Menge aufgefasstwerden. Statt (x, y) ∈ R schreibt man einfacher und suggestiver xR y und meintdamit “x steht in Relation zu y” ; entsprechend bedeutet x 6Ry das Gegenteil(x, y) 6∈ R. Der Ausdruck xR6= y steht fur ”xR y und x 6= y”, hingegen xR=yfur ”xR y oder x=y”. Zu jeder Relation R auf X haben wir die komplementareRelation

Rc = {(x, y) ∈ X ×X | x 6Ry} ,nicht zu verwechseln mit der dualen oder konversen Relation

Rd = {(x, y) ∈ X ×X | yR x} .

����R

X

X

����

Rc

X

X

����

Rd

X

X

����Rcd

X

X

Sind mehrere Relationen R1, ..., Rn gegeben (die auch ubereinstimmen durfen),so schreibt man

x0R1x1R2 ... xn−1Rnxn statt x0R1x1 und x1R2x2 und ... xn−1Rnxn.

Diese Konvention ist uns z. B. bei Ungleichungsketten der Form x0 ≤ ... ≤ xngelaufig.

Fur je zwei Relationen R und S ist deren Produkt definiert durch

RS = {(x, z) | ∃y (xR y und ySz)} .Statt RS schreiben wir auch S ◦R , wobei man die Reihenfolge zu beachtenhat, denn im allgemeinen ist RS von SR verschieden! Dies verallgemeinert dieVerknupfung G ◦ F zweier Funktionen F : X −→ Y und G : Y −→ Z , beidenen es sich ja um spezielle Relationen handelt.

Das Relationenprodukt ist zwar nicht kommutativ, aber stets assoziativ:

R(ST ) = (RS)T .

Denn es gilt

xR(ST )w ⇔ ∃y (xR y STw) ⇔ ∃y∃z (xR yS z T w) ⇔ ... x (RS)T w.

Die Diagonale, Identitat oder Gleichheitsrelation

∆X = idX = 1X = {(x, x) | x ∈ X} = {(x, y) ∈ X×X |x = y}agiert als neutrales Element: Fur jede Relation R auf X gilt 1XR = R1X = R.

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Zusammenfassend haben wir damit:

Satz 2.1 Die Relationen auf einer Menge X bilden mit dem Relationenproduktein Monoid RX, d.h. eine Menge mit einer assoziativen Verknupfung und demneutralen Element 1X .

Außerdem konnen wir naturlich Vereinigung und Durchschnitt von Relationenbilden. Wir stellen eine Liste von nutzlichen Rechenregeln zusammen.

Satz 2.2 Fur beliebige Relationen R,S, T gelten die Distributivgesetze:

(R ∪ S)T = RT ∪ ST, T (R ∪ S) = TR ∪ TS ,(R ∩ S)T ⊆ RT ∩ ST, T (R ∩ S) ⊆ TR ∩ TS ,

aber in den letzten beiden Fallen kann die Inklusion echt sein.

Die Operatoren c und d erfullen folgende Gleichungen:

Rcc = R, Rdd = R, Rcd = Rdc, (RS)d = SdRd ,

(R ∪ S)c = Rc ∩ Sc , (R ∩ S)c = Rc ∪ Sc ,(R ∪ S)d = Rd ∪ Sd , (R ∩ S)d = Rd ∩ Sd .

Entsprechendes gilt fur unendliche Vereinigungen und Durchschnitte.

Folgerung 2.3 Sei X eine beliebige Menge.

(1) Der Komplementierungsoperator c induziert einen selbstinversen dualenAutomorphismus des Potenzmengenverbandes RX = P(X×X).

(1) Der Dualisierungsoperator d induziert einen selbstinversen Automorphismusdes Verbandes RX und eine Involution des Monoids RX.

Definitionsgemaß ist eine Involution eines Monoids selbstinvers und ver-tauscht die Reihenfolge bei der Multiplikation (dies kennen wir z.B. beim Trans-ponieren und Invertieren von Matrizen).

Wie in jedem Monoid definiert man induktiv Potenzen von Relationen auf einerMenge X:

R0 := 1X , Rn+1 := RnR.

Vorsicht: Man muß die Potenzen bezuglich des Relationenprodukts sorgfaltig von kar-

tesischen Potenzen unterscheiden; deshalb schreibt man fur letztere auch nX statt Xn.

Wegen des Assoziativgesetzes darf man bei Relationenprodukten mit mehre-ren Faktoren Klammern weglassen. Die Relation R1R2...Rn besteht anschaulichaus allen Paaren (x, y), fur die ein Weg (x0, x1, ..., xn) der Lange n existiert mit

x = x0R1 x1R2 ... xn−1Rn xn = y .

Im Spezialfall einer einzigen Relation R = R1... = Rn spricht man von R-Wegen.xRny bedeutet also, dass es einen R-Weg von x nach y der Lange n gibt. EinWeg der Lange 0 ist von der Form (x), in Ubereinstimmung mit xR0 y ⇔ x = y.

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Fur Relationen auf einer endlichen Menge hat man zwei wichtige Darstel-lungsmoglichkeiten: Die eine, mittels Inzidenzmatrizen, ist von grundlegenderBedeutung bei der Implementierung im Computer. Die andere, mittels Dia-grammen, dient der Veranschaulichung und Intuition.

Es seien X = {x1, ..., xm} und Y = {y1, ..., yn} endliche Mengen. DieInzidenzmatrix (auch Darstellungsmatrix oder Adjazenzmatrix) einer RelationR ⊆ X × Y ist diejenige m×n-Matrix DR , bei der in der i-ten Zeile und j-tenSpalte eine 1 steht, falls xiRyj gilt, und sonst eine 0. Speziell ist die Inzidenz-matrix einer Relation auf X eine quadratische 0-1-Matrix.

In einem Pfeildiagramm einer Relation R auf X = {x1, ..., xm} wahlt manfur die m Elemente x1, ..., xm ebenso viele Punkte (oder kleine Kreise) in derEbene und zeichnet einen Pfeil von dem Punkt, der xi entspricht, zu dem Punkt,der xj entspricht, falls xiRxj gilt.

Beispiel 2.4 Ein Pfeildiagramm der Teilbarkeitsrelation auf der Menge 12:

k1PPi

@RAAAU

CCCCCCW

?

���������

��������

���

���

"""

"""�

������9

� k2?

��������

��

���

��+

� HHHHY

k3�

���

� @@@@I

k4� AAAAAAAK

k5@@@

@@@I

k6

6

k7k8k9k10

k11 k12

Die Inzidenzmatrix zur naturlichen Nummerierung sieht so aus:

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 121 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 12 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 13 0 0 1 0 0 1 0 0 1 0 0 14 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 15 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 06 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 17 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 08 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 09 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 010 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 011 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 012 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1

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Die Darstellungsmatrix DR hangt naturlich nicht nur von der Relation R,sondern auch von der Nummerierung der Elemente ab. Man sieht aber leicht:

Lemma 2.5 Zwei 0-1-Matrizen A und B sind genau dann Darstellungsmatri-zen der gleichen Relation (oder zweier isomorpher Digraphen), wenn sie sichdurch eine Transformation mit einer Permutationsmatrix P unterscheiden:

PTAP = B.

Darstellungsmatrizen sind sehr gut geeignet, um verschiedene Operationenauf Relationen auszufuhren (auch mit dem Computer). Offensichtlich gilt furjede Relation R ⊆ X × Y = {x1, ..., xm} × {y1, ..., yn}:

DRc = 1mn −DR, wobei alle Koeffizienten der Matrix 1mn gleich 1 sind,

DRd = (DR)T , wobei generell AT die Transponierte der Matrix A bedeutet.

Besonders hilfreich sind Darstellungsmatrizen bei der Berechnung von Produk-ten und Potenzen. Wir setzen fur beliebige Zahlen a und Matrizen A = (aij):

s(a) = 0, falls a ≤ 0, und s(a) = 1, falls a > 0,

s(A) = (s(aij)).

Nun definieren wir ein ”reduziertes Matrizenprodukt” durch

A�B = s(AB), wobei AB das gewohnliche Matrizenprodukt ist.

Satz 2.6 Fur endliche Mengen X,Y, Z sowie beliebige Relationen R ⊆ X×Yund S ⊆ Y×Z ist die Darstellungsmatrix des Relationenprodukts das reduzierteProdukt der einzelnen Darstellungsmatrizen:

DRS = DR �DS.

Insbesondere gilt im Falle X = Y fur alle naturlichen Zahlen `:

DR` = s(DR`).

Beweis. Es sei X = {x1, ..., xm}, Y = {y1, ..., yn} und Z = {z1, ..., zp}. Danngilt fur R ⊆ X×Y , S ⊆ Y×Z und das Produkt RS ⊆ X×Z mit den zugehorigenDarstellungsmatrizen DR = (dRij ), DS = (dSjk) und DRS = (dRSik ):

dRSik = 1 ⇔ xiRSzk ⇔ ∃ j (xiRyjSzk) ⇔ ∃ j (dRij = dSjk = 1)

⇔∑nj=1 d

Rij d

Sjk 6= 0 ⇔ s(

∑nj=1 d

Rij d

Sjk) = 1.

Dies ist aber gerade der entsprechende Koeffizient in der Matrix DR �DS . �

Beispiele hierzu betrachten wir in 2.16 und 2.24.

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2.2 Digraphen und Ordnungsrelationen

Nicht nur in mathematischen Zusammenhangen, sondern auch in fast allen Be-reichen des taglichen Lebens spielen Ordnungsrelationen eine zentrale Rolle.Die wichtigste Eigenschaft solcher Relationen ist die Transitivitat, die besagt,dass man ”weiterschließen” kann: steht x in Relation zu y und y in Relationzu z, so steht auch x in Relation zu z. (Nicht alle Relationen haben diese Ei-genschaft: z.B. folgt aus x 6= y und y 6= z nicht x 6= z!) Daneben sind einigeweitere relationentheoretische Eigenschaften von Interesse, die wir im Folgendenzusammenstellen wollen. Wir sagen, eine Relation R auf X sei

• reflexiv, falls xRx fur alle x ∈ X gilt,

• irreflexiv, falls xRx fur kein x ∈ X gilt,

• symmetrisch, falls aus xR y stets yR x folgt,

• antisymmetrisch, falls xR y und yR x nur fur x = y moglich ist,

• transitiv, falls aus xR y und yR z stets xR z folgt,

• total, falls xR y oder yR x fur beliebige x, y ∈ X gilt.

Alle diese Eigenschaften lassen sich mit Hilfe der Operatoren c und d sowiedes Relationenprodukts sehr einfach ”elementfrei” beschreiben:

Satz 2.7 Fur eine Relation R auf X, R0 = idX und R6= = R \R0 gilt:

R ist reflexiv ⇔ R0 ⊆ RR ist irreflexiv ⇔ R0 ⊆ Rc

R ist transitiv ⇔ R2 ⊆ RR ist symmetrisch ⇔ Rd ⊆ RR ist antisymmetrisch ⇔ Rd6= ⊆ Rc

R ist total ⇔ Rc ⊆ Rd.

Ein Digraph ist ein Paar (X,R), bestehend aus einer Menge X (von Knotenoder Ecken) und einer beliebigen RelationR aufX (der Inzidenzrelation); die aufder Diagonale liegenden Paare (x, x)∈R heißen Schleifen. Ein (ungerichteter)Graph hat eine symmetrische Inzidenzrelation S; die Paare (x, y) ∈ S, odervereinfachend die entsprechenden Zweiermengen {x, y}, nennt man in diesemFall Kanten ; von einem schlichten oder schleifenlosen Graphen spricht man,wenn seine Relation irreflexiv und symmetrisch ist. Graphen und Digraphensind ein wesentliches Werkzeug der Informatik.

Man nennt eine Relation R auf X

• Quasiordnung, falls R reflexiv und transitiv ist,

• Aquivalenzrelation, falls R reflexiv, transitiv und symmetrisch ist,

• (Halb-)Ordnung, falls R reflexiv, transitiv und antisymmetrisch ist,

• lineare Ordnung, falls R eine totale Ordnung ist.

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Das Paar (X,R) heißt quasi-, halb- oder linear geordnete Menge, je nachdem,ob R eine Quasi-, Halb- oder lineare Ordnung ist. Nichtleere linear geordneteMengen heißen auch Ketten.

Beispiele 2.8 (1) Auf jedem System von Mengen ist die Teilmengenrelation ⊆eine Ordnung, aber meist nicht linear (d.h. total). Im Prinzip kann man alleOrdnungen R mit Hilfe von ⊆ beschreiben: Fur die ”Hauptideale”

Ry = {x|xR y}gilt namlich:

xR y ⇔ x ∈ Ry ⇔ Rx ⊆ Ry.

(2) Die Relation ≤ auf der Menge R der reellen Zahlen oder einer belie-bigen Teilmenge, z.B. N, Z oder Q, ist eine lineare Ordnung. Die Relation <(“echt kleiner”) ist transitiv und irreflexiv, also keine Ordnung (sondern einesogenannte strikte Ordnung).

(3) Auf einer endlichen Menge X = {x1, ..., xm} gibt es genauso viele lineareOrdnungen wie Permutationen: Ist σ eine Permutation von m, so wird durch

xi ≤σ xj ⇔ σ(i) ≤ σ(j)

eine lineare Ordnung auf X definiert, und jede lineare Ordnung entsteht aufdiese Weise aus genau einer Permutation (Beweis durch Induktion).

(4) Auf der Menge der ganzen Zahlen ist die Teilbarkeitsrelation | eine Quasi-ordnung, aber keine Ordnung: Die Antisymmetrie ist wegen z |−z und −z |zverletzt. Hingegen ist die Teilbarkeitsrelation auf jeder Menge von positivenganzen Zahlen eine Ordnung, da fur x, y ∈ N aus x | y stets x ≤ y folgt (manbeachte aber x | 0 im Gegensatz zu 0 ≤ x).

(5) Fur eine beliebige Abbildung f : X −→ Y wird durch

x ∼f y ⇔ f(x) = f(y)

eine Aquivalenzrelation auf X definiert. So ergibt sich beispielsweise fur

f : [−1, 1] −→ [−1, 1], x 7−→ x4 − x2

die Aquivalenzrelation

x ∼f y ⇔ (x2 − y2)(x2 + y2 − 1) = 0 ⇔ x = ± y oder x2 + y2 = 1.

����

@@

@@

&%'$

Daß man auf die in Beispiel 2.8 (5) beschriebene Weise alle Aquivalenz-relationen erhalt, zeigt

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Satz 2.9 Fur jede Aquivalenzrelation S auf X ist die Menge der Aquivalenz-klassen xS = {y |xSy} eine Partition von X (d.h. eine Zerlegung in paarweisedisjunkte nichtleere Teilmengen von X). Umgekehrt entsteht jede Partition Z aufdiese Weise aus genau einer Aquivalenzrelation: Die ”kanonische Surjektion”f : X −→ Z mit f(x) = Z, falls x in Z liegt, induziert eine Aquivalenzrelation∼f , deren Klassen genau die ursprungliche Partition bilden.

Den Beweis dieser wohlbekannten Tatsachen und des folgenden Satzesuberlassen wir dem Leser als instruktive Ubungsaufgaben.

Satz 2.10 Fur beliebige Quasiordnungen Q ist Q∩Qd eine Aquivalenzrelation.Jede Quasiordnung entsteht auf genau eine Weise aus einer AquivalenzrelationS und einer Ordnung R auf der zugehorigen Partition, indem man die Quasiord-nung durch Q = {(x, y) |(Sx, Sy) ∈ R} festlegt (wobei Sx die Aquivalenzklassevon x ist). Man kann also jede Quasiordnung auf eindeutige Weise aus einerAquivalenzrelation und einer Ordnung zusammensetzen.

Statt mit Buchstaben bezeichnet man Ordnungen oft mit dem suggestiverenSymbol ≤, darf dies aber naturlich nicht mit der ublichen ”kleiner-oder-gleich”-Relation auf den reellen Zahlen durcheinander bringen. Zur Vermeidung vonVerwechslungen bietet sich das neutrale Symbol v an. Man schreibt

x < y fur x ≤ y 6= x, x ≥ y fur y ≤ x und x > y fur y < x, bzw.

x @ y fur x v y 6= x, x w y fur y v x und x A y fur y @ x.

Betrachtet man auf einer Menge simultan mehrere Ordnungen, so sollte man furdiese tunlichst unterschiedliche Symbole verwenden. Fur Aquivalenzrelationensind Symbole wie ∼, ', ≈ oder ≡ gebrauchlich.

Anstelle von Ordnungen untersucht man haufig auch sogenannte strikte Ord-nungen; das sind irreflexive und transitive (und folglich auch antisymmetrische)Relationen. Der Ubergang von Ordnungen zu strikten Ordnungen und umge-kehrt geschieht einfach durch den Wechsel zwischen ≤ und <, bzw. zwischen vund @, oder im Falle einer durch R bezeichneten Ordnung zwischen R und

R6= = R \R0.

Wie wir in Beispiel 2.4 sahen, konnen Pfeildiagramme schnell recht unuber-sichtlich werden. Fur endliche Ordnungsrelationen benutzt man daher eine an-dere, wesentlich okonomischere Darstellung mit Hilfe von sogenannten (Hasse-)Diagrammen (nach dem Mathematiker Helmut Hasse). In einem solchen Dia-gramm zeichnet man fur jedes Element der Grundmenge einen ”Knoten”, d.h.einen Punkt, einen kleinen Kreis oder ein ahnliches Symbol in die Ebene, undzwar so, dass der einem Element x entsprechende Knoten niedriger liegt als eindem Element y entsprechender Knoten, falls x in der Ordnungsrelation zu ysteht. Man verbindet die den Elementen x und y entsprechenden Knoten genaudann durch eine Kante, wenn x ein unterer Nachbar von y (bzw. y ein obererNachbar von x) ist. Konkret bedeutet dies fur eine Ordnungsrelation R, dassxR 6=y gilt, aber kein z mit xR 6=zR6=y existiert. Die Pfeilspitzen lasst man meist

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weg, da alle Pfeile aufwarts zeigen. Aber ist eine solche Zeichnung uberhauptmoglich, und wie legt man sie an?

Zunachst zeichnet man alle minimalen Elemente, also solche, unter denenkeine weiteren liegen (formal: diejenigen y, zu denen es kein anderes x mit xR ygibt), in eine Reihe nebeneinander. (Warum hat jede endliche geordnete Men-ge solche minimalen Elemente?) Im zweiten Schritt bestimmt man alle oberenNachbarn der minimalen Elemente, zeichnet sie in die nachsthohere Reihe, ver-bindet sie durch Kanten mit ihren unteren Nachbarn, usw. Falls man die Hoheeines Diagramms nicht von vorneherein abschatzen kann, empfiehlt sich manch-mal Zeichnen von oben nach unten, beginnend mit den maximalen Elementen.

Aus dem Diagramm kann man ablesen, wann ein Element x bezuglich derOrdnung unter einem anderen Element y liegt: das ist genau dann der Fall, wennman von x aus durch einen aufwarts verlaufenden Kantenzug zu y gelangt.

Beispiel 2.11 Im Fall unseres durch Teilbarkeit geordneten ”Ziffernblatts” 12aus Beispiel 2.4 bekommen wir das folgende, erheblich besser strukturierte Dia-gramm, unter Ausnutzung der Tatsache, dass eine naturliche Zahl x genau dannein unterer Nachbar von y ist, wenn y/x eine Primzahl ergibt:

d1@@����

��

����

��

�����

���d2

@@����

�� d3

@@

�� d

5@@ d

7d

11dd

4@@�� d

6@@ d

10d9

d8d

12

Mit Hilfe von Satz 2.10 kann man auch Diagramme von Quasiordnungenzeichnen: Die Aquivalenzklassen der Symmetrisierung Q ∩Qd stellt man durch

”Klumpen” oder ”Molekule” aus sich gegenseitig beruhrenden Knoten dar.

dddd dddd@@ ��

� @@

Quasiordnung

dddd dddd

Partition

d@@ ��d dd�� @@

Ordnung

Beispiel 2.12 Diagramm der ganzen Zahlen von −3 bis 6, quasigeordnet durchdie Teilbarkeitsrelation. (Man beachte, dass jede Zahl ein Teiler von 0 ist!)

dd-1,1@@ ����

����

dd-2,2@@

�� dd

-3,3@@ d

5HH

HHH

HHHd

4�� d

6@@d

0

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Daruberhinaus gibt uns Satz 2.10 die Moglichkeit, mit Hilfe der Stirling-zahlen die Anzahlen der Quasiordnungen auf endlichen Mengen aus denen derOrdnungen zu berechnen, und umgekehrt:

Satz 2.13 Ist Q(n) die Anzahl der Quasiordnungen und Qo(n) die der Ord-nungen auf einer n-elementigen Menge, so gilt:

Q(n) =n∑

m=0

Sn,mQo(m), Qo(n) =n∑

m=0

S−n,mQ(m) .

Beispiel 2.14 Wir notieren alle Isomorphietypen von Ordnungen auf hochstensdreielementigen Mengen sowie deren Automorphismenzahlen in einer Tabelle.Daraus kann man alles Weitere berechnen (Zauberformel a(S) i(S) = n!):

Anzahl derPunkte

1 2 3

Diagramm c c c cc c c c c cc c cc�A c ccA� cccOrdnung s s s ss6 s s s s ss6 s ss��AK s ss�� AK s6ss6�AK

Anzahl derAutomorphismen 1 2 1 6 1 2 2 1

Anzahl derisomorphen Kopien 1 1 2 1 6 3 3 6

Gesamtzahlder Ordnungen

1 3 19

Gesamtzahlder Quasiordnungen

1 1 · 1 + 3 = 4 1 · 1 + 3 · 3 + 1 · 19 = 29

Siehe hierzu auch die Beispiele 2.33.

Außer der offensichtlichen Tatsache, dass totale Relationen stets reflexivsind, bestehen keinerlei Implikationen zwischen den zu Beginn dieses Abschnittseingefuhrten sechs Eigenschaften. Wir wollen das anhand eines mit Beispie-len angereicherten Implikationsdiagramms belegen. Schleifen deuten wir durchschwarz ausgefullte Kreise an. In dem großen Diagramm enthalt jeder quadra-tisch gezeichnete ”Knoten” wieder ein kleines Pfeildiagramm einer Relation, diealle auf absteigenden Linien des großen Diagramms erreichbaren Eigenschafteninklusive der zum jeweiligen Quadrat gehorigen besitzt, aber keine der ubrigenin dem Gesamtdiagramm vorkommenden Eigenschaften.

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Beispiele 2.15 Eigenschaften von Relationen

t dd-����aa

aaaa

@@@

���!!

!!!!

Relation

t tt-����aa

aaaa

���!!

!!!!

reflexiv

d dd-����aa

aaaa

!!!!

!!

irreflexiv

t dd��� AAUXXX

XXXXX

XX

aaaa

aa

!!!!

!!

antisymm.

t dd��� AAU��� AAKaa

aaaa

������

����

symm.

t td-���� AAKaa

aaaa

!!!!

!!

transitiv

t tt-���� AAU!!

!!!!

total

d dd��� AAU!!

!!!!

t tt��� AAUaa

aaaa

!!!!

!!

t tt��� AAU��� AAK���

������

t ttt-���� AAKaa

aaaa

!!!!

!!

Quasiordnung

d dd-� t dd-aa

aaaa

!!!!

!!

XXXXXX

XXXX

t td-�aa

aaaa

t tt���� AAU!!

!!!!

t tt-���� AAK!!

!!!!

d dd-��� AAU!!

!!!!

t tt��� AAKaa

aaaa

!!!!

!!

Ord-

nung t tt-�aa

aaaa

Aquivalenz-

relation t ddaa

aaaa

t tt-��� AAU!!

!!!!

lineareOrdnung t tt��� AAU��� AAK-�All-

relation d dd@

@@

t ttaa

aaaa

Gleichheits-relation

leereRelation

Rein rechnerisch kann man eine endliche Ordnung aus ihrem Diagramm mitHilfe der Darstellungsmatrizen zuruckgewinnen: Ist A eine (m×m)-Inzidenz-matrix zum Diagramm, so bildet man ihre Potenzen und addiert diese. DieMatrix s(E +A+ ...+Am−1) ist die Inzidenzmatrix der zugehorigen Ordnung.

Beispiel 2.16 Diagramm der Teiler von 12 und Darstellungsmatrizen

d1

@@

��d

2

@@

�� d3@@

d4

�� d6@@d12

A

d1

6

@@@@I d

2

6

d3@@@@Id

4

d6d12

A2

d1

BBBBBBM

d2

d3d4

d6d12

A3

t1

@@I���

6

BBBBBBM

@@

@@I t2

@@I���

6

t3@@I@@

@@It4

��� t6@@It12

DR

1

2

3

4

6

12

0 1 1 0 0 00 0 0 1 1 00 0 0 0 1 00 0 0 0 0 10 0 0 0 0 10 0 0 0 0 0

0 0 0 1 2 00 0 0 0 0 20 0 0 0 0 10 0 0 0 0 00 0 0 0 0 00 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 30 0 0 0 0 00 0 0 0 0 00 0 0 0 0 00 0 0 0 0 00 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 10 1 0 1 1 10 0 1 0 1 10 0 0 1 0 10 0 0 0 1 10 0 0 0 0 1

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2.3 Relationenalgebra

Von fundamentaler Bedeutung in der Relationenalgebra sind die Relationen-produkte RS = S ◦R und die Potenzen Rn, sowie die Hyperpotenzen

R≥k =⋃{Rn : n ∈ Nk} =

⋃{Rn : n ∈ N0, n ≥ k} (k ∈ N0).

Mit ihnen kann man viele Erkenntnisse ”elementfrei” gewinnen.

Satz 2.17 Fur eine beliebige Relation R und naturliche Zahlen k,m ∈ N0 gilt:

Rk+m = RkRm, R≥k+m = RkR≥m = R≥kRm = R≥kR≥m,

R k·m = (Rk)m, R≥ k·m = (R≥k)m = (R≥k)≥m, falls m > 0.

Diese Regeln zeigt man entweder durch Angabe entsprechender R-Wege oderinduktiv (und elementfrei) unter Anwendung der Distributivgesetze

(⋃{Ri : i ∈ I})S =

⋃{RiS : i ∈ I} und S(

⋃{Ri : i ∈ I}) =

⋃{SRi : i ∈ I}

(siehe Satz 2.2). Wir leiten hier exemplarisch die Gleichung (R≥k)m = R≥ k·m

aus der vorher zu beweisenden Gleichung R≥k+m = R≥kR≥m her. Der Fallm=1 ist klar. Aus (R≥k)m= R≥ k·m folgern wir

(R≥k)m+1 = (R≥k)mR≥k = R≥ k·mR≥k = R≥ k·m+k = R≥k(m+1). �

Warum werden die Gleichungen R≥ k·m = (R≥k)m = (R≥k)≥m fur m=0 falsch?

Aus einer gegebenen Relation gewinnt man durch einfache Konstruktionenneue Relationen mit erwunschten Eigenschaften. Meist geschieht dies durch An-wendung geeigneter Hullen- oder Kernoperatoren. Dabei ist ein Hullenoperatorauf einer Menge X (genauer: auf einer Potenzmenge PX) eine Abbildung

H : PX → PX, Y 7→ Y−

mit Y ⊆ Z− ⇔ Y −⊆ Z− fur Y,Z ⊆ X.

Dies gilt genau dann, wenn folgende drei Bedingungen simultan erfullt sind:

(1) Y ⊆ Y − (H ist extensiv)

(2) Y−⊆ (Y ∪Z)

−(H ist monoton oder inklusionserhaltend)

(3) Y−−

= Y−

(H ist idempotent).Dual ist ein Kernoperator eine Abbildung

K : PX → PX, Y 7→ Y◦

mit Y ◦ ⊆ Z ⇔ Y ◦⊆ Z◦ fur Y,Z ⊆ X.

Ohne Beweis notieren wir:

Satz 2.18 Indem man jedem Hullenoperator sein Bild zuordnet, erhalt maneine Bijektion zwischen Hullenoperatoren und Hullensystemen auf X, d.h. gegenbeliebige Durchschnitte abgeschlossenen Teilmengen von PX. Die umgekehrteBijektion ordnet jedem Hullensystem H folgenden Hullenoperator zu:

H : Y 7→ Y−

=⋂{A ∈ H | Y ⊆ A}.

Entsprechend besteht eine Bijektion zwischen Kernoperatoren und Kernsystemenauf X, d.h. gegen beliebige Vereinigungen abgeschlossenen Teilmengen von PX.

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Typische Hullenoperatoren auf dem n-dimensionalen Raum Rn entstehendurch Bildung der linearen, affinen oder konvexen Hulle, oder durch den topo-logischen Abschluss Y

−. Entsprechend liefert das Innere Y ◦ (der offene Kern)

einen Kernoperator. Wir sind im gegenwartigen Kontext aber mehr an Hullen-und Kernoperatoren auf X×X bzw. auf der Menge RX = P(X×X) der Rela-tionen auf X interessiert.

Konstruktion Name Beschreibung

Rr = R ∪R0 reflexive Hulle xRr y ⇔ xR y oder x=y ⇔ xR=y

R i = R \R0 irreflexiver Kern xR iy ⇔ xR y und x 6=y ⇔ xR 6=y

Rs = R ∪Rd symmetrische Hulle xRs y ⇔ xR y oder y R x

R∗ = R ∩Rd symmetrischer Kern xR∗y ⇔ xR y und y R x

R t = R≥1 transitive Hulle xR ty ⇔ ∃n ∈ N (xRny)R∧ = R≥0 reflexiv-transitive Hulle xR∧y ⇔ xR ty oder x = y

Diese Namensgebungen sind motiviert und gerechtfertigt durch den folgenden

Satz 2.19 Fur eine beliebige Relation R auf X gilt:

(1) Die reflexive Hulle ist die kleinsteR umfassende reflexive Relation auf X.

(2) Der irreflexive Kern ist die großte in R enthaltene irreflexive Relation.

(3) Die symmetrische Hulle ist die kleinste symmetrische Relation S ⊇ R.

(4) Der symmetrische Kern ist die großte symmetrische Relation S ⊆ R.

(5) Die transitive Hulle ist die kleinste R umfassende transitive Relation.

(6) Die reflexiv-transitive Hulle ist die kleinsteR umfassende Quasiordnung aufX.

(7) Die Relation Rs∧ ist die kleinste R umfassende Aquivalenzrelation auf X.

Somit sind r, s, t, rs, st, rt=∧ und rst= s∧ allesamt Hullenoperatoren auf RX,wahrend i, ∗ und i∗ Kernoperatoren auf RX sind.

Hullenoperatoren

id�

�@@

r s t�

�@@

rs rt@

@��

st

@@

��

rst

Hullensysteme

RX�

�@@

RrX SX TX�

�@@

SrX QX@

@��

TsX

@@

��

EX

Elemente

RX Relationen auf X

RrX reflexive Relationen auf X

SX symmetrische Relationen auf X

TX transitive Relationen auf X

SrX Toleranzrelationen auf X

QX Quasiordnungen auf X

TsX Aquivalenzrelationen auf Y ⊆ X

EX Aquivalenzrelationen auf X

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Beweis: (1) und (2) sind offensichtlich und leicht zu begrunden: Man nimmteinfach alle Schleifen hinzu bzw. weg.

(3) Wegen (Rs)d = (R∪Rd)d = Rd∪Rdd = Rd∪R = Rs ist Rs symmetrisch. Furbeliebige symmetrische Relationen S ⊇ R ergibt sich Rs = R∪Rd ⊆ S∪Sd = S.

(4) beweist man analog.

(5) R t = R≥1 ist transitiv wegen (R≥1)2 = R≥2 ⊆ R≥1.

Ist T eine beliebige transitive Relation mit R⊆T , so ergibt sich induktiv Rn⊆T ,da aus Rn ⊆ T auch Rn+1 = RnR ⊆ TT ⊆ T folgt. Daher ist die transitive HulleR t =

⋃{Rn : n ∈ N} ebenfalls in T enthalten.

(6) Aus (5) folgt: (R∧)2 = (R0 ∪ R t)2 = R0 ∪ R t ∪ (R t)2 ⊆ R0 ∪ R t = R∧. IstQ eine beliebige Quasiordnung mit R ⊆ Q, so schließen wir R∧= R0 ∪R t ⊆ Q.

(7) Wir zeigen zuerst: Ist S symmetrisch, so auch S t und folglich auch S∧:

(S t )d = (⋃{Sn |n ∈ N})d =

⋃{(Sn)d |n ∈ N} =

⋃{Sn |n ∈ N} = S t .

Nach (3) ist S = Rs symmetrisch, und nach (6) ist Q = S∧ eine Quasiordnung;nach dem zuvor Gezeigten ist Q auch symmetrisch. Fur jede AquivalenzrelationT folgt aus R ⊆ T sofort Rs ⊆ T s = T und daraus Rs∧ ⊆ T∧= T . �

Zur Vermeidung von Missverstandnissen sind einige Bemerkungen angebracht.

(I) Es ist Rst = (Rs)t, also tatsachlich st = t ◦ s, aber st 6= ts!

(II) Die Verknupfung von Hullenoperatoren liefert im allgemeinen keinenHullenoperator, wie man an den Operatoren s und t sieht: R ts ist zwar stetssymmetrisch, aber nicht notwendig transitiv!

t tt��� AAKR = R t Ordnung

t tt��� AAU��� AAKR ts symmetrisch

t tt��� AAU��� AAK-�Rst Aquivalenzrelation

(III) Wie aus Satz 2.19 hervorgeht, erzeugen die Hullenoperatoren r, s und teinen 8-achtelementigen Booleschen Verband, der zum Booleschen Verband derentsprechenden acht Hullensysteme dual isomorph ist. Jedoch enthalt das von r,s und t durch Verknupfung erzeugte Monoid außer diesen acht Hullenoperatorennoch zwei weitere Operatoren, die nicht idempotent sind, namlich ts und rts.Uberprufen Sie durch Testen aller moglichen Produkte, dass wirklich keine wei-teren Operatoren hinzukommen! (Beachten Sie dabei, dass r mit jedem derbeiden anderen beiden Operatoren vertauschbar ist!)

(IV) Eine Relation R ist genau dann eine Aquivalenzrelation, wenn gilt:RRd = R, d.h. ∃ z(xR z& yR z)⇔ xR y .

”Sind zwei Dinge einem dritten aquivalent, so sind sie untereinander aquivalent,und umgekehrt”.

Dass eine Relation R mit RRd = R eine Aquivalenzrelation auf X ist, folgtaber nur dann, wenn X = {x | xRx} gilt. (Trugschluss: Ist R symmetrisch undtransitiv, so auch reflexiv, da aus xR y auch xR yRx und dann xRx folgt??)

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Im Prinzip muss man zur Bestimmung der (reflexiv-)transitiven Hulle belie-big hohe Potenzen der Relation berechnen. Im Falle einer endlichen GrundmengeX = {x1, ..., xm} genugt es allerdings, bis zur (m−1)-ten Potenz zu gehen:

Satz 2.20 Die reflexiv-transitive Hulle einer Relation R auf X={x1, ..., xm} ist

R∧ = R0 ∪R ∪R2 ∪ ... ∪Rn = (idX ∪R)n fur alle n ≥ m−1.

Ihre Darstellungsmatrix ist daher gleich s((E +DR)n) fur jedes n ≥ m−1.

Beweis: Es reicht zu zeigen, dass zu (x, y) ∈ Rn mit n ≥ m ein k < n mit(x, y) ∈ Rk existiert (durch Iteration erreicht man dann schließlich k < m).Es gelte also x = x0Rx1...xn−1Rxn = y; wegen n ≥ m sind mindestens zweider n+1 Folgenglieder gleich, etwa xi = xj fur i < j. Aber dann gilt bereitsx=x0Rx1...xi=xjRxj+1...R xn = y, also (x, y) ∈ Rk fur k = n−(j−i) < n. �

In der Praxis wird man versuchen, mit moglichst wenigen Matrizenmultipli-kationen auszukommen. Am okonomischsten ist es, das kleinste k mit 2k ≥ m−1zu wahlen und dann k-mal zu quadrieren:

D0 = E +DR, Dj+1 = Dj2 ⇒ s(Dk) = s((E +DR)n) fur n = 2k ≥ m−1.

Man braucht demnach hochstens dlog2(m−1)eMultiplikationen, um die Darstel-lungsmatrix der transitiven Hulle zu berechnen. Manchmal reichen sogar nochweniger Multiplikationen; siehe Beispiel 2.16!

Die praktische Bedeutung der reflexiv-transitiven Hulle besteht unter ande-rem darin, dass man durch sie sofort die Existenz von Wegen feststellen kann:

xR∧y gilt genau dann, wenn ein R-Weg von x nach y existiert.

Mit anderen Worten: R∧ entsteht durch Erganzen aller Pfeile, die ”indirekte”Wege beschreiben. In gewissem Sinne umgekehrt verfahren wir, wenn wir allePfeile weglassen, zu denen es auch ”Umwege” gibt. Insbesondere entsteht so auseiner Ordnung R ihre Nachbarschaftsrelation R∨, die man beim Zeichnen vonDiagrammen benutzt. Allgemeiner kann man bei einer beliebigen Relation Rdas Weglassen aller Pfeile, die ”Umwege uberbrucken”, formal kurz beschreibendurch den Ubergang zu ihrer Nachbarschaftsrelation

R∨ = R 6= \R 6=≥2.

Eine Relation R ist genau dann transitiv, wenn folgende Inklusion erfullt ist:

R≥2 ⊆ R.

Sinnvollerweise wird man deshalb eine Relation R intransitiv nennen, falls gilt:

R≥2 ⊆ Rc.Diese Bedingung besagt R ∩ Rn = ∅ fur n ≥ 2, und fur n = 0 ist diese Glei-chung dann automatisch auch erfullt (wegen R∩R0 ⊆ R∩R2: aus xRx folgtxRxRx). Konkret bedeutet dies, dass R keine Schleifen hat, also irreflexiv ist,und dass niemals xRy gilt, wenn ein ”indirekter” R-Weg von x nach y fuhrt.

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Da eine intransitive Relation R irreflexiv und disjunkt zu R≥2 ist, erfullt siedie Gleichung R∨= R. Genauer gilt:

Satz 2.21 Fur jede Relation R ist die Nachbarschaftsrelation R∨ intransitiv.Die intransitiven Relationen sind also diejenigen, die mit ihrer Nachbarschafts-relation ubereinstimmen.

Beweis: Fur n ≥ 2 gilt definitionsgemaß (R∨)n ∩R∨ ⊆ R6=n ∩R∨ = ∅. �

Es liegt nun nahe, einen Digraphen (X,S) mit einer intransitiven Relation Sein (Ordnungs-)Diagramm zu nennen. Wahrend gezeichnete Diagramme geord-neter Mengen naturlich nicht eindeutig bestimmt sind, haben die mathematischdefinierten Diagramme mehrere eklatante Vorteile:

• sie sind eindeutig durch die jeweilige Relation bestimmt,

• man kann mit ihnen (oder ihren Darstellungsmatrizen) rechnen ,

• die entsprechende endliche Ordnung lasst sich aus ihnen rekonstruieren.

Und nun der exakte Zusammenhang zwischen endlichen Ordnungen und Dia-grammen:

Satz 2.22 (1) Jede endliche Ordnung R ist die reflexiv-transitive Hulle ihrerNachbarschaftsrelation: R = R∨∧.(2) Fur jede intransitive Relation S ist die reflexiv-transitive Hulle S∧ eine Ord-nung und S deren Nachbarschaftsrelation: S = S∧∨.

(3) Vermoge (1) und (2) entsprechen endliche geordnete Mengen und endlicheDiagramme einander bijektiv.

Wir verzichten hier auf einen Beweis, da wir in 2.31 eine starkere Aussage zeigen.

Beispiele 2.23 (1) Fur die Relation ≤ auf N oder Z ist die Nachbarschafts-relation gegeben durch x ≤∨y ⇔ x+1 = y. Offenbar ist < die transitive und≤ die reflexiv-transitive Hulle dieser Relation (trotz unendlicher Grundmenge).Fur die Ordnung ≤ auf Q oder R ist die Nachbarschaftsrelation hingegen leer !

(2) Auf jeder Teilmenge X des n-dimensionalen Raumes Rn ist die kompo-nentenweise Ordnung ≤ erklart durch

x = (x1, ..., xn) ≤ (y1, ..., yn) = y ⇔ ∀ i ∈ n (xi ≤ yi).Dies ist fur n ≥ 2 eine nicht lineare Ordnung. Im Falle X = Nn oder X = Znist die Nachbarschaftsrelation gegeben durch

x ≤∨ y ⇔ ∃ j ∈ n (xj + 1 = yj und ∀ i ∈ n \ {j} (xi = yi)).

In Qn und Rn gibt es hingegen wieder uberhaupt keine benachbarten Punkte.

(3) Bezuglich der Mengeninklusion ⊆ als Ordnung auf einer PotenzmengePM ist eine Teilmenge von M (also ein Element von PM) dann und nur dannoberer Nachbar einer anderen, wenn sie genau ein Element mehr hat. Auf PMstimmt ⊆ daher nur dann mit ⊆∨∧ uberein, wenn M endlich ist.

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Tabelle: Relationen und DarstellungsmatrizenWir listen alle Operationen auf, die wir auf Relationen angewandt haben, undgeben die jeweils entsprechende Operation auf den Darstellungsmatrizen an.

Relationen R ⊆ X×Y Matrizen DR = A = (aij)S ⊆ Y ×Z DS = B = (bij)

Operation Beschreibung Operation Beschreibung

Dualisierung Rd = {(x, y) |(y, x) ∈ R} Transposition AT = (aji)

Komplement Rc = {(x, y) |(x, y) 6∈ R} Negation Ac = (1− aij)

reflexive Hulle R= = R ∪R0 Diagonal-Addition s(A + E)

irreflexiver Kern R 6= = R \R0 Diagonal-Subtraktion s(A− E)

Durchschnitt R ∩ S elementweises Produkt A uB = (aijbij)

Vereinigung R ∪ S reduzierte Summe A tB = (s(aij +bij))

Differenz R \ S reduzierte Differenz A¬B = (s(aij−bij))

symmetr. Hulle Rs = R ∪Rd obere Symmetrisierung A tAT

symmetr. Kern R∗ = R ∩Rd untere Symmetrisierung A uAT

Produkt RS = {(x, z) |∃y (xRySz)} reduziertes Produkt A�B = s(AB)

Potenz Rk = R...R (k-mal) reduzierte Potenz A©k = s(Ak)

nullte Potenz R0 = idX Einheitsmatrix E = (1−s(|i−j|))Hyperpotenz R≥k =

⋃{R` : ` ≥ k} Geometr. Reihe ab k s(

∑`≥k A`)

transitive Hulle Rt = R≥1 Geometr. Reihe ab 1 s(∑

`≥1 A`)

refl.-trans. Hulle R∧ = R≥0 Geometr. Reihe ab 0 s(∑

`≥0 A`)

Nachbar-Relation R∨ = R 6= \R6=≥2 negierte geometr. Reihe A¬

∑k 6=1 s(A− E)k

Beispiel 2.24 Eine Relation auf 3, Modifikationen und Darstellungsmatrizen

1 2

3

t dd��� AAU-�R

t dd��� AAK-�Rd

d tt��� AAKRc

t tt��� AAU-�R=

d dd��� AAU-�R 6=

t td��� AAK���-�R2

t tt��� AAU��� AAK-�R3 = R∧

d ddR∨ = ∅

1 1 11 0 00 1 0

1 1 01 0 11 0 0

0 0 00 1 11 0 1

1 1 11 1 00 1 1

0 1 11 0 00 1 0

1 1 11 1 11 0 0

1 1 11 1 11 1 1

0 0 00 0 00 0 0

Abschließend bemerken wir, dass der Nachbarschaftsoperator ∨ zwar kon-traktiv und idempotent, aber leider nicht immer monoton ist:

Beispiel 2.25 Fur die folgenden beiden Relationen giltR⊆S, aber nichtR∨⊆S∨:

d dd-R ⊆

d dd��� AAU-S

d dd-R∨=R 6⊆

d dd��� AAUS∨

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2.4 Wege und Zusammenhang

Eine Folge (x0, x1, ..., x`) von Knoten in einem Digraphen (X,R) hatten wireinen R-Weg der Lange ` genannt, falls xj−1Rxj fur alle j ∈ ` gilt. Die Anzahlsolcher Wege bestimmt man leicht mit Hilfe der Darstellungsmatrix:

Satz 2.26 Fur jede Darstellungsmatrix DR einer Relation R auf einer MengeX = {x1, ..., xn} gibt der Koeffizient d (`)

ij in der i-ten Zeile und j-ten Spalte der`-ten Potenz DR` die Anzahl der R-Wege der Lange ` von xi nach xj an.

Beweis. In der Einheitsmatrix DR0 = E = (δij) gibt δij die Anzahl der R-Wege

der Lange 0 von xi nach xj an, namlich δij = 1 fur i= j und δij = 0 fur i 6= j.Nehmen wir nun an, wir hatten fur alle i und j schon gezeigt, daß d

(`)ij die

Anzahl der R-Wege der Lange ` von xi nach xj angibt. Ist xi0Rxi1R ....R xi`ein beliebiger Weg der Lange ` mit Start xi = xi0 und Ziel xi` = xj , so kanndieser genau dann zu einem Weg xi0Rxi1R ....R xjRxk der Lange `+ 1 von xinach xk verlangert werden, wenn djk = 1 gilt. Die Summe

d(`+1)ik =

∑nj=1 d

(`)ij djk

ist also die Anzahl der R-Wege der Lange `+ 1 von xi nach xk, und der Induk-tionsschluss von ` auf `+ 1 ist vollzogen. �

Analog zeigt man, daß die Anzahl der Wege xi=xi0R1xi1R2 ...R` xi` =xj derLange ` von xi nach xj durch den Koeffizienten in der i-ten Zeile und j-tenSpalte der Produktmatrix DR1 ...DR`

gegeben ist.

Bei Wegen (x0, ..., xn) in Digraphen unterscheidet man zwischen offenen We-gen, deren Anfangs- und Endpunkte verschieden sind (x0 6= xn), und geschlos-senen Wegen, die wieder zum Anfangspunkt zuruckfuhren (x0 = xn).

d -d��� d���dAAU d���d - doffen (Pfad) dx0 xn−1 xn d -d��� d���

dAAU d���d�

geschlossen (Zykel)dx0 xn−1

Einen geschlossenen Weg (x0, x1, ..., xn), dessen Knoten x1, ..., xn paarweiseverschieden sind, nennt man (in Verallgemeinerung der Permutationszykel)einen Zykel der Lange n ; er hat n Knoten und n Pfeile. In einem Zykel darf alsokein Knoten ”mehrfach durchlaufen werden”, wahrend dies bei geschlossenenWegen durchaus erlaubt ist.

d x10

�dx9���d x8

���

dx7

AAK dx6

���d- geschlossener Weg,

aber kein Zykeldx11d

x0 = x12

-dx1

���dx2 ���dx3

AAU dx4

���dx5

� dEin Digraph (X,R) oder seine Relation R heißt azyklisch, falls er keine echten

Zykel, d.h. Zykel positiver Lange hat. Algebraisch bedeutet das R 6=≥1 ∩R0 = ∅,

denn ein geschlossener Weg minimaler positiver Lange ist stets ein Zykel.

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d -d��� d���dAAU d���d-. . .. . .‖intransitiv d -d��� d���

dAAU d���d� . . .. . .‖ azyklisch

In Programmablaufen und Algorithmen sind Zykel (Endlosschleifen) un-erwunscht, in Beweisen sind sie manchmal nutzlich (beim Nachweis derAquivalenz von mehreren Aussagen), manchmal wertlos (Zirkelschlusse). Eineeinfache Rechnung zeigt:

Satz 2.27 Eine Relation ist genau dann azyklisch, wenn ihre transitive Hulleantisymmetrisch, ihre reflexiv-transitive Hulle also eine Ordnung ist.

Jede Ordnung, erst recht jede strikte Ordnung ist also azyklisch. Naturlichsind Ordnungen nie intransitiv, und strikte Ordnungen sind es nur, falls alleWege hochstens die Lange 1 haben.

Um Satz 2.22 auch auf gewisse unendliche Ordnungen erweitern zu konnen,nennen wir einen Digraphen (X,R) oder seine Relation R maximal verkettet,falls zu jedem (x, y) ∈ R ein maximaler R6=-Weg von x nach y existiert, d.h. einer,der nicht Teilfolge eines anderen R 6=-Weges von x nach y ist. Die maximalen R 6=-Wege sind offenbar genau die R∨-Wege.

dx0

-6

dx1

dx3

?

- dx2

- dx4

(x0, x1, x2, x3, x4) maximaler Weg

(x0, x3, x4) kein maximaler Weg

Eine Relation R ist daher genau dann maximal verkettet, wenn sie in derreflexiv-transitiven Hulle ihrer Nachbarschaftsrelation enthalten ist, in Zeichen:

R ⊆ R∨∧.Jede endliche Ordnung ist sicher maximal verkettet (da sich jeder Weg nurendlich oft verfeinern lasst), aber nicht umgekehrt.

t

t

d�� d�� d��d�� d�� d��d�� d�� d��d�� d�� d��d�� d�� d��d�� d�� d��d�� d�� d��d�� d�� d��d�� d�� d��

��

��

Ein Weg durch benachbarte Punkte im Gitter N3

Wie wir in den Beispielen 2.23 (1) und (2) sahen, sind Nn und Zn durch dieProduktordnung maximal verkettet, Qn und Rn dagegen nicht.

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In der angewandten Mathematik meint man mit ”Diskretisierung” grob ge-sprochen die Zuruckfuhrung auf endliche Strukturen, Prozesse oder Algorith-men. Deshalb kann man maximal verkettete Ordnungen auch diskret nennen,denn man gelangt von einem Element zu einem großeren stets uber einen end-lichen Weg, dessen einzelne Schritte benachbarte Elemente verbinden. Das be-deutet allerdings nicht, dass alle Ketten zwischen zwei Punkten endlich sind!

Beispiel 2.28 Auf der Teilmenge { an ,bn ) : n ∈ N, a, b ∈ {−1, 1}} der Ebene

R2 ist die komponentenweise Ordnung maximal verkettet, da je zwei Elementex ≤ y durch einen maximalen endlichen Weg verbunden sind. Trotzdem ist{(− 1

n ,−1n ) : n ∈ N}∪{( 1

n ,1n ) : n ∈ N} eine maximale unendliche Kette zwischen

(−1,−1) und (1, 1).

dddddd

ppppppd d d d d dp p p p p p@@

@@@

�����

@@@

���@@ ��

�����

@@

@@@

���

@@@

�� @@ (1,−1)(−1, 1)

(1, 1)

(−1,−1)

Im Gegensatz zu den endlichen geordneten Mengen gibt es viele endlicheDigraphen, die nicht maximal verkettet sind, namlich solche mit echten Zykeln.

Satz 2.29 Jede intransitive Relation ist maximal verkettet. Jede maximal ver-kettete Relation ist azyklisch, und umgekehrt ist jede endliche azyklische Relationauch maximal verkettet.

Beweis: Bei intransitiven Relationen R ist jeder R6=-Weg schon maximal.Ist (x0, x1, ... , xk=x0) ein echter Zykel, so ist kein R 6=-Weg von x0 nach x1

maximal, denn durch Einschieben des Zykels entsteht ein langerer R 6=-Weg. Beimaximal verketteten Relationen sind also echte Zykel ausgeschlossen.

Sei nun R eine endliche azyklische Relation. Zu (x, y) ∈ R gibt es dann einemaximale endliche Menge {x0, ..., xn} mit x = x0R 6= ... R6=xn = y. Dieser Weg(x0, x1, ..., xn) ist bereits maximal, denn ware (x0, x1, ..., xk, y1, ..., xk+1, ..., xn)ein langerer Weg, so mußte y1 mit einem der xi ubereinstimmen, und man hatteeinen echten Zykel, namlich

(xj , ..., xk, y1 =xj) fur j < k bzw. (xj , y2, ..., xk+1, ..., xj=y1) fur k < j. �

Aufgrund der bisherigen Uberlegungen bestehen folgende Implikationen:

endliche Ordnung ⇒ diskrete Ordnung ⇒ Ordnung ⇒ transitiv⇓ ⇓

intransitiv ⇒ maximal verkettet ⇒ azyklisch ⇒ antisymmetrisch

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Keine dieser Implikationen lasst sich allgemein umkehren, wie man an einfachenBeispielen erkennt. Jedoch konnen wir zeigen:

Satz 2.30 Fur eine beliebige Relation R gilt:

(1) R∧= R∨∧ ⇔ R ist maximal verkettet ⇒ R ist azyklisch ⇒ R∨= R∧∨.

(2) R = R∧∨ ⇔ R ist intransitiv.

(3) R = R∨∧ ⇔ R ist eine diskrete Ordnung.

Beweis: (1) Nach 2.19 (6) ist R genau dann maximal verkettet, d.h. R⊆R∨∧,wenn R∧⊆R∨∧gilt. Aus der allgemein gultigen Inklusion R∨⊆R folgt R∨∧⊆R∧.Nach Satz 2.29 ist eine maximal verkettete Relation R azyklisch, d.h.

R 6=≥1 ∩R0 = ∅ und R∧ 6= = R 6=

≥1 (da R∧6= ⊆ (R6=∪R0)≥1 \R0 ⊆ R6=≥1).

Hieraus ergibt sich nun R∧∨= R 6=≥1 \ (R6=

≥1)≥2 = R6= \R6=≥2 = R∨.

(2) Nach (1), 2.21 und 2.29 gilt: R = R∧∨⇔ R = R∨ ⇔ R ist intransitiv.(3) Fur eine diskrete (maximal verkettete) Ordnung gilt nach (1): R=R∧=R∨∧.Wird umgekehrt die Gleichung R = R∨∧ vorausgesetzt, so ist R sowohl eineQuasiordnung (da R∨∧nach 2.19 (6) eine ist) als auch maximal verkettet, insbe-sondere azyklisch (siehe 2.29) und damit antisymmetrisch, also eine Ordnung.

�Zusammenfassend gelangen wir zu folgendem Hauptergebnis, welches in Ver-

allgemeinerung von Satz 2.22 den umkehrbaren Wechsel zwischen diskreten Ord-nungen und intransitiven Relationen erlaubt:

Satz 2.31 (1) Die Nachbarschaftsrelation R∨ einer diskreten Ordnung R istintransitiv, und R ist ihre transitive Hulle: R = R∨∧.

(2) Die reflexiv-transitive Hulle S∧ einer intransitiven Relation S ist eine dis-krete Ordnung, und S ist deren Nachbarschaftsrelation: S = S∧∨.

(3) Die Zuordnungen R 7→ R∨ und S 7→ S∧ liefern zueinander inverse Bijektio-nen zwischen diskreten Ordnungen und intransitiven Relationen.

Beispiel 2.32 Diagramme aller Ordnungen auf vier Elementen

Diagramm c c c c c c cc c c cc�A c c ccA� c ccc cc cc cc@@ cc cc@@�� ccAutomorphismen 24 2 2 2 1 2 1 4

isomorphe Kopien 1 12 12 12 24 12 24 6

Diagrammc c ccAA �� c c cc�� AA ccc c� c ccc� c ccc�Q cc ccQ� cQ�c cc�Q

ccccAutomorphismen 6 6 1 1 2 2 2 1

isomorphe Kopien 4 4 24 24 12 12 12 24

Damit haben wir 16 Isomorphietypen und insgesamt 219 Ordnungen. Mit Satz2.13 ergeben sich daraus 1 · 1 + 7 · 3 + 6 · 19 + 219 = 355 Quasiordnungen auf 4.

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Neben den ”gerichteten“ Wegen (x0, ..., xn) mit x0Rx1... R xn, bei denenalle Pfeile die gleiche Richtung haben, betrachtet man in der Graphentheoriehaufig auch ”ungerichtete” Wege, bei denen es nicht auf die Richtungen dereinzelnen Pfeile ankommt. Formal sind das genau die Rs-Wege, wobei Rs =R ∪ Rd die symmetrische Hulle von R ist (siehe 2.19(3)). Im Falle xRsy sagtman, x und y seien (bezuglich R) vergleichbar. Man nennt Rs deshalb auchVergleichbarkeitsrelation. Sie ”vergisst die Richtung der Pfeile” und gibt nur an,ob zwei Elemente zueinander in Relation stehen (egal in welcher Richtung).

Wie wir in Satz 2.19 (7) gezeigt haben, ist die reflexiv-transitive Hulle vonRs die kleinste Aquivalenzrelation, die R umfasst. dabei bedeutet xRs∧y, dassx und y durch einen ungerichteten Weg verbunden sind. Die Aquivalenzklassender Relation Rs∧ nennt man Zusammenhangskomponenten, Wegkomponentenoder einfach Komponenten des Digraphen (X,R). Zwei Elemente liegen alsogenau dann in der gleichen Komponente, wenn sie durch einen ungerichtetenWeg verbunden sind. Gibt es nur eine einzige Komponente, nennt man denDigraphen oder seine Relation zusammenhangend. Dies bedeutet offenbar, daßRs∧ die Allrelation X×X ist.

Eine geordnete Menge mit einem großten oder einem kleinsten Element iststets zusammenhangend. Unter den Aquivalenzrelationen ist naturlich nur dieAllrelation zusammenhangend.

Beispiele 2.33 Quasiordnungen auf einer 3-elementigen Menge

Diagramme Ordnungstyp Anzahl Komp.

ccc lineare Ordnungen (zusammenhangend) 6 1

c�� BB cc oder c��BB cc nicht lineare zusammenhangende Ordnungen 6 1

c cc nicht lineare unzusammenhangende Ordnungen 6 2

ccc cccoder totale, nicht antisymmetrische Quasiordnungen 6 1

ccc nichttriviale Aquivalenzrelationen (unzusammenh.) 3 2

c c c Gleichheitsrelation (unzusammenhangend) 1 3

ccc Allrelation (zusammenhangend) 1 1

Von den insgesamt 29 Quasiordnungen sind also sowohl 19 Ordnungen als auch19 zusammenhangend. Aber das ist ein Zufall! Auf 4 Elementen gibt es schon

355 Quasiordnungen,

233 zusammenhangende Quasiordnungen (siehe Beispiel 2.38) und

219 Ordnungen (siehe Beispiel 2.32).

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Man nennt eine Teilmenge Y eines Digraphen zusammenhangend, wenn je zweiihrer Elemente durch einen ganz in Y verlaufenden ungerichteten Weg verbun-den sind.

Beispiel 2.34 In dem nachfolgend dargestellten Digraphen ist die TeilmengeY total unzusammenhangend, d.h. keine zwei ihrer Punkte sind innerhalb vonY durch einen Weg verbunden, obwohl es zwischen je zwei ihrer Elemente sogareinen gerichteten Weg in dem gesamten Digraphen gibt.

d AAUd

���� d��� dAAU d

AAU� dY

Satz 2.35 Die Komponenten eines Digraphen sind die maximalen zusammen-hangenden Teilmengen. Diese bilden eine Partition des Digraphen.

Beweis: Sei K eine Komponente des Digraphen (X,R), d.h. eine Aquivalenz-klasse xS bezuglich der Relation S = Rs∧. Dann sind je zwei Elemente dieserKlasse aquivalent, d.h. durch einen Rs-Weg verbunden. Da Elemente außerhalbder Komponente nicht mit x verbunden sind, mussen diese Wege ganz in Kverlaufen, und K ist maximal zusammenhangend.

Sei umgekehrtK eine maximale zusammenhangende Teilmenge. Da einpunk-tige Mengen sicher zusammenhangend sind, konnen wir ein x ausK wahlen. Nunist jedes Element aus K mit x durch einen Rs-Weg verbunden, also jedenfalls inder Komponente xS enthalten. Da diese ebenfalls zusammenhangend ist, folgtaus der Maximalitat von K bereits K = xS. �

Wir wollen noch kurz andeuten, wann und wie man zusammenhangendeTeilstucke ”zusammenkleben” kann. Dazu definieren wir fur jeden Digraphen(X,R) die Zusammenhangsrelation ./R auf dem System PX \ {∅} aller nicht-leeren Teilmengen durch

Y ./RZ ⇔ es gibt y ∈ Y und z ∈ Z mit y = z oder yR z oder zR y.

Dann kann man folgendes allgemeine Resultat beweisen (was wir hier nicht tun):

Satz 2.36 (X,R) sei ein beliebiger Digraph, und X sei die Vereinigung einesSystems Z zusammenhangender nichtleerer Teilmengen. (X,R) ist genau dannzusammenhangend, wenn Z bezuglich der Relation ./R zusammenhangend ist.

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Welche kombinatorischen Schlusse lassen sich aus der Zerlegung in Kompo-nenten ziehen? Anders gefragt: Wie verhalt sich die Anzahl AE(n) aller Rela-tionen auf n-Mengen mit einer gewissen Eigenschaft E zur Anzahl AZE(n) allerzusammenhangenden Relationen mit dieser Eigenschaft? Eine prazise Antwortist nur unter der Voraussetzung moglich, dass E genau dann auf eine Relation Rbzw. den Digraphen (X,R) zutrifft, wenn alle Komponenten diese Eigenschafthaben. Beispiele solcher Eigenschaften sind (wie man leicht nachpruft):

reflexiv irreflexivsymmetrisch antisymmetrsichtransitiv intransitivQuasiordnung azyklischAquivalenzrelation Ordnung

Dagegen ubertragt sich die Totalitat nicht von den Komponenten auf die gesam-te Relation – denn Relationen mit mehr als einer Komponente sind nie total.

Satz 2.37 Sei E eine Eigenschaft von Relationen oder Digraphen, die genaudann erfullt ist, wenn alle Komponenten die Eigenschaft E haben. Dann ist dieAnzahl aller Digraphen bzw. Relationen mit dieser Eigenschaft

AE(n) =n∑

m=1

(n−1m−1

)AZE(m)AE(n−m) = n!

∑ n∏k=1

1mk!

(AZE(k)k!

)mk

,

wobei uber alle n-Tupel (m1, ...,mn) ∈ Nn0 mit

∑nk=1 k ·mk = n summiert wird.

Beweis. Die erste Formel sieht man durch Selektion der Komponente eines fe-sten Elements (z.B. n) und Kombination mit beliebigen Relationen auf derRestmenge, welche die Eigenschaft E haben. Die Anzahl der Partitionen vomTyp (m1, ...,mn) ist

n!∑ n∏

k=1

1mk!

(1k!

)mk

.

Auf jedem Block der Partition mit k Elementen gibt es AZE (k) Relationen mit

der Eigenschaft E, und aufgrund der Voraussetzung uber E lassen sich dieseRelationen beliebig zu einer Relation auf n mit der Eigenschaft E kombinieren,und jede Relation mit der Eigenschaft E entsteht so auf genau eine Weise. Da esbei festem Typ (m1, ...,mn)

∏nk=1A

ZE(k)mk solche Kombinationen gibt, ergibt

sich die Gesamtzahl AE(n) gemaß der behaupteten Summation. �

Beispiel 2.38 Mit Hilfe dieses Satzes kann man die Anzahl QZ(n) derzusammenhangenden Quasiordnungen auf maximal vier Elementen aus den bis-her errechneten Zahlen gewinnen:

QZ(1) = Q(1) = 1, QZ(2) = Q(2)−(11

)QZ(1)Q(1) = 4− 1 · 1 · 1 = 3,

QZ(3) = Q(3)−(20

)QZ(1)Q(2)−

(21

)QZ(2)Q(1) = 29− 1 · 1 · 4− 2 · 3 · 1 = 19,

QZ(4) = Q(4)−(30

)QZ(1)Q(3)−

(31

)QZ(2)Q(2)−

(32

)QZ(3)Q(1)

= 355− 1 · 1 · 29− 3 · 3 · 4− 3 · 19 · 1 = 233.

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