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Algebraische Strukturen Thomas Markwig Fachbereich Mathematik Technische Universit¨ at Kaiserslautern Vorlesungsskript Oktober 2008
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Algebraische Strukturen - Fachbereichkeilen/download/Lehre/AGSWS08/skript.pdf · 1 Einleitung Die Studienpl¨ane der verschiedenen Studieng ¨ange mit Hauptfach Mathematik an unserer

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Algebraische Strukturen

Thomas Markwig

Fachbereich Mathematik

Technische Universitat Kaiserslautern

Vorlesungsskript

Oktober 2008

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung 1

1. Gruppen und Homomorphismen 9

2. Aquivalenzrelationen 35

3. Die symmetrische Gruppe 43

4. Normalteiler und Faktorgruppen 56

5. Prufzifferkodierung 77

6. Ringe und Korper 85

7. Teilbarkeit in Ringen 105

Anhang A. Grundlegende Begriffe aus der Logik 139

Anhang B. Abbildungen und Mengen 142

Anhang C. Komplexe Zahlen 152

Index 157

Literatur 161

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1

Einleitung

Die Studienplane der verschiedenen Studiengange mit Hauptfach Mathematik an

unserer Universitat bedingen, daß die Horerschaft der Vorlesung Algebraische Struk-

turen recht inhomogen ist. Fur einige ist dies neben der Vorlesung Grundlagen der

Mathematik I die erste Mathematikvorlesung, die sie besuchen, andere haben be-

reits ein oder zwei Semester lang Mathematik studiert. Dementsprechend sind die

Voraussetzungen der einzelnen Teilnehmer sehr unterschiedlich – sowohl inhaltlicher

Art, als auch was die Vertrautheit mit der mathematischen Sprache betrifft. Ich ver-

zichte darauf, die Vorlesung mit einem Uberblick uber grundlegende Elemente der

mathematischen Sprache und der Logik zu beginnen. Stattdessen werden sie in der

Vorlesung einfach dann, wenn sie erstmals verwendet werden, kurz erlautert. Fur

eine ausfuhrlichere Besprechung verweise ich die Horer der Vorlesung auf die Vor-

lesung Grundlagen der Mathematik I und die Leser des Skriptes auf den Anhang.

Insbesondere setze ich voraus, daß die Horer und Leser mit dem Begriff der Men-

ge und einfachen Mengenoperationen wie etwa Schnitt oder Vereinigung vertraut

sind, und daß auch der Begriff einer Abbildung zwischen zwei Mengen sowie ein-

fache Eigenschaften derselben wie etwa Invertierbarkeit bekannt sind. Die Begriffe

konnen aber auch im Anhang nachgeschlagen werden. Zudem gehe ich davon aus,

daß die Mengen der naturlichen Zahlen N, der ganzen Zahlen Z, der rationalen

Zahlen Q und der reellen Zahlen R sowie die grundlegenden Rechenoperationen fur

diese Zahlbereiche bekannt sind.

Ich mochte auch nicht versaumen, darauf hinzuweisen, daß die Vorlesung selbst

sich im Stil vom vorliegenden Vorlesungsskript fundamental unterscheidet. Sie wird

in ihrer Darstellung wesentlich knapper, weniger textlastig und dafur graphischer

gestaltet sein. Zudem werden etliche Aussagen und Bemerkungen des Skriptes in

der Vorlesung nur in mundlicher Form auftauchen oder evt. auch ganz wegfallen. In

gewisser Weise erganzen sich die Vorlesung und das Skript auf diese Weise.

Wie der Name der Vorlesung nahe legt, werden grundlegende Strukturen der Alge-

bra eingefuhrt und untersucht – Gruppen, Ringe und Korper sowie Abbildungen, die

die jeweilige Struktur respektieren. Wir werden viel Zeit damit verbringen wichtige

Beispiele fur die jeweiligen Strukturen kennenzulernen und dabei hoffentlich auch

deren Nutzen erkennen. Um letzterem Vorschub zu leisten, mochte ich die Einlei-

tung mit der Beschreibung einiger Probleme abschließen, zu deren Losung die im

Verlauf der Vorlesung eingefuhrten Strukturen und der erzielten Ergebnisse einen

wesentlichen Beitrag leisten. 1 Dabei werden einige Begriffe auftauchen, die erst in

1Die Strichcodes werden in Kapitel 5 naher betrachtet. Der chinesische Restsatz ist Bestand-

teil von Kapitel 7. Seine Anwendung im RSA-Verfahren wird allerdings erst in der Vorlesung

Elementare Zahlentheorie betrachtet werden konnen. Wer nicht so lange warten mochte, dem sei

das Buch [Beu94] empfohlen. Die zyklischen Codes sprengen den Rahmen der Vorlesung ganzlich,

auch wenn die dafur erforderliche Struktur des Polynomrings K[t] und seiner Ideale ausfuhrlich

behandelt werden. Fur die zyklischen Codes verweise ich auf [Sch91].

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den spateren Kapiteln mit Leben gefullt werden – dem Leser sei empfohlen, zunachst

einfach so zu tun, als hatten sie eine Bedeutung, und den entsprechenden Abschnitt

spater noch mal zu lesen!

Strichcodes, ISBN-Nummern, Banknoten

Bezahlt man heutzutage in einem Geschaft seine Ware, so wird der Preis in aller

Regel nicht per Hand eingegeben. Vielmehr wird der Strichcode, der sich an jedem

Artikel befindet, eingescannt, und selbst wenn das aufgrund technischer Probleme

nicht funktioniert, gibt der Kassierer nicht den Preis, sondern die zum Strichcode

gehorende Ziffernfolge ein – ublicherweise aus 13 Ziffern bestehend. Der Preis wird

5 901234 123457

Abbildung 1. Ein EAN-13 Strichcode

dann aus einer vorhandenen Datenbank ermittelt, und in selbiger Datenbank wird

vermerkt, daß das Geschaft nun einen Artikel dieses Codes weniger im Angebot

hat. Wie gesagt, manchmal funktioniert das Einscannen nicht und eine solch lange

Ziffernfolge abzutippen ist reichlich fehleranfallig. Im Falle eines Fehlers piepst die

Kasse und der Kassierer gibt die Ziffernfolge noch mal ein. Wie kommt es, daß ein

Fehler beim Eingeben immer auffallt?

Zunachst einmal bedeutet es nur, daß der falsche Code nicht in der Datenbank vor-

handen ist. Das scheint auf den ersten Blick nicht zu verwundern, hat der Code

doch 13 Ziffern und das Geschaft sicher nicht einmal 10000 verschiedene Artikel im

Angebot. Wurde man also jedem Artikel einen zufalligen Code aus 13 Ziffern geben,

so konnte man ziemlich sicher sein, daß einzelne Fehler beim Abtippen auffallen

wurden. Nun werden diese Strichcodes aber nicht von den Geschaften vergeben, die

die Ware verkaufen, sondern vom Hersteller – oder genauer gesagt, der Hersteller

laßt sie bei einer zentralen Agentur eintragen. Letzteres ist sinnvoll, denn es sol-

len schließlich nicht zwei Hersteller den gleichen Code verwenden. Was das fur ein

Geschaft bedeuten wurde, das Waren von beiden bezieht, liegt auf der Hand.

Der in Europa gangigste Typ des Strichcodes ist der EAN-13, was soviel wie Eu-

ropean Article Number der Lange 13 bedeutet. Vergeben werden sie von mehreren

Organisationen, und die ersten zwei bis drei Ziffern des Codes identifizieren (im

wesentlichen) das Land in dem der Code ausgegeben wurde. Einige der folgenden

Ziffern identifizieren den Hersteller, der wiederum weitere Ziffern zur Identifikation

seines Produktes zur Verfugung hat.2 Daraus ergibt sich aber, daß fur verschiedene

2Das Bild des Strichcodes in Figur 1 stammt von der Web-Seite:

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Produkte eines Herstellers ein großer Teil des Strichcodes identisch ist. Außerdem

wird der Hersteller auch bei dem Teil, den er selbst bestimmen kann, kaum willkurli-

che Ziffern vergeben, sondern den Code weiter zur systematischen Produktklassifi-

zierung nutzen wollen. Die Idee des zufallig gewahlten Codes ist also hinfallig, und

es kann durchaus sein, daß sich der Code fur eine 100g-Tafel Schokolade sehr wenig

von dem fur eine 400g-Tafel unterscheidet – im Gegensatz zum Preis.

Wir brauchen also eine neue Idee, wie man Fehler bei der Eingabe mit hoher Wahr-

scheinlichkeit bemerken kann, und die Idee heißt Redundanz ! Man hangt an den Teil

des Codes, den man zur Identifikation des Produktes braucht, zusatzliche (redun-

dante) Ziffern an, deren einziger Sinn es ist, den Code fehlerresistenter zu machen.

Dabei sollten moglichst wenig zusatzliche Ziffern eine moglichst hohe Sicherheit bie-

ten. Weshalb und wie man das mit nur einer Ziffer, der sogenannten Prufziffer,

erreicht, hat mit Gruppen zu tun – bei EAN-13 ganz konkret die Gruppe Z10, die

wir im Kapitel 4 kennen lernen.

Ein analoges Verfahren wird bei nahezu allen Ziffern- und Buchstabencodes ange-

wendet, die zur Identifizierung von Produkten und Personen verwendet werden: z.B.

Kreditkarten, Personalausweise, ISBN-Nummern, Seriennummern von Banknoten,

etc.. Aber nicht alle verwenden die gleiche Gruppe, z.B. haben ISBN-Nummern bis

2007 die Gruppe Z11 verwendet und die alten DM-Scheine die Diedergruppe D10. Es

gibt gute Grunde, verschiedene Gruppen und Verfahren zu verwenden, denn nicht

alle bieten die gleiche Sicherheit!

Zyklische Codes

Die oben angesprochene Prufzifferkodierung ist ein Spezialfall des allgemeineren

Problems, daß man Information uber einen storanfalligen Kanal schicken mochte.

SenderKanal

Storung// Empfanger

Bei der Prufzifferkodierung war der Kanal im wesentlichen die Person, die die Ziffern

eingibt bzw. der Scanner. Ziel war es, Fehler zu erkennen.

Ein Beispiel fur das allgemeinere Problem ist das Abspielen und Horen von CDs. Man

kann die CD als Sender, den Nutzer als Empfanger und den CD-Spieler als Kanal

auffassen. Im Gegensatz zur Prufzifferkodierung wird es uns beim Horen einer CD

nicht wirklich reichen, daß ein Fehler erkannt wird. Wir wollen zweifelsohne auch,

daß er korrigiert wird. Eine Moglichkeit dazu ist, den Laserstrahl die Stelle, an der

ein Fehler aufgetreten ist, noch mal lesen zu lassen. Aber wenn ein Fehler z.B. durch

einen Kratzer auf der CD entstanden ist, wird das nicht viel helfen. Besser ware es,

wenn kleinere Fehler nicht nur erkannt, sondern auch korrigiert werden konnten.

http://de.wikipedia.org/wiki/European Article Number

Dort findet man auch weitere Informationen zur Struktur des EAN-13 Strichcodes.

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Wir werden in der Vorlesung die Theorie der fehlerkorrigierenden Codes nicht wirk-

lich behandeln konnen. Aber die Grundidee laßt sich einfach erlautern. Die Infor-

mation auf einer CD ist im wesentlichen dadurch gespeichert, daß in einem gewissen

Bereich die unteren Schichten des reflektierenden Materials Locher haben, in ande-

ren nicht – zwei Zustande also, sagen wir 0 und 1. Gehen wir vereinfachend davon

aus, daß die Lange eines Bereichs mit Loch bzw. ohne Loch, der Anzahl an Nullen

oder Einsen entspricht, so besteht die Information aus einer Ziffernfolge von Nullen

und Einsen. Zur sinnvollen Weiterverarbeitung wird die Information in Pakete fe-

ster Lange gebundelt, sagen wir etwa Zifferntupel der Lange n. Damit besteht die

Information, die uber den Kanal geht, also aus Einheiten

(c0, . . . , cn−1) ∈(Z2)

n,

d.h. aus Elementen eines Vektorraums uber dem Korper Z2. Was ein Vektorraum

ist, wird in den Grundlagen der Mathematik erlautert, der Korper Z2 wird in dieser

Vorlesung eingefuhrt.

Wie bei der Prufzifferkodierung werden nicht alle Ziffern des Tupels fur die Kodie-

rung der gesendeten Information benotigt, einige sind nur zur Sicherung der Infor-

mation da. Anders ausgedruckt, nicht jedes Tupel (c0, . . . , cn−1) wird eine zulassige

Information sein, und es wird darauf ankommen, daß die Menge C der zulassigen

Codeworter eine zusatzliche algebraische Struktur aufweist, damit es gute Methoden

gibt, Fehler zu erkennen und ggf. zu beheben. Genauer gesagt, C sollte zumindest

ein Untervektorraum sein, um Methoden der linearen Algebra anwenden zu konnen.

Z.B.: C = {(0, 0, 0), (1, 1, 0), (0, 1, 1), (1, 0, 1)} ≤ Z32.

Aber besser ist es noch, einen Vektor (c0, . . . , cn−1) mit dem Polynom

c0 + c1 · t+ c2 · t2 + . . .+ cn−1 · tn−1

und den Vektorraum Zn2 mit einem Faktorring des Polynomrings Z2[t] zu identifizie-

ren, vor allem wenn dann C ein Ideal in diesem Faktorring ist. Dann reicht namlich

im wesentlichen 1 Element, um alle Codeworter zu beschreiben, wie wir im Kapitel

uber den Polynomring sehen werden.

Das RSA-Verfahren und der Chinesische Restsatz

Bei den bisher angesprochenen Kodierungen ging es stets darum, Verfalschungen

der Informationen zu erkennen und ggf. zu korrigieren, damit sie korrekt beim

Empfanger ankommen. Diesen Zweig der Mathematik nennt man Kodierungstheorie

und grenzt ihn von der Kryptographie ab. Auch letztere beschaftigt sich mit dem

Schutz von Informationen die ein Sender uber einen storanfalligen Kanal zu einem

Empfanger schickt. Ziel ist es aber primar zu verhindern, daß ein Storenfried die

Informationen mithoren und verstehen oder unbemerkt verandern kann. Da wir den

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Kanal als unsicher annehmen, konnen wir das Mithoren in aller Regel nicht verhin-

dern. Also muß beim Verstehen und Verandern angesetzt werden. Die Grundidee

ist, den Text zu verschlusseln.

Sender Empfanger

Klartext

Schlussel

��

Klartext

Geheimtext //Storenfried

// Geheimtext

Schussel

OO

In der einfachsten Form der aus dem alten Rom uberlieferten Caesar Chiffre ver-

tauscht man die Buchstaben der Nachricht zyklisch, z.B.

a b c d e . . . x y z

↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓m n o p q . . . j k l

Der Schlussel besteht hierbei aus einer einzigen Zahl, namlich um wieviel Buchsta-

ben man das “a” nach rechts geschiftet hat; im obigen Beispiel ist dies 12. Eine

solch einfache Verschlusselung ist naturlich auch sehr einfach von einem Storenfried

zu brechen. Aber sie weist ein wichtiges Merkmal auf, das auch allen der nach Cae-

sar entwickelten Verschlusselungsverfahren bis ins letzte Jahrhundert eigen war: der

gleiche Schlussel dient zum Verschlusseln und zum Entschlusseln, muß also geheim

bleiben! Man nennt solche Verschlusselungsverfahren deshalb symmetrisch, und ei-

nes ihrer wesentlichen Sicherheitsrisiken besteht darin, daß Sender und Empfanger

zunachst einmal den geheimen Schlussel austauschen mussen, ohne dabei abgehort

werden zu konnen.

Eine Idee von Whitfield Diffie und Martin Hellman (siehe [DH76]) aus den siebziger

Jahren revolutionierte die Kryptographie. Zum Ver- und Entschlusseln sollten zwei

unterschiedliche Schlussel verwendet werden, und die Kenntnis von einem der bei-

den und der Nachricht sollte es nicht erlauben, auf den anderen zuruckzuschließen.

So konnte der Sender einen der beiden Schlussel geheim halten, den anderen aber

offentlich bekannt geben. Damit ist es leicht, eine Nachricht so zu verschlusseln, daß

dem Empfanger jede Veranderung auffallen wurde. Wir stellen dies in dem folgenden

Schema dar, wobei gSS fur den geheimen Schlussel des Senders steht und oSS fur

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den offentlichen Schlussel des Senders :

Sender Empfanger

Klartext

gSS

��

Klartext

Geheimtext //Storenfried

// Geheimtext

oSS

OO

(1)

Der Storenfried kann die Nachricht zwar abfangen, mit dem (auch ihm bekannten)

offentlichen Schlussel entschlusseln und kennt dann deren Inhalt. Da ihm aber der

geheime Schlussel fehlt, kann er die Nachricht nicht verfalschen, wieder verschlusseln

und gefalscht weiter schicken.

Wenn man die Nachricht geheim halten mochte, sollte der Empfanger je einen ge-

heimen und offentlichen Schlussel haben. Wie dann die Verschlusselung aussehen

kann, stellen wir in folgendem Schema dar, wobei wir fur den geheimen Schlussel

des Empfangers die Abkurzung gSE verwenden und fur seinen offentlichen Schlussel

die Abkurzung oSE :

Sender Empfanger

Klartext

oSE

��

Klartext

Geheimtext //Storenfried

// Geheimtext

gSE

OO

(2)

Da der Storenfried den geheimen Schlussel des Empfangers nicht kennt, kann er die

Nachricht auch nicht entschlusseln. Verschlusselungsverfahren dieser Art nennt man

asymmetrisch, oder spezieller public key Verfahren. Aber damit ein solches Verfahren

funktionieren kann, muß es einigen wichtigen Anforderungen genugen, und um dies

zu beschreiben sollten wir den Begriff der Verschlusselung etwas mathematischer

fassen.

Bei der Caesar Chiffre aus obigem Beispiel werden Textblocke verschlusselt, die

aus einem einzigen Buchstaben bestehen, und man kann die Verschlusselung als

Abbildung

fk : N −→ Nder Menge

N = {a, b, c, d, e, f, g, h, i, j, k, l,m,n, o, p, q, r, s, t, u, v,w, x, y, z}

in sich selbst auffassen, die von dem Schlussel k abhangt (in obigem Beispiel k = 12)

und die Nachricht um k Stellen verschiebt – wobei wir im Alphabet mit a weiter

machen, wenn wir bei z angekommen sind. Wichtig ist dabei, daß die Funktion

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eine Umkehrfunktion besitzt (man nennt die Funktion fk dann bijektiv), die es er-

laubt, den Prozess ruckgangig zu machen. In unserem Fall ist dies die Funktion f−k,

die eine Nachricht um k Stellen nach links verschiebt. Auch sie hangt von einem

Schlussel ab, und es ist im wesentlichen der gleiche Schlussel – das Verschlusselungs-

verfahren ist symmetrisch! Da man fur jeden zulassigen Schlussel eine Funktion fk

zum Verschlusseln benotigt, spricht man auch von einer Familie von Funktionen

{fk | k ∈ S}, wobei S die Menge der zulassigen Schlussel sein soll. Im Fall der Caesar

Chiffre konnten wir S = {−25,−24, . . . , 24, 25} wahlen.

Im Allgemeinen wird man Textblocke großerer Lange verschlusseln, und man wird

sie in aller Regel zunachst durch einen einfachen Ubersetzungsmechanismus in Zif-

fern uberfuhren, um leichter die Methoden der Mathematik anwenden zu konnen.

Bei der Caesar Chiffre konnte man z.B. die Buchstaben durch ihre Position im Al-

phabet ersetzen, a = 1, b = 2, etc., und man konnte N auf dem Weg etwa mit

{1, 2, . . . , 26} oder gar mit Z26 gleichsetzen. Jedenfalls schadet es nichts, wenn wir

vereinfachend davon ausgehen, daß die Nachricht, die wir verschlusseln wollen aus

einer Zahl besteht! Fur das oben beschriebene public key Verfahren benotigen wir

dann eine Familie von bijektiven Funktionen F = {fk : N → N | k ∈ S} auf derMenge N der Nachrichten, so daß fur jeden Schlussel gS ∈ S ein Schlussel oS ∈ Sexistiert mit

fgS ◦ foS = foS ◦ fgS = idN . (3)

Die Abbildung foS ist dann die Inverse von fgS, so daß man die Bedingung (3) auch

alternativ schreiben konnte als

fk ∈ S =⇒ f−1k ∈ S.

Die beiden Eigenschaften in (3) bedeuten fur die Anwendung, daß es egal ist, ob

man den offentlichen oder den geheimen Schlussel zum Verschlusseln verwendet,

der jeweils andere kann zum Entschlusseln verwendet werden. Das haben wir in den

beiden oben beschriebenen Anwendungen (siehe (1) und (2)) bereits ausgenutzt.

Ein ungemein wichtiger Punkt dabei ist naturlich, daß man aus der Kenntnis der

Familie F sowie eines gegebenen offentlichen Schlussels oS keine Chance hat, den

zugehorigen geheimen Schlussel gS zu bestimmen. Dabei heißt keine Chance nicht,

daß es prinzipiell unmoglich ist, sondern daß der notwendige Rechenaufwand nicht in

sinnvoller Zeit zu bewerkstelligen ist. Zugleich muß der Rechenaufwand zur Bestim-

mung von fk(n) bei gegebenem n und k sehr gering sein, damit man das Verfahren

auch praktisch anwenden kann!

Eine solche Familie von Funktionen haben Ronald Rivest, Adi Shamir und Leo-

nard Adleman 1977 (siehe [RSA78]) gefunden, und daraus ist das RSA-Verfahren

entstanden, das aus mathematischer Sicht nicht mehr als die Primfaktorzerlegung

der ganzen Zahlen und ein paar einfache Ergebnisse wie den Chinesischen Restsatz

oder den Kleinen Satz von Fermat braucht – Ergebnisse, die wir im Rahmen dieser

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Vorlesung kennenlernen werden. Entscheidend dabei ist folgende Erkenntnis: so ein-

fach die Zerlegung einer Zahl in Primfaktoren im Prinzip auch ist, so schwierig ist

sie doch ganz konkret durchzufuhren (selbst fur gute Computer), wenn die Zahlen

einmal mehrere hundert Ziffern besitzen!

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1 Gruppen und Homomorphismen

In der Einleitung haben wir davon gesprochen, daß es das grundlegende Ziel der

Vorlesung sein wird, verschiedene Strukturen auf Mengen zu studieren. Was eine

Struktur auf einer Menge ganz konkret ist, hangt letztlich sehr vom Zweig der

Mathematik und der betrachteten Fragestellung ab. In dieser Vorlesung wird die

Struktur stets aus einer oder mehreren zweistelligen Operationen auf der Menge

bestehen, die dann bestimmten Gesetzmaßigkeiten, sogenannten Axiomen, genugen

sollen. Dabei ist eine zweistellige Operation auf einer Menge G eine Abbildung, die

einem Paar (g, h) von Elementen aus G wieder ein Element in G zuordnet, also eine

Abbildung G×G → G.

A) Gruppen

Die grundlegendste und wichtigste algebraische Struktur auf einer Menge ist die

Gruppenstruktur.

Definition 1.1

a. Eine Gruppe ist ein Paar (G, ·) bestehend aus einer nicht-leeren Menge G und

einer zweistelligen Operation “·”, d. h. einer Abbildung

· : G×G → G : (g, h) 7→ g · h,

so daß die folgenden Gruppenaxiome gelten:

G1: (g · h) · k = g · (h · k) ∀ g, h, k ∈ G, (“Assoziativgesetz”)

G2: ∃ e ∈ G : ∀ g ∈ G : e · g = g, (“Existenz eines Neutralen”)

G3: ∀ g ∈ G ∃ g ′ ∈ G : g ′ · g = e. (“Existenz von Inversen”)

Ein Element mit der Eigenschaft von e nennt man ein neutrales Element der

Gruppe G. Ein Element mit der Eigenschaft von g ′ nennt man ein Inverses

zu g.

b. Eine Gruppe (G, ·) heißt abelsch oder kommutativ , wenn (G, ·) zudem noch

dem folgenden Axiom genugt:

G4: g · h = h · g ∀ g, h ∈ G (“Kommutativgesetz”)

c. Eine Gruppe (G, ·) heißt endlich, falls |G| < ∞, und sonst unendlich. |G| heißt

die Ordnung von G.3

Bemerkung 1.2

Fur manche Anwendungen ist der Begriff der Gruppe starker als wunschenswert,

da mehr Axiome gefordert werden, als die betrachteten Strukturen hergeben. Man

kann den Begriff in zweifacher Weise abschwachen. Sei dazu wieder eine Menge G

zusammen mit einer zweistelligen Operation “·” auf G gegeben.

a. Erfullt das Paar (G, ·) nur das Axiom G1 so nennt man (G, ·) eine Halbgruppe.3|G| bezeichnet die Anzahl der Elemente in der Menge G, siehe Definition B.17.

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b. Wir nennen (G, ·) ein Monoid , falls nur die Axiome G1 und G2’ gelten:

G2’: ∃ e ∈ G : ∀ g ∈ G : e · g = g · e = g. (“Existenz eines Neutralen”)

Man beachte, daß bei Monoiden fur die Neutralen eine starkere Bedingung gefordert

wird, als bei Gruppen. Inwieweit sie wirklich starker ist, werden wir in Lemma 1.4

sehen. Die Begriffe abelsch, endlich, unendlich und Ordnung fuhrt man fur Halb-

gruppen und Monoide in der gleichen Weise ein wie fur Gruppen. In dieser Vorlesung

werden wir uns aber nicht weiter mit speziellen Eigenschaften von Halbgruppen oder

Monoiden beschaftigen. Wir erwahnen die Begriffe nur der Vollstandigkeit halber.

Bevor es sinnvoll ist, sich mit Eigenschaften einer neuen Struktur wie den eben

eingefuhrten Gruppen zu beschaftigen, sollte man gute Beispiele kennen. Schließlich

mochte man keine Aussagen uber die leere Menge oder auch nur eine vollkommen

uninteressante Struktur treffen.

Beispiel 1.3

a. (Z,+), (Q,+) und (R,+) mit der ublichen Addition als Gruppenoperation

sind abelsche Gruppen. Die Zahl Null erfullt jeweils die Rolle eines neutralen

Elements, und zu einer Zahl g existiert mit −g ein inverses Element.

b. (Q\{0}, ·) und (R\{0}, ·)mit der ublichen Multiplikation als Gruppenoperation

sind ebenfalls abelsche Gruppen. Die Zahl 1 ist jeweils ein neutrales Element,

und zu einer Zahl g existiert als inverses Element die Zahl 1g.

c. (Z \ {0}, ·) ist hingegen nur ein (abelsches) Monoid mit der Zahl Eins als

neutralem Element. Das Axiom G3 ist nicht erfullt, da nur die Zahlen g = 1

und g = −1 in Z \ {0} ein Inverses 1gbesitzen.

d. (N,+) ist ebenfalls nur ein (abelsches) Monoid mit der Zahl Null als neutralem

Element, da zu g > 0 kein Inverses −g in N existiert.

e. Die einfachste Gruppe ist die einelementige Gruppe G = {e}, deren Gruppen-

operation durch e · e = e definiert ist.

Man beachte, daß in allen obigen Beispielen ein eindeutig bestimmtes neutrales

Element sowie zu jedem g ein eindeutig bestimmtes inverses Element existiert. Dies

ist kein Zufall. Die Eindeutigkeit kann aus den Gruppenaxiomen hergeleitet werden.

Lemma 1.4

Es sei (G, ·) eine Gruppe.

a. Das neutrale Element e ∈ G ist eindeutig bestimmt und hat zusatzlich die

Eigenschaft:

g · e = g ∀ g ∈ G.

b. Sei g ∈ G. Das inverse Element g ′ zu g ist eindeutig bestimmt und hat zusatz-

lich die Eigenschaft:

g · g ′ = e.

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Die in obigem Lemma formulierten Aussagen lassen sich fur die bisher betrachteten

Beispiele leicht verifizieren, und man konnte dies naturlich fur jedes neue Beispiel,

das einem einfallt ebenfalls wieder tun. Eine solche Vorgehensweise ware jedoch

wenig befriedigend. Stattdessen wollen wir die Korrektheit der getroffenen Aussa-

gen ganz allgemein aus den Gruppenaxiomen herleiten. Dieses Vorgehen nennen wir

einen Beweis der Aussagen, und wann immer wir eine Aussage als Lemma, Propo-

sition, Satz oder Korollar formulieren, werden wir sie auch beweisen.4

Beweis von Lemma 1.4: Da wir fur das Paar (G, ·) die Axiome G1-G3 aus De-

finition 1.1 voraussetzen, gibt es ein neutrales Element e ∈ G, und zu beliebigem,

aber fest gegebenem g ∈ G gibt es ein Inverses g ′ ∈ G.

Wir wollen zunachst zeigen, daß fur dieses e und dieses g ′ die in a. und b. geforderten

zusatzlichen Eigenschaften gelten.

Da (G, ·) eine Gruppe ist, gibt es ein g ′′ ∈ G mit

g ′′ · g ′ = e. (4)

Also folgt:5

g · g ′ G2= e ·

(g · g ′

) (4)=(g ′′ · g ′

)·(g · g ′

) G1= g ′′ ·

(g ′ · (g · g ′)

)

G1= g ′′ ·

((g ′ · g) · g ′

) G3= g ′′ ·

(e · g ′

) G2= g ′′ · g ′ (4)

= e. (5)

Damit ist gezeigt, daß g ′ die zusatzliche Eigenschaft in b. erfullt, und wir erhalten:

g · e G3= g ·

(g ′ · g

) G1=(g · g ′

)· g (5)

= e · g G2= g. (6)

Nun war aber g ein beliebiges Element in G, so daß damit die zusatzliche Eigenschaft

von e in a. gezeigt ist.

Sei nun e ∈ G irgendein Element mit der Eigenschaft des Neutralen, d.h. so daß

e · h = h (7)

4Die Begriffe Lemma, Proposition, Satz und Korollar sind in der Mathematik ubliche Ordnungs-

strukturen (vergleichbar etwa einer Karteikarte), in denen bewiesene Aussagen festgehalten werden.

Dabei werden die Aussagen, die als Propositionen formuliert werden, meist als wichtiger erachtet,

als Aussagen in einem Lemma, und entsprechend sind Aussagen in einem Satz meist wesentlicher

als Aussagen in einer Proposition. Das Korollar fallt etwas aus dem Rahmen, da es ubersetzt Fol-

gerung bedeutet und somit andeutet, daß es aus einer der unmittelbar zuvor getroffenen Aussagen

abgeleitet werden kann. – Es kann vorkommen, daß der Beweis einer Aussage den Rahmen dieser

Vorlesung sprengen wurde oder wir aus anderen Grunden auf den Beweis verzichten wollen oder

mussen. In einem solchen Fall werden wir die Aussage nur als Bemerkung formulieren und deutlich

machen, weshalb wir auf einen Beweis verzichten.5Uber den Gleichheitszeichen geben wir als Begrundung fur die Gleichheit das jeweilige Axiom,

das verwendet wird, bzw. die Referenznummer der eingesetzten Gleichung an. Dies ist eine in der

Mathematik ubliche Notation, die wir auch im Folgenden immer dann anwenden werden, wenn wir

sehr genau argumentieren wollen.

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fur alle h ∈ G. Wir mussen zeigen, daß e = e gilt. Da wir bereits wissen, daß e die

zusatzliche Eigenschaft in a. erfullt, konnen wir diese, d.h. (6), mit e in der Rolle

von g anwenden, und anschließend (7) mit e in der Rolle von h:

e(6)= e · e (7)

= e.

Schließlich mussen wir noch zeigen, wenn g ′ ∈ G ein weiteres inverses Element zu g

ist, d.h. wenn

g ′ · g = e (8)

gilt, dann ist schon g ′ = g ′. Wenden wir das bislang Gezeigte an, so gilt:

g ′ (6)= g ′ · e (5)

= g ′ ·(g · g ′

) G1=(g ′ · g

)· g ′ (8)

= e · g ′ G2= g ′.

Damit sind alle Aussagen des Lemmas bewiesen.6 �

Notation 1.5

Statt (G, ·) schreiben wir haufig nur G, sofern keine Unklarheiten uber die Operation

bestehen. Außerdem schreiben wir, fur g, h ∈ G, statt g · h oft verkurzt gh. Das

neutrale Element bezeichnen wir auch mit 1 statt mit e, oder mit 1G bzw. eG, wenn

wir hervorheben wollen, in welcher Gruppe es das Neutrale ist. Und das zu g ∈ G

existierende, eindeutig bestimmte inverse Element wird mit g−1 bezeichnet, oder mit

g−1G , wenn wir wieder hervorheben wollen, in welcher Gruppe es das Inverse zu g ist.

Ist die Gruppe abelsch, so bezeichnet man die Operation oft mit + anstatt mit ·.In diesem Fall verwenden wir die Bezeichnung 0 (bzw. 0G) fur das neutrale Element

und −g (bzw. −gG) fur das zu g ∈ G eindeutig bestimmte Inverse. ✷.

Lemma 1.6

Sei (G, ·) eine Gruppe, g, h, a, b ∈ G. Dann gelten:

a.(g−1)−1

= g und (gh)−1 = h−1g−1.

b. In G gelten die Kurzungsregeln:

(i) ga = gb ⇒ a = b, und

(ii) ag = bg ⇒ a = b.

Beweis: a. Um die erste Gleichheit zu zeigen, reicht es wegen der Eindeutigkeit

des Inversen zu g−1 zu zeigen, daß g die Eigenschaft des Inversen zu g−1

besitzt. Beim Beweis konnen wir die Gruppenaxiome sowie die in Lemma 1.4

bewiesenen zusatzlichen Eigenschaften des Inversen anwenden:

g · g−1 Lem. 1.4b.= e.

Also ist g ein Inverses zu g−1, und damit gilt wie angedeutet wegen der Ein-

deutigkeit des Inversen zu g−1:(g−1)−1

= g.

6Das Zeichen ✷ am Ende eines Beweises zeigt stets an, daß der Beweis fertig ist. Manchmal

verwenden wir das Zeichen auch bei einer Bemerkung oder Notation an, um deren Ende anzuzeigen.

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13

Analog ist nach Voraussetzung (gh)−1 ein Inverses zu gh, und es reicht we-

gen der Eindeutigkeit des Inversen zu gh zu zeigen, daß h−1g−1 ebenfalls die

Eigenschaft eines Inversen zu gh hat:(h−1g−1

)· (gh) G1

=h−1 ·(g−1 ·

(gh)) G1= h−1 ·

((g−1 · g) · h)

)

G3=h−1 · (e · h) G2

= h−1 · h G3= e.

Mithin ist h−1g−1 ein Inverses zu gh, und somit

(gh)−1 = h−1g−1.

b. Die erste Kurzungsregel folgt durch Multiplikation mit dem Inversen zu g von

links:7

aG2= e · a G3

=(g−1 · g

)· a G1

=g−1 · (g · a)Vor.= g−1 · (g · b) G1

=(g−1 · g

)· b G3

= e · b G2= b.

Entsprechend folgt die zweite Kurzungsregel durch Multiplikation mit g−1 von

rechts und unter Berucksichtigung der zusatzlichen Eigenschaft des Inversen

aus Lemma 1.4. Die Details uberlassen wir dem Leser.

Bemerkung 1.7

In den Beweisen der obigen beiden Lemmata haben wir wiederholt das Assoziativ-

gesetz auf Terme mit verschachtelter Klammersetzung angewandt. Wir haben dies

in sehr kleinen Schritten getan, werden aber in Zukunft beim Umsetzen von Klam-

mern meist mehrere Schritte zusammenfassen. Daraus sollten keine Unklarheiten

entstehen. ✷

Wiederholtes Multiplizieren einer Zahl mit sich selbst sind wir gewohnt als Poten-

zieren zu schreiben. Diese Schreibweise ubernehmen wir auch bei Gruppen.

Definition 1.8

Sei (G, ·) eine Gruppe, g ∈ G. Wir setzen g0 := e, und fur n ∈ Z, n > 0, definieren

wir rekursiv gn := g · gn−1, und schließlich g−n := (g−1)n.

Bei dieser Definition haben wir eine Eigenschaft der naturlichen Zahlen verwen-

det, die jedem wohlbekannt ist, und auch als Prinzip der vollstandigen Induktion

bezeichnet wird:

Ausgehend von einer naturlichen Zahl n0 kann man durch wiederholtes Addie-

ren der Zahl 1 jede andere naturliche Zahl erreichen, die großer als n0 ist.

Wollte man die naturlichen Zahlen axiomatisch einfuhren, so ware dieses eines der

Axiome. Fur uns ist es einfach eine der bekannten Eigenschaften der naturlichen

Zahlen. Wir haben diese Eigenschaft bereits verwendet, als wir die n-te Potenz gn

7Das Kurzel Vor. uber einem Gleichheitszeichen in einer Gleichung deutet an, daß die Gleichung

nach Voraussetzung gilt. In diesem Falle war ga = gb vorausgesetzt.

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von g rekursiv definiert haben. Dazu haben wir namlich zunachst einmal gn fur

n = 0 definiert und dann die Definition von gn fur n > 0 auf die Definition von

gn−1 zuruck gefuhrt.

Man kann diese Eigenschaft der naturlichen Zahlen oft dann als Beweistechnik ein-

setzen,

• wenn man eine Aussage A beweisen will, die von einer naturlichen Zahl n

abhangt, und

• wenn man zudem diese Aussage fur eine beliebige Wahl von n ≥ n0 zeigen

will.

Die Abhangigkeit der Aussage A von der naturlichen Zahl n druckt man dann

dadurch aus, daß man sie als Index anhangt, sprich An statt nur A schreibt. Ein

typisches Beispiel fur eine solche Aussage ware

An : eine Zahl der Form n3 − n ist durch 6 teilbar

wobei hier n ∈ N irgend eine naturliche Zahl großer oder gleich Null sein darf, d.h.

n0 = 0 in diesem Beispiel. Will man diese AussageAn nun fur jedes n ≥ n0 zeigen, so

zeigt man sie zunachst fur die Zahl n0 selbst (dies nennt man den Induktionsanfang)

und zeigt dann, wenn sie fur eine feste Zahl n bereits gilt (anzunehmen, daß sie fur n

gilt, nennt man die Induktionsvoraussetzung), gilt sie auch fur die nachfolgende Zahl

n + 1 (dies nennt man den Induktionsschritt). Die oben beschriebene Eigenschaft

der naturlichen Zahlen erlaubt es uns dann, ausgehend von der Korrektheit von An0

auf die von An0+1 zu schließen, dann auf die von An0+2 und so fortfahrend auf die

Korrektheit der Aussage An fur jede naturliche Zahl n ≥ n0. Wir uberlassen es dem

Leser, die Aussage aus unserem Beispiel zu beweisen, und formulieren das Prinzip

der vollstandigen Induktion als Beweisprinzip noch einmal etwas kompakter.

Bemerkung 1.9 (Prinzip der vollstandigen Induktion)

Es gelte eine Aussage An fur die naturliche Zahl n = n0 (Induktionsanfang), außer-

dem sei folgendes richtig: gilt die Aussage fur ein n ≥ n0 (Induktionsvoraussetzung),

so gilt sie auch fur n+ 1 (Induktionsschluß). Dann gilt die Aussage fur alle naturli-

chen Zahlen n ≥ n0. ✷

Wendet man diese Beweistechnik an und sind die Aussagen mit n induziert, so sagt

man auch, man fuhre den Beweis durch Induktion nach n. Sofern es nicht bereits aus

der Vorlesung Grundlagen der Mathematik bekannt ist, wird der Beweis der Potenz-

gesetze zeigen, wie man das Prinzip der vollstandigen Induktion als Beweistechnik

einsetzen kann.

Lemma 1.10 (Potenzgesetze)

Sei (G, ·) eine Gruppe, g ∈ G, n,m ∈ Z, so gelten die Potenzgesetze:

gn · gm = gn+m und (gm)n = gm·n.

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Beweis: Wir wollen zunachst zeigen, daß

gn = (g−1)−n. (9)

Ist n < 0, so gilt dies nach Definition. Ist n > 0, so ist −n < 0 und nach Definition

und Lemma 1.6 gilt wieder:8

(g−1)−n Def.=((g−1)−1

)−(−n) Lem. 1.6= gn.

Und wenn schließlich n = 0, dann ist gn = e = (g−1)−n nach Definition. Damit ist

(9) gezeigt.

Als nachstes zeigen wir einen Spezialfall des ersten Potenzgesetzes, namlich, daß

g · gn = gn+1. (10)

fur alle ganzen Zahlen n ∈ Z gilt. Ist n ≥ 0, so folgt dies aus der Definition. Ist

n < 0, so ist −n− 1 ≥ 0 und nach Definition gilt

(g−1)· gn+1 (9)

=(g−1)·(g−1)−n−1 Def

=(g−1)−n−1+1

=(g−1)−n (9)

= gn. (11)

Multipliziert man nun beide Seiten der Gleichung mit g, so erhalten wir

g · gn (11)= g ·

(g−1 · gn+1

) G1=(g · g−1

)· gn+1 G3

= eG · gn+1 G2= gn+1.

Damit ist auch (10) gezeigt.

Wenden wir uns nun der allgemeinen Regel

gn · gm = gn+m (12)

fur n,m ∈ Z zu, und fuhren den Beweis durch Fallunterscheidung.

1. Fall: n ≥ 0. Wir wollen diesen Fall durch Induktion nach n beweisen. Sauberer

formuliert wollen wir fur beliebige, aber fest gegebene g ∈ G und m ∈ Z zeigen, daß

die Aussage

An : gn · gm = gn+m

fur alle n ∈ N korrekt ist. Dazu mussen wir zunachst den sogenannten Induktions-

anfang zeigen, d.h. daß die Aussage fur einen Startwert gilt – in Bemerkung 1.9 war

das das n0, hier ist die Zahl 0.

Ist n = 0, dann gilt

gn · gm n=0= g0 · gm Def.

= e · gm G2= gm n=0

= gn+m.

Damit ist der Induktionsanfang A0 gezeigt. Nun mussen wir den Induktionsschritt

zeigen, d.h. wann immer die Aussage fur eine Zahl n gilt dann gilt sie auch fur

den folgenden Wert n + 1. Dazu durfen wir die Induktionsvoraussetzung, daß An

8Das Kurzel Def. uber einem Gleichheitszeichen deutet an, daß die Gleichheit nach Definition

gilt.

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fur ein gegebenes n ≥ 0 richtig ist, als korrekt annehmen, und mussen daraus die

Korrektheit von An+1 folgern: Nach Definition und Induktionsvoraussetzung gilt9

gn+1 · gm Def.= (g · gn) · gm G1

= g · (gn · gm)Ind.= g · gn+m (10)

= gn+1+m.

Damit haben wir gezeigt, daß sich aus der Annahme der Korrektheit von An die

Korrektheit von An+1 ableiten laßt. Das Prinzip der vollstandigen Induktion erlaubt

uns nun hieraus und aus dem Umstand, daß die Aussage fur n = 0 richtig ist,

abzuleiten, daß die Aussage An fur alle n ≥ 0 korrekt ist. Es bleibt, den Fall n < 0

zu betrachten.

2. Fall: n < 0. Aus dem 1. Fall (angewendet auf g−1 und −m) folgt (da −n > 0):

gn · gm (9)= (g−1)−n · (g−1)−m 1. Fall

= (g−1)−n−m (9)= gn+m.

Damit ist das erste der Potzenzgesetze (12) gezeigt, und wir wollen daraus zunachst

(gn)−1 = g−n. (13)

als Spezialfall des zweiten Potenzgesetzes ableiten. Aus g−n · gn = g−n+n = g0 = e

folgt, daß g−n ein Inverses zu gn ist, und somit gilt (13) wegen der Eindeutigkeit

des Inversen.

Damit konnen wir nun das zweite Potenzgesetz, d.h.

(gm)n = gm·n

fur m,n ∈ Z, zeigen, was wir wieder durch die Betrachtung verschiedener Falle tun

wollen.10

1. Fall: n ≥ 0. Wir wollen fur beliebige, aber feste g ∈ G undm ∈ Z durch Induktion

nach n die Aussage

An : (gm)n = gm·n

zeigen.

n = 0 : Dann gilt

(gm)nn=0= (gm)0

Def.= e

Def.= g0 n=0

= gm·n.

9Das Kurzel Ind. bedeutet, daß wir an der Stelle die Induktionsvoraussetzung einsetzen, nach

der die Aussage An korrekt ist. In unserer Situation bedeutet das, daß fur die festen Werte m und

n und fur das feste g ∈ G gilt, daß gn · gm = gn+m.10Den ersten Fall n ≥ 0 werden wir wieder mit Hilfe von Induktion nach n beweisen. Allerdings

werden wir unsere Schreibweise eines Induktionsbeweises stark verkurzen. Wir wissen nun, daß

wir die Aussage, die zu beweisen gilt, stets fur den ersten Wert, fur den sie gelten soll, zeigen

mussen (Induktionsanfang) und daß wir stets unter der Annahme, daß die Aussage fur ein festes

n gilt (Induktionsvoraussetzung), herleiten mussen, daß sie auch fur n+ 1 gilt (Induktionsschritt).

Wir werden dies verkurzt schreiben als n = 0 fur den Induktionsanfang und als n 7→ n+ 1 fur den

Induktionsschritt. Diese kurzere Schreibweise ist zwar gewohnungsbedurftig, hat aber den Vorteil,

daß sie nicht durch allzuviel Text den Blick auf das Wesentliche versperrt.

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n 7→ n+ 1 : Nach Definition, Induktionsvoraussetzung und dem 2. Potenzgesetz gilt:

(gm)n+1 Def.= (gm) · (gm)n

Ind.= gm · gm·n (12)

= gm+m·n Def.= gm·(n+1).

2. Fall: n < 0. Aus dem 1. Fall folgt dann (da −n > 0):

(gm)n(9)=

((gm)−1

)−n (13)= (g−m)−n 1. Fall

= g(−m)·(−n) Def.= gm·n.

Bemerkung 1.11

Ist (H, ·) eine Halbgruppe (bzw. ein Monoid) und g ∈ H, so definiert man fur

0 6= n ∈ N (bzw. n ∈ N) das Element gn analog und zeigt fur 0 6= n,m ∈ N

(bzw. n,m ∈ N) die obigen Potenzgesetze mit den gleichen Beweisen. ✷

Bemerkung 1.12

Bisher haben wir die Beweise in sehr kleinen Schritten gefuhrt und nach Moglich-

keit jede Umformung einer Gleichung durch Angabe einer Begrundung uber dem

Gleichheitszeichen gerechtfertigt. Das Grundprinzip sollte mittlerweile verstanden

sein, und wir werden deshalb von jetzt an sparsamer mit Umformungsschritten und

Begrundungen sein. ✷

Alle in Beispiel 1.3 betrachteten Beispiele von Gruppen waren abelsch. In einer abel-

schen Gruppe gilt das Kommutativgesetz und die Rechenregel “(gh)−1 = h−1g−1”

nimmt die vielleicht eher erwartete Form “(gh)−1 = g−1h−1” an. Um zu sehen, daß

dies im Allgemeinen falsch ist, braucht man notwendig ein Beispiel fur eine Grup-

pe, in der das Kommutativgesetz G4 nicht gilt. Dazu erinnern wir uns an bijektive

Abbildungen (siehe Definition B.8) sowie deren Komposition (siehe Definition B.14).

Definition 1.13

Fur eine nicht-leere Menge M definieren wir

Sym(M) := {f : M → M | f ist bijektiv}.

Die Komposition ◦ definiert eine zweistellige Operation auf Sym(M), und wir nennen

das Paar (Sym(M), ◦) die symmetrische Gruppe auf der Menge M. Die Elemente

von Sym(M) werden auch Permutationen von M genannt.

Ist M = {1, . . . , n}, so schreiben wir Sn statt Sym(M) und wir nennen Sn die sym-

metrische Gruppe auf n Ziffern oder die Permutationsgruppe vom Grad n.

Damit der Begriff symmetrische Gruppe gerechtfertigt ist, mussen wir zeigen, daß

(Sym(M), ◦) in der Tat eine Gruppe ist.

Proposition 1.14

(Sym(M), ◦) ist eine Gruppe, die genau dann abelsch ist, wenn |M| ≤ 2. Das neu-

trale Element ist idM, und das Inverse zu einer Abbildung f ∈ Sym(M) ist ihre

Umkehrabbildung.

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Beweis: Zunachst wollen wir uns davon uberzeugen, daß die Komposition zweier

bijektiver Abbildung wieder bijektiv ist, sprich, daß das Bild der Abbildung “◦”auch wirklich wieder in Sym(M) liegt.

Sind f, g : M → M bijektiv, so existieren Abbildungen f−1 : M → M und g−1 :

M → M nach Lemma B.20, und fur diese gilt (unter Verwendung der Assoziativitat

der Komposition, Lemma B.15):

(f ◦ g) ◦(g−1 ◦ f−1

)= f ◦

(g ◦ g−1

)◦ f−1 = f ◦ idM ◦f−1 = f ◦ f−1 = idM,

und analog(g−1 ◦ f−1

)◦ (f ◦ g) = idM. Folglich gilt wieder mit Lemma B.20, daß

f ◦ g bijektiv ist.

Die Assoziativitat von “◦”, sprich Axiom G1, ist bereits in Lemma B.15 gezeigt.

Die Identitat idM auf M ist bijektiv (siehe Beispiel B.22) und hat die Eigenschaft,

daß idM ◦f = f fur alle f ∈ Sym(M). Sie ist mithin das neutrale Element von

(Sym(M), ◦). Die zu f ∈ Sym(M) nach Lemma B.20 existierende Umkehrabbildung

ist, wie dort gezeigt, die Inverse im Sinne von Axiom G3. Also ist (Sym(M), ◦) eineGruppe.

Es bleibt zu zeigen:

(Sym(M), ◦) ist abelsch ⇐⇒ |M| ≤ 2.

Falls |M| ≥ 3, so konnen wir drei paarweise verschiedene Elemente11 m,m ′,m ′′ ∈ M

wahlen und die Abbildungen

f : M −→ M : n 7→

m ′, falls n = m,

m, falls n = m ′,

n, sonst,

und

g : M −→ M : n 7→

m ′′, falls n = m,

m, falls n = m ′′,

n, sonst

betrachten. Man sieht sofort, daß f ◦ f = idM und g ◦ g = idM, also sind f und g

bijektive mit Umkehrabbildung f−1 = f und g−1 = g. Zudem gilt nach Definition

(f ◦ g)(m) = f(g(m)

)= f(m ′′) = m ′′,

aber

(g ◦ f)(m) = g(f(m)

)= g(m ′) = m ′ 6= m ′′.

11Die drei Elemente heißen paarweise verschieden wenn m 6= m ′, m ′ 6= m ′′ und m ′′ 6= m, wenn

also je zwei der drei Element ungleich sind. Fur Mengen mit beliebig vielen Elementen ist der

Begriff analog zu verstehen.

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Mithin ist g ◦ f 6= f ◦ g, und (Sym(M), ◦) ist nicht abelsch. Damit haben wir die

Richtung “=⇒” der Aussage mittels Kontraposition bewiesen.12 Die Richtung “⇐=”

uberlassen wir dem Leser als Aufgabe. �

Aufgabe 1.15

Untersuche, ob die folgende zweistellige Operation die Menge G := Q × Q zu einer

Gruppe macht:

G×G −→ G :((a, b), (a ′, b ′)

)7→ (a, b) · (a ′, b ′) := (aa ′, bb ′).

Aufgabe 1.16

Untersuche, ob die folgende zweistellige Operation die Menge G := Q>0 × Q>0 zu

einer Gruppe macht:

G×G −→ G :((a, b), (a ′, b ′)

)7→ (a, b) · (a ′, b ′) := (aa ′, bb ′).

Aufgabe 1.17

Es seien (G, ·) und (H, ∗) zwei Gruppen. Wir definieren auf der Menge G × H =

{(x, y) | x ∈ G,y ∈ H} eine zweistellige Operation durch

(x, y) ◦ (x ′, y ′) := (x · x ′, y ∗ y ′)

fur (x, y), (x ′, y ′) ∈ G×H. Zeige, daß dann (G×H, ◦) eine Gruppe ist.

Aufgabe 1.18

Untersuche, welche der folgenden zweistelligen Operationen Gruppen definieren:

a. G =(Q\{0}

)×(Q\{0}

)mit (a, b)·(a ′, b ′) = (ab ′, ba ′) fur a, a ′, b, b ′ ∈ Q\{0},

b. G = R×R\{(0, 0)

}mit (a, b)·(a ′, b ′) = (aa ′−bb ′, ab ′+ba ′) fur a, a ′, b, b ′ ∈

R.

Aufgabe 1.19

Finde alle moglichen zweistelligen Operationen auf der Menge G = {e, a, b},

bezuglich derer G eine Gruppe mit neutralem Element e wird.

Aufgabe 1.20

Finde alle moglichen zweistelligen Operationen auf der Menge G = {e, a, b, c},

bezuglich derer G eine Gruppe mit neutralem Element e wird. Dabei sollten nur

Moglichkeiten aufgelistet werden, die nicht durch Vertauschung der Buchstaben a,

b und c ineinander uberfuhrt werden konnen.

Aufgabe 1.21

Ein Schema der Form (a b

c d

)

12Eine Folgerung “A =⇒ B” durch Kontraposition zu zeigen bedeutet, stattdessen die Folgerung

“¬B =⇒ ¬A” zu zeigen. Die beiden Folgerungen sind gleichwertig, besitzen also den gleichen

Wahrheitswert, d.h. ist die eine wahr so ist es die andere und umgekehrt.

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mit a, b, c, d ∈ R wollen wir eine relle 2x2-Matrix nennen, und Mat2(R) soll die

Menge solcher Matrizen sein. Fur zwei relle 2x2-Matrizen definieren wir ihr Produkt

als (a b

c d

)·(

a ′ b ′

c ′ d ′

)=

(aa ′ + bc ′ ab ′ + bd ′

ca ′ + dc ′ cb ′ + dd ′

).

Ferner bezeichnen wir

det

(a b

c d

)= ad− bc ∈ R

als Determinante der Matrix, und definieren

Gl2(R) = {A ∈ Mat2(R) | det(A) 6= 0}.

Zeige:

a. Fur A,B ∈ Mat2(R) gilt det(A · B) = det(A) · det(B).b.(Gl2(R), ·

)ist eine nicht-abelsche Gruppe.

Aufgabe 1.22

Es sei (G, ·) eine Gruppe und a ∈ G sei fest gegeben. Wir definieren eine zweistellige

Operation auf G durch

∗ : G×G −→ G : (g, h) 7→ g ∗ h = g ·(a−1 · h

).

Uberprufe, ob (G, ∗) eine Gruppe ist.

Aufgabe 1.23 (Boolsche Gruppe)

Es sei M eine Menge.

a. Sind X, Y, Z ⊆ M, dann gelten

X \((Y \ Z) ∪ (Z \ Y)

)=(X \ (Y ∪ Z)

)∪ (X ∩ Y ∩ Z)

und((X \ Y) ∪ (Y \ X)

)\ Z =

(X \ (Y ∪ Z)

)∪(Y \ (X ∪ Z)

).

b. Wir definieren auf der Potenzmenge G = P(M) = {A | A ⊆ M} von M eine

zweistellige Operation durch

A+ B := (A \ B) ∪ (B \A) = (A ∪ B) \ (A ∩ B)

fur A,B ∈ G. Zeige, (G,+) ist eine abelsche Gruppe.

Aufgabe 1.24

Es sei (G, ·) ein Gruppe mit neutralem Element e. Zeige, falls g2 = e fur alle g ∈ G,

so ist G abelsch.

Aufgabe 1.25

Sei M eine Menge, m ∈ M, k ∈ N und σ ∈ Sym(M) mit σk(m) = m. Zeige, dann

ist auch σq·k(m) = m fur alle q ∈ Z.

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21

B) Untergruppen

Ein wichtiges Prinzip in der Mathematik ist es, zu jeder betrachteten Struktur auch

ihre Unter- oder Teilstrukturen zu betrachten. Fur eine Menge sind das einfach ihre

Teilmengen, fur eine Gruppe werden es ihre Untergruppen sein – das sind Teilmen-

gen, die die zusatzliche Struktur respektieren. Eine Gruppe besteht aus einer Menge

G und zusatzlich einer zweistelligen Operation · : G×G → G, die gewissen Axiomen

genugt. Ist U ⊆ G eine Teilmenge von G, so kann man die Abbildung “·” auf U×U

einschranken und erhalt eine Abbildung

U×U −→ G : (u, v) 7→ u · v,

wobei der Ausdruck u · v ein Element aus G ist, in aller Regel aber nicht in U liegt.

Letzteres bedeutet, daß die Einschrankung von “·” auf U × U in aller Regel keine

zweistellige Operation auf U definiert! Das ist aber sicher eine Minimalforderung an

U um zu sagen, daß U die Gruppenoperation “·” respektiert. Nehmen wir nun an,

daß wider Erwarten die Einschrankung von “·” tatsachlich eine zweistellige Opera-

tion auf U definiert, dann stellt sich die Frage, ob das Paar bestehend aus U und

der Einschrankung von “·” den Gruppenaxiomen G1-G3 genugt, sprich selbst eine

Gruppe ist – und erst in letzterem Fall kann man wirklich guten Gewissens sagen,

die Teilmenge U respektiere die zusatzliche Struktur. Diese Uberlegungen fuhren zur

Definition des Begriffs der Untergruppe, und lassen sich im Ubrigen auf alle weiteren

von uns betrachteten algebraischen Strukturen ubertragen.

Definition 1.26

Sei (G, ·) eine Gruppe. Eine Teilmenge U ⊆ G heißt Untergruppe von G, wenn

u · v ∈ U fur alle u, v ∈ U

und zudem (U, ·) eine Gruppe ist, d. h. die Einschrankung der Operation “·” auf

U×U macht U zu einer Gruppe.

Notation 1.27

Ist (G, ·) eine Gruppe und U ⊆ G, so wollen wir durch die Schreibweise U ≤ G

ausdrucken, daß U eine Untergruppe von (G, ·) ist.

Bevor wir uns Beispiele von Untergruppen anschauen, wollen wir ein Kriterium

formulieren, das die Uberprufung, ob eine Teilmenge einer Gruppe eine Untergruppe

ist, deutlich vereinfacht.

Proposition 1.28 (Untergruppenkriterium)

Sei (G, ·) eine Gruppe und ∅ 6= U ⊆ G eine nicht-leere Teilmenge. Dann sind

gleichwertig:

a. U ist eine Untergruppe von G,

b. Fur alle u, v ∈ U gilt uv ∈ U und u−1G ∈ U.

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22

Man bezeichnet die Eigenschaften in b. als die Abgeschlossenheit von U bezuglich

der Gruppenoperation und der Inversenbildung.

Beweis: “a. ⇒ b.”: Sei zunachst U eine Untergruppe von G. Nach Definition be-

deutet dies, daß das Bild von U × U unter der Abbildung “·” in U liegt, d. h. fur

u, v ∈ U gilt uv ∈ U. Außerdem gelten in U die Gruppenaxiome. Sei also eU ∈ U

das Neutrale in U und eG ∈ G das Neutrale in G. Ferner bezeichne zu u ∈ U ⊆ G

u−1G das Inverse zu u in G und u−1

U das Inverse zu u in U, d. h. u−1G u = uu−1

G = eG

und u−1U u = uu−1

U = eU. In der folgenden Gleichung benotigen wir das Inverse von

eU in der Gruppe G, was in unserer Notation zu dem etwas unubersichtlichen (eU)−1G

wird. Mit dieser Schreibweise gilt nun:

eUG2 inG= eGeU

G3 inG=

((eU)

−1G eU

)eU

G1 inG= (eU)

−1G (eUeU)

G2 inU= (eU)

−1G eU

G3 inG= eG.

(14)

Zudem gilt aber

u−1U u

G3 inU= eU

(14)= eG,

also ist u−1U = u−1

G wegen der Eindeutigkeit des Inversen in G, und damit u−1G ∈ U.

“a. ⇐ b.”: Da uv ∈ U fur alle u, v ∈ U, ist das Bild von U×U unter der Abbildung

“·” in der Tat in U enthalten. Es bleibt also, die Axiome G1-G3 nachzuprufen.

Dabei ubertragt sich G1 von der großeren Menge G auf die Teilmenge U. Da U 6= ∅,existiert ein u ∈ U. Nach Voraussetzung gilt dann aber u−1

G ∈ U und damit eG =

u−1G u ∈ U. Da aber eGu = u fur alle u ∈ U, ist auch G2 erfullt und es gilt eU = eG.

Ferner haben wir bereits bemerkt, daß fur u ∈ U auch u−1G ∈ U, und es gilt

u−1G · u = eG = eU.

Somit ist auch G3 erfullt und die Inversen von u inU bzw. inG stimmen uberein. �

Ein Teil des Beweises des Untergruppenkriteriums ist die Aussage des folgenden

Korollars.

Korollar 1.29

Ist (G, ·) eine Gruppe und U ≤ G, so stimmen das neutrale Element eU der Gruppe

(U, ·) und das neutrale Element eG der Gruppe (G, ·) uberein. Außerdem gilt fur

jedes Element u ∈ U, daß das Inverse u−1U von u in (U, ·) mit dem Inversen u−1

G

von u in (G, ·) ubereinstimmt.

Wir wollen das Untergruppenkriterium nun anwenden um Untergruppen der zuvor

betrachteten Gruppen zu finden. Man interessiert sich im Ubrigen auch deshalb fur

die Untergruppen einer Gruppe, weil die Kenntnis dieser wichtige Informationen

uber die Struktur der Gruppe selbst liefert.

Beispiel 1.30

a. Ist (G, ·) eine Gruppe mit neutralem Element eG, so sind die beiden Teil-

mengen {eG} und G von G stets Untergruppen. Man nennt sie deshalb auch

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die trivialen Untergruppen. Sie geben keine zusatzliche Information uber die

Struktur der Gruppe selbst.

b. ({−1, 1}, ·) ist eine Untergruppe von (Q\{0}, ·), wie unmittelbar aus Proposition

1.28 folgt.

c. Fur α ∈ R bezeichnet

ϕα : R2 → R2 : (x, y) →(cos(α) · x− sin(α) · y, sin(α) · x+ cos(α) · y

)

die Drehung der Ebene R2 um den Nullpunkt um den Winkel α im Bogenmaß.

α

α

P

ϕα(P)

Offensichtlich gilt ϕα ◦ ϕβ = ϕα+β fur α,β ∈ R, und fur α ∈ R ist somit

ϕ−α = (ϕα)−1, da ϕ0 = idR2 . Insbesondere ist ϕα also bijektiv fur jedes

α ∈ R. Damit folgt aus Proposition 1.28, daß

SO(2) := {ϕα : R2 → R2 | α ∈ R}

eine Untergruppe von Sym(R2)ist.

d. Sei En ⊂ R2 das regulare n-Eck.

0

α

α = 2πn

Wir setzen

U :={ϕα ∈ SO(2)

∣∣ ϕα(En) = En

}.

Behauptung: (U, ◦) ist eine Untergruppe von(SO(2), ◦

).

Fur ϕα, ϕβ ∈ U gilt

(ϕα ◦ϕβ)(En) = ϕα

(ϕβ(En)

)= ϕα(En) = En

und

ϕ−1α (En) = ϕ−1

α

(ϕα(En)

)=(ϕ−1

α ◦ϕα

)(En) = idR2(En) = En.

Also gilt ϕα ◦ ϕβ ∈ U und ϕ−1α ∈ U, und da idR2 = ϕ0 ∈ U, ist U 6= ∅ und

folglich ist U nach Proposition 1.28 eine Untergruppe von SO(2).

Man uberzeugt sich leicht, daß U aus allen Drehungen ϕα mit α = k · 2πn,

k = 0, . . . , n− 1, besteht. Insbesondere gilt also, |U| = n.

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e. Sei n ∈ Z und nZ := {nz | z ∈ Z} die Menge aller Vielfachen von n.

Behauptung: (nZ,+) ist eine Untergruppe von (Z,+).

Seien nz, nz ′ ∈ nZ, dann gilt nz + nz ′ = n(z + z ′) ∈ nZ und −(nz) =

n · (−z) ∈ nZ. Da ferner ∅ 6= nZ ⊂ Z, folgt wieder mit Proposition 1.28 die

Behauptung.

f. Fur zwei ganze Zahlen m,n ∈ Z gilt mZ ⊆ nZ genau dann, wenn m ein

Vielfaches von n ist.

g. Die Inklusionen Z ⊂ Q, Z ⊂ R und Q ⊂ R machen die Teilmenge bezuglich

der Addition als Gruppenstruktur jeweils zu Untergruppen.

Bemerkung 1.31

Wie verhalten sich Untergruppen gegenuber Mengenoperationen wie z.B. der Verei-

nigung?

Betrachten wir die Gruppe (Z,+) und ihre Untergruppen 2Z ≤ Z sowie 3Z ≤ Z.

Die Menge U = 2Z ∪ 3Z ist nicht abgeschlossen bezuglich der Gruppenoperation,

denn

2+ 3 = 5 6∈ 2Z ∪ 3Z,

da 5 weder durch 2 noch durch 3 teilbar ist. Mithin ist die Vereinigung von Unter-

gruppen im allgemeinen keine Untergruppe mehr.

Im Gegensatz zur Vereinigung verhalten sich Gruppen bei der Bildung von Schnitt-

mengen gut.

Lemma 1.32

Es sei (G, ·) eine Gruppe, I eine beliebige Indexmenge und Ui ≤ G fur i ∈ I. Dann

gilt ⋂

i∈I

Ui ≤ G.

Beweis: Wir uberlassen den Beweis dem Leser als leichte Anwendung des Unter-

gruppenkriteriums. �

Wir verwenden die gute Schnitteigenschaft der Untergruppen um den Makel der

schlechten Vereinigung auszutilgen, und betrachten bei Gruppen statt der Vereini-

gung von Untergruppen stets das Erzeugnis der Vereinigung als kleinste Untergrup-

pe, die die Vereinigung enthalt, oder allgemeiner:

Definition 1.33

Es sei (G, ·) eine Gruppe und M ⊆ G eine Teilmenge. Das Erzeugnis von M ist die

Untergruppe

〈M〉 =⋂

M⊆U≤G

U,

d.h. der Schnitt uber alle Untergruppen von G, die M enthalten. Ist M =

{g1, . . . , gn}, so schreiben wir wir statt 〈{g1, . . . , gn}〉 in aller Regel nur 〈g1, . . . , gn〉.

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Eine solche Definition ist nutzlich, da sie frei Haus liefert, daß das Erzeugnis eine

Untergruppe ist und daß es die kleinste Untergruppe ist, die M enthalt. Sie ist

aber wenig hilfreich, wenn man bei gegebenem M entscheiden soll, welche Elemente

letztlich im Erzeugnis liegen. Dies wird durch die folgende Proposition beschrieben,

die auch den Begriff Erzeugnis rechtfertigt, da die Elemente von 〈M〉 in der Tat

durch die Elemente von M erzeugt werden.

Proposition 1.34

Es sei (G, ·) eine Gruppe und M ⊆ G eine Teilmenge. Dann gilt13

〈M〉 ={gα1

1 · · ·gαnn | n ≥ 0, g1, . . . , gn ∈ M,α1, . . . , αn ∈ Z

}.

Beweis: Wir geben zunachst der rechten Seite der Gleichung einen Namen,

N = {gα1

1 · · ·gαnn | n ≥ 0, g1, . . . , gn ∈ M,α1, . . . , αn ∈ Z

},

und zeigen, daß N ⊆ 〈M〉. Falls U ≤ G, so daß M ⊆ U, dann ist gα1

1 · · ·gαnn ∈ U fur

alle gi ∈ M und α1, . . . , αn ∈ Z. Also ist N ⊆ U, und damit N ⊆ 〈M〉.Es bleibt zu zeigen, daß 〈M〉 ⊆ N. Dafur reicht es aber zu zeigen, daß N ≤ G mit

M ⊆ N. Da das leere Produkt nach Konvention das neutrale Element eG ist, ist

N nicht leer. Seien nun also h = gα1

1 · · ·gαnn , h ′ = g

αn+1

n+1 · · ·gαmm ∈ N zwei beliebige

Elemente in N, dann gilt

h · h ′ = gα1

1 · · ·gαmm ∈ N

und

h−1 = g−αnn · · ·g−α1

1 ∈ N.

Also ist N ≤ G. Da aber M ⊆ N ohnehin gilt, folgt die Behauptung. �

Beispiel 1.35

Ist (G, ·) eine Gruppe und g ∈ G, so folgt aus Proposition 1.34

〈g〉 = {gk | k ∈ Z}.

Wenden wir dies auf die Gruppe (Z,+) und eine Zahl n ∈ Z an, so ist das Erzeugnis

der Menge M = {n} die Untergruppe

nZ = {n · z | z ∈ Z} = 〈n〉 = 〈M〉.

Definition 1.36

Eine Gruppe (G, ·) heißt zyklisch, wenn sie von einem Element erzeugt wird, d.h.

wenn es ein g ∈ G gibt, so daß G = 〈g〉.

Fur den Beweis der nachsten Proposition benotigt man das Prinzip der Division mit

Rest in den ganzen Zahlen, eine Eigenschaft der ganzen Zahlen, die wir als bekannt

voraussetzen, die sich aber auch leicht durch Induktion herleiten laßt, wie wir der

Vollstandigkeit halber weiter unten in Bemerkung 1.39 zeigen. Zudem werden wir das

13Man beachte, daß wir fur n = 0 das leere Produkt erhalten, das wir als das Neutrale Element

eG definieren.

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Archimedische Prinzip der naturlichen Zahlen verwenden, dessen Aussage ebenfalls

wohlbekannt sein durfte.

Bemerkung 1.37 (Archimedisches Prinzip)

Jede nicht-leere Teilmenge der naturlichen Zahlen N besitzt ein kleinstes Element.

Proposition 1.38

U ⊆ Z ist genau dann eine Untergruppe von (Z,+), wenn es eine ganze Zahl n ≥ 0

gibt mit U = nZ = 〈n〉. Insbesondere ist jede Untergruppe von (Z,+) zyklisch.

Beweis: Aus Beispiel 1.30 und Beispiel 1.35 wissen wir, daß die Mengen der Form

nZ = 〈n〉 Untergruppen von (Z,+) sind.

Sei nun U ≤ Z eine Untergruppe von (Z,+) so bleibt zu zeigen, daß es ein n ≥ 0

gibt mit U = nZ. Ist U = {0}, so konnen wir n = 0 wahlen. Ist U 6= {0}, so gibt es

eine Zahl 0 6= z ∈ U und eine der Zahlen z ∈ U oder −z ∈ U ist positiv. Also ist die

Teilmenge

{m ∈ N | 0 6= m ∈ U}

der naturlichen Zahlen nicht leer und besitzt wegen des Archimedischen Prinzips

somit ein kleinstes Element, d.h. die Zahl

n := min{z ∈ U | z > 0} ∈ U

existiert.

Wir wollen zeigen, daß U = 〈n〉 gilt. Wegen n ∈ U folgt 〈n〉 ⊆ U unmittelbar aus

der Definition des Erzeugnisses. Sei nun umgekehrt u ∈ U gegeben. Division von u

durch n mit Rest liefert ganze Zahlen q, r ∈ Z mit

u = q · n+ r

und

0 ≤ r < n. (15)

Da sowohl u als auch n Elemente von U sind, folgt

r = u− q · n ∈ U,

und da n die kleinste echt positive Zahl in U ist, bedingt (15), daß r = 0 gilt. Mithin

ist u = q · n ∈ 〈n〉. Damit haben wir U = 〈n〉 gezeigt. �

Bemerkung 1.39 (Division mit Rest)

Zu m,n ∈ Z mit n 6= 0 existieren eindeutig bestimmte Zahlen q, r ∈ Z mit

m = qn+ r und 0 ≤ r < |n|. (16)

Man bezeichnet dabei r auch als den Rest von m modulo n.

Beweis: Seien m,n ∈ Z gegeben mit n 6= 0. Wir wollen zunachst die Existenz von

q und r zeigen und betrachten dazu verschiedene Falle.

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1. Fall: n > 0 und m ≥ 0. Wir fuhren den Beweis mittels Induktion nach m und

betrachten als Induktionsanfang alle m mit 0 ≤ m < n. In diesem Fall konnen

wir q = 0 und r = m wahlen und sind fertig. Fur den Induktionsschluß nehmen

wir nun an, daß m ≥ n gilt und daß fur alle echt kleineren nicht-negativen Zahlen

entsprechende q’s und r’s existieren. Da m ≥ n ist 0 ≤ m − n < m, und nach

Induktionsvoraussetzung existieren q ′, r ′ so daß

m− n = q ′ · n+ r ′ und 0 ≤ r ′ < |n| = n.

Dann gilt (16) mit q = q ′ + 1 und r = r ′.

2. Fall: n ≥ 1 und m < 0. Wir setzen m ′ = −m > 0 und mussen zeigen, daß es

q, r ∈ Z gibt mit

−m ′ = q · n+ r und 0 ≤ r < n. (17)

Wir fuhren den Beweis mittels Induktion nach m ′, wobei wir als Induktionsanfang

diesmal alle 0 < m ′ ≤ n betrachten. In letzterem Fall sind wir fertig mit q = −1

und r = n − m ′ = n + m. Fur den Induktionsschluß konnen wir also annehmen,

daß m ′ > n und daß fur alle kleineren positiven Zahlen m ′ entsprechende q’s und

r’s existieren. Nach Voraussetzung ist also wieder 0 < m ′ − n < m ′, so daß wir aus

der Induktionsvoraussetzung die Existenz von q ′, r ′ ∈ Z erhalten, fur die gilt:

−(m ′ − n) = q ′ · n+ r ′ und 0 ≤ r ′ < n.

Dann erfullen aber q = q ′ − 1 und r = r ′ die Gleichung (17).

3. Fall: n < 0. Wegen der bereits betrachteten Falle und weil −n > 0 gibt es q ′, r ′ ∈Z, so daß

m = q ′ · (−n) + r ′ und 0 ≤ r ′ < |− n| = |n|.

Dann erfullen aber q = −q ′ und r = r ′ die Gleichung (16).

Damit ist die Existenz von q und r gezeigt, und es bleibt, die Eindeutigkeit zu

zeigen. Sei dazu(q ′, r ′

)ein weiteres Zahlenpaar, fur das (16) gilt, so folgt:

x = qy+ r = q ′y+ r ′. (18)

O. E.14 gilt r ′ ≥ r, also 0 ≤ r ≤ r ′ < |y|. Dann folgt aber aus (18)

0 ≤ (q− q ′)y = r ′ − r < |y|.

Da q−q ′ ∈ Z, muß folglich q−q ′ = 0 gelten, also q = q ′ und dann auch r = r ′. �

Aufgabe 1.40

Beweise Lemma 1.32.

14O.E. ist die Abkurzung von ohne Einschrankung und bedeutet, daß man eigentlich zwei oder

mehr Falle betrachten mußte, daß aber alle Falle das gleiche Losungsmuster aufweisen. Deshalb

beschrankt man sich darauf, einen der Falle ausfuhrlich zu zeigen, und uberlaßt es dem Leser, die

ubrigen Falle selbst auszufuhren. Hier ware der 2. Fall r ′ < r, und der Beweis geht exakt gleich,

wenn man in den Formeln r und r ′ sowie q und q ′ austauscht.

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28

Aufgabe 1.41

Zeige, die Menge

U =

{(a −b

b a

) ∣∣∣ a, b ∈ R, (a, b) 6= (0, 0)

}

ist eine Untergruppe von(Gl2(R), ·

).

Aufgabe 1.42

Es sei (G, ·) eine Gruppe, g ∈ G und ∅ 6= U ⊆ G eine endliche Teilmenge von G.

a. Ist {gn | n > 0} endlich, so gibt es ein n > 0 mit gn = eG.

b. Genau dann ist U eine Untergruppe von G, wenn fur alle u, v ∈ U auch

u · v ∈ U.

Aufgabe 1.43

Welche der folgenden Mengen sind Untergruppen von(Sym(R), ◦

)?

a. U = {f ∈ Sym(R) | f(x) < f(y) falls x > y},

b. V = {f ∈ Sym(R) | |f(x)| = |x| fur alle x ∈ R}.

Aufgabe 1.44

Fur zwei reelle Zahlen a, b ∈ R definieren wir die Abbildung

fa,b : R −→ R : x 7→ a · x+ b.

Welche der folgenden Mengen sind Untergruppen von(Sym(R), ◦

)?

a. U = {fa,b | a, b ∈ R, a 6= 0},

b. V = {fa,1 | a ∈ R, a 6= 0}.

Aufgabe 1.45

Sei (G, ·) eine Gruppe. Zeige, daß die Menge

Z(G) := {g ∈ G | g · h = h · g ∀ h ∈ G}

eine Untergruppe von G ist. Sie wird das Zentrum von G genannt.

C) Gruppenhomomorphismen

Immer wenn man eine Struktur auf einer Menge definiert hat, spielen die strukturer-

haltenden Abbildungen eine besondere Rolle. Diese werden (Struktur-)Morphismen

oder (Struktur-)Homomorphismen genannt.

Definition 1.46

Es seien (G, ·) und (H, ∗) zwei Gruppen. Eine Abbildung α : G → H heißt Gruppen-

homomorphismus (oder kurzer Homomorphismus oder nur Morphismus), falls fur

alle g, h ∈ G gilt:

α(g · h) = α(g) ∗ α(h).

Wieder wollen wir uns zunachst Beispiele anschauen.

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29

Beispiel 1.47

a. Ist (G, ·) eine Gruppe und U ≤ G eine Untergruppe, dann ist die kanonische

Inklusion iU : U → G ein Gruppenhomomorphismus, da fur g, h ∈ U gilt

iU(g · h) = g · h = iU(g) · iU(h).b. Sei a ∈ R und ma : (R,+) → (R,+) : g 7→ ag die Multiplikation mit a, dann

ist ma ein Gruppenhomomorphismus, da fur g, h ∈ R gilt

ma(g+ h) = a(g+ h) = ag+ ah = ma(g) +ma(h).

c. Ist (G, ·) eine Gruppe und g ∈ G, so hat man Abbildungen

Rg : G → G : h 7→ hg (die “Rechtstranslation”)

und

Lg : G → G : h 7→ gh (die “Linkstranslation”)

Fur g 6= e gilt jedoch wegen der Kurzungsregel

Lg(g · g) = g3 6= g4 = Lg(g) · Lg(g)

und entsprechend fur Rg. Also sind Lg und Rg fur g 6= e keine Gruppenhomo-

morphismen. Man sieht leicht, daß Lg und Rg bijektive Abbildungen sind, mit

Inverser Lg−1 bzw. Rg−1 .

d. Ist (G, ·) eine Gruppe und g ∈ G, so definiert man

ig : G → G : h 7→ ghg−1 =: hg.

ig heißt innerer Automorphismus oder Konjugation mit g.

Behauptung: Die Konjugation ist ein bijektiver Gruppenhomomorphismus.

Fur h, k ∈ G gilt:

ig(hk) =g(hk)g−1 = g(hek

)g−1 = g

(h(g−1g

)k)g−1

=(ghg−1

)(gkg−1

)= ig(h) · ig(k),

also ist ig ein Gruppenhomomorphismus. Außerdem gilt fur ein beliebiges h ∈G:

(ig ◦ ig−1)(h) = g(g−1h

(g−1)−1)g−1 =

(gg−1

)h(gg−1

)= ehe = h = idG(h),

also ist ig ◦ ig−1 = idG. Analog sieht man ig−1 ◦ ig = idG, und folglich ist ig

bijektiv mit Inverser ig−1 nach Lemma B.20.

Mit der Notation aus obigem Beispiel ist offenbar ig = Rg ◦ Lg−1 . Die Komposition

zweier Nicht-Homomorphismen kann also durchaus ein Homomorphismus sein. Das

folgende Lemma sagt, daß umgekehrt die Komposition zweier Homomorphismen

stets wieder ein Homomorphismus ist.

Lemma 1.48

Sind α1 : (G1, ·) → (G2, ∗) und α2 : (G2, ∗) → (G3,×) Gruppenhomomorphismen,

so ist auch α2 ◦ α1 : (G1, ·) → (G3,×) ein Gruppenhomomorphismus.

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Beweis: Seien g, h ∈ G1, dann gilt:

(α2 ◦ α1)(g · h) = α2

(α1(g · h)

)= α2

(α1(g) ∗ α1(h)

)= α2

(α1(g)

)× α2

(α1(h)

)

= (α2 ◦ α1)(g)× (α2 ◦ α1)(h).

Definition 1.49

Sei α : (G, ·) → (H, ∗) ein Gruppenhomomorphismus.

a. Wir nennen α einen Monomorphismus , falls α injektiv ist.

b. Wir nennen α einen Epimorphismus , falls α surjektiv ist.

c. Wir nennen α einen Isomorphismus , falls α bijektiv ist.

d. Wir nennen α einen Endomorphismus , falls (G, ·) = (H, ∗).e. Wir nennen α einen Automorphismus , falls α ein bijektiver Endomorphismus

ist.

f. Wir nennen die Gruppen (G, ·) und (H, ∗) isomorph, wenn es einen Isomor-

phismus α : G → H gibt. Wir schreiben dann kurz G ∼= H.

Beispiel 1.50

a. In Beispiel 1.47 ist ma ein Endomorphismus. Zudem ist ma ein Automorphis-

mus mit Inverser m 1agenau dann wenn a 6= 0.

b. Ist (G, ·) eine Gruppe und g ∈ G, dann ist die Konjugation ig mit g nach

Beispiel 1.47 ein Automorphismus mit Inverser ig−1 .

c. Die Abbildung det :(Gl2(R), ·

)−→ (R \ {0}, ·) aus Aufgabe 1.21 ist ein

Epimorphismus.

Der Umstand, daß die Gruppenhomomorphismen die Gruppenstruktur erhalten, hat

einige einfache, aber ungemein wichtige Auswirkungen.

Proposition 1.51

Es sei α : (G, ·) → (H, ∗) ein Gruppenhomomorphismus. Dann gelten:

a. α(eG) = eH.

b. α(g−1)=(α(g)

)−1fur g ∈ G.

c. α(gn)=(α(g)

)nfur g ∈ G und n ∈ Z.

d. Ist α bijektiv, so ist α−1 : H → G ein Gruppenhomomorphismus.

e. Ist U ≤ G, dann ist α(U) ≤ H. α(U) heißt das Bild von U unter α.

f. Ist V ≤ H, dann ist α−1(V) ≤ G. α−1(V) heißt das Urbild von V unter α.

g. Im(α) := α(G), das Bild von α, ist eine Untergruppe von H.

h. Ker(α) := α−1(eH), der Kern von α, ist eine Untergruppe von G.

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Beweis: a. Es gilt

eH ∗ α(eG) = α(eG) = α(eG · eG) = α(eG) ∗ α(eG).

Mit Hilfe der Kurzungsregel 1.6 folgt dann eH = α(eG).

b. Fur g ∈ G gilt:

α(g−1)∗ α(g) = α

(g−1 · g

)= α(eG) = eH.

Wegen der Eindeutigkeit der Inversen in H folgt die Behauptung.

c. Es sei g ∈ G und n ∈ Z. Den Fall n ≥ 0 beweisen wir mit Hilfe von Induktion

nach n. Ist n = 0, so folgt die Behauptung aus a., und ist n > 0, so gilt nach

Definition und mittels Induktion nach n

α(gn) = α(gn−1 · g) = α(gn−1) · α(g) Ind.= α(g)n−1 · α(g) = α(g)n. (19)

Ist nun n < 0, so ist −n > 0 und es gilt wegen der Potzenzgesetze

α(gn) = α((g−1)−n

) (19)= α

(g−1)−n b.

=(α(g)−1

)−n= α(g)n.

d. Ist α : G → H bijektiv, so existiert die Umkehrabbildung α−1 : H → G. Seien

u, v ∈ H. Setze g := α−1(u) und h := α−1(v), also u = α(g) und v = α(h).

Dann gilt:

α−1(u ∗ v) = α−1(α(g) ∗ α(h)

)= α−1

(α(g · h)

)= g · h = α−1(u) · α−1(v).

Also ist α−1 ein Gruppenhomomorphismus.

e. Sind u, v ∈ α(U), dann existieren g, h ∈ U mit α(g) = u und α(h) = v. Da

g · h ∈ U, gilt:

u ∗ v = α(g) ∗ α(h) = α(g · h) ∈ α(U).

Außerdem gilt g−1 ∈ U und somit:

u−1 =(α(g)

)−1= α

(g−1)∈ α(U).

Da zudem α(eG) ∈ α(U), also α(U) 6= ∅, folgt mit Proposition 1.28, daß α(U)

eine Untergruppe von H ist.

f. Seien g, h ∈ α−1(V), so gilt α(g ·h) = α(g)∗α(h) ∈ V , da V eine Untergruppe

ist. Also gilt g ·h ∈ α−1(V). Außerdem gilt α(g−1)=(α(g)

)−1 ∈ V , wieder da

V eine Untergruppe ist. Somit liegt auch g−1 in α−1(V). Da das Urbild von V

unter α ferner nicht leer ist, weil wegen α(eG) = eH ∈ V gilt, daß eG ∈ α−1(V),

folgt wieder mit Proposition 1.28, daß α−1(V) eine Untergruppe von G ist.

g. Dies folgt aus e., da G eine Untergruppe von G ist.

h. Dies folgt aus f., da {eH} eine Untergruppe von H ist.

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32

Nach Definition muß man fur die Injektivitat einer Abbildung nachprufen, daß je-

des Element im Bild nur ein Urbild hat. Bei Gruppenhomomorphismen gibt es ein

einfacheres Kriterium.

Lemma 1.52

Ein Gruppenhomomorphismus α : (G, ·) → (H, ∗) ist genau dann injektiv, wenn

Ker(α) = {eG}.

Beweis: Ist α injektiv, so ist α−1(eH) hochstens einelementig, und wegen α(eG) =

eH gilt dann Ker(α) = α−1(eH) = {eG}.

Gilt umgekehrt Ker(α) = {eG}, und sind g, h ∈ G mit α(g) = α(h), so folgt wegen:

eH = α(g) ∗(α(h)

)−1= α(g) ∗ α

(h−1)= α

(g · h−1

),

daß g · h−1 = eG, also g = h. Somit ist α injektiv. �

Aufgabe 1.53

Betrachte die Gruppe (G, ·) aus Aufgabe 1.18 b. und die Gruppe (U, ·) aus Aufgabe1.41. Zeige, die Abbildung

α : G −→ U : (a, b) 7→(

a −b

b a

)

ist ein Gruppenisomorphismus.

Aufgabe 1.54

Wir betrachten die Gruppe U = {fa,b : R −→ R : x 7→ ax+ b | a, b ∈ R, a 6= 0} aus

Aufgabe 1.44, wobei die Gruppenoperation die Verknupfung von Abbildungen ist,

sowie die Gruppe (R \ {0}, ·). Zeige, daß die Abbildung

α : U −→ R \ {0} : fa,b 7→ a

ein Gruppenhomomorphismus ist.

Aufgabe 1.55

Es sei (G, ·) eine Gruppe und g ∈ G. Zeige:

a. Die Abbildung

α : Z −→ G : n 7→ gn

ist ein Gruppenhomomorphismus mit Bild Im(α) = 〈g〉.b. α ist genau dann injektiv, wenn gk 6= gl fur alle k, l ∈ Z mit k 6= l.

c. Gibt es ganze Zahlen k 6= l mit gk = gl, so existiert die Zahl

n = min{m ∈ N | m > 0, gm = eG}

und es gelten:

(i) Ker(α) = {m ∈ Z | gm = e} = nZ,

(ii) 〈g〉 = {eG, g, g2, . . . , gn−1}, und

(iii) |〈g〉| = n.

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33

Aufgabe 1.56

Es sei (G, ·) eine Gruppe und h, k ∈ G fest gegeben. Prufe, welche Bedingungen fur

h und k gelten mussen, damit die folgenden Abbildungen Gruppenhomomorphismen

sind:

a. α : G → G : g 7→ h · g,b. α : G → G : g 7→ h · g · h,c. β : G → G : g 7→ h−1 · g · k,

Aufgabe 1.57

Es sei (G, ·) eine Gruppe. Zeige, α : G −→ G : g 7→ g2 ist genau dann ein Gruppen-

homomorphismus, wenn G abelsch ist.

Aufgabe 1.58

Es sei (G, ·) eine Gruppe. Zeige, inv : G −→ G : g 7→ g−1 ist genau dann ein

Gruppenhomomorphismus, wenn G abelsch ist.

Aufgabe 1.59

Es sei α : (G, ·) −→ (H, ∗) ein Gruppenhomomorphismus, g ∈ G und g ′ ∈ Ker(α).

Zeige, dann gilt g−1 · g ′ · g ∈ Ker(α).

Aufgabe 1.60

Es sei (G, ·) eine Gruppe und g ∈ G.

a. Die Abbildung Lg : G −→ G : h 7→ g · h ist bijektiv.

b. Die Abbildung α : G −→ Sym(G) : g 7→ Lg ist ein Monomorphismus.

Anmerkung: Man nennt die Aussage in Teil b. auch den Satz von Cayley. Er besagt letztlich, daß jede

Gruppe isomorph zu einer Untergruppe einer symmetrischen Gruppe ist.

Es ist ein wichtiges Prinzip, daß ein Monomorphismus alle guten Eigenschaften einer

Gruppe bzw. ihrer Elemente erhalt. Die Ordnung eines Elementes ist ein Beispiel

fur dieses Prinzip.

Aufgabe 1.61

Es sei α : (G, ·) −→ (H, ∗) ein Gruppenhomomorphismus und g ∈ G. Wir nennen

die Machtigkeit des Erzeugnisses von g die Ordnung von g und bezeichnen sie mit

o(g) := |〈g〉|. Zeige:

a. Ist o(g) < ∞, so ist o(g) ein Vielfaches von o(α(g)

).

b. Zeige, α ist genau dann injektiv, wenn o(g) = o(α(g)

)fur alle g ∈ G gilt.

Aufgabe 1.62

Da (R,+) eine Gruppe ist, ist nach Aufgabe 1.17 auch (R2,+) mit der komponen-

tenweisen Addition eine Gruppe. Zeige, daß folgende Abbildung

α : R2 −→ R : (x, y) 7→ 2x+ 3y

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ein Gruppenhomomorphismus ist. Bestimme das Bild und den Kern von α. Ist α

injektiv / surjektiv?

Aufgabe 1.63

Da (R \ {0}, ·) und (R,+) Gruppen sind, ist nach Aufgabe 1.17 auch die Menge

G = (R \ {0})×R mit der Operation

(r, s) ∗ (r ′, s ′) := (r · r ′, s+ s ′)

eine Gruppe. Zudem wissen wir, daß die komplexen Zahlen (C \ {0}, ·) ohne die Nullbezuglich der Multiplikation eine Gruppe sind. Zeige, daß die Abbildung

α : G −→ C \ {0} : (r, s) 7→ r · exp(s · π · i)ein Gruppenhomomorphismus ist. Bestimme das Bild und den Kern von α. Ist α

injektiv / surjektiv? Dabei ist π die Kreiszahl und i die imaginare Einheit.

Aufgabe 1.64

Bestimme alle Gruppenhomomorphismen von (Z,+) nach (R,+).

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2 Aquivalenzrelationen

Aquivalenzrelationen stellen ein sehr wichtiges Ordnungs- und Konstruktionsprinzip

innerhalb der Mathematik dar, das wir im Verlauf der Vorlesung an einigen zentra-

len Stellen benotigen. Wir wollen deshalb die Betrachtung von Gruppen fur einen

Augenblick zuruckstellen und uns diesem zentralen Begriff widmen.

Unter einer Relation auf einer Menge M versteht man in der Mathematik einfach

eine Teilmenge R des kartesischen Produktes M×M, und die Grundidee dabei ist,

daß (x, y) ∈ R bedeutet, daß x in irgendeiner Weise, die noch mit Leben zu fullen

ware, mit y in Relation steht. Bei geeigneter Betrachtung sind Abbildungen nur

Spezialfalle von Relationen (siehe Definition B.5). Ein typischeres Beispiel sind aber

sicher die Ordnungsrelationen, bei denen x in Relation zu y steht, wenn x kleiner oder

gleich y ist (siehe Definition B.23). Ordnungsrelationen bereiten in der Regel keine

großen begrifflichen Schwierigkeiten. Wohl auch deshalb, da im taglichen Leben alles

mogliche verglichen wird - seien es Großen, Entfernungen oder Geschwindigkeiten.

Bei dem folgenden Begriff der Aquivalenzrelation ist das ganz anders. Er bereitet

den Studenten oft extreme Schwierigkeiten. Dabei liegt auch ihm ein ganz einfaches

Prinzip zugrunde, das wir zunachst an einem Beispiel erlautern wollen.

Die Gesamtheit aller Schuler einer Schule werden von der Schulleitung zwecks sinn-

voller Organisation des Unterrichts in Schulklassen eingeteilt. Dabei achtet die Schul-

leitung darauf, daß jeder Schuler zu einer Schulklasse gehort und auch nur zu dieser

einen. Etwas mathematischer ausgedruckt, die Schulleitung teilt die Menge S der

Schuler in paarweise disjunkte Teilmengen Ki, i = 1, . . . , k, ein, so daß wir anschlie-

ßend eine disjunkte Zerlegung (siehe Definition 2.6)

S =

k·⋃

i=1

Ki

der Menge S in die Schulklassen K1, . . . , Kk haben. Dabei kann man fur die Zu-

gehorigkeit der Schuler Alfred, Ben und Christoph zu einer Schulklasse folgendes

feststellen:

1) Alfred gehort zu einer Schulklasse.

2) Wenn Alfred in der gleichen Schulklasse ist wie Ben, dann ist Ben auch in der

gleichen Schulklasse wie Alfred.

3) Wenn Alfred in der gleichen Schulklasse ist wie Ben und wenn zugleich Ben in

der gleichen Schulklasse ist wie Christoph, dann ist auch Alfred in der gleichen

Schulklasse wie Christoph.

Diese Aussagen sind so offensichtlich, daß man kaum glauben mag, daß es einen

tieferen Sinn hat, sie zu erwahnen. Aber nehmen wir fur einen Augenblick an, die

Schulleitung hat ihre Einteilung der Schuler vorgenommen und fur jede Schulklasse

eine Liste mit den Namen der Schuler erstellt, die zu dieser Schulklasse gehoren

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sollen. Nehmen wir ferner an, die Schulleitung hat noch nicht uberpruft, ob jeder

Schuler in genau einer Schulklasse eingeteilt ist. Dann behaupte ich, wenn man in den

drei Aussagen 1)-3) die Schuler Alfred, Ben und Christoph durch beliebige Schuler

ersetzt und die Aussagen richtig sind fur jede Kombination der Schulernamen, dann

ist sichergestellt, daß auch jeder Schuler in genau einer Schulklasse eingeteilt ist.

Als Mathematiker suchen wir nach moglichst einfachen Regeln, denen die Einteilung

der Schulklassen genugen muß, um sicherzustellen, daß sie wirklich eine disjunkte

Zerlegung von S ist, d.h. daß wirklich jeder Schuler in genau einer Schulklasse ist,

und die Regeln 1)-3) sind genau die Regeln, die wir dazu brauchen. Wenn wir nun

die Zugehorigkeit zweier Schuler x und y zur gleichen Klasse verstehen als “x steht

in Relation zu y”, dann definieren uns die drei Regeln 1)-3) zudem eine Teilmenge

von S× S, namlich die Teilmenge

R = {(x, y) ∈ S× S | x ist in der gleichen Schulklasse wie y}.

Die Regeln 1)-3) lassen sich fur Schuler x, y, z ∈ S dann wie folgt formulieren:

• (x, x) ∈ R.

• Wenn (x, y) ∈ R, dann ist auch (y, x) ∈ R.

• Wenn (x, y) ∈ R und (y, z) ∈ R, dann ist auch (x, z) ∈ R.

Eine solche Relation nennt man eine Aquivalenzrelation, man nennt Schuler der

gleichen Schulklasse aquivalent und die Schulklassen nennt man dann auch Aquiva-

lenzklassen.

Naturlich fuhren wir den Begriff der Aquivalenzrelation nun fur beliebige Mengen

ein, und wir werden ihn im Folgenden immer wieder verwenden, um eine gegebene

Menge in paarweise disjunkte Aquivalenzklassen zu zerlegen. Unser Ziel wird es

dann sein, mit diesen neuen Einheiten weiterzuarbeiten, anstatt mit deren einzelnen

Elementen.

Definition 2.1

Es sei M eine Menge. Eine Aquivalenzrelation auf M ist eine Teilmenge R ⊆ M×M,

so daß fur alle x, y, z ∈ M gilt:

R1: (x, x) ∈ R, (“Reflexivitat”)

R2: (x, y) ∈ R ⇒ (y, x) ∈ R, (“Symmetrie”)

R3: (x, y), (y, z) ∈ R ⇒ (x, z) ∈ R. (“Transitivitat”)

Bei Aquivalenzrelationen hat sich (ahnlich wie bei Ordnungsrelationen und Abbil-

dungen) eine alternative Schreibweise zu (x, y) ∈ R durchgesetzt, die auch wir im

folgenden verwenden wollen.

Notation 2.2

Sei M eine Menge und R eine Aquivalenzrelation auf M. Wir definieren fur x, y ∈ M

x ∼ y :⇐⇒ (x, y) ∈ R,

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und wir sprechen dann meist von der Aquivalenzrelation “∼” statt R, sofern keine

Mißverstandnisse zu befurchten sind.

Mit dieser Schreibweise lassen sich die drei Axiome in Definition 2.1 wie folgt for-

mulieren. Fur x, y, z ∈ M soll gelten:

R1: x ∼ x, (“Reflexivitat”)

R2: x ∼ y ⇒ y ∼ x, (“Symmetrie”)

R3: x ∼ y, y ∼ z ⇒ x ∼ z. (“Transitivitat”)

Definition 2.3

Es sei M eine Menge und ∼ eine Aquivalenzrelation auf M. Fur x ∈ M heißt die

Menge

x := {y ∈ M | y ∼ x}

die Aquivalenzklasse von x. Jedes y ∈ x heißt ein Reprasentant der Klasse x. Mit

M/ ∼ :={x | x ∈ M

}

bezeichnen wir die Menge der Aquivalenzklassen modulo der Aquivalenzrelation ∼.

Beispiel 2.4

Wir betrachten die Menge M = R2 der Punkte in der reellen Zahlenebene und

wir bezeichnen mit |P| den Abstand von P zum Ursprung (0, 0). Fur zwei Punkte

P,Q ∈ M definieren wir

P ∼ Q ⇐⇒ |P| = |Q|,

d.h. wir nennen die Punkte aquivalent, falls ihr Abstand zum Ursprung gleich ist.

Dann ist ∼ eine Aquivalenzrelation.

R1: Sei P ∈ M, dann ist |P| = |P|, also P ∼ P.

R2: Falls P,Q ∈ M mit P ∼ Q, dann ist |P| = |Q| und somit auch |Q| = |P|.

Damit gilt aber Q ∼ P.

R3: Falls P,Q, R ∈ M mit P ∼ Q und Q ∼ R, dann gilt |P| = |Q| und |Q| = |R|.

Aber damit gilt auch |P| = |R| und somit P ∼ R.

Die Aquivalenzklasse

P = {Q ∈ M | |Q| = |P|}

von P ∈ M ist der Kreis um den Ursprung vom Radius |P|.

Ein Beispiel aus dem Alltag fur eine Aquivalenzrelation haben wir oben bereits gese-

hen. Ein weiteres wichtiges und wohlbekanntes Beispiel sind die rationalen Zahlen!

Ein Bruch ist nichts weiter als die Aquivalenzklasse eines Tupels von ganzen Zahlen,

und das Kurzen des Bruches, z.B. 12= 2

4, ist nur die Wahl eines moglichst einfachen

Reprasentanten.

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Beispiel 2.5

Man kann die rationalen Zahlen wie folgt als Aquivalenzklassen von Paaren ganzer

Zahlen definieren. Fur (p, q), (p ′, q ′) ∈ M := Z×(Z \ {0}

)definiere

(p, q) ∼ (p ′, q ′) :⇐⇒ pq ′ = p ′q.

Wir wollen nun zeigen, daß hierdurch wirklich eine Aquivalenzrelation auf M defi-

niert wird. Seien dazu x = (p, q), x ′ = (p ′, q ′), x ′′ = (p ′′, q ′′) ∈ M gegeben:15

R1: Fur die Reflexivitat mussen wir x ∼ x zeigen. Nun gilt aber pq = pq,

woraus x = (p, q) ∼ (p, q) = x folgt.

R2: Fur die Symmetrie nehmen wir an, daß x ∼ x ′ gilt und mussen x ′ ∼ x

folgern. Wegen x ∼ x ′ gilt aber nach Definition pq ′ = p ′q, und folglich auch

p ′q = pq ′. Letzteres bedeutet aber, daß x ′ = (p ′, q ′) ∼ (p, q) = x.

R3: Fur die Transitivitat nehmen wir schließlich an, daß x ∼ x ′ und x ′ ∼ x ′′

gilt, und mussen daraus schließen, daß x ∼ x ′′. Wegen x ∼ x ′ gilt nun aber

pq ′ = p ′q, und wegen x ′ ∼ x ′′ gilt p ′q ′′ = p ′′q ′. Multiplizieren wir die erste

der Gleichungen mit q ′′ und die zweite mit q, so erhalten wir

pq ′q ′′ = p ′qq ′′ = p ′q ′′q = p ′′q ′q.

Da nach Voraussetzung q ′ 6= 0, konnen wir beide Seiten der Gleichung durch

q ′ teilen und erhalten:

pq ′′ = p ′′q.

Das wiederum bedeutet, daß x = (p, q) ∼ (p ′′, q ′′) = x ′′ gilt.

Die drei Axiome einer Aquivalenzrelation sind also erfullt.

Wir setzen nun Q := M/ ∼ und fur (p, q) ∈ M setzen wir pq:= (p, q), d. h. die

rationale Zahl pqist die Aquivalenzklasse des Paares (p, q) unter der obigen Aqui-

valenzrelation. Dann bedeutet die Definition von ∼ soviel wie, daß pqund p ′

q ′gleich

sind, wenn die kreuzweisen Produkte von Zahler und Nenner, pq ′ und p ′q, uberein-

stimmen, oder in der vielleicht etwas bekannteren Formulierung, wenn die Bruche

nach Erweitern mit q ′ bzw. mit q ubereinstimmen: pq= pq ′

qq ′

!= p ′q

q ′q= p ′

q ′.

Auch die Rechenregeln fur rationale Zahlen lassen sich mit Hilfe der Aquivalenzklas-

sen definieren. Fur (p, q), (r, s) ∈ M definiere:

(p, q) + (r, s) := (ps+ qr, qs),

(p, q) · (r, s) := (pr, qs).

In Anlehnung an unser erstes Beispiel, der Einteilung der Schuler in Schulklassen,

kann man das obige Rechenprinzip als “Rechnen mit Klassen” bezeichnen. Will man

15Man sollte sich nicht dadurch verwirren lassen, daß die Elemente von M nun selbst schon

Zahlenpaare sind! Wollte man die Relation als Teilmenge von M×M schreiben, so mußte man

R ={(

(p, q), (p ′, q ′))∈ M×M

∣∣ pq ′ = p ′q}

betrachten. Das erlautert vielleicht auch, weshalb wir die alternative Schreibeweise bevorzugen –

solche Paare von Paaren werden doch leicht unubersichtlich.

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zwei Klassen addieren (bzw. multiplizieren), so nimmt man aus jeder der Klasse ein

Element, addiert (bzw. multipliziert) diese Elemente und schaut, in welche Klasse

das Resultat gehort. Diese Klasse ist dann die Summe (bzw. das Produkt) der beiden

Klassen.

Was man sich bei diesem Vorgehen allerdings klar machen muß, ist, daß das Ergebnis

nicht von der Wahl der Reprasentanten (d.h. der Elemente aus den Klassen) abhangt.

Man spricht davon, daß die Operation wohldefiniert ist (vgl. Fußnote 26 auf Seite

70). Wir fuhren das fur die Addition der rationalen Zahlen vor.

Sind (p ′, q ′) ∈ (p, q) und (r ′, s ′) ∈ (r, s) andere Reprasentanten, dann gilt p ′q =

q ′p und r ′s = s ′r. Es ist zu zeigen, daß (p ′s ′ + q ′r ′, q ′s ′) ∈ (ps+ qr, qs) gilt.

Ausmultiplizieren liefert

(p ′s ′ + q ′r ′)(qs) = p ′qs ′s+ q ′qr ′s = q ′ps ′s+ q ′qs ′r = (ps+ qr)(q ′s ′),

was zu zeigen war. ✷

Wir haben anfangs behauptet, daß die drei Axiome einer Aquivalenzrelation si-

cherstellen, daß die zugehorigen Aquivalenzklassen eine disjunkte Zerlegung von M

induzieren, und umgekehrt, daß jede disjunkte Zerlegung eine Aquivalenzrelation

mit sich bringt. Dies wollen wir im Folgenden beweisen. Dazu sollten wir zunachst

den Begriff disjunkt klaren.

Definition 2.6

a. Zwei Mengen M und N heißen disjunkt , falls M ∩N = ∅.b. Eine Familie (Mi)i∈I von Mengen heißt paarweise disjunkt , wenn Mi und Mj

fur alle i, j ∈ I mit i 6= j disjunkt sind.

c. Es seiM eine Menge. Eine paarweise disjunkte Familie (Mi)i∈I von Teilmengen

vonM heißt eine disjunkte Zerlegung vonM, fallsM =⋃

i∈I Mi. Wir schreiben

in diesem Fall:

M =·⋃

i∈I

Mi.

Proposition 2.7

Ist (Mi)i∈I eine disjunkte Zerlegeung von M und definieren wir eine Relation auf M

durch

x ∼ y ⇐⇒ ∃ i ∈ I : x, y ∈ Mi,

dann ist ∼ eine Aquivalenzrelation auf M.

Beweis: Ist x ∈ M = ·⋃i∈I Mi, so gibt es ein i ∈ I mit x ∈ Mi und somit gilt x ∼ x.

∼ ist also reflexiv.

Sind x, y ∈ M mit x ∼ y, so gibt es ein i ∈ I mit x, y ∈ Mi. Dann gilt aber auch

y ∼ x. Die Relation ist also symmetrisch.

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Sind x, y, z ∈ M mit x ∼ y und y ∼ z, so gibt es i, j ∈ I mit x, y ∈ Mi und y, z ∈ Mj.

Da die Zerlegung disjunkt ist und y ∈ Mi ∩Mj, folgt Mi = Mj. Also gilt x, z ∈ Mi

und somit x ∼ z. ∼ ist also auch transitiv. �

Proposition 2.8

Es sei M eine Menge. Ist ∼ eine Aquivalenzrelation auf M, dann bilden die Aquiva-

lenzklassen eine disjunkte Zerlegung von M, d. h. jedes x ∈ M liegt in genau einer

Aquivalenzklasse.

Insbesondere gilt fur je zwei Aquivalenzklassen x und y entweder x = y oder x∩y =

∅.

Beweis: Sei x ∈ M beliebig. Aus x ∼ x folgt x ∈ x ⊆ ⋃y∈M/∼ y. Mithin gilt

M =⋃

y∈M/∼

y.

Es bleibt also zu zeigen, daß die Aquivalenzklassen paarweise disjunkt sind.

Seien x, y ∈ M/ ∼ mit x ∩ y 6= ∅. Dann gibt es ein z ∈ x ∩ y, und es gilt z ∼ x und

z ∼ y. Wegen der Symmetrie gilt aber auch x ∼ z und mittels der Transitivitat dann

x ∼ y. Sei nun u ∈ x beliebig, dann gilt u ∼ x und wieder wegen der Transitivitat

u ∼ y. Also u ∈ y und damit x ⊆ y. Vertauschung der Rollen von x und y in der

Argumentation liefert schließlich x = y. �

Korollar 2.9

Sei M eine endliche Menge, ∼ eine Aquivalenzrelation auf M und M1, . . . ,Ms seien

die paarweise verschiedenen Aquivalenzklassen von ∼. Dann gilt:

|M| =

s∑

i=1

|Mi|.

Beweis: MitM sind auch alleMi endlich und die Behauptung folgt aus Proposition

2.8. �

Aufgabe 2.10

Es sei M = {(an)n∈N | an ∈ Q} die Menge aller Folgen rationaler Zahlen. Zeige, daß

durch

(an)n∈N ∼ (bn)n∈N :⇐⇒ limn→∞

(an − bn) = 0

eine Aquivalenzrelation auf M definiert wird.

Aufgabe 2.11

Wir definieren fur zwei Punkte (x, y), (x ′, y ′) ∈ R2

(x, y) ∼ (x ′, y ′) :⇐⇒ |x|+ |y| = |x ′|+ |y ′|.

Zeige, ∼ ist eine Aquivalenzrelation auf R2. Zeichne die Aquivalenzklassen zu (1, 1)

und zu (−2, 3) in die Zahlenebene R2 ein.

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Aufgabe 2.12 (Die projektive Gerade)

Wir definieren fur v = (v1, v2), w = (w1, w2) ∈ R2 \ {(0, 0)}

v ∼ w ⇐⇒ ∃ λ ∈ R \ {0} : v = λ ·w

wobei λ ·w := (λ ·w1, λ ·w2).

a. Zeige, daß ∼ eine Aquivalenzrelation auf M = R2 \ {(0, 0)} ist. Es ist ublich

die Aquivalenzklasse (v1, v2) von (v1, v2) mit (v1 : v2) zu bezeichnen, und man

nennt die Menge M/ ∼ der Aquivalenzklassen die projektive Gerade uber R

und bezeichnet sie mit P1R.

b. Wir definieren auf P1Reine zweistellige Operation durch

(v1 : v2) · (w1 : w2) := (v1 ·w1 − v2 ·w2 : v1 ·w2 + v2 ·w1).

Zeige, daß diese Operation wohldefiniert ist, d.h. nicht von der Wahl der Re-

prasentanten fur die Aquivalenzklasse abhangt, und daß P1Rmit dieser Ope-

ration eine Gruppe ist. (Man darf hierbei die Ergebnisse, die im Beweis von

Aufgabe 1.18 b. erzielt wurden verwenden.)

c. Ist (G, ·) die Gruppe aus Aufgabe 1.18 b., so zeige man, daß die Abbildung

α : G −→ P1R : (a, b) 7→ (a : b)

ein Gruppenepimorphismus mit Kern Ker(α) = (R \ {0})× {0} ist.

d. Die Menge S1 = {(x, y) ∈ R2 | x2 + y2 = 1} ist Kreis vom Radius Eins um den

Mittelpunkt (0, 0). Zeige, daß die Abbilung

Φ : S1 −→ P1R : (x, y) 7→ (x, y)

surjektiv ist.

e. Wenn wir in der Definition von ∼ alle Elemente v,w ∈ R2 zulassen, definiert

∼ dann eine Aquivalenzrelation auf R2? Falls ja, was ist die Aquivalenzklasse

von (0, 0)?

Aufgabe 2.13 (Die ganzen Zahlen)

Es sei M = N×N und m = (a, b) ∈ M und m ′ = (a ′, b ′) ∈ M seien zwei Elemente

in M. Wir definieren

m ∼ m ′ ⇐⇒ a+ b ′ = a ′ + b.

Zeige, daß ∼ eine Aquivalenzrelation definiert und daß die Abbildung

Φ : Z −→ M/ ∼: z 7→{

(z, 0), falls z ≥ 0,

(0,−z), falls z < 0

bijektiv ist.

Aufgabe 2.14

Es sei M eine Menge und σ ∈ Sym(M) eine bijektive Selbstabbildung.

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a. Durch

a ∼ b ⇐⇒ ∃ m ∈ Z : b = σm(a)

fur a, b ∈ M wird eine Aquivalenzrelation auf der Menge M definiert.

b. Es sei a fur a ∈ M eine endliche Aquivalenzklasse bezuglich ∼ der Machtigkeit

|a| = n < ∞. Dann gelten die folgenden Aussagen:

(i) Das Minimum k = min{l > 0 | σl(a) = a} existiert.

(ii) Fur q ∈ Z ist σq·k(a) = a.

(iii) a ={a, σ(a), . . . , σk−1(a)

}.

(iv) a enthalt genau k Elemente.

c. Es sei M = {1, . . . , 7} und σ ∈ Sym(M) = S7 sei durch folgende Wertetabelle

gegeben:

a 1 2 3 4 5 6 7

σ(a) 3 4 1 7 2 6 5

Was sind die Aquivalenzklassen bezuglich obiger Aquivalenzrelation?

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43

3 Die symmetrische Gruppe

Die symmetrische Gruppe Sym(M) der bijektiven Selbstabbildungen einer Menge

M ist in gewissem Sinn die Urmutter aller Gruppen, da jede Gruppe isomorph zu

einer Untergruppe von Sym(M) fur ein geeignetes M ist.16 Fur eine beliebige Menge

M ist Sym(M) allerdings wenig nutzlich, da man außer der Definition kaum etwas

uber sie aussagen kann.

Fur eine endliche Menge M ist das ganz anders. Zunachst einmal ist es egal, ob

wir Sym({m1, . . . ,mn}

), fur eine beliebige n-elementige Menge M = {m1, . . . ,mn},

betrachten oder Sn = Sym({1, . . . , n}

). Die beiden Gruppen sind isomorph, und

zwar so offensichtlich, daß wir keinen Unterschied machen - wir identifizieren sie. Sn

ist fur praktische Anwendungen sehr wichtig. In den Grundlagen der Mathematik

wird die Gruppe Sn vor allem im Zusammenhang mit Determinanten benotigen.

Da die Menge {1, . . . , n} endlich ist, konnen wir die Abbildungsvorschrift einer Per-

mutation σ ∈ Sn leicht durch eine Art Wertetabelle angeben. Als solche sollte man

das zweizeilige Schema in der folgenden Definition auffassen. Aus dem Schema ist

unmittelbar der Definitionsbereich und der Wertebereich der Permutation ablesbar,

so daß wir darauf verzichten konnen, diesen gesondert anzugeben. D.h. σ ist als

Abbildung eindeutig durch dieses Schema bestimmt.

Definition 3.1

Ist σ ∈ Sn eine Permutation der Menge {1, . . . , n}, so konnen wir σ durch das

folgende zweizeilige Schema beschreiben:

(1 2 . . . n

σ(1) σ(2) . . . σ(n)

)

bzw. (a1 a2 . . . an

σ(a1) σ(a2) . . . σ(an)

),

falls a1, . . . , an irgendeine Anordnung der Zahlen 1, . . . , n ist.

Beispiel 3.2

Die Gruppe Sn ist fur n ≥ 3 nicht abelsch, denn fur die Permutationen

(1 2 3

2 1 3

),

(1 2 3

2 3 1

)∈ S3

gilt

(1 2 3

2 1 3

)◦(

1 2 3

2 3 1

)=

(1 2 3

1 3 2

)6=(

1 2 3

3 2 1

)=

(1 2 3

2 3 1

)◦(

1 2 3

2 1 3

).

16Dies ist die Aussage des Satzes von Cayley. Vergleiche dazu Aufgabe 1.60.

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44

Beachte, daß es bei dem Schema nicht darauf ankommt, in welcher Reihenfolge die

Zahlen von 1 bis n in der ersten Zeile stehen. Es gilt etwa:(

1 2 3

2 1 3

)=

(2 1 3

1 2 3

).

Es empfiehlt sich aber der Ubersichtlichkeit halber fur gewohnlich, die Ziffern in

aufsteigender Reihenfolge anzuordnen.

Bemerkung 3.3

Die oben eingefuhrte Darstellung einer Permutation hat den angenehmen Nebenef-

fekt, daß man das Inverse der Permutation leicht angeben kann, indem man einfach

die beiden Zeilen vertauscht. Sprich, fur eine Permutation

σ =

(1 2 . . . n

σ(1) σ(2) . . . σ(n)

)∈ Sn

ist das Inverse σ−1 gegeben ist durch

σ−1 =

(σ(1) σ(2) . . . σ(n)

1 2 . . . n

).

Nun sind Mathematiker von Haus aus faule oder vielleicht richtiger effiziente Men-

schen, und so haben sie sich eine Schreibweise ersonnen, wie man eine Permutation

darstellen kann und dabei jede der Zahlen 1, . . . , n hochstens einmal statt zweimal

schreiben muß. Um dies zu bewerkstelligen, benotigen wir einen speziellen Typ von

Permutation – eine, die k der Zahlen 1, . . . , n zyklisch vertauscht.

Definition 3.4

a. Sei {1, . . . , n} = {a1, . . . , ak} ∪ {b1, . . . , bn−k}, k ≥ 2, und

σ =

(a1 a2 . . . ak−1 ak b1 . . . bn−k

a2 a3 . . . ak a1 b1 . . . bn−k

)∈ Sn,

so heißt σ ein k-Zyklus, und wir sagen, daß sie die Zahlen a1, . . . , ak zyklisch

vertauscht. Die Abbildungsvorschrift eines solchen k-Zyklus laßt sich deutlich

kompakter durch das folgende einzeilige Schema reprasentieren:

σ = (a1 . . . ak). (20)

b. Ein 2 − Zyklus wird auch eine Transposition genannt. Eine Transpositi-

on τ = (i j) ist mithin eine Permutation, die nur die zwei Zahlen i und j

miteinander vertauscht, alle anderen aber fest laßt.

c. Das neutrale Element von Sn, per definitionem id{1,...,n}, wollen wir der Ein-

fachheit halber mit id bezeichnen.

Bemerkung 3.5

Die Interpretation der Schreibweise in Gleichung (20) ist offensichtlich, das erste Ele-

ment a1 wird auf das zweite a2 abgebildet, das zweite auf das dritte, und so weiter,

bis schließlich das letzte, namlich ak, auf das erste, das heißt auf a1, abgebildet wird

– der Kreis schließt sich. Beachte hierbei, daß die Zyklen (a1 . . . ak), (aka1 . . . ak−1),

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etc. stimmen uberein! Um diese Mehrdeutigkeit zu vermeiden, empfiehlt es sich,

einen Zyklus stets mit der kleinsten der Zahlen a1, . . . , ak zu beginnen.

Bisher haben wir k-Zyklen nur fur k ≥ 2 definiert. Wir nun auch 1-Zyklen, etwa (1)

oder (3), zulassen und definieren diese in naturlicher Weise als die Identitat. ✷

Beispiel 3.6

Die Permutationen

σ =

(1 2 3 4

4 1 3 2

)∈ S4 und π =

(1 2 3 4 5

4 1 3 2 5

)∈ S5

sind jeweils 3-Zyklen, die die Zahlen 1, 4, 2 zyklisch vertauschen. In der oben ein-

gefuhrten Zyklenschreibweise gilt

σ = (1 4 2) und π = (1 4 2).

Damit wird der Nachteil dieser Schreibweise gegenuber dem zweizeiligen Schema

deutlich – weder der Definitionsbereich noch der Wertebereich lassen sich aus der

Zyklenschreibweise eindeutig ablesen. Aber diesen Preis sind wir fur die gewonnene

Ubersichtlichkeit gerne bereit zu zahlen. Denn einerseits ist in Anwendungen meist

zweifelsfrei bekannt, was n ist, und andererseits ist die wesentliche Information fur

uns letztlich, welche Zahlen durch die Permutation vertauscht werden, und nicht,

welche unbewegt bleiben. ✷

Nun ware die Zyklenschreibweise aber nicht sehr hilfreich, wenn wir sie nur fur

k-Zyklen anwenden konnten, alle anderen Permutationen aber weiterhin in dem

zweireihigen Schema angegeben werden mußten. Da kommt uns die Feststellung zu

Hilfe, daß jede Permutation sich als Komposition von paarweise disjunkten Zyklen

schreiben laßt.

Satz 3.7

Ist σ ∈ Sn eine Permutation, so gibt es eine disjunkte Zerlegung

{1, . . . , n} =

t·⋃

i=1

{ai1, . . . , aiki},

so daß

σ = (a11 · · ·a1k1) ◦ . . . ◦ (at1 · · ·atkt).

Wir nennen diese Darstellung die Zyklenzerlegung von σ, und wir nennen die Zyklen

paarweise disjunkt. Beachte auch, daß k1 + . . . + kt = n und daß 0 ≤ ki ≤ n fur

i = 1, . . . , t.

Beweis: Um die Zyklen der Zyklenzerlegung zu finden, betrachten wir die Aquiva-

lenzrelation aus Aufgabe 2.14 auf {1, . . . , n}, die durch

a ∼ b ⇐⇒ ∃ m ∈ Z : b = σm(a)

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fur a, b ∈ {1, . . . , n} gegeben ist. Fur a ∈ {1, . . . , n} hat die Aquivalenzklasse von a

die Form

a ={a, σ(a), σ2(a), . . . , σk−1(a)

}, (21)

wobei

k = min{l > 0 | σl(a) = a} = |a|.

Gemaß Proposition 2.8 bilden die Aquivalenzklassen von ∼ eine disjunkte Zerlegung

von {1, . . . , n}. Wir konnen also Zahlen a11, . . . , at1 ∈ {1, . . . , n} so wahlen, daß

{1, . . . , n} =

t·⋃

i=1

ai1.

Setzen wir nun ki = |ai1| und aij = σj−1(ai1), dann gilt wegen (21)

{1, . . . , n} =

t·⋃

i=1

{ai1, ai2, . . . , aiki}. (22)

Es bleibt also noch

σ = σ1 ◦ · · · ◦ σt

zu zeigen, wobei σi = (ai1 · · ·aiki) ein ki-Zyklus ist. Sei dazu b ∈ {1, . . . , n}, so ist

b = aij = σj−1(ai1) fur ein 1 ≤ i ≤ t und ein 1 ≤ j ≤ ki. Wenden wir nun σ auf b

an, so erhalten wir

σ(b) = σ(aij) = σj(ai1) =

{aij+1, falls j < ki,

ai1, falls j = ki

}= σi(b).

Da die Zerlegung in (22) disjunkt ist und sowohl b, als auch σi(b) in {ai1, . . . , aiki}

liegen, werden b und σi(b) von allen σl mit l 6= i fest gelassen, d.h.

(σ1 ◦ · · · ◦ σt

)(b) = σi(b) = σ(b).

Damit ist die Aussage des Satzes gezeigt. �

Bemerkung 3.8

Beachte, daß fur zwei disjunkte Zyklen σ = (a1 . . . ak), π = (b1 . . . bl) ∈ Sn

offenbar

σ ◦ π = π ◦ σgilt. Denn fur c ∈ {a1, . . . , ak} gilt σ(c) ∈ {a1, . . . , ak} und deshalb notwendig

c, σ(c) 6∈ {b1, . . . , bl}, so daß

(σ ◦ π)(c) = σ(π(c)

)= σ(c) = π

(σ(c)

)= (π ◦ σ)(c). (23)

In den Fallen c ∈ {b1, . . . , bl} und c 6∈ {a1, . . . , ak} ∪ {b1, . . . , bl} zeigt man (23)

analog, so daß die obige Behauptung folgt.

Zudem ist offensichtlich, daß die Zyklenzerlegung von σ bis auf die Reihenfolge der

Zyklen eindeutig ist, da die Elemente der Zyklen von σ zyklisch vertauscht werden.

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Und schließlich ist eine Permutation auch in Zyklenschreibweise leicht zu invertieren,

indem man sie einfach von hinten nach vorne liest. Denn fur einen k-Zyklus σ =

(a1 . . . ak) ist offenbar das Inverse

σ−1 = (ak ak−1 . . . a2 a1)

wieder ein k-Zyklus, und somit ist fur

π = (a11 · · ·a1k1) ◦ . . . ◦ (at1 · · ·atkt)

das Inverse gegeben durch

π−1 = (atkt · · ·at1) ◦ . . . ◦ (a1k1 · · ·a11).

Beispiel 3.9

Die Permutation

σ =

(1 2 3 4 5

2 5 4 3 1

)∈ S5

hat die Zyklenzerlegung

σ = (1 2 5) ◦ (3 4) = (3 4) ◦ (1 2 5). (24)

Ferner ist das Inverse zu σ gegeben durch

σ−1 = (4 3) ◦ (5 2 1) = (1 5 2) ◦ (3 4).

Eine berechtigte Frage ist, wie wir die Zyklenzerlegung in (24) gefunden haben. Wir

wollen versuchen, dies so in Worte zu fassen, daß dem Leser daraus die allgemeine

Vorgehensweise ersichtlich wird. Man starte mit der kleinsten Zahl, 1, und suche ihr

Bild unter σ, also σ(1) = 2. Das liefert den Startteil des ersten Zyklus:

(1 2

Sodann betrache man das Bild von 2 unter σ, also σ(2) = 5, und erhalt:

(1 2 5

Man fahrt mit dem Bild von 5 unter σ, also σ(5) = 1, fort. Da dieses das erste

Element des ersten Zyklus war, schließen wir den Zyklus,

(1 2 5),

und beginnen den zweiten Zyklus mit der kleinsten Zahl in {1, . . . , 5}, die noch nicht

in dem ersten Zyklus vorkommt, also mit 3:

(1 2 5) ◦ (3

Dann betrachten wir deren Bild unter σ, also σ(3) = 4, und setzen so unseren

zweiten Zyklus fort:

(1 2 5) ◦ (3 4

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Da bereits alle funf Elemente von {1, . . . , 5} aufgebraucht sind, muß notwendig

σ(4) = 3 gelten, was es auch tut, und wir konnen damit auch den zweiten Zyklus

schließen:

σ = (1 2 5) ◦ (3 4).

Wie gesagt, da in {1, . . . , 5} keine Zahl mehr ubrig ist, sind wir fertig und haben die

Zyklenzerlegung von σ gefunden.

Das hier beschriebene Verfahren ist die praktische Umsetzung des Beweises von Satz

3.7, denn wir konnen die Zyklenzerlegung nun auch in folgender Form schreiben

σ =(1 σ(1) σ2(1)

)◦(3 σ(3)

),

wobei σ3(1) = 1 und σ2(3) = 3 gilt. ✷

Von jetzt an werden wir zwischen den beiden Darstellungsarten fur Permutationen

hin und her wechseln und stets die verwenden, die fur unsere Zwecke am besten

geeignet ist.

Bemerkung 3.10

Fur kleine Werte n ist Sn sehr ubersichtlich, fur große Werte n wird Sn jedoch riesig.

S1 = {id} und S2 = {id, (1 2)}. S3 = {id, (1 2), (1 3), (2 3), (1 2 3), (1 3 2)} hat schon

sechs Elemente, S4 gar 24 und S60 ungefahr 1082. Letztere Zahl entspricht in etwa

der angenommenen Anzahl der Nukleone des Universums.

Proposition 3.11

|Sn| = n! = 1 · 2 · 3 · · ·n.

Bevor wir einen formalen Beweis dieser Aussage mittels Induktion geben, wollen

wir ein Argument dafur geben, weshalb die Aussage richtig sein sollte. Im Prinzip

handelt es sich dabei um die Idee des anschließenden formalen Beweises.

Beweisidee fur Proposition 3.11: Eine Permutation σ ∈ Sn ist durch die Bilder

σ(1), . . . , σ(n) der Zahlen 1, . . . , n festgelegt, wobei jede der Zahlen 1, . . . , n unter

den Zahlen σ(1), . . . , σ(n) genau einmal vorkommt. Wir wollen nun zahlen, wieviele

Moglichkeiten es fur die Definition einer solchen Permutation gibt. Zunachst mussen

wir σ(1), d.h. das Bild von 1, festlegen. Dazu haben wir noch volle n Zahlen zur

Auswahl. Ist dieses festgelegt, so bleiben fur das Bild σ(2) der 2 nur noch n − 1

Zahlen ubrig. Fur σ(3) sind es schon nur noch n − 2. Wenn man so fortfahrt, hat

man allgemein fur σ(i) noch n − i + 1 Moglichkeiten, also schließlich fur σ(n − 1)

noch n− (n− 1) + 1 = 2 und fur σ(n) noch genau eine. Insgesamt gibt es deshalb

n · (n− 1) · (n− 2) · . . . · 2 · 1 = n!

Moglichkeiten eine Permutation zu definieren, und mithin gibt es n! verschiedene

Permutationen. �

Unsauber an dieser Beweisidee ist der Teil “und wenn man so fortfahrt”. Ihn ma-

thematisch sauber und korrekt zu fassen, heißt, eine Induktion zu fuhren.

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Beweis von Proposition 3.11: Wir zeigen durch Induktion uber n etwas allge-

meiner:

Behauptung: Sind M = {m1, . . . ,mn} und N = {n1, . . . , nn} zwei n-elementige

Mengen, so hat die Menge

Iso(M,N) := {f : M → N | f ist bijektiv}

genau n! Elemente.

Induktionsanfang : Sei n = 1, dann gilt offensichtlich | Iso(M,N)| = 1 = 1!.

Induktionsvoraussetzung : Es sei n > 1 beliebig, aber fest, und es gelte

| Iso(M ′,N ′)| = (n− 1)! fur alle n− 1-elementigen Mengen M ′ und N ′.

Induktionsschluß : Seien nun M und N zwei n-elementige Mengen. Fur i ∈ {1, . . . , n}

definieren wir:

Isoi := {f ∈ Iso(M,N) | f(m1) = ni}.

Offensichtlich ist die Einschrankung17

Isoi → Iso(M \ {m1},N \ {ni}

): f 7→ f|M\{m1}

bijektiv, und daher gilt nach Induktionsvoraussetzung | Isoi | = (n − 1)!. Da nun

außerdem

Iso(M,N) =

n·⋃

i=1

Isoi,

d. h. (Iso1, . . . , Ison) ist eine disjunkte Zerlegung von Iso(M,N), folgt:

| Iso(M,N)| =

n∑

i=1

| Isoi | = n · (n− 1)! = n!.

Bemerkung 3.12

Wir wollen uns jetzt mit den Transpositionen naher beschaftigen. Zunachst ist klar,

daß fur eine Transposition τ ∈ Sn gilt τ−1 = τ, also τ2 = id.

Proposition 3.13

Jede Permutation in Sn, n ≥ 2, laßt sich als Komposition von hochstens n Trans-

positionen darstellen.

Beweis: Ist σ = (a1 . . . ak) ein k-Zyklus mit k ≥ 2, so gilt offenbar, daß

σ = (a1 a2) ◦ (a2 a3) ◦ . . . ◦ (ak−2 ak−1) ◦ (ak−1 ak) (25)

ein Produkt von k − 1 Transpositionen ist. Ist nun id 6= σ ∈ Sn beliebig, so hat σ

nach Satz 3.7 eine Zyklenzerlegung der Form

σ = σ1 ◦ . . . ◦ σt

17Siehe Bemerkung B.9.

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wobei σi = (ai1 · · ·aiki) ein ki-Zyklus ist. Da disjunkte Zyklen miteinander kom-

mutieren, konnen wir ohne Einschrankung18 annehmen, daß k1 ≥ k2 ≥ . . . ≥ kt.

Zudem ist σ nicht das neutrale Element id, so daß notwendig k1 ≥ 2 gilt und die

Zahl s = max{r | 1 ≤ r ≤ t, kr ≥ 2} definiert ist. Damit ist aber σi = id fur

i = s+ 1, . . . , t und somit ist

σ = σ1 ◦ . . . ◦ σs

das Produkt von s Zyklen. Da sich σi als Produkt von ki−1 Transpositionen schrei-

ben laßt, laßt sich σ als Produkt von

(k1 − 1) + . . .+ (ks − 1) = (k1 + . . .+ ks) − s ≤ n− 1

Transpositionen schreiben. Die Behauptung ist also fur σ 6= id gezeigt. Da aber

n ≥ 2 und zudem id = (1 2) ◦ (1 2) das Produkt von zwei Transpositionen ist, ist

die Proposition bewiesen. �

Der Beweis ist konstruktiv, da die Gleichung (25) angibt, wie man einen Zyklus in

Transpositionen zerlegt und somit die Aufgabe, eine Permutation als Produkt von

Transpositionen zu schreiben, auf die Berechnung einer Zyklenzerlegung reduziert.

Allerdings haben wir zur Zerlegung (25) lediglich gesagt, daß diese offensichtlich gilt.

Man sieht dies, indem man die beiden Abbildungen, die links und rechts des Gleich-

heitszeichens in (25) vorkommen auf die Zahlen {1, . . . , n} anwendet – das haben

wir durch Hinschauen getan, aber man konnte es naturlich auch formal mit allen zu

betrachtenden Fallen hinschreiben. Der Beweis wurde dadurch nicht verstandlicher.

Der Beweis von Satz 3.7 war ziemlich technisch, und so mag es dem einen oder an-

deren Leser Unbehagen bereiten, daß wir diese Aussage im Beweis von Proposition

3.13 verwendet haben. Deshalb geben wir noch einen alternativen Beweis der Aussa-

ge von Proposition 3.13, der ohne Satz 3.7 auskommt, fur das Finden der Zerlegung

in Transpositionen aber weniger hilfreich ist.

Alternativer Beweis von Proposition 3.13: Wir fuhren den Beweis durch In-

duktion uber n.

Induktionsanfang : Sei n = 2. Es ist S2 = {id, (1 2)}, und id = (1 2) ◦ (1 2), also folgt

die Behauptung.

Induktionsschluß : Sei nun n ≥ 2 gegeben, und die Behauptung gelte fur n bereits.

Ferner sei σ ∈ Sn+1 beliebig, aber fest. Es gibt ein i ∈ {1, . . . , n+1} mit σ(n+1) = i.

18Die Aussage “wir konnen ohne Einschrankung annehmen” bedeutet, daß wir nur einen spezi-

ellen Fall betrachten, daß aber offensichtlich ist, wie man aus diesem Spezialfall den allgemeinen

Fall herleiten wurde. Letzteres tut man dann nicht explizit, da es meist mit einem hohen Notati-

onsaufwand und vielen Indizes verbunden ware, ohne eine tiefere Einsicht zu bringen. Man sollte

allerdings nur dann etwas ohne Einschrankung annehmen, wenn man sich sicher ist, daß die ubrigen

Falle in der Tat leicht aus dem Spezialfall folgen!

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Dann gilt mit τ = (n+ 1 i)

(τ ◦ σ)(n+ 1) = n+ 1,

also konnen wir die Einschrankung19 σ ′ = (τ◦σ)|{1,...,n} als Element von Sn auffassen.

Mithin gilt nach Induktionsvoraussetzung, es gibt Transpositionen τ ′1, . . . , τ

′k ∈ Sn,

k ≤ n, mit

σ ′ = τ ′1 ◦ · · · ◦ τ ′

k.

Bezeichnen wir mit τj die Fortsetzung von τ ′j , die definiert wird durch

τj : {1, . . . , n+ 1} → {1, . . . , n+ 1} : l 7→{

τ ′j(l), falls l ≤ n

n+ 1, falls l = n+ 1,

so folgt unmittelbar

τ ◦ σ = τ1 ◦ · · · ◦ τk,und mithin

σ = (τ ◦ τ) ◦ σ = τ ◦ (τ ◦ σ) = τ ◦ τ1 ◦ · · · ◦ τk.D. h. σ ist Komposition von k+ 1 ≤ n+ 1 Transpositionen. �

Korollar 3.14

Jede Permutation in Sn, n ≥ 2, laßt sich als Produkt von Transpositionen zweier

aufeinanderfolgender Zahlen schreiben.

Beweis: Wegen Proposition 3.13 reicht es, dies fur eine Transposition (i j) mit i < j

zu zeigen. Es gilt aber offenbar

(i j) = (i i+ 1) ◦ (i+ 1 i+ 2) ◦ · · · ◦ (j− 2 j− 1) ◦ (j− 1 j)◦◦(j− 2 j− 1) ◦ · · · ◦ (i+ 1 i+ 2) ◦ (i i+ 1).

Die Darstellung einer Permutation als Komposition von Transpositionen ist also kei-

neswegs eindeutig. Was jedoch unabhangig ist, ist, daß eine Permutation entweder

immer durch eine gerade oder immer durch eine ungerade Anzahl von Transpositio-

nen darstellbar ist. Das wollen wir nun beweisen und definieren dazu das Vorzeichen

einer Permutation.

Definition 3.15

Es sei σ ∈ Sn gegeben.

a. Ein Zahlenpaar (i, j) mit 1 ≤ i, j ≤ n heißt ein Fehlstand von σ, falls i < j,

aber σ(i) > σ(j).

b. Wir definieren das Signum oder Vorzeichen von σ durch

sgn(σ) =

{+1, falls σ eine gerade Anzahl von Fehlstanden besitzt,

−1, falls σ eine ungerade Anzahl von Fehlstanden besitzt.

19Siehe Bemerkung B.9.

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Beispiel 3.16

Eine Transposition τ = (i j) ∈ Sn, mit i < j, hat die 2 · (j− i− 1) + 1 Fehlstande

(i, i+ 1), (i, i+ 2), . . . , (i, j), (i+ 1, j), (i+ 2, j), . . . , (j− 1, j),

und mithin gilt sgn(τ) = −1.

Die Permutation

σ =

(1 2 3 4

2 1 4 3

)

hat die Fehlstande (1, 2) und (3, 4). Also gilt sgn(σ) = 1. ✷

Manchmal ist die folgende geschlossene Formel nutzlich, deren Beweis als Ubungs-

aufgabe dem Leser uberlassen sei, da wir sie im folgenden nicht verwenden werden.

Bemerkung 3.17

Fur σ ∈ Sn gilt:

sgn(σ) =∏

1≤i<j≤n

σ(j) − σ(i)

j− i=

σ(2) − σ(1)

2− 1· σ(3) − σ(1)

3− 1· · · σ(n) − σ(n− 1)

n− (n− 1).

Weit wichtiger ist fur uns die folgende Eigenschaft des Signums.

Satz 3.18

a. Die Abbildung

sgn : (Sn, ◦) −→({1,−1}, ·

)

ist ein Gruppenhomomorphismus, d.h. fur σ1, σ2 ∈ Sn gilt

sgn(σ1 ◦ σ2) = sgn(σ1) · sgn(σ2).

b. Ist σ = τ1 ◦ · · · ◦ τk ∈ Sn eine Komposition von k Transpositionen, dann gilt:

sgn(σ) = (−1)k.

c. Ist σ ∈ Sn, so kann σ entweder nur als Produkt einer geraden Anzahl von

Transpositionen geschrieben werden oder nur als Produkt einer ungeraden An-

zahl von Transpositionen.

Beweis: Es sei σ = σ ′ ◦ τ ∈ Sn mit σ ′ ∈ Sn und τ = (i i + 1) fur ein i ∈{1, . . . , n − 1}. Ist (i, i + 1) ein Fehlstand von σ ′, so hebt τ diesen auf und σ hat

einen Fehlstand weniger als σ ′. Ist hingegen (i, i + 1) kein Fehlstand von σ ′, so

erzeugt die Komposition mit τ diesen Fehlstand neu und σ hat einen Fehlstand

mehr als σ ′. Damit gilt dann aber

sgn(σ) = − sgn(σ ′) = sgn(σ ′) · sgn(τ).

Nach Korollar 3.14 laßt sich jede Permutation als Produkt von Transpositionen

aufeinanderfolgender Zahlen schreiben.

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Seien nun σ1 = τ1 ◦ · · · ◦ τr und σ2 = τr+1 ◦ · · · ◦ τr+s als Produkte solcher Transpo-

sitionen aufeinanderfolgender Zahlen gegeben. Dann folgt mit Induktion uber r+ s,

daß

sgn(σ1 ◦ σ2) = (−1)r+s = (−1)r · (−1)s = sgn(σ1) · sgn(σ2).

Damit ist a. gezeigt und b. folgt mittels Induktion nach k.

Fur c. sei schließlich σ = τ1 ◦ · · · ◦ τk = τ ′1 ◦ · · · ◦ τ ′

l mit Transpositionen τi, τ′j ∈ Sn.

Dann folgt aus b.

(−1)k = sgn(σ) = (−1)l,

und deshalb sind entweder k und l beide gerade oder beide ungerade. �

Definition 3.19

An := Ker(sgn) = {σ ∈ Sn | sgn(σ) = 1} heißt alternierende Gruppe vom Grad n.

Bemerkung 3.20

Der Kern des Signums besteht aus allen Permutationen mit positivem Vorzeichen,

man nennt diese auch gerade Permutationen, und ist nach Proposition 1.51 eine

Untergruppe der Sn.

Die Menge {σ ∈ Sn | sgn(σ) = −1} ist keine Untergruppe der Sn, da sie etwa das

neutrale Element id nicht enthalt.

Korollar 3.21 (Die alternierende Gruppe)

a. Fur σ ∈ Sn gilt sgn(σ) = sgn(σ−1).

b. Ist τ = (i j) eine Transposition, so gilt Sn = An ·∪Anτ.

Beweis:

a. Es gilt sgn(σ) · sgn(σ−1)= sgn

(σ ◦ σ−1

)= sgn(id) = 1. Daraus folgt die

Behauptung, da sgn(σ) und sgn(σ−1)nur die Werte 1 und −1 annehmen

konnen.

b. Ist σ ∈ Sn, so gilt entweder sgn(σ) = 1 oder sgn(σ) = −1. In ersterem Fall ist

σ ∈ An; in letzterem Fall ist sgn(σ ◦ τ) = sgn(σ) · sgn(τ) = (−1) · (−1) = 1

und somit σ ◦ τ ∈ An, dann ist aber

σ = (σ ◦ τ) ◦ τ ∈ Anτ.

Dies zeigt, daß jedes Element der Sn in einer der beiden Mengen An oder

Anτ liegt. Beachte auch, daß die Elemente der beiden Mengen verschiedenes

Signum haben, so daß die Mengen in der Tat disjunkt sind.

Aufgabe 3.22

Betrachte die Permutationen

σ =

(1 2 3 4 5 6 7

2 6 3 7 5 1 4

), π =

(1 2 3 4 5 6 7

3 2 7 1 4 5 6

)∈ S7.

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a. Berechne σ ◦ π, π ◦ σ, σ−1, π−1.

b. Bestimme fur jede der Permutationen in a. die Zyklenzerlegung.

c. Schreibe σ ◦ π als ein Produkt von Transpositionen.

d. Schreibe π−1 als ein Produkt von Transpositionen aufeinander folgender Zah-

len.

e. Berechne fur jede der Permutationen in a. das Signum.

Aufgabe 3.23

Finde zwei Untergruppen von S4, die beide die Machtigkeit 4 besitzen, aber nicht

isomorph zueinander sind. Begrunde, weshalb es Untergruppen sind und weshalb sie

nicht isomorph zueinander sind.

Aufgabe 3.24

Bestimme die Elemente der Untergruppe D8 = 〈(1 2 3 4), (2 4)〉 ≤ S4 von S4.

Aufgabe 3.25

Bestimme die Elemente der Untergruppe D10 = 〈(1 2 3 4 5), (1 5) ◦ (2 4)〉 ≤ S5 von

S5.

Aufgabe 3.26

Zeige, daß ein k-Zyklus σ die Ordnung20 k und das Signum (−1)k−1 hat.

Bemerkung 3.27

Fur n ∈ Z mit n ≥ 3 konnen wir zwei Permutationen

πn = (1 2 . . . n− 1 n)

und

σn =

{(1 n) ◦ (2 n− 1) ◦ . . . ◦

(n2

n2+ 1), falls n gerade,

(1 n) ◦ (2 n− 1) ◦ . . . ◦(n−12

n+32

), falls n ungerade

in Sn betrachten. Sie erzeugen die sogenannte Diedergruppe

D2n = 〈πn, σn〉 ≤ Sn

der Ordnung 2n.

Numeriert man die Ecken eines regularen n-Ecks im Uhrzeigersinn von 1 bis n,

1

2

3

4

n− 1

n

20Fur den Begriff der Ordnung eines Elementes siehe Aufgabe 1.61

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55

so kann man πn als Drehung des n-Ecks im Uhrzeigersinn um den Winkel 2πnim Bo-

genmaß auffassen, die die Ecke mit Nummer 1 auf die Ecke mit Nummer 2 abbildet,

die Ecke mit Nummer 2 auf die Ecke mit Nummer 3 und so weiter. Ensprechend

kann man σn als Achsenspiegelung interpretieren. Die Diedergruppe D2n ist dann

die volle Symmetriegruppe des regularen n-Ecks. Jedes Element entspricht entweder

einer Drehung oder einer Spiegelung. (Siehe auch Beispiel 1.30.)

Die Gruppen D8 und D10 in den Aufgaben 3.24–4.18 sind Spezialfalle von solchen

Diedergruppen. Sie sind die Symmetriegruppen des Quadrates bzw. des regularen

Funfecks.

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4 Normalteiler und Faktorgruppen

Der Begriff der Faktorgruppe zahlt ganz ohne Frage zu den Begriffen, die Studi-

enanfangern in Mathematik die großten Probleme bereiten. Die ersten Gruppen, die

wir kennen gelernt haben, sind (Z,+) und (Q,+) – die Elemente sind schlicht Zah-

len, etwas sehr vertrautes. Dann haben wir die symmetrische Gruppe betrachtet,

deren Elemente Abbildungen sind. Fur eine beliebige Menge M ist Sym(M) sicher

schon nicht so ganz einfach gewesen, mußte doch z.B. die Gleichheit im Assoziativ-

gesetz durch Einsetzen der Elemente von M in die Funktionen getestet werden. Der

Ubergang zur Sn sollte das Leben dann wieder einfacher gemacht haben, da die Ele-

mente zu matrixahnlichen Schemata mit festen Rechenregeln wurden. Der Schritt

zur Faktorgruppe scheint noch einmal hohere Anforderungen an das Abstraktions-

vermogen der Studenten zu stellen, sind doch die Elemente jetzt plotzlich selbst

eigentlich Mengen. Wie gesagt, damit tun sich die meisten Studienanfanger recht

schwer, dabei ist es eigentlich sehr einfach. Man muß nur bereit sein, zu vergessen,

was die Elemente eigentlich sind und sich (wie bei den Permutationen in der Sn) nur

die Rechenregeln fur Faktorgruppen merken – und die sind so einfach wie sie nur

sein konnen.

Wie alle Gruppen bestehen auch Faktorgruppen aus einer Menge zusammen mit

einer Gruppenoperation. Die ersten beiden Abschnitte dieses Kapitels beschaftigen

sich mehr oder weniger mit den Voraussetzungen fur die einer Faktorgruppe zugrun-

deliegenden Menge.

A) Der Satz von Lagrange

In diesem Abschnitt betrachten wir einen bestimmten Typ von Aquivalenzrelation.

Allerdings wollen wir jetzt voraussetzen, daß die zugrundeliegende Menge eine Grup-

pe ist. Zur Beschreibung der Aquivalenzklassen benotigen wir die folgende Notation,

die auch im weiteren Verlauf der Vorlesung noch ofter von Nutzen sein wird.

Notation 4.1

Es sei (G, ·) ein Gruppe und A,B ⊆ G seien zwei Teilmengen. Wir definieren

A · B = {a · b | a ∈ A,b ∈ B}.

Manchmal schreiben wir abkuzend AB fur A · B, und wenn A = {g} einelementig

ist, dann schreiben wir gB statt {g}B und Bg statt B{g}.

Man beachte, daß sich die Assoziativitat der Gruppenoperation auf das Produkt von

Teilmengen ubertragt, das heißt, fur A,B,C ⊆ G gilt

(A · B) · C = {(a · b) · c | a ∈ A,b ∈ B, c ∈ C}

= {a · (b · c) | a ∈ A,b ∈ B, c ∈ C} = A · (B · C).

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Proposition 4.2

Es sei G eine Gruppe und U ≤ G. Fur zwei Elemente g, h ∈ G definieren wir

g ∼ h :⇐⇒ g−1h ∈ U.

Dann ist ∼ eine Aquivalenzrelation auf der Menge G und die zu g gehorende Aqui-

valenzklasse ist

g = gU = {gu | u ∈ U}.

Wir nennen gU die zu g gehorende Linksnebenklasse von U in G und g einen

Reprasentanten der Linksnebenklasse. Außerdem bezeichnen wir mit

G/U = {gU | g ∈ G}

die Menge aller Linksnebenklassen von U in G und nennen die Machtigkeit von G/U

|G : U| := |G/U|

den Index von U in G.

Beweis: Wir mussen zeigen, daß die durch ∼ definierte Relation auf G reflexiv,

symmetrisch und transitiv ist. Seien dazu g, h, k ∈ G.

R1: Da g−1g = e ∈ U, gilt g ∼ g und ∼ reflexiv.

R2: Es gelte g ∼ h und damit g−1h ∈ U. Aus der Abgeschlossenheit von U

bezuglich der Inversenbildung folgt dann aber h−1g =(g−1h

)−1 ∈ U. Es ist

also h ∼ g, und ∼ ist symmetrisch.

R3: Es gelte g ∼ h und h ∼ k und damit g−1h ∈ U und h−1k ∈ U. Wegen

der Abgeschlossenheit von U bezuglich der Gruppenoperation folgt daraus

g−1k =(g−1h

)(h−1k

)∈ U und somit g ∼ k. ∼ ist also auch transitiv.

Mithin ist ∼ eine Aquivalenzrelation.

Es bleibt zu zeigen, daß die Menge der zu g aquivalenten Elemente gU ist. Ist h ∈ G

mit g ∼ h, so gilt nach Definition g−1h ∈ U und damit h = g · (g−1h) ∈ gU. Ist

umgekehrt h = gu ∈ gU mit u ∈ U, so gilt g−1h = g−1gu = u ∈ U und somit

g ∼ h. �

Da eine Aquivalenzrelation auf der Menge, auf der sie definiert ist, eine disjunkte

Zerlegung in Aquivalenzklassen induziert (siehe Proposition 2.8), erhalten wir das

folgende Korollar geschenkt.

Korollar 4.3

Es sei G eine Gruppe und U ≤ G. Fur g, h ∈ G gilt entweder gU ∩ hU = ∅ oder

gU = hU, und G ist die disjunkte Vereinigung der Linksnebenklassen von U in G:

G =·⋃

λ∈G/U

gλU,

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58

wobei gλ ∈ G irgendein Reprasentant der Linksnebenklasse λ ist, d.h. λ = gλU.21

Beispiel 4.4

Betrachten wir die Gruppe G = S3 und die Untergruppe U = A3. Dann gibt es zwei

Nebenklassen:

A3 = idA3 = (1 2 3)A3 = (1 3 2)A3 = {id, (1 2 3), (1 3 2)}

und

(1 2)A3 = (1 3)A3 = (2 3)A3 = {(1 2), (1 3), (2 3)}.

Mithin ist der Index |S3 : A3| von A3 in S3 zwei.

Bemerkung 4.5

Eine Linksnebenklasse von U in G kennt man, ganz unabhangig davon, was U und

G konkret sind, namlich die Linksnebenklasse des neutralen Elementes:

eU = U

D.h. die Untergruppe selbst ist immer eine Linksnebenklasse.

Zudem sollte man beachten, daß die moglichen Reprasentanten einer Linksneben-

klasse genau die Elemente in der Nebenklasse sind. Insbesondere gilt uU = U fur

jedes u ∈ U. ✷

Das vielleicht wichtigste Beispiel fur unsere Vorlesung ist die Menge Z/nZ der

Linksnebenklassen der Untergruppe nZ in der Gruppe (Z,+). Um in diesem Beispiel

alle Linksnebenklassen beschreiben zu konnen und fur jede einen moglichst einfachen

Reprasentanten angeben zu konnen, benotigen wir das Prinzip der Division mit Rest

auf den ganzen Zahlen.

Proposition 4.6

Ist (G, ·) = (Z,+) und U = nZ fur eine naturliche Zahl n ≥ 1, dann hat U genau

n Linksnebenklassen in G, namlich:22

0 = 0+ nZ = nZ,

1 = 1+ nZ = {1+ nz | z ∈ Z},

2 = 2+ nZ = {2+ nz | z ∈ Z},...

n− 1 = (n− 1) + nZ = {n− 1+ nz | z ∈ Z}.

Der Index |Z : nZ| von nZ in Z ist mithin n.

21Man beachte, daß bei der Vereinigung ·⋃λ∈G/U gλU jede Nebenklasse von U in G nur genau

einmal in der Vereinigung aufgefuhrt wird, da fur jede Nebenklasse nur ein Vertreter gewahlt

wurde.22Man beachte, daß dadurch, daß die Gruppenoperation die Addition ist, eine Linksnebenklasse

nicht “g · U” ist, sondern “g + U”. Das ware an sich vielleicht noch nicht so verwirrend, wenn

in diesem konkreten Beispiel nicht auch noch die Untergruppe U = nZ selbst einer multiplikativ

geschriebenen Nebenklasse zum Verwechseln ahnlich sahe! Das ist einer der wesentlichen Grunde,

weshalb wir im Folgenden fur dieses konkrete Beispiel meist die Notation k der Notation k + nZ

vorziehen.

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Beweis: Wir mussen zeigen, daß jede ganze Zahl m ∈ Z in einer der oben angefuhr-

ten n Aquivalenzklassen liegt, und daß diese paarweise verschieden sind.

Sei also m ∈ Z eine beliebige ganze Zahl, dann existieren aufgrund der Division mit

Rest ganze Zahlen q, r ∈ Z, so daß

m = qn+ r mit 0 ≤ r ≤ n− 1.

Aber damit folgt23

m− r = qn = nq ∈ nZ = U.

Damit ist m aquivalent zu r, und deshalb m ∈ r, wobei r eine der oben aufgefuhrten

n Aquivalenzklassen ist.

Es bleibt fur 0 ≤ i < j ≤ n− 1 zu zeigen, daß i 6= j. Wurde i = j gelten, dann ware

j aquivalent zu i und somit j − i ∈ nZ ein Vielfaches von n. Nach Voraussetzung

wissen wir aber, daß 0 < j− i < n kein Vielfaches von n sein kann. Also sind i und

j nicht gleich. �

Notation 4.7

Im folgenden werden wir meist Zn statt Z/nZ schreiben. Außerdem schreiben wir

fur eine Restklasse a aus Zn manchmal an, wenn wir verdeutlichen wollen, modulo

welcher Zahl wir rechnen. Dies ist immer dann wichtig, wenn wir parallel modulo

verschiedener Zahlen rechnen wollen.

Die Menge Zn ist uns bereits in der Einleitung in den Fallen n = 10 und n = 26

begegnet und wird fur den Rest der Vorlesung von großer Bedeutung sein. Wir

fuhren deshalb hier noch einige ubliche Sprechweisen im Zusammenhang mit diesem

Beispiel ein.

Bemerkung 4.8

Sei n ∈ Z fest gewahlt. x, y ∈ Z heißen kongruent modulo n, falls

x− y ∈ nZ = {nq | q ∈ Z}.

Die Kongurenz ist genau die in Proposition 4.6 betrachtete Aquivalenzrelation, aber

statt des Zeichens “∼” hat sich in dieser Situation folgende Notation dafur ein-

geburgert, daß x kongruent zu y modulo n ist:

x ≡ y (n) oder x ≡ y (mod n).

Wir wollen diesen Abschnitt mit einem wichtigen Satz, dem Satz von Lagrange ab-

schließen. Seine wichtigste Aussage ist, daß bei einer endlichen Gruppe die Machtig-

keit einer Untergruppe stets die Machtigkeit der Gruppe teilen muß! Das folgende

Lemma ist ein zentraler Baustein im Beweis des Satzes.23Man beachte wieder, daß die Gruppenoperation in (Z,+) die Addition ist. Die Bedingung

“g−1h ∈ U” ubersetzt sich hier deshalb zu “−g+h ∈ U”. Und da die Addition zudem kommutativ

ist, schreiben wir meist lieber “h− g ∈ U”.

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Lemma 4.9

Es sei G eine Gruppe, U ≤ G und g ∈ G. Dann ist die Abbildung

lg : U −→ gU : u 7→ gu

eine Bijektion. Insbesondere haben also alle Linksnebenklassen von U in G die

Machtigkeit |U|.

Beweis: Wegen der Kurzungsregel folgt aus lg(u) = gu = gu ′ = lg(u′) fur u, u ′ ∈

U unmittelbar, daß u = u ′. Also ist lg injektiv. Ist nun h ∈ gU ein beliebiges

Element, so gibt es nach Definition von gU ein u ∈ U, so daß h = gu. Aber damit

ist h = gu = lg(u), und mithin ist lg surjektiv. Die Aussage zur Machtigkeit von

Linksnebenklassen folgt, da zwei Mengen nach Definition genau dann gleichmachtig

sind, wenn es eine Bijektion zwischen ihnen gibt. �

Satz 4.10 (Satz von Lagrange)

Es sei G eine endliche Gruppe und U ≤ G eine Untergruppe von G. Dann gilt

|G| = |U| · |G : U|.

Insbesondere gilt, |U| und |G/U| = |G : U| sind Teiler von |G|.

Beweis: Da G endlich ist notwendig auch G/U endlich. Sei also G/U =

{g1U, . . . , gkU} und die giU seien paarweise verschieden, insbesondere also |G : U| =

|G/U| = k. Aus Korollar 2.9 und Lemma 4.9 folgt dann:

|G|2.9=

k∑

i=1

|giU|4.9=

k∑

i=1

|U| = |U| · k = |U| · |G : U|.

Aus dem Satz von Lagrange erhalten wir unmittelbar folgendes Korollar.

Korollar 4.11

Ist G eine Gruppe und g ∈ G, so definieren wir die Ordnung von g als o(g) := |〈g〉|,und wenn G endlich ist, dann ist o(g) ein Teiler von |G|.

Bemerkung 4.12

Ist G eine Gruppe und g ∈ G, dann folgt aus Aufgabe 1.55

o(g) = inf{k > 0 | gk = e} ∈ N ∪ {∞}.

Wir wollen die Nutzlichkeit des Satzes von Lagrange an einem Beispiel verdeutlichen.

Beispiel 4.13

Sei U ≤ S3, dann gilt |U| ∈ {1, 2, 3, 6} wegen des Satzes von Lagrange und da

|S3| = 3! = 6.

1. Fall: |U| = 1: Dann ist notwendig U = {id}, da das neutrale Element von S3

in U liegt.

2. Fall: |U| = 6: Da U eine Teilmenge von S3 ist muß mithin U = S3 gelten.

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3. Fall: |U| = 2: Es gibt ein Element id 6= σ ∈ U und damit gilt o(σ) 6= 1.

Aus Korollar 4.11 wissen wir, daß o(σ) ein Teiler von |U| = 2 ist. Da 2 eine

Primzahl ist, folgt mithin o(σ) = 2 und U = 〈σ〉 ist von σ erzeugt. Also gilt

σ ∈ {(1 2), (1 3), (2 3)} und wir erhalten drei Untergruppen der Ordnung 2:

U = {id, (1 2)} oder U = {id, (1 3)} oder U = {id, (2 3)}.

4. Fall: |U| = 3: Wie im dritten Fall gibt es ein id 6= σ ∈ U und 1 6= o(σ) | |U| =

3. Da auch 3 eine Primzahl ist gilt o(σ) = 3 und U = 〈σ〉. Dann ist aber

σ ∈ {(1 2 3), (1 3 2)} und

U = 〈(1 2 3)〉 = 〈(1 3 2)〉 = {id, (1 2 3), (1 3 2)} = A3.

Wir kennen mithin alle Untergruppen der S3 und konnen sie in folgendem Untegrup-

pendiagramm festhalten:

S3

2

●●●●

●●●●

3

tttttttttttttttttttttttttt

3

✝✝✝✝✝✝✝✝✝✝✝✝✝✝✝✝✝

3 A3

3

✡✡✡✡✡✡✡✡✡✡✡✡✡✡✡✡✡

〈(1 2)〉

2❚❚❚

❚❚❚❚❚❚

❚❚❚❚❚❚

❚❚❚❚❚❚

〈(1 3)〉

2 ❏❏❏❏

❏❏❏❏

❏❏〈(2 3)〉

2

{id}

Die Striche zwischen zwei Gruppen deuten an, daß die weiter oben stehende die

weiter unten stehende enthalt, und die Zahlen an den Strichen geben den Index der

kleineren Gruppe in der großeren an.

Bemerkung 4.14

Wir haben die Aquivalenzklassen bezuglich der in Proposition 4.2 eingefuhrten Aqui-

valenzrelation Linksnebenklassen genannt, weil sie die Form gU haben, die definie-

rende Untergruppe also von links mit dem Reprasentanten g multipliziert wird.

Analog dazu konnte man die folgende Relation betrachten:

g ∼ h ⇐⇒ hg−1 ∈ U.

Auch dies definiert eine Aquivalenzrelation. Die zu g gehorende Aquivalenzklasse ist

Ug und wird eine Rechtsnebenklasse von U in G genannt. Das Analogon von Lemma

4.9 gilt naturlich auch fur Rechtsnebenklassen, und damit kann man dann auch das

Analogon des Satzes von Lagrange zeigen, daß namlich in einer endlichen Gruppe G

fur eine Untergruppe U mit m paarweise verschiedenen Rechtsnebenklassen notwen-

dig die Beziehung |G| = |U| ·m gilt. Aber damit folgt schließlich, daß m = |G : U|,

oder anders ausgedruckt, daß die Anzahl an Rechtsnebenklassen gleich der Anzahl

an Linksnebenklassen ist.

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Es gilt im allgemeinen jedoch nicht gU = Ug, wie man sich am Beispiel G = S3,

U = {id, (1 2)} und g = (1 3) leicht verdeutlichen kann. Untergruppen, fur die stets

gU = Ug gilt, wollen wir im folgenden Abschnitt naher betrachten. ✷

Aufgabe 4.15 (Produktformel)

Es seien U,V ≤ G Untergruppen der Gruppe (G, ·).

a. Zeige, daß durch

(u, v) ∼ (u ′, v ′) ⇐⇒ u · v = u ′ · v ′

eine Aquivalenzrelation auf der Menge U× V definiert wird.

b. Zeige, daß die Aquivalenzklasse von (u, v) ∈ U× V die Gestalt

(u, v) ={(

u · y, y−1 · v) ∣∣ y ∈ U ∩ V

}

besitzt und die Machtigkeit |U ∩ V | hat.

c. Beweise, wenn U und V endlich sind, so gilt die Produktformel

|U · V | = |U| · |V ||U ∩ V |

.

Bemerkung 4.16

Die Formel in obiger Aufgabe ist besonders nutzlich, wenn die Menge U · V eine

Untergruppe von G ist. Das ist aber nicht immer der Fall, wie wir mit dem Satz von

Lagrange leicht sehen konnen: das Produkt der Untergruppen 〈(1 2)〉 und 〈(1 3)〉von S3 ist wegen der Aufgabe eine Teilmenge der Machtigkeit 4 und kann nach dem

Satz von Lagrange deshalb keine Untergruppe von S3 sein. Wir werden im folgenden

Abschnitt (siehe Lemma 4.29) eine Bedingung kennen lernen, die V erfullen muß,

damit U · V eine Untergruppe von G wird.

Aufgabe 4.17

Ist (G, ·) eine Gruppe und |G| eine Primzahl, so ist G zyklisch.

Aufgabe 4.18

Bestimme alle Untergruppen der Gruppe D8 = 〈(1 2 3 4), (2 4)〉.

Aufgabe 4.19

Bestimme alle Untergruppen der Gruppe D10 = 〈(1 2 3 4 5), (1 5) ◦ (2 4)〉.

B) Normalteiler

Im Kapitel uber Aquivalenzrelationen haben wir gesehen, daß eine Aquivalenzre-

lation genau das richtige Mittel ist, um Ordung in eine Menge zu bringen, indem

wir ihre Elemente nach vorgegebenen Gesichtspunkten zu großeren Einheiten zu-

sammenfassen. Kurz gesagt, man verwendet Aquivalenzrelationen auf Mengen, um

deren Elemente zu klassifizieren. Man erhalt bei diesem Prozess wieder eine Menge,

namlich die Menge der Aquivalenzklassen. In dieser Vorlesung wollen wir uns aber

stets mit Mengen beschaftigen, die eine zusatzliche Struktur tragen, und da ist es

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eine naheliegende Frage, ob sich die Struktur denn von der ursprunglichen Menge

auf die neue Menge, die der Aquivalenzklassen, ubertragen laßt. Ganz konkret, wenn

G eine Gruppe ist und U eine Untergruppe von G, kann man dann auf naturliche

Weise G/U zu einer Gruppe machen?

Dabei soll naturlich bedeuten, daß die Idee zur Definition der Gruppenoperation

sofort ins Auge springt. Wir haben zwei Linksnebenklassen gU und hU, diese sind

Teilmengen von G und das Produkt von Teilmengen von G wurde bereits in Notation

4.1 eingefuhrt. Naturlicher hatte man es sicher nicht definieren konnen. Allerdings

soll dieses Produkt auch wieder eine Linksnebenklasse sein, das heißt wir mussen

einen Reprasentanten davon angeben, und wenn unsere Definition des Produktes

wirklich naturlich ist, dann sollte dieser Reprasentant sich aus den Reprasentanten

der gegebenen Linksnebenklassen ergeben, d.h. wir wunschen uns, daß gU · hU =

ghU gilt. Dies gilt leider nicht fur alle Untergruppen und fuhrt deshalb zu folgender

Definition.

Definition 4.20

Eine Untergruppe U ≤ G von G heißt normal oder Normalteiler , falls fur alle g ∈ G

und u ∈ U gilt

gug−1 ∈ U. (26)

Wir schreiben in diesem Falle U✂G.

Bemerkung 4.21

Um zu zeigen, daß eine Teilmenge U ⊆ G ein Normalteiler ist, reicht es nicht die

Eigenschaft (26) fur alle g ∈ G und u ∈ U zu uberprufen. Zunachst muß gezeigt

werden, daß U eine Untergruppe von G ist! Daß dies ein wesentlicher Bestandteil der

Definition des Begriffs Normalteiler ist, wird von Studienanfangern haufig ubersehen.

Beispiel 4.22

Ist G eine Gruppe, so sind die Untergruppen {e} und G stets Normalteiler. Man

nennt sie deshalb auch die trivialen Normalteiler.

Lemma 4.23

Ist G eine abelsche Gruppe, so ist jede Untergruppe von G ein Normalteiler.

Beweis: Fur g ∈ G und u ∈ U ≤ G gilt gug−1 = gg−1u = eu = u ∈ U. �

Aus diesem Lemma ergibt sich sofort folgendes Beispiel.

Beispiel 4.24

Fur jedes n ∈ Z ist die Untergruppe nZ von (Z,+) ein Normalteiler.

Proposition 4.25

Es sei G eine Gruppe und U ≤ G eine Untergruppe. Die folgenden Aussagen sind

aquivalent:24

24Um die Aquivalenz von mehreren Aussagen zu zeigen, kann man einen sogenannten Ringschluß

machen. Es reicht zu zeigen: “a. ⇒ b. ⇒ c. ⇒ d. ⇒ a.”, denn aus “a. ⇒ b.” und “b. ⇒ c.” folgt

z.B. “a. ⇒ c.”, d.h. die scheinbar noch fehlenden Implikationen ergeben sich von selbst.

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a. U✂G ist ein Normalteiler von G.

b. gUg−1 = U fur alle g ∈ G.

c. gU = Ug fur alle g ∈ G.

d. (gU) · (hU) = ghU fur alle g, h ∈ G.

Beweis: Wir uberlassen den Beweis dem Leser als Ubungsaufgabe.

Beispiel 4.26

Die Untergruppe U := {id, (1 2)} ⊂ S3 ist kein Normalteiler der S3, denn fur σ =

(2 3) ∈ S3 gilt

σ ◦ (1 2) ◦ σ−1 = (2 3) ◦ (1 2) ◦ (2 3) = (1 3) 6∈ U.

Eine gute Quelle zum Auffinden von Normalteilern sind Gruppenhomomorphismen.

Proposition 4.27

Ist α : G → H ein Gruppenhomomorphismus, dann ist Ker(α)✂G.

Beweis: Wir wissen bereits aus Proposition 1.51, daß Ker(α) ≤ G eine Untergruppe

von G ist. Sei nun u ∈ Ker(α) und g ∈ G, dann gilt

α(gug−1

)= α(g) · α(u) · α

(g−1) u∈Ker(α)

=

α(g) · eH · α(g−1)= α(g) · α

(g−1)= α

(gg−1

)= α(eG) = eH.

Aber damit ist gug−1 ∈ Ker(α) und Ker(α)✂G. �

Beispiel 4.28

Betrachten wir den surjektiven Gruppenhomomorphismus (vgl. Bemerkung 3.20)

sgn : Sn → {−1, 1},

dann gilt Ker(sgn) = An ist ein Normalteiler von Sn.

Im allgemeinen ist das Produkt von zwei Untergruppen keine Untergruppe mehr.

Betrachtet man etwa die Gruppe G = S3 sowie die Untergruppen U = {id, (1 2)}

und V = {id, (2 3)}, so ist UV = {id, (1 2), (2 3), (1 2 3)} und kann wegen des Satzes

von Lagrange keine Untergruppe von G sein, da |UV | = 4 kein Teiler von |G| = 6

ist. Ist aber eine der beiden Untergruppen ein Normalteiler, sieht die Welt anders

aus. Normalteiler sind also durchaus nutzlich.

Lemma 4.29

Es sei G eine Gruppe, U ≤ G und N✂G. Dann gilt:

a. UN ≤ G.

b. N✂UN.

c. U ∩N✂U.

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Beweis: Da N ein Normalteiler ist gilt nach Proposition 4.25

(UN) · (UN) = U · (NU) ·N = U · (UN) ·N = (UU) · (NN) = UN,

da UU = U und NN = N. Damit gilt aber insbesondere, daß g · h ∈ UN fur alle

g, h ∈ UN.

Sei nun g = un ∈ UN mit u ∈ U und n ∈ N, dann ist

g−1 = n−1u−1 ∈ NUProp. 4.25

= UN.

Da ferner e = e · e ∈ UN und also UN nicht leer ist, ist UN eine Untergruppe nach

dem Untergruppenkriterium.

Damit ist Teil a. gezeigt. Die beiden andere Aussagen uberlassen wir dem Leser als

Ubungsaufgabe. �

Beispiel 4.30

Wir betrachten die Untergruppen U = 〈(1 2)〉 und V = 〈(2 3)〉 von S3. Dann gilt

U · V = {id, (1 2), (2 3), (1 2 3)}

und wegen des Satzes von Lagrange kann dieses Produkt keine Untergruppe von S3

sein. Dies zeigt, daß die Bedinung N✂G in Lemma 4.29 wesentlich ist.

Aufgabe 4.31

Beweise Proposition 4.25.

Aufgabe 4.32

Beweise Teil b. und c. von 4.29.

Aufgabe 4.33

Es sei G eine endliche Gruppe und U ≤ G eine Untergruppe vom Index |G : U| = 2.

Zeige, U ist ein Normalteiler von G.

Aufgabe 4.34

Es sei G eine Gruppe und N ≤ G die einzige Untergruppe von G mit Ordnung

|N| = n. Zeige, dann ist N✂G ein Normalteiler.

Aufgabe 4.35

Bestimme alle Normalteiler der Gruppe D8 = 〈(1 2 3 4), (2 4)〉.Aufgabe 4.36

Bestimme alle Normalteiler der Gruppe D10 = 〈(1 2 3 4 ), (1 5) ◦ (2 4)〉.

C) Faktorgruppe

Jetzt sind wir in der Lage, den Satz zu formulieren, der der Faktorgruppe, d.h. der

Gruppenoperation auf G/U, ans Licht der Welt verhilft. In der Hoffnung, daß die

Notation g fur die Linksnebenklasse gU einer Untergruppe das Rechnen mit den

Elementen der Faktorgruppe leichter macht, indem er verschleiert, daß das Element

g = gU eigentlich eine Menge ist, werden wir den Satz mit dieser Notation formu-

lieren.

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Satz 4.37

Es sei (G, ·) eine Gruppe und U✂G ein Normalteiler von G. Dann gilt25

g · h = g · h, fur g, h ∈ G/U. (27)

Bezuglich der durch diese Multiplikation gegebenen zweistelligen Operation auf G/U

ist G/U eine Gruppe. Das neutrale Element von (G/U, ·) ist die Linksnebenklasse

e = U, und das zu g = gU ∈ G/U existierende Inverse Element ist die Linksneben-

klasse g−1 = g−1U.

Außerdem ist die Restklassenabbildung

π : G → G/U : g 7→ g

ein Epimorphismus mit Ker(π) = U.

Man nennt G/U die Faktorgruppe von G nach U.

Beweis: Die Gleichheit in (27) folgt aus 4.25, da U ein Normalteiler ist:

g · h = gU · hU = ghU = gh.

Zeigen wir nun, daß G/U mit dieser Operation eine Gruppe ist.

Fur g, h, k ∈ G/U folgt mittels der Assoziativitat der Multiplikation in G:(g · h

)· k = gh · k = (gh)k = g(hk) = g · hk = g ·

(h · k

).

Außerdem ist e · g = eg = g, so daß e das Neutrale von G/U ist, und es gilt

g−1 · g = g−1 · g = e,

und somit besitzt g ein Inverses, namlich g−1 = g−1. Also ist G/U eine Gruppe und

die bezuglich des neutralen Elementes bzw. der Inversen getroffenen Aussagen sind

ebenfalls gezeigt.

Zudem folgt aus der Definition von π

π(gh) = gh(27)= g · h = π(g) · π(h)

und

Ker(π) = {g ∈ G | π(g) = e} = {g ∈ G | g = e} = e = U,

so daß π ein Gruppenhomomorphismus mit Ker(π) = U ist. �

Bemerkung 4.38

a. Wir haben fur den Beweis des Satzes ausgenutzt, daß das Produkt g · h ein

Produkt von Teilmengen der Gruppe G ist. Diesen Umstand wollen wir nun

tunlichst wieder vergessen! Wir merken uns nur: jedes Element g von G/U ist

uns gegeben durch eine Reprasentanten und alle Operationen werden mittels

dieser Reprasentanten ausgefuhrt. D.h. wir mussen uns nur folgende Regeln

merken, um mit der Faktorgruppe rechnen zu konnen:

25Dabei ist mit g · h = gU · hU einfach das Produkt von Teilmengen von G gemeint, wie es in

Notation 4.1 eingefuhrt wurde.

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(i) g · h = g · h,(ii) g−1 = g−1,

(iii) eG/U = e = u, wann immer u ∈ U.

b. Ist die Gruppe (G, ·) abelsch und U✂G, so ist auch (G/U, ·) abelsch, dag · h = gh = hg = h · g.

c. Satz 4.37 zeigt, daß die Multiplikation der Linksnebenklassen auf der Menge

G/U der Linksnebenklassen eine Gruppenoperation liefert, wenn U ein Nor-

malteiler ist. Beachtet man zudem, daß das Produkt der Linksnebenklassen

gU und hU auf alle Falle das Element gh = gehe enthalt, so sieht man mit

Proposition 4.25, daß es, wenn U kein Normalteiler ist, zwei Elemente g, h ∈ G

gibt, so daß das Produkt von gU mit hU keine Linksnebenklasse mehr ist. Das

heißt, wenn U kein Normalteiler ist, kann G/U mit der obigen Multiplikati-

on keine Gruppe sein. Es sind genau die Normalteiler, fur die das Verfahren

funktioniert.

Als unmittelbare Folgerung erhalten wir den Spezialfall Zn, da nZ ein Normalteiler

von (Z,+) ist.

Korollar 4.39

Fur n ∈ Z ist (Zn,+) eine abelsche Gruppe, wobei x+ y = x+ y fur x, y ∈ Z.

Bemerkung 4.40

Das Rechnen in Zn fur ausgewahlte n ist uns seit unseren Kindertagen vertraut.

Wenn unsere Uhr neun Uhr anzeigt, so wissen wir, daß es in funf Stunden zwei Uhr

ist. Wir rechnen dabei in Z12:

9+ 5 = 14 = 2+ 1 · 12 = 2.

Wer eine Uhr mit 24-Stundenrythmus bevorzugt, rechnet in Z24. Ist es jetzt neun

Uhr, so war es vor 55 Stunden zwei Uhr:

9− 55 = −46 = 2− 2 · 24 = 2.

Numeriert man die Wochentage von eins (Montag) bis sieben (Sonntag), so ist die

Frage danach, welcher Wochentag in 51 Tagen ist, wenn heute Montag ist, eine

Rechnung in Z7:

1+ 51 = 52 = 3+ 7 · 7 = 3.

In 51 Tagen ist also Mittwoch.

Um sich mit dem Rechnen in Zn vertraut zu machen, empfehle ich, ein wenig mit

Uhrzeiten und Wochentagen unter diesem Gesichtspunkt zu rechnen. ✷

Beispiel 4.41

Fur Gruppen kleiner Ordnung, d. h. mit wenig Elementen, ist es sinnvoll sog. Ver-

knupfungstafeln aufzustellen, aus denen zu je zwei gegebenen Elementen die Ver-

knupfung der beiden Elemente abgelesen werden kann. Im Falle von Zn erhalten wir

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fur n = 2, 3, 4 die folgenden Verknupfungstafeln:

+ 0 1

0 0 1

1 1 0

+ 0 1 2

0 0 1 2

1 1 2 0

2 2 0 1

+ 0 1 2 3

0 0 1 2 3

1 1 2 3 0

2 2 3 0 1

3 3 0 1 2

Wenn fur einen Normalteiler N ✂ G die Menge der Linksnebenklassen G/N eine

Gruppe ist, dann stellt sich die Frage, ob wir aus der Kenntnis der Untergruppen

von G Ruckschlusse auf die Untergruppen von G/N ziehen konnen. In der Tat

gibt es eine naturliche Eins-zu-Eins-Beziehung zwischen den Untergruppen einer

Faktorgruppe G/N und den Untergruppen von G, die N enthalten. Entsprechendes

gilt fur die Normalteiler.

Proposition 4.42

Sei (G, ·) eine Gruppe und N✂G ein Normalteiler, dann sind die folgenden Abbil-

dungen bijektiv:{U ≤ G

∣∣ N ⊆ U}−→

{U∣∣ U ≤ G/N

}: U 7→ U/N

und{M✂G

∣∣ N ⊆ M}−→

{M∣∣M✂G/N

}: M 7→ M/N.

Das heißt, die Untergruppen (bzw. Normalteiler) der Faktorgruppe G/N stehen in

1:1-Beziehung zu den Untergruppen (bzw. Normalteilern) von G, die N enthalten.

Beweis: Man beache zunachst, daß fur eine Untergruppe U ≤ G von G, die N

enthalt, offenbar N ein Normalteiler von U ist. Somit ist die Faktorgruppe U/N

definiert und man kann die Nebenklassen uN mit u ∈ U als Elemente von G/N

auffassen, d.h. U/N ⊆ G/N. Fur u, u ′ ∈ U gilt uN · u ′N = uu ′N ∈ U/N und

(uN)−1 = u−1N ∈ U/N, so daß U/N in der Tat eine Untergruppe von G/N ist. Ist

U ✂ G sogar ein Normalteiler, so gilt zudem fur g ∈ G und u ∈ U auch gN · uN ·(gN)−1 = (gng−1)N ∈ U/N, so daß dann U/N ✂ G/N sogar ein Normalteiler ist.

Die beiden obigen Abbildungen sind also definiert.

Seien nun U,V ≤ G mit N ⊆ U,V und u ∈ U \ V . Angenommen uN ∈ V/N, dann

gabe es ein v ∈ V mit uN = vN und insbesondere wurde u ∈ uN = vN ⊆ V gelten,

im Widerspruch zur Annahme u 6∈ V . Dies zeigt, daß U/N = V/N zwangslaufig

U = V bedingt. Die Abbildungen sind also injektiv.

Ist U ≤ G/N eine Untergruppe, so setzen wir

U ={u ∈ G

∣∣ uN ∈ U}.

Sind u, u ′ ∈ U, so gilt eN = N ∈ U, uu ′N = uN · u ′N ∈ U und u−1N =

(uN)−1 ∈ U, da U eine Untergruppe von G/N ist. Somit ist e, uu ′, u−1 ∈ U, und

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U ist eine Untergruppe von G mit N ⊆ U fur die nach Konstruktion U = U/N

gilt. Ist U sogar ein Normalteiler von G/N, so gilt fur u ∈ U und g ∈ G zudem

gug−1N = gN · uN · (gN)−1 ∈ U. Damit ist dann gug−1 ∈ U und U ist ein

Normalteiler. Die beiden Abbildungen sind also auch surjektiv. �

Aus Proposition 1.38 wissen wir, daß die Untergruppen von (Z,+) die Form mZ

fur nicht-negative Zahlen m haben und aus Beispiel 1.30 wissen wir, daß mZ genau

dann in nZ enthalten ist, wenn n ein Teiler von m ist. Wir erhalten unmittelbar

folgendes Korollar.

Korollar 4.43

Ist n ∈ Z>0 eine positive ganze Zahl, so gilt

U ≤ Zn ⇐⇒ ∃ m ∈ {1, . . . , n} mit m teilt n : U = mZ/nZ =⟨mn

⟩.

Insbesondere ist jede Untergruppe von Zn zyklisch.

Wir wollen als nachstes die Ordnung eines Elementes m ∈ Zn fur positive ganze

Zahlen m und n bestimmen. Dazu fuhren wir zunachst folgende Notation ein.

Notation 4.44

Fur zwei ganze Zahlen a, b ∈ Z sei

kgv(a, b) :=

{min{z > 0 | a und b teilen z}, falls a, b 6= 0,

0, falls a = 0 oder b = 0.

Wir werden spater (vgl. Aufgabe 7.11) sehen, daß kgv(a, b) ein kleinstes gemeinsa-

mes Vielfaches von a und b im Sinne der Definition 7.4 ist.

Korollar 4.45

Es seien m,n ∈ Z>0. Dann ist

o(m)=

kgv(m,n)

m

die Ordnung von m ∈ Zn.

Beweis: Da (Zn,+) eine endliche additive Gruppe ist, nimmt der Ausdruck zur

Bestimmung der Ordnung von m in Bemerkung 4.12 folgende Form an:

o(m)

= min{k > 0

∣∣ k ·m = 0}

= min{k > 0

∣∣ n teilt k ·m}

=m ·min{k > 0 | n teilt k ·m}

m

=min

{m · k

∣∣ k > 0, n teilt k ·m}

m

=min

{l > 0

∣∣ n und m teilen l}

m

=kgv(m,n)

m.

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Aufgabe 4.46

Beweise Korollar 4.43.

Aufgabe 4.47

Bestimme alle Untergruppen von (Z33,+).

Aufgabe 4.48

Betrachte fur m,n, a, b ∈ Z>0 das Element(am, bn

)∈ Zm × Zn in der Gruppe

(Zm × Zn,+). Die Ordnung dieses Elementes laßt sich wie folgt berechnen

o((

am, bn

))= kgv

(o(am

), o(bn

))= kgv

(kgv(a,m)

a,kgv(b, n)

b

)

und ist ein Teiler von kgv(m,n). Insbesondere ist Zm ×Zn nicht zyklisch, wenn m

und n nicht teilerfremd sind.

Aufgabe 4.49

Berechne die Ordnung von(621, 933

)∈ Z21 × Z33.

Aufgabe 4.50

Es sei σ und π zwei disjunkte Zyklen in Sn der Lange k bzw. l. Zeige, daß o(σ◦π) =kgv(k, l).

D) Der Homomorphiesatz

Gibt es einen Gruppenisomorphismus von einer Gruppe G in eine Gruppe H, so sind

diese vom Standpunkt der Gruppentheorie nicht mehr wirklich unterscheidbar. Denn

jede gruppentheoretische Eigenschaft der einen Gruppe findet sich automatisch auch

in der anderen, da der Gruppenisomorphismus die Struktur erhalt und bijektiv ist.

Will man also eine der Gruppen studieren, so kann man genausogut auch die andere

dazu betrachten, je nachdem ob einem die eine Reprasentation besser gefallt oder die

andere. In diesem Sinne ist es interessant, Prinzipien kennenzulernen, die es erlauben

festzustellen, wann zwei Gruppen isomorph sind und ggf. auch den Isomorphismus

angeben zu konnen. In diesem Kapitel wollen wir die grundlegendste Methode dazu

kennenlernen.

Satz 4.51 (Homomorphiesatz)

Ist α : G → H ein Gruppenhomomorphismus, dann ist die durch α induzierte Ab-

bildung

α : G/Ker(α) → Im(α) : g 7→ α(g)

wohldefiniert26 und ein Isomorphismus. Insbesondere gilt also

G/Ker(α) ∼= Im(α).

26Der Begriff wohldefiniert meint im Prinzip nur, daß die getroffene Definition uberhaupt eine

solche ist (siehe auch Definition B.5 und Bemerkung B.6). Doch wo ist das Problem dabei? Die

Elemente von G/Ker(α) sind nach Definition Linksnebenklassen (auch wenn wir uns bemuhen

wollen, das zu vergessen), und als solche besitzen sie Reprasentanten, die wir wie immer zum

Rechnen und so auch zum Definieren von Abbildungen wie oben verwenden wollen. Nur besitzt

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Beweis: Wir zeigen zunachst, daß α wohldefiniert ist. Sei dazu g = h ∈ G/Ker(α)

gegeben. Dann gilt also g−1h ∈ Ker(α) und damit

eH = α(g−1h

)= α

(g−1)α(h) =

(α(g)

)−1α(h).

Mithin gilt α(g) = α(h), und α ist somit wohldefiniert.

Fur g, h ∈ G/Ker(α) gilt ferner

α(g · h

)= α

(gh)= α(gh) = α(g)α(h) = α

(g)· α(h).

Also ist α ein Gruppenhomomorphismus.

α ist offensichtlich surjektiv. Bleibt also noch zu zeigen, daß α injektiv ist. Seien

dazu g, h ∈ G/Ker(α) mit α(g) = α(g)= α

(h)= α(h), so gilt

eH =(α(g)

)−1α(h) = α

(g−1)α(h) = α

(g−1h

).

D. h. g−1h ∈ Ker(α), also g = h. Mithin ist α injektiv. �

Beispiel 4.52

Betrachte die Gruppen (Z,+) der ganzen Zahlen mit der Addition und (C \ {0}, ·)der komplexen Zahlen mit der Multiplikation. Aus der Vorlesung Grundlagen der

Mathematik ist bekannt, daß

α : Z −→ C \ {0} : z 7→ ei·π2·z

ein Gruppenhomomorphismus ist, da das Potenzgesetz

ei·π2·(z+z ′) = e

i·π2·z · e i·π

2·z ′

gilt. Eine einfache Rechnung zeigt, daß

Im(α) = {1,−1, i,−i}

und

Ker(α) = 4 · Z,da e

i·π2·z = 1 genau dann gilt, wenn z

2ein Vielfaches von 2 ist. Aus dem Homomor-

phiesatz folgt mithin

Z4 = Z/4Z = Z/Ker(α) ∼= Im(α) = {1,−1, i,−i},

fur gewohnlich jede Nebenklasse sehr viele Reprasentanten, und in einer Definition wie oben ist es

a priori uberhaupt nicht klar, daß die oben getroffene Zuordnung g 7→ α(g) nicht von der Wahl

des Reprasentanten abhangt. D.h. wenn h ein anderer Reprasentant der gleichen Linksnebenklasse

ist, also g = h, ist dann auch α(g) = α(h)? Alles andere ware nicht gut, denn wir haben ja in

unserer Definition nicht gesagt, welcher Reprasentant von der Linksnebenklasse verwendet werden

soll! Fur die Wohldefiniertheit der Abbildung mussen wir genau diesen Sachverhalt prufen: g =

h =⇒ α(g) = α(h), oder bereits mit obiger Notation ausgedruckt

g = h =⇒ α(g) = α(h).

Dies erinnert verdachtig an die Injektivitat einer Abbildung, aber Vorsicht, fur diese war genau die

andere Implikation zu zeigen.

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wobei die Gruppenoperation auf der linken Seite die Addition und auf der rechten

Seite die Multiplikation ist.

Um die Wohldefiniertheit der Abbildung α im Homomorphiesatz an einem Beispiel

zu verstehen, sollte man folgendes beachten. In Z/4Z sind die Nebenklassen 2 und

6 identisch. Mithin muß fur die Abbildung

α : Z/4Z −→ {1,−1, i,−i} : z 7→ ei·π2·z

auch α(2) = α(6) gelten, und aufgrund der Definition von α bedeutet das, daß

notwendig α(2) = α(6) gelten muß. Das tut’s, da sich 2 und 6 um 4 unterscheiden

und ei·π2·4 = 1.

Bemerkung 4.53

Betrachten wir fur n ≥ 2 wieder den surjektiven Gruppenhomomorphismus (vgl. Be-

merkung 3.20)

sgn : Sn −→ {−1, 1}.

Aus dem Homomorphiesatz 4.51 folgt insbesondere |Sn/An| = |{−1, 1}| = 2. Da nach

dem Satz von Lagrange 4.10 zudem |Sn/An| =|Sn|

|An|gilt, erhalten wir mit Proposition

3.11 die folgende Gleichung:

|An| =n!

2.

Die beiden folgenden Isomorphiesatze sind leichte Anwendungen des obigen Homo-

morphiesatzes.

Satz 4.54 (1. Isomorphiesatz)

Ist G eine Gruppe, U ≤ G und N✂G. Dann ist

U/U ∩N ∼= UN/N.

Beweis: Wir uberlassen den Beweis dem Leser als Ubungsaufgabe.

Satz 4.55 (2. Isomorphiesatz)

Es seien G eine Gruppe, M ⊆ N ⊆ G zwei Normalteiler von G. Dann ist auch

N/M ein Normalteiler von G/M und es gilt

(G/M)/(N/M) ∼= G/N.

Beweis: Wir betrachten nun folgende Abbildung

β : G/M → G/N : gM 7→ gN,

und zeigen, sie ist ein Epimorphismus mit Kern N/M. Damit haben wir dann ins-

besondere gezeigt, daß N/M ein Normalteiler von G/M ist.27

27Beachte, daß M offenbar ein Normalteiler von N ist und somit der Quotient N/M auch

tatsachlich definiert und identisch mit der Menge der Linksnebenklassen von M in G der Form

nM mit n ∈ N ist.

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Da β mittels des Reprasentanten einer Linksnebenklasse definiert ist, mussen wir

zunachst wieder die Wohldefiniertheit zeigen.

Schritt 0 : β ist wohldefiniert.

Seien also g, h ∈ G zwei Reprasentanten der gleichen Linksnebenklasse von M in

G, d.h. gM = hM. Dann gilt nach Definition

g−1h ∈ M ⊆ N,

so daß auch gN = hN. Die Abbildung ist also wohldefiniert.

Schritt 1 : β ist ein Homomorphismus.

Seien gM,g ′M ∈ G/M, dann gilt

β(gM · g ′M

)= β

(gg ′M

)= gg ′N = gN · g ′N = β(gM) · β

(g ′M

).

Schritt 2 : β ist surjektiv.

Sei gN ∈ G/N, dann ist gN = β(gM) ∈ Im(β), so daß β surjektiv ist.

Schritt 3 : Ker(β) = N/M.

gM ∈ Ker(β) ⇔ gN = N ⇔ g ∈ N ⇔ gM ∈ N/M.

Die Behauptung folgt also wieder mittels des Homomorphiesatzes:

(G/M)/(N/M) = (G/M)/Ker(β) ∼= Im(β) = G/N.

Aufgabe 4.56

Beweise Satz 4.54

Mit Hilfe des Homomorphiesatzes und des Satze von Lagrange kann man folgende

Aufgabe losen.

Aufgabe 4.57

Es seien (G, ·) und (H, ∗) zwei endliche Gruppen teilerfremder Ordnung. Zeige, es

gibt genau einen Gruppenhomomorphismus α : G −→ H.

Aufgabe 4.58

Es sei (G, ·) eine Gruppe. Zeige:

a. Sind g, h ∈ G mit o(g) = o(h) = p, wobei p eine Primzahl ist, dann gilt

〈g〉 = 〈h〉 oder 〈g〉 ∩ 〈h〉 = {e}.

b. Falls |G| = 10, so gibt es zwei Elemente g, h ∈ G mit:

• o(g) = 2,

• o(h) = 5,

• 〈h〉✂G,

• 〈g〉 · 〈h〉 = G.

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Hinweis, fuhre in Teil b. zunachst die folgenden beiden folgenden Moglichkeiten zum

Widerspruch: 1. o(k) = 2 fur alle e 6= k ∈ G, 2. o(k) = 5 fur alle e 6= k ∈ G.

Eine Gruppe G wie in Aufgabe 4.58 b. nennt man das semidirekte Produkt von 〈g〉und 〈h〉. Man kann zeigen, falls g · h = h · g, so ist G isomorph zu Z10, andernfalls

ist G isomorph zu D10.

Aufgabe 4.59

Bestimme alle Gruppenhomomorphismen α : Z10 −→ Zn mit n ∈ {6, 13}.

E) Zyklische Gruppen

Wir wollen das Kapitel mit der Klassifikation zyklischer Gruppen abschließen.

Satz 4.60

Es sei G = 〈g〉 eine zyklische Gruppe.

a. Ist |G| = ∞, so haben wir den Gruppenisomorphismus

α : Z∼=−→ G : z 7→ gz.

b. Ist |G| = n < ∞, so haben wir den Gruppenisomorphismus

α : Zn

∼=−→ G : z 7→ gz.

Beweis: Fur die Abbildung

α : Z∼=−→ G : z 7→ gz

und zwei ganze Zahlen x, y ∈ Z gilt

α(x+ y) = gx+y = gx · gy = α(x) · α(y).

α ist also ein Gruppenhomomorphismus, und es gilt

Im(α) = {gz | z ∈ Z} = 〈g〉 = G,

d.h. α ist surjektiv.

Ist |G| = o(g) = ∞, so ist

{0} = {z ∈ Z | gz = e} = Ker(α)

nach Bemerkung 4.12, d.h. α ist in diesem Fall auch injektiv.

Ist |G| = o(g) = n < ∞, so ist nach Aufgabe 1.55

Ker(α) = {z ∈ Z | gz = e} = nZ.

Aus dem Homomorphiesatz folgt mithin, daß die Abbildung α ein Gruppenisomor-

phismus ist. �

Die Klassifikation zyklischer Gruppen kann nun genutzt werden, um aus der Ord-

nung eines Elementes g die Ordnung all seiner Potenzen abzuleiten.

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Korollar 4.61

Ist (G, ·) eine Gruppe, g ∈ G mit o(g) < ∞ und 0 6= m ∈ Z. Dann gilt

o(gm)=

kgv(m,o(g)

)

|m|.

Beweis: Es sei n = o(g), dann ist

α : Zn −→ 〈g〉 : z 7→ gz

nach Satz 4.60 ein Gruppenisomorphismus. Aus Aufgabe 1.61 folgt dann

o(gm)= o

(α(m

))= o

(m).

Ist m > 0, so folgt die Behauptung aus Korollar 4.45. Ist m < 0, so ist −m > 0 und

es folgt analog

o(g−m

)=

kgv(−m,n)

−m=

kgv(m,n)

|m|.

Da zudem die Ordnung eines Elementes und seines Inversen ubereinstimmen, folgt

die Behauptung auch im Fall m < 0. �

Korollar 4.62

Ist G = 〈g〉 eine zyklische Gruppe der Ordnung |G| = n < ∞, dann gilt

U ≤ G ⇐⇒ ∃ m ∈ {1, . . . , n} mit m teilt n : U =⟨gm⟩.

Fur eine solche Untergruppe gilt zudem

∣∣⟨gm⟩∣∣ = n

m.

Insbesondere hat G fur jeden Teiler von n genau eine Untergruppe dieser Ordnung.

Beweis: Nach Satz 4.60 ist die Abbildung

α : Zn −→ G : z 7→ gz

ein Gruppenisomorphismus, so daß die erste Aussage aus Korollar 4.43 folgt. Die

Aussage zur Ordnung erhalten wir aus Korollar 4.61, da kgv(m,n) = n. Schließlich

beachte man noch, daß mit m auch nm

alle Teiler von n durchlauft. �

Da die Untergruppen von Z zyklisch sind nach Proposition 1.38 erhalten wir mit

Satz 4.60 und Korollar 4.43 folgende Aussage.

Korollar 4.63

Jede Untergruppe einer zyklischen Gruppe ist zyklisch.

Aufgabe 4.64

Ist (G, ·) eine Gruppe und p = |G| eine Primzahl, so ist G isomorph zu (Zp,+).

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Aufgabe 4.65

Es sei (G, ·) eine Gruppe, g ∈ G und n ∈ Z>0. Zeige, genau dann gibt es einen

Gruppenhomomorphismus α : Zn −→ G mit α(1)= g, wenn die Ordnung von g

ein Teiler von n ist.

Aufgabe 4.66

Bestimme alle Automorphismen der Gruppe (Z10,+).

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5 Prufzifferkodierung

In der Einleitung haben wir uns mit EAN-13 Strichcodes beschaftigt, und dabei

festgehalten, daß die ersten 12 Ziffern eines solchen Codes das Produkt, das ihn

tragt, identifizieren. Welche Ziffern dabei welche Bedeutung haben, ist fur unsere

Belange nicht wichtig. Denn uns geht es letztlich nur darum, daß die 13. Ziffer des

Codes nicht der Identifikation des Produktes, sondern der Absicherung des Codes

gegen falsches Einscannen oder Abschreiben dient, und ob dieses sinnvoll gemacht

wurde. Man nennt diese zusatzliche Ziffer auch Prufziffer . Es ist ganz offensichtlich,

5 901234 123457

Abbildung 2. Ein EAN-13 Strichcode

daß eine einzige zusatzliche Ziffer nicht ausreichen kann, um alle moglichen Fehler

zu erkennen. Wenn man also ein sinnvolles Verfahren sucht, dann ist zunachst eine

Analyse der haufigsten Fehler notig, die beim Einscannen oder Abschreiben eines

Codes auftreten. Das haben glucklicherweise bereits andere fur uns erledigt, und

eine solche Analyse zeigt, daß etwa 90% der Fehler in folgende beiden Kategorien

fallen:

Typ I: “Einzelfehler” – d.h. nur eine einzelne Ziffer ist falsch erkannt. Das sind

etwa 80% der auftretenden Fehler.

Typ II: “Nachbartransposition” – d.h. zwei benachbarte Ziffern sind vertauscht.

Das sind etwa 10% der auftretenden Fehler.

Alle ubrigen Fehlertypen, lagen bei weniger als 1%. Aufgrund dieser Analyse sollte

eine gute Prufziffer auf alle Falle erkennen, wenn eine einzige Ziffer unter den ersten

zwolfen falsch ist, und ihr sollte optimalerweise auch noch die Vertauschung zweier

benachbarter Ziffern auffallen.

Die Ziffern, die in einem Strichcode verwendet werden, sind auf den ersten Blick

Elemente der Menge

{0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9},

aber der geubte Teilnehmer der Vorlesung Algebraische Strukturen erkennt sofort,

daß eine bloße Menge viel zu wenig Struktur hat, um damit etwas anfangen zu

konnen, und daß man die 10 Ziffern doch viel besser als Elemente der Menge

Z10 ={0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9

}

auffassen sollte. Auf diese Weise haben wir auf der Menge unserer Ziffern, die wir

von jetzt an unser Alphabet nennen wollen, eine zusatzliche Struktur, namlich eine

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Addition bezuglich derer das Alphabet eine Gruppe ist. Diese Addition kann man

ausnutzen, um die Prufziffer mittels einer moglichst guten Formel aus den ubrigen

Ziffern zu errechnen.

Auf das konkrete Beispiel des EAN-13 Strichcodes kommen wir spater zuruck.

Zunachst wollen wir den Ansatz allgemeiner betrachten und fur den allgemeine-

ren Ansatz die Eigenschaften bezuglich der Fehlererkennung analysieren. Danach

konnen wir dann schauen, ob die tatsachliche Kodierung des EAN-13 den notwen-

digen Anforderungen genugt, und falls nicht, wie man ihn verbessern konnte. Die

Grundidee des allgemeineren Ansatzes ist, statt Z10 eine beliebige Gruppe als Al-

phabet zuzulassen. Dann sollte man aber vielleicht nicht mehr von den Ziffern des

Codes sprechen, sondern eher von den Buchstaben des Codes.

Als erste Idee fur ein Verfahren zur Berechnung der Prufziffer uber Z10 konnte

die Quersumme der ersten 12 Ziffern in Z10 dienen. Ein solches Verfahren wurde

aber ganz sicher keine Nachbartranspositionen erkennen, da die Gruppenoperation

kommutativ ist. Diesem Mangel kann man begegnen, indem man die Elemente noch

ein wenig abandert, d.h. permutiert, bevor man sie addiert. Dieser Gedanke fuhrt

zu folgender Definition.

Definition 5.1

Es sei (G, ·) eine Gruppe, g0 ∈ G fest gegeben, und π1, . . . , πn ∈ Sym(G) seien

Permutationen von G.

a. Wir nennen

C = CG(π1, . . . , πn, g0) ={(g1, . . . , gn) ∈ Gn

∣∣ π1(g1) · · ·πn(gn) = g0

}

einen Prufziffercode der Lange n auf dem Alphabet G.

b. Wir sagen, daß C = CG(π1, . . . , πn, g0) Fehler vom Typ I erkennt, falls fur alle

(g1, . . . , gn) ∈ C und g ′i ∈ G mit g ′

i 6= gi gilt (g1, . . . , gi−1, g′i, gi+1, . . . , gn) 6∈

C.

c. Wir sagen, daß C = CG(π1, . . . , πn, g0) Fehler vom Typ II erkennt, falls

fur alle (g1, . . . , gn) ∈ C und i ∈ {1, . . . , n − 1} mit gi 6= gi+1 gilt

(g1, . . . , gi−1, gi+1, gi, gi+2, . . . , gn) 6∈ C.

Wir wollen nun zunachst zeigen, daß der EAN-13 Strichcode in dieses Schema paßt.

Beispiel 5.2 (EAN-13)

Wir uberlassen es dem Leser, zu zeigen, daß die Abbildung

µ3 : Z10 −→ Z10 : k 7→ 3 · k = k+ k+ k

eine Permutation von Z10 ist, d.h. daß sie bijektiv ist. Man kann diese Aussage

leicht verifizieren, indem man die Bilder der 10 Elemente von Z10 ausrechnet. Sie

folgt allerdings auch leicht aus der Tatsache, daß die Zahlen 10 und 3 teilerfremd

sind, wie wir spater sehen werden.

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79

Wir betrachten nun die Situation (G, ·) = (Z10,+), g0 = 0, n = 13, πi = idZ10falls

i ungerade ist und πi = µ3 falls i gerade ist. Dann ist

C = CZ10

(π1, π2, . . . , π13, 0

)

der Prufziffercode, der zu EAN-13 gehort.

Wie laßt sich damit die 13. Ziffer aus den ersten zwolfen bestimmen? Nach Voraus-

setzung gilt fur ein zulassiges Codewort z1z2 . . . z12z13 ∈ C:

z1 + 3 · z2 + z3 + . . .+ 3 · z12 + z13 = 0,

und mithin

z13 = −z1 − 3 · z2 − z3 . . .− 3 · z12.Will man also z13 ermitteln, so fuhrt man die Rechnung auf der rechten Seite des

Gleichheitszeichens in Z10 durch, wahlt den eindeutig bestimmten Reprasentanten

z13 ∈ {0, 1, . . . , 9} der Linksnebenklasse in Z10 die man erhalt.

Man kann das Verfahren auch ohne Gruppen beschreiben als: “man berechne die

abwechselnd mit 1 und 3 gewichtete Quersumme der ersten zwolf Ziffern, nenne

x die letzte Ziffer dieser Quersumme und wahle die letzte Ziffer von 10 − x als

z13.”. Aber die Fehlererkennungseigenschaften lassen sich mit der Gruppennotation

leichter analysieren.

Betrachten wir ganz konkret das Beispiel in Figur 2, d.h. die ersten zwolf Ziffern

sind 590123412345, so daß die Prufziffer z13 = 7 sich ergibt aus

−5− 3 · 9− 0− 3 · 1− 2− 3 · 3− 4− 3 · 1− 2− 3 · 3− 4− 3 · 5 = −83 = 7,

bzw. alternativ, daß sich (5, 9, 0, 1, 2, 3, 4, 1, 2, 3, 4, 5, 7) ∈ C ergibt aus:

5+ 3 · 9+ 0+ 3 · 1+ 2+ 3 · 3+ 4+ 3 · 1+ 2+ 3 · 3+ 4+ 3 · 5+ 7 = 0.

Man beachte im Ubrigen, daß C = Ker(α) der Kern des folgenden Gruppenhomo-

morphismus ist,

α : Z1310 −→ Z10 : (z1, . . . , z13) 7→ z1 + 3z2 + z3 + . . .+ 3z12 + z13,

wobei Z1310 eine Gruppe bezuglich komponentenweiser Addition ist. ✷

Nachdem wir nun Prufzifferkodierungen uber beliebigen Gruppen eingefuhrt haben,

sollten wir deren Fehlererkennungseigenschaften untersuchen.

Proposition 5.3 (Fehlererkennungseigenschaft)

Es sei G eine Gruppe und C = CG(π1, . . . , πn, g0) ein Prufziffercode uber dem Al-

phabet G.

a. C erkennt Fehler vom Typ I.

b. Fur n ≥ 3 erkennt C Fehler vom Typ II genau dann, wenn

g ·(πi+1 ◦ π−1

i

)(h) 6= h ·

(πi+1 ◦ π−1

i

)(g) (28)

fur alle i = 1, . . . , n− 1 und fur alle g, h ∈ G mit g 6= h.

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Beweis: a. Sei (g1, . . . , gn) ∈ C und g ′i ∈ G mit g ′

i 6= gi. Angenommen

(g1, . . . , g′i, . . . , gn) ∈ C, dann gilt

π1(g1) · · ·πn(gn) = g0 = π1(g1) · · ·πi

(g ′i

)· · ·πn(gn).

Wenden wir die Kurzungsregel auf beiden Seiten der Gleichung mehrfach an,

so erhalten wir

πi(gi) = πi

(g ′i

).

Da nach Voraussetzung πi eine Permutation, also insbesondere injek-

tiv ist, folgt gi = g ′i im Widerspruch zur Voraussetzung. Mithin ist

(g1, . . . , g′i, . . . , gn) 6∈ C, und C erkennt Fehler vom Typ I.

b. Gehen wir zunachst davon aus, daß die Bedingung (28) erfullt ist, und schließen

daraus, daß C Fehler vom Typ II erkennt. Sei dafur (g1, . . . , gn) ∈ C gegeben

mit gi 6= gi+1 fur ein 1 ≤ i ≤ n − 1. Wir setzen g = πi(gi) und h = πi(gi+1).

Da πi injektiv ist, gilt g 6= h. Aus (28) folgt damit:

πi(gi) · πi+1(gi+1) = g ·(πi+1 ◦ π−1

i

)(h) 6= h ·

(πi+1 ◦ π−1

i

)(g) = πi(gi+1) · πi+1(gi).

Multiplizieren wir beide Seiten mit jeweils den gleichen Elementen aus G von

links bzw. von rechts, so bleibt die Gleichheit erhalten. Auf dem Wege gilt

also:

π1(g1) · · ·πi(gi) · πi+1(gi+1) · · ·πn(gn) 6= π1(g1) · · ·πi(gi+1) · πi+1(gi) · · ·πn(gn).

Das bedeutet aber, daß C Fehler vom Typ II erkennt.

Gehen wir nun umgekehrt davon aus, daß C Fehler vom Typ II erkennt, und

zeigen, daß dann die Bedingung (28) erfullt ist. Dazu seien g, h ∈ G mit g 6= h

gegeben. Wir setzen gi = π−1i (g) und gi+1 = π−1

i (h). Da πi bijektiv ist, folgt

aus g 6= h, daß auch gi 6= gi+1. Wir wahlen nun gj ∈ G, j 6= i, i + 1 so, daß

(g1, . . . , gn) ∈ C – beachte, daß wir hier n ≥ 3 benotigen. Nach Voraussetzung

gilt dann aber

(g1, . . . , gi+1, gi, . . . , gn) 6∈ C,

und mithin

π1(g1) · · ·πn(gn) = g0 6= π1(g1) · · ·πi(gi+1) · πi+1(gi) · · ·πn(gn).

Wir konnen nun wieder die Kurzungsregel auf beiden Seiten der Gleichung

mehrfach anwenden und erhalten:

g ·(πi+1 ◦ π−1

i

)(h) = πi(gi) · πi+1(gi+1) 6= πi(gi+1) · πi+1(gi) = h ·

(πi+1 ◦ π−1

i

)(g).

Damit ist die Aussage bewiesen.

Beispiel 5.4

Aus Proposition 5.3 folgt, daß EAN-13 alle Fehler vom Typ I erkennt. Wie sieht

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es mit Fehlern vom Typ II aus? Wir erinnern uns, daß π1 = idZ10und π2 = µ3, die

Multiplikation mit 3, ist. Mithin gilt fur g = 0 6= 5 = h

g+(π2 ◦ π−1

1

)(h) = 0+ 3 · 5 = 5 = 5+ 3 · 0 = h+

(π2 ◦ π−1

1

)(g).

Damit folgt aber aus Proposition 5.3, daß EAN-13 nicht alle Fehler vom Typ II

erkennt.

Naturlich stellt sich die Frage, welche Nachbarvertauschungen von EAN-13 erkannt

werden, und welche nicht. Eine kurze Uberlegung fuhrt zu folgender Erkenntnis: Sind

z, z ′ ∈ {0, 1, 2, . . . , 9} zwei Ziffern, so daß |z− z ′| = 5 gilt, dann gilt

2 · (z− z ′) ≡ 0 (mod 10) (29)

und mithin

z+ 3 · z ′ = z ′ + 3 · z. (30)

Gilt umgekehrt (30), so gilt auch (29) und damit |z− z ′| = 5.

Folglich erkennt EAN-13 genau dann die Vertauschung zweier verschiedener be-

nachbarter Ziffern nicht, wenn diese sich um 5 unterscheiden. Beim Beispiel in Figur

2 wurden also auch Fehler vom Typ II erkannt. ✷

Proposition 5.3 hilft uns bei der Entscheidung, ob ein Prufziffercode alle Fehler vom

Typ II erkennt, ist dies nicht der Fall, so sagt sie aber nichts daruber aus, ob sehr viele

solcher Fehler nicht erkannt werden, oder sehr wenige. Im Fall von EAN-13 haben

wir durch eine Zusatzuberlegung gesehen, daß vergleichsweise wenig Fehler vom

Typ II ubersehen werden. Konnte man die Qualitat von EAN-13 durch die Wahl

anderer Gewichte, d.h. anderer Permutationen, verbessern, so daß alle Fehler vom

Typ II erkannt werden? Dazu wollen wir zunachst einmal festhalten, daß die Gruppe

(Z10,+) abelsch ist, und daß sich fur eine abelsche Gruppe (G, ·) die Gleichung (28)

schreiben laßt als

g ·(inv ◦πi+1 ◦ π−1

i

)(g) 6= h ·

(inv ◦πi+1 ◦ π−1

i

)(h), (31)

wobei

inv : G → G : g 7→ g−1

die Inversionsabbildung ist. Da inv bijektiv ist, ist inv ◦πi+1 ◦ π−1i ∈ Sym(G) eine

Permutation von G. Betrachtet man nun (31), so scheint wegen Proposition 5.3 die

Erkennung von Fehlern des Typs II mit Abbildungen der Form

g 7→ g · π(g)zusammenzuhangen, wobei π ∈ Sym(G). Wir wollen diesen deshalb einen Namen

geben.

Definition 5.5

Ist G eine Gruppe und π ∈ Sym(G) eine Permutation von G, so nennen wir π eine

vollstandige Abbildung wenn die Abbildung

π∗ : G → G : g 7→ g · π(g)

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bijektiv ist.

Bislang konnten wir nur fur einen gegebenen Prufziffercode entscheiden, ob er Fehler

vom Typ II erkennt oder nicht. Die folgende Proposition gibt uns nun ein Kriterium,

anhand dessen wir fur abelsche Gruppen entscheiden konnen, ob es mit ihnen als

Alphabet uberhaupt eine Prufzifferkodierung geben kann, die alle Fehler vom Typ II

erkennt. Der Beweis ist konstruktiv in dem Sinn, daß es reicht eine vollstandige Ab-

bildung auf der Gruppe zu kennen, um eine solche Prufzifferkodierung hinschreiben

zu konnen.

Korollar 5.6

Es sei G eine endliche abelsche Gruppe und n ≥ 3. Genau dann gibt es auf G einen

Prufziffercode der Lange n, der Fehler vom Typ II erkennt, wenn es auf G eine

vollstandige Abbildung gibt.

Beweis: Wir setzen zunachst voraus, daß es auf G eine vollstandige Abbildung

π ∈ Sym(G) gibt. Definieren wir g0 = eG und πi = (inv ◦π)i fur i = 1, . . . , n, dann

wollen wir zeigen, daß C = CG(π1, . . . , πn, g0) Fehler vom Typ II erkennt.

Dazu mussen wir nur uberprufen, ob die Gleichung (31) erfullt ist. Seien g, h ∈ G

mit g 6= h gegeben, dann gilt

g ·(inv ◦πi+1 ◦ π−1

i

)(g) = g ·

(inv ◦(inv ◦π)i+1−i

)(g) = g · π(g) = π∗(g)

6= π∗(h) = h · π(h) = h ·(inv ◦(inv ◦π)i+1−i

)(h) = h ·

(inv ◦πi+1 ◦ π−1

i

)(h).

Mithin ist die Gleichung (31) erfullt und C erkennt Fehler vom Typ II.

Setzen wir nun umgekehrt voraus, daß es auf G einen Prufziffercode

CG(π1, . . . , πn, g0) gibt, der Fehler vom Typ II erkennt. Es reicht zu zeigen, daß

π = inv ◦π2 ◦ π−11 ∈ Sym(G) eine vollstandige Abbildung ist. Seien dazu g, h ∈ G

mit g 6= h. Aufgrund von Gleichung (31) gilt

π∗(g) = g ·π(g) = g ·(inv ◦π2 ◦π−1

1

)(g) 6= h ·

(inv ◦π2 ◦π−1

1

)(h) = h ·π(h) = π∗(h).

Mithin ist π∗ injektiv und damit auch bijektiv, da G endlich ist. Also ist π eine

vollstandige Abbildung. �

Bemerkung 5.7

a. Wenn |G| = 2 ·m mit m ungerade, dann gibt es keine vollstandige Abbildung

auf G.28 Insbesondere gibt es auf Z10 also keinen Prufziffercode, der alle Fehler

vom Typ II erkennt.

b. Wenn |G| ungerade ist, dann ist die Identitat idG eine vollstandige Abbildung.

c. Problem: Es gibt keinen Prufziffercode auf (Z10,+), der alle Fehler vom Typ

II erkennt. Wie konnen wir diesem Problem begegnen, wenn wir es nicht ein-

fach hinnehmen wollen?

28Der Beweis ist elementar, aber etwas langlich. Wir verweisen den Leser deshalb auf [Sie81].

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Losung 1: Man verwende eine ungerade Anzahl an Ziffern, d.h. man ersetze

Z10 durch Zm fur ein ungerade Zahl m.

Diese Methode wendete z.B. der ISBN-Code bis 2007 an. Er arbeitete mit

(Z11,+) als Alphabet und die Ziffer 10 = 10 + 11Z wurde in einem ISBN-

Code mit X bezeichnet. Dabei tauchte das X in den tatsachlich auf Buchern

verwendeten ISBN-Nummern nur als Prufziffer auf. Der ISBN-Code war der

Prufziffercode

CZ11

(π1, . . . , π10, 0

),

wobei

πi : Z11 → Z11 : a 7→ (11− i) · a.

Wir uberlassen es dem Leser zu uberprufen, daß der Code tatsachlich Fehler

vom Typ II erkennt. Es reicht zu zeigen, daß die Gleichung (31) erfullt ist.

Losung 2: Man verwende eine nicht-abelsche Gruppe mit zehn Elementen.

Fur diese gibt die Nicht-Existenz einer vollstandigen Abbildung keinerlei Hin-

weis auf die Fehlererkennungseigenschaft von Prufziffercodes.

Beispiel 5.8 (Seriennummern deutscher Wahrung)

Die Prufziffer der Seriennummern der DM-Scheine waren kodiert mittels

CD10

(π1, . . . , π10, idD10

, (1)),

wobei

D10 =⟨(1 2 3 4 5), (1 5)(2 4)

⟩≤ S5 = Sym

({1, . . . , 5}

)

die Diedergruppe der Ordnung 10 ist und die Permutation π weiter unten definiert

wird. Wir schreiben hier das neutrale Element der D10 als Einszyklus (1) und nicht

als id{1,...,5}, um Verwechslungen mit der Permutation idD10vorzubeugen.

Wie fur die Gruppe D8 zeigt man, daß mit σ = (1 2 3 4 5) und τ = (1 5)(2 4) die

Gruppe D10 geschrieben werden kann als

D10 ={σ0 = (1), σ1, . . . , σ4, τ ◦ σ0 = τ, τ ◦ σ1, . . . , τ ◦ σ4

}.

Die Gruppe ist nicht abelsch, da τ ◦ σ = σ−1 ◦ τ 6= σ ◦ τ.Verhoeff hat in [Ver75] gezeigt, daß die Permutation π : D10 → D10 mit

x σ0 σ1 σ2 σ3 σ4 τ ◦ σ0 τ ◦ σ1 τ ◦ σ2 τ ◦ σ3 τ ◦ σ4

π(x) σ1 τ ◦ σ0 τ ◦ σ2 τ ◦ σ1 σ2 τ ◦ σ3 σ3 σ0 τ ◦ σ4 σ4

folgende Eigenschaft hat:

g ◦ π(h) 6= h ◦ π(g) fur alle g, h ∈ D10 mit g 6= h.

Aus Proposition 5.3 folgt dann, daß CD10

(π1, . . . , π10, idD10

, (1))Fehler vom Typ II

erkennt.

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Naturlich hat man bei den Seriennummern der DM-Scheine keine Symbole wie σ

verwendet. Stattdessen wurden die 10 Ziffern sowie zusatzlich 10 Buchstaben ver-

wendet, die dann vermittels folgender Tabelle mit den Elementen derD10 identifiziert

wurden:

σ0 σ1 σ2 σ3 σ4 τ ◦ σ0 τ ◦ σ1 τ ◦ σ2 τ ◦ σ3 τ ◦ σ4

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

A D G K L N S U Y Z.

Wollte man uberprufen, ob eine Seriennummer zulassig ist, mußte man die Ziffern

und Buchstaben durch die entsprechenden Elemente der D10 ersetzen und nachrech-

nen, ob das Ergebnis in der Menge CD10

(π1, . . . , π10, idD10

, (1))liegt.

Aufgabe 5.9

Uberprufe ob AA6186305Z2 eine zulassige Seriennummer fur einen DM-Schein ist.

Bemerkung 5.10

Hatte man noch eine andere Gruppe mit 10 Elementen als Alphabet verwenden

konnen?

Nicht wirklich! Fur das Alphabet kommt es nur auf den Isomorphietyp der Gruppe

an, und jede Gruppe der Ordnung 10 ist entweder isomorph zu (Z10,+) oder zu

(D10, ◦). Der Beweis dieser Aussage ist mit den Mitteln, die wir bislang zur Verfugung

haben, etwas langlich, aber durchaus machbar.

Aufgabe 5.11

Beweise Teil b. von Bemerkung 5.7.

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6 Ringe und Korper

A) Ringe und Korper

In Kapitel 1 haben wir die mathematische Struktur der Gruppe eingefuhrt, und

unsere ersten Beispiele waren die additiven Gruppen (Z,+) und (Q,+) der ganzen

bzw. der rationalen Zahlen. Auf diesen Mengen haben wir aber neben der Addition

jeweils noch eine zweite zweistellige Operation, die Multiplikation, bezuglich derer

in beiden Mengen wiederum interessante Rechenregeln gelten. So ist die Menge

(Q \ {0}, ·) wieder eine Gruppe, wahrend (Z \ {0}, ·) zu dieser Eigenschaft (nur) die

multiplikativen Inversen fehlen. Wir wollen diese Beispiele nun verallgemeinern und

fuhren dazu folgende Definition ein.

Definition 6.1

a. Ein Ring mit Eins ist ein Tripel (R,+, ·) bestehend aus einer Menge R zusam-

men mit zwei zweistelligen Operationen

+ : R× R → R : (a, b) 7→ a+ b, (“Addition”)

und

· : R× R → R : (a, b) 7→ a · b, (“Multiplikation”)

so, daß folgende Axiome erfullt sind:

(i) (R,+) ist eine abelsche Gruppe (mit neutralem Element 0R).

(ii) a · (b · c) = (a · b) · c fur alle a, b, c ∈ R. (“Assoziativitat der Multi-

plikation”)

(iii) Es gibt ein Element 1R ∈ R mit 1R · a = a · 1R = a fur alle a ∈ R.

(“Einselement”)

(iv) a · (b+ c) = a ·b+a · c und (b+ c) ·a = b ·a+ c ·a fur alle a, b, c ∈ R.

(“Distributivitat”)

b. Ein Ring mit Eins (R,+, ·) heißt kommutativ , falls a·b = b·a fur alle a, b ∈ R.

c. Ist (R,+, ·) ein Ring mit Eins, dann heißt a ∈ R eine Einheit oder invertierbar

in R, falls es ein a ′ ∈ R gibt mit a · a ′ = a ′ · a = 1R. Wir bezeichnen mit

R∗ = {a ∈ R | a ist Einheit}

die Menge der Einheiten von R.

d. Ein kommutativer Ring mit Eins (R,+, ·) heißt Korper , falls 1R ∈ R∗ = R\{0}.

Bemerkung 6.2

Wir werden in Ringen fur die Addition stets das Zeichen + und fur die Multiplikation

das Zeichen · verwenden, auch wenn wir gleichzeitig verschiedene Ringe betrachten.

Wir verzichten im Folgenden deshalb darauf, die Ringoperationen jeweils anzugeben

und nennen verkurzend die dem Ring (R,+, ·) zugrunde liegende Menge R einen

Ring. Zudem werden wir statt a · b oft auch nur ab schreiben.

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Das neutrale Element von (R,+) werden wir mit 0R oder einfach mit 0 bezeichnen

und das Nullelement von R nennen; das Einselement bezeichnen wir mit 1R oder 1.

Ist R ein Ring und sind a, b ∈ R, so schreiben wir statt a+ (−b) auch kurz a− b.

Das Einselement in R ist eindeutig bestimmt, denn wenn 1R, 1′R ∈ R zwei Elemente

mit der Eigenschaft des Einselementes sind, dann folgt 1R = 1R · 1 ′R = 1 ′

R.

Ist a ∈ R eine Einheit und a ′, a ′′ ∈ R mit a ·a ′ = a ′ ·a = 1R und a ·a ′′ = a ′′ ·a = 1R,

so gilt

a ′ = 1R · a ′ = (a ′′ · a) · a ′ = a ′′ · (a · a ′) = a ′′ · 1R = a ′′.

Das Inverse a ′ zu a ist also eindeutig bestimmt und wird mit a−1 oder 1abezeichnet.

Beachte, aus der Definition folgt unmittelbar, daß (R∗, ·) eine Gruppe ist, die soge-

nannte Einheitengruppe des Ringes R.

Unter Beachtung der Rechenregeln 6.5 kann man leicht zeigen, daß eine Tripel

(K,+, ·) genau dann ein Korper ist, wenn gilt:

a. (K,+) ist eine abelsche Gruppe.

b. (K \ {0}, ·) ist eine abelsche Gruppe.

c. Fur alle a, b, c ∈ K gilt a · (b+ c) = a · b+ a · c.

Beispiel 6.3

a. (Z,+, ·) mit der ublichen Addition und Multiplikation ist ein kommutativer

Ring mit Eins, der kein Korper ist.

b. (Q,+, ·) und (R,+, ·) mit der ublichen Addition und Multiplikation sind

Korper.

c. In der Vorlesung Grundlagen der Mathematik wurden auf der Menge C =

{(x, y) | x, y ∈ R} die beiden zweistelligen Operationen

+ : C× C −→ C :((x, y), (x ′, y ′)

)7→ (x+ x ′, y+ y ′)

und

· : C× C −→ C :((x, y), (x ′, y ′)

)7→ (x · x ′ − y · y ′, x · y ′ + x ′ · y)

eingefuhrt, und es wurde gezeigt, daß (C,+, ·) ein Korper ist – Korper der

komplexen Zahlen Fur die Elemente von C hat sich die Schreibweise (x, y) =

x+iymit i2 = −1 eingeburgert. Wir werden im weiteren Verlauf der Vorlesung

die komplexen Zahlen und ihre Eigenschaften so, wie sie in der Vorlesung

Grundlagen der Mathematik gezeigt wurden, als bekannt voraussetzen. Der

Vollstandigkeit halber haben wir die wichtigsten Eigenschaften im Anhang

zusammengetragen.

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d. Ist M eine beliebige Menge und (R,+, ·) ein Ring mit Eins, so ist

RM := {f | f : M → R ist eine Abbildung}

mit den punktweise definierten Operationen

+ : RM × RM → RM : (f, g) 7→(f+ g : M → R : x 7→ f(x) + g(x)

),

und

· : RM × RM → RM : (f, g) 7→(f · g : M → R : x 7→ f(x) · g(x)

),

ein Ring mit der Nullfunktion 0 : M → R : x 7→ 0R als neutralem Element der

Addition und der Einsfunktion 1 : M → R : x 7→ 1R als Einselement, wie man

mit etwas Fleiß nachpruft.

e. In Aufgabe 1.21 haben wir die Menge

Mat2(R) =

{(a b

c d

) ∣∣∣ a, b, c, d ∈ R

}

der reellen 2× 2-Matrizen eingefuhrt und fur zwei Matrizen(

a b

c d

),

(a ′ b ′

c ′ d ′

)∈ Mat2(R)

ihr Produkt als(

a b

c d

)·(

a ′ b ′

c ′ d ′

)=

(a · a ′ + b · c ′ a · b ′ + b · d ′

c · a ′ + d · c ′ c · b ′ + d · d ′

)

definiert. Setzen wir zudem(

a b

c d

)+

(a ′ b ′

c ′ d ′

)=

(a+ a ′ b+ b ′

c+ c ′ d+ d ′

),

so rechnet man mit etwas Geduld nach, daß (Mat2(R),+, ·) ein Ring mit

Einselement (1 0

0 1

)

ist. Dieser Ring ist nicht-kommutativ, da(

1 0

0 0

)·(

0 1

0 0

)=

(0 1

0 0

)6=(

0 0

0 0

)=

(0 1

0 0

)·(

1 0

0 0

).

In der Vorlesung Grundlagen der Mathematik wird dieses Beispiel verallgemei-

nert auf Matrizen der Große n × n fur n ≥ 1 uber einem beliebigen Korper

K, und der Nachweis, daß auf diesem Wege ein nicht-kommutativer Ring mit

Eins entsteht, wird dort auf weit geschickterem Weg als durch langatmiges

Nachrechnen gefuhrt.

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Beispiel 6.4

Es seien (R,+, ·) und (S,+, ·) zwei kommutative Ringe mit Eins. Dann wird das

kartesische Produkt R× S durch die komponentenweisen Operationen

(r, s) + (r ′, s ′) := (r+ r ′, s+ s ′)

und

(r, s) · (r ′, s ′) := (r · r ′, s · s ′)zu einem kommuativen Ring mit Eins (1R, 1S). Das Nachrechnen der Axiome ist eine

einfache Anwendung der Definition.

Fur die Einheiten in R× S gilt

(R× S)∗ = R∗ × S∗,

da

(1R, 1S) = (r, s) · (r ′, s ′) = (r · r ′, s · s ′) ⇐⇒ 1R = r · r ′ und 1S = s · s ′.

Auf die gleiche Weise wird das kartesische Produkt von einer beliebigen Anzahl

kommutativer Ringe mit Eins wieder ein kommutativer Ring mit Eins, und die

Einheiten des kartesischen Produktes sind wieder durch das kartesische Produkt der

Einheitengruppen gegeben.

Wir wollen nun einige Rechenregeln fur das Rechnen in Ringen aufstellen.

Lemma 6.5 (Rechenregeln)

Es sei R ein Ring mit Eins. Fur a, b, c ∈ R gelten:

a. −(−a) = a.

b. a+ b = c ⇔ a = c− b.

c. −(a+ b) = −a− b.

d. 0 · a = a · 0 = 0.

e. (−a) · b = a · (−b) = −(a · b).f. (−a) · (−b) = a · b.g. a · (b− c) = a · b− a · c.h. Fur a ∈ R∗ ist a−1 ∈ R∗ und

(a−1)−1

= a.

i. Ist 1R = 0R, so ist R = {0R} der Nullring.

Beweis: Die Aussagen a., b. und c. folgen unmittelbar aus Lemma 1.6.

d. Fur a ∈ R gilt 0 · a = (0+ 0) · a = 0 · a+ 0 · a, also folgt 0 · a = 0 mittels der

Kurzungsregeln in (R,+). Analog sieht man a · 0 = 0.

e. Fur a, b ∈ R gilt wegen d.:

a · b+ (−a) · b = (a− a) · b = 0 · b = 0,

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89

also −(a ·b) = (−a) ·b. Die Gleichheit des Ausdrucks zu a · (−b) folgt analog.

f. Fur a, b ∈ R folgt unter Zuhilfenahme von a. und e.:

(−a) · (−b) = −(a · (−b)

)= −

(− (a · b)) = a · b.

g. Fur a, b, c ∈ R impliziert e.:

a · (b− c) = a · b+ a · (−c) = a · b+(− (a · c)

)= a · b− a · c.

h. Ist a ∈ R∗ eine Einheit mit Inversem a−1. Dann ist nach Definition a ein

Inverses von a−1, und insbesondere ist a−1 eine Einheit. Aus der Eindeutigkeit

des Inversen (siehe Bemerkung 6.2) folgt dann, daß a = (a−1)−1.

i. Ist a ∈ R, so gilt a = 1R · a = 0R · a = 0R.

Eine wichtige Klasse kommutativer Ringe mit Eins stellen die sogenannten formalen

Potenzreihenringe dar, die wir in folgenden Definition einfuhren wollen.

Definition 6.6

Sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Ist ak ∈ R fur k ∈ N, so bezeichnen wir die

Funktion

N −→ R : k 7→ ak

durch den Ausdruck∑

k=0 ak · tk, so daß

R[[t]] :=

{∞∑

k=0

bk · tk∣∣ bk ∈ R

}

die Menge aller Funktionen von N nach R bezeichnet. Wir nennen die Elemente von

R[[t]] formale Potenzreihen, und R[[t]] heißt der Ring der formalen Potenzreihen

uber R in der Unbestimmten t.

Fur zwei formale Potenzreihen∑

i=0 ai · ti,∑

j=0 bj · tj ∈ R[[t]] definieren wir ferner

∞∑

i=0

ai · ti +

∞∑

i=0

bi · ti :=

∞∑

i=0

(ai + bi) · ti ∈ R[[t]]

und∞∑

i=0

ai · ti ·∞∑

j=0

bj · tj :=

∞∑

k=0

(∑

i+j=k

ai · bj

)· tk ∈ R[[t]].

Man beachte, daß aus der Definition unmittelbar folgt, daß

∞∑

i=0

ai · ti =

∞∑

i=0

bi · ti ⇐⇒ ai = bi ∀ i ∈ N.

Gilt ai = 0 fur i ≥ n, so schreiben wir auch abkurzend

n∑

i=0

ai · ti =∞∑

i=0

ai · ti.

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90

Bemerkung 6.7

Die Definition der Multiplikation in R[[t]] entspringt dem Bedurfnis, eine Art ver-

allgemeinertes Distributivgesetz fur diese unendlichen Summen zu haben:(

∞∑

i=0

ai · ti)

·(

∞∑

j=0

bj · tj)

=

∞∑

i=0

(ai · ti ·

(∞∑

j=0

bj · tj))

=

∞∑

i=0

((∞∑

j=0

ai · ti · bj · tj))

=

∞∑

i=0

((∞∑

j=0

ai · bj · ti+j

)). (32)

Wenn die eben durchgefuhrten Operationen in R[[t]] korrekt sind, d.h. wenn al-

le Gleichungen korrekt sind, dann ist unsere Notation der Elemente von R[[t]] als

unendliche Summen eine nutzliche Notation. Der Ausdruck auf der rechten Seite

in (32) ist in der angegebenen Form aber noch nicht als formale Potenzreihe, d.h.

als Element von R[[t]], erkennbar. Viele der ti+j stimmen fur verschiedene Werte

von i und j uberein; z.B. kann man t2 durch (i, j) = (2, 0) und (i, j) = (1, 1) und

(i, j) = (0, 2) erhalten. Der Koeffizient zu t2 der Potenzreihe in (32) sollte also die

Summe der ai · bj fur diese (i, j) sein, d.h. a2 · b0 + a1 · b1 + a0 · b2.

Gibt es eigentlich fur jedes k nur endlich viele Paare (i, j), so daß i + j = k? Ja!

Denn wir setzen fur i und j ja voraus, daß es nicht-negative ganze Zahlen sind. Da

mit der Vorgabe von k und durch die Wahl von i die Zahl j bereits als j = k − i

festgelegt ist und da i und j zwischen 0 und k liegen mussen, damit sowohl i als

auch j nicht-negativ sind, gibt es genau die folgenden k+ 1 Moglichkeiten:

(k, 0), (k− 1, 1), (k− 2, 2), . . . , (1, k− 1), (0, k).

Am deutlichsten kann man sich die Paare (i, j), deren Summe ein festes k ergibt,

verdeutlichen, indem man sie als Punkte in ein Koordinatensystem mit den Achsen

i und j eintragt:i

j

Genau die Paare (i, j) auf der Diagonalen von (k, 0) nach (0, k) haben die Eigen-

schaft, daß die Summe i+ j den Wert k ergibt. Der Koeffizient zu tk in der rechten

Seite von (32) muß deshalb

i+j=k

ai · bj =

k∑

i=0

ai · bk−i

sein. Man spricht wegen der angegebenen graphischen Darstellung auch vom Can-

torschen Diagonalverfahren der Multiplikation zweier Potenzreihen.

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91

Satz 6.8

Ist R ein kommutativer Ring mit Eins, so ist der formale Potenzreihenring

(R[[t]],+, ·) ein kommutativer Ring mit Eins 1R[[t]] = t0.

Beweis: Nach Definition sind + und · zwei zweistellige Operationen auf R[[t]]. Sei-

en also∑

i=0 ai · ti,∑

i=0 bi · ti,∑

i=0 ci · ti ∈ R[[t]] gegeben. Dann gilt wegen der

Assoziativitat der Addition in R

(∞∑

i=0

ai · ti +∞∑

i=0

bi · ti)

+

∞∑

i=0

ci · ti =∞∑

i=0

((ai + bi) + ci

)· ti

=

∞∑

i=0

(ai + (bi + ci)

)· ti =

∞∑

i=0

ai · ti +(

∞∑

i=0

bi · ti +∞∑

i=0

ci · ti)

und wegen der Kommutativitat der Addition in R

∞∑

i=0

ai · ti +∞∑

i=0

bi · ti =∞∑

i=0

(ai + bi) · ti

=

∞∑

i=0

(bi + ai) · ti =∞∑

i=0

bi · ti +∞∑

i=0

ai · ti.

Zudem gilt fur die Nullfunktion 0R[[t]] =∑

i=0 0 · ti

0R[[t]] +

∞∑

i=0

ai · ti =∞∑

i=0

(0+ ai) · ti =∞∑

i=0

ai · ti,

und fur∑

i=0(−ai) · ti ∈ R[[t]] gilt

∞∑

i=0

(−ai) · ti +∞∑

i=0

ai · ti =∞∑

i=0

(−ai + ai) · ti = 0R[[t]],

so daß (R[[t]],+) eine abelsche Gruppe mit der Nullfunktion als neutralem Element

ist.

Man beachte nun, daß

k+l=m

(∑

i+j=k

ai · bj

)· cl =

i+j+l=m

ai · bj · cl =∑

i+k=m

(ai ·

j+l=k

bj · cl), (33)

da unter jeder der Summen jedes der Tripel (i, j, l) naturlicher Zahlen mit der Ei-

genschaft i+ j+ l = m genau einmal vor kommt29 und da in R das Assoziativgesetz

29Man kann sich dies auch geometrisch veranschaulichen. Fassen wir (i, j, l) als Koordinaten des

dreidimensionalen Raumes R3 auf, so bestimmt die Gleichung i + j+ l = m bei vorgegebenem m

eine Ebene im Raum, namlich die Ebene, die durch die drei Punkte (m, 0, 0), (0,m, 0) und (0, 0,m)

aufgespannt wird. Verbinden wir diese drei Punkte in dieser Ebene, so erhalten wir ein Dreieck:

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92

(m, 0, 0) (0,m, 0)

(0, 0,m)

Die Punkte mit ganzzahligen Koordinaten in diesem Dreieck sind genau die Tripel nicht-negativer

ganzer Zahlen, deren Summe m ist:

(m, 0, 0) (0,m, 0)

(0, 0,m)

In der linken Seite von (33) zerlegen wir diese Menge wie folgt:

m⋃

l=0

i+j=m−l

{(i, j, l)}.

In der inneren Summe werden also diejenigen ganzzahligen (i, j, l) in dem Dreieck zusammen gefaßt,

fur die die Koordinate l konstant ist und fur die i+ j = m− l ist, d.h. die Punkte liegen auf einer

Geraden parallel zur Geraden durch (m, 0, 0) und (0,m, 0):

(m, 0, 0) (0,m, 0)

(0, 0,m)

In der rechten Seite von (33) zerlegen wir diese Menge wie folgt:

m⋃

i=0

j+l=m−i

{(i, j, l)}.

In der inneren Summe werden also diejenigen ganzzahligen (i, j, l) in dem Dreieck zusammen gefaßt,

fur die die Koordinate i konstant ist und fur die j+ l = m− i ist, d.h. die Punkte liegen auf einer

Geraden parallel zur Geraden durch (0,m, 0) und (0, 0,m):

(m, 0, 0) (0,m, 0)

(0, 0,m)

In beiden Fallen wird jedes ganzzahlige Tripel (i, j, l) im Dreieck genau einmal betrachtet.

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93

der Multiplikation und das Distributivgesetz gelten. Damit gilt aber(

∞∑

i=0

ai · ti ·∞∑

j=0

bj · tj)

·∞∑

l=0

cl · tl =∞∑

k=0

(∑

i+j=k

ai · bj

)· tk ·

∞∑

l=0

cl · tl

=

∞∑

m=0

(∑

k+l=m

(∑

i+j=k

ai · bj

)· cl)

· tm

=

∞∑

m=0

(∑

i+k=m

ai ·∑

j+l=k

bj · cl)

· tm

=

∞∑

i=0

ai · ti ·∞∑

k=0

(∑

j+l=k

bj · cl)

· tk

=

∞∑

i=0

ai · ti ·(

∞∑

j=0

bj · tj ·∞∑

l=0

cl · tl),

so daß die Multiplikation auf R[[t]] assoziativ ist. Ferner folgt aus der Kommutati-

vitat der Multiplikation auf R unmittelbar

∞∑

i=0

ai · ti ·∞∑

j=0

bj · tj =∞∑

k=0

(∑

i+j=k

ai · bj

)· tk

=

∞∑

k=0

(∑

j+i=k

bj · ai

)· tk =

∞∑

j=0

bj · tj ·∞∑

i=0

ai · ti.

Und schließlich gilt fur 1R[[t]] = t0 =∑

j=0 ej · tj mit e0 = 1 und ej = 0 fur j ≥ 1:

1R[[t]] ·∞∑

i=0

ai · ti =∞∑

k=0

(∑

j+i=k

ej · ai

)· tk =

∞∑

k=0

ak · tk,

so daß t0 unter Ausnutzung der Kommutativitat der Multiplikation das Einselement

von R[[t]] ist.

Es bleibt nur, die Distributivitat zu zeigen:

∞∑

i=0

ai · ti ·(

∞∑

j=0

bj · tj +

∞∑

j=0

cj · tj)

=

∞∑

i=0

ai · ti ·∞∑

j=0

(bj + cj) · tj

=

∞∑

k=0

(∑

i+j=k

ai · (bj + cj)

)· tk

=

∞∑

k=0

(∑

i+j=k

(ai · bj + ai · cj))

· tk

=

∞∑

k=0

(∑

i+j=k

ai · bj

)· tk +

∞∑

k=0

(∑

i+j=k

ai · cj)

· tk

=

∞∑

i=0

ai · ti ·∞∑

j=0

bj · tj +

∞∑

i=0

ai · ti ·∞∑

j=0

cj · tj.

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94

Das zweite Distributivgesetz folgt mittels der Kommutativitat der Multiplikation.

Damit haben wir gezeigt, daß (R[[t]],+, ·) ein kommutativer Ring mit Eins ist. �

Bemerkung 6.9

Die Definition der formalen Potenzreihen bereitet Studienanfangern fur gewohnlich

einige Probleme. In der Analysis lernt man Potenzreihen als Funktionen eines Inter-

valls (a−ε, a+ε) in die reellen Zahlen kennen, indem man die Unbestimmte t durch

eine reelle Zahl aus dem Intervall (a − ε, a + ε) ersetzt. Der Ausdruck∑

k=0 ak · tkstellt in der Analysis mithin eine Funktionsvorschrift dar, bei der t variabel ist.

Damit das Einsetzen von Werten fur t zu einem sinnvollen Ergebnis fuhren kann,

benotigt man den Begriff der Konvergenz von Folgen und Reihen reeller Zahlen.

Diesen Begriff wollen und konnen wir nicht so ohne weiteres auf andere Ringe oder

Korper verallgemeinern, so daß wir uns davor huten mussen, eine Potenzreihe als

Funktionvorschrift aufzufassen, bei der fur t irgendwelche Werte eingesetzt werden!

Dennoch haben wir Potenzreihen als Funktionen eingefuhrt, als Funktionen von N

in den Ring R, uber dem wir die Potenzreihen betrachten. Will man eine solche

Funktion f beschreiben, so kann man dies durch eine Wertetabelle tun:

k 0 1 2 3 . . .

f(k) a0 a1 a2 a3 . . .

Die Potenzreihe∑

k=0 ak · tk ist letztlich nichts anderes als eine kompakte Schreib-

weise fur diese Wertetabelle. Die Spalte

3

a3

wird dabei ersetzt durch den Ausdruck a3 · t3, und der Zusatz ·t3 dient dazu fest-

zuhalten, daß es sich um die vierte Spalte der Wertetabelle handelt. Und statt die

Spalten der Tabelle durch senkrechte Balken zu trennen, verbindet man sie mit

Summenzeichen:

a0 · t0 + a1 · t1 + a2 · t2 + a3 · t3 + . . . .

Ist also f =∑

k=0 ak · tk ∈ R[[t]] eine Potenzreihe, so ist f(k) = ak nach Definition.

Weshalb wahlt man nun diese Schreibweise?

Wir haben oben eine Addition und eine Multiplikation von Potenzreihen, d.h. von

Funktionen von N nach R, eingefuhrt. Diese lassen sich mit Hilfe der neuen Schreib-

weise auf angenehme Weise ausdrucken. Mehr steckt nicht dahinter.

Um im Potenzreihenring rechnen zu konnen, reicht es, die Rechenregeln aus Defini-

tion 6.6 zu kennen. Dabei kann man f =∑

k=0 ak · tk als einen formalen Ausdruck

ohne tiefere Bedeutung betrachten, den man nach den vorgegebenen Regeln mani-

pulieren kann. Man kann dabei getrost vergessen, daß f eine Funktion reprasentiert,

solange man die Regeln kennt. ✷

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95

Aufgabe 6.10

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und f =∑

k=0 ak · tk ∈ R[[t]] eine formale

Potenzreihe uber R. Zeige, f ist genau dann eine Einheit in R[[t]], wenn a0 eine

Einheit in R ist.

Hinweis, wenn a0 eine Einheit in R ist, so ist eine Reihe g =∑

k=0 bk ·tk mit f ·g = t0

gesucht. Multipliziere die linke Seite der Gleichung aus und lose die Gleichungen,

die sich fur die Koeffizienten ergeben rekursiv.

B) Unterringe

Definition 6.11

Sei R ein Ring mit Eins und S ⊆ R. S heißt ein Unterring von R, wenn

a. 1R ∈ S,

b. a+ b ∈ S fur alle a, b ∈ S,

c. −a ∈ S fur alle a ∈ S, und

d. a · b ∈ S fur alle a, b ∈ S.

Ist R ein Korper und S ein Unterring von R fur den zusatzlich a−1 ∈ S fur alle

a ∈ S \ {0} gilt, so nennen wir S auch einen Unterkorper oder Teilkorper von R.

Man beachte, daß ein Unterring S von R insbesondere selbst wieder Ring ist bezuglich

der Einschrankung der Addition und Multiplikation von R auf S, und daß entspre-

chend ein Teilkorper selbst ein Korper ist.

Beispiel 6.12

Z ist ein Unterring von Q, R und C. Q ist ein Teilkorper von R und C. R ist ein

Teilkorper von C.

Das neben den ganzen Zahlen wichtigste Beispiel eines kommutativen Ringes mit

Eins in dieser Vorlesung ist der Polynomring, den wir als Unterring des formalen

Potenzreihenringes erhalten.

Definition 6.13

Ist R ein kommutativer Ring, so nennen wir

R[t] :=

{∞∑

k=0

ak · tk ∈ R[[t]]

∣∣∣∣ nur endlich viele ak sind ungleich null

}

=

{n∑

k=0

ak · tk ∈ R[[t]]

∣∣∣∣ n ∈ N, a0, . . . , an ∈ R

}

den Polynomring uber R in der Unbestimmten t und die Elemente von R[t] heißen

Polynome. Fur 0 6= f =∑

k=0 ak · tk ∈ R[t] nennen wir

deg(f) = max{k | ak 6= 0}

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96

den Grad des Polynoms f und lc(f) := adeg(f) seinen Leitkoeffizienten. Ferner setzen

wir deg(0) = −∞ und lc(0) := 0.

Beachte, daß aufgrund der in Definition 6.6 getroffenen Konvention jedes Polynom

in R[t] die Formn∑

k=0

ak · tk

fur ein n ∈ N hat.

Beispiel 6.14

3 · t4− t2+5 · t0 ∈ Z[t] ist ein Polynom vom Grad deg(f) = 4 und mit Leitkoeffizient

lc(f) = 3.

Da R[t] abgeschlossen ist bezuglich Addition, Negativen und Multiplikation und da

1R[[t]] = t0 ∈ R[t] erhalten wir folgenden Satz.

Satz 6.15

Ist R ein kommutativer Ring mit Eins, so ist R[t] ein Unterring von R[[t]]. Insbe-

sondere ist R[t] selbst ein kommutativer Ring mit Eins.

Beweis: Seien f =∑m

k=0 ak · tk, g =∑n

k=0 bk · tk ∈ R[t] gegeben (wobei zugelassen

ist, daß alle ak oder bk Null sind), so ist

f+ g =

max{m,n}∑

k=0

(ak + bk) · tk ∈ R[t], (34)

−f =

m∑

k=0

(−ak) · tk ∈ R[t]

und

f · g =

m+n∑

k=0

(k∑

i=0

ai · bk−i

)· tk ∈ R[t], (35)

wobei wir die Konvention verwenden, daß ak = 0 fur k > m und bk = 0 fur k > n.

Um zu sehen, daß in (35) keine Terme vom Grad großer als n+m notig sind, beachte

man einfach, daß der Koeffizient von tk fur k > n+m die Form

m∑

i=0

ai · bk−i +

k∑

i=m+1

ai · bk−i

hat. Die zweite Summe ist Null, da alle ai dort Null sind, wahrend die erste Summe

Null ist, da dort alle bk−i Null sind. �

Die folgenden Gradformeln fur Polynome ergeben sich unmittelbar aus dem obigen

Beweis. Dabei verwenden wir die Konventionm+−∞ = −∞ und max{m,−∞} = m

fur alle m ∈ N ∪ {−∞}.

Proposition 6.16 (Gradformeln)

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und f, g ∈ R[t] seien zwei Polynome. Dann

gelten:

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97

a. deg(f+ g) ≤ max{deg(f), deg(g)}.

b. deg(f · g) ≤ deg(f) + deg(g).

c. deg(f · g) = deg(f) + deg(g) genau dann, wenn lc(f) · lc(g) 6= 0.

In diesem Fall gilt auch lc(f · g) = lc(f) · lc(g).

Beweis: Ist f = 0 oder g = 0, so sind die Aussagen offenbar korrekt und wir konnen

deshalb f 6= 0 6= g annehmen. Dann folgt a. unmittelbar aus (34) und b. aus (35).

Fur c. beachte man, daß in (35) der Koeffizient von tm+n gerade am ·bn = lc(f) · lc(g)ist. �

Aufgabe 6.17 a. Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und S ⊂ R ein nicht-

leere Teilmenge fur die gilt:

• x+ y ∈ S fur alle x, y ∈ S,

• −x ∈ S fur alle x ∈ S,

• x · y ∈ S fur alle x, y ∈ S und

• 1R ∈ S.

Zeige, S ist ein kommutativer Ring mit Eins bezuglich der Einschrankung der

Addition und der Multiplikation von R auf S.

b. Zeige, Z[i] := {a + i · b ∈ C | a, b ∈ Z} ist ein kommutativer Ring mit

Eins, wobei die Addition und die Multiplikation einfach die Addition und

Multiplikation komplexer Zahlen sein sollen. Man nennt diesen Ring den Ring

der ganzen Gaußschen Zahlen.

c. Bestimme die Einheitengruppe Z[i]∗ des Ringes Z[i].

Aufgabe 6.18

Fur ω ∈ Z, ω ≥ 2, bezeichnen wir mit√−ω die komplexe Zahl i · √ω.

a. Zeige, Z[√

−ω]:= {a + b · √−ω ∈ C | a, b ∈ Z} ist ein kommutativer Ring

mit Eins, wobei die Addition und die Multiplikation einfach die Addition und

Multiplikation komplexer Zahlen sein sollen.

b. Zeige, Z[√

−ω]∗

= {1,−1}.

C) Ringhomomorphismen

Mit einer neuen Struktur definieren wir auch gleich die strukturerhaltenden Abbil-

dungen. Man beachte hierbei, daß zur Struktur eines Ringes mit Eins neben der

Addition und der Multiplikation auch das Vorhandensein eines Einselementes zahlt.

Wir werden deshalb fordern, daß eine strukturerhaltende Abbildung vertraglich ist

mit der Addition und der Multiplikation und daß sie zudem das Einselement respek-

tiert.

Definition 6.19

Es seien R und S zwei Ringe mit Eins. Eine Abbildung ϕ : R → S heißt Ringhomo-

morphismus , falls

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a. ϕ(a+ b) = ϕ(a) +ϕ(b) fur alle a, b ∈ R,

b. ϕ(a · b) = ϕ(a) ·ϕ(b) fur alle a, b ∈ R und

c. ϕ(1R) = 1S.

Ist ϕ ein Ringhomomorphismus, dann nennen wir ϕ einen

• Monomorphismus , falls ϕ injektiv ist;

• Epimorphismus , falls ϕ surjektiv ist;

• Isomorphismus , falls ϕ bijektiv ist.

Wir nennen zwei Ringe R und S isomorph, falls es einen Isomorphismus von R nach

S gibt. Wir schreiben dann kurz R ∼= S.

Beispiel 6.20

Ist S ⊆ R ein Unterring des Ringes R, so ist die kanonische Inklusion iS : S → R ein

Ringhomomorphismus.

Lemma 6.21

Ist ϕ : R → S ein bijektiver Ringhomomorphismus, dann ist auch ϕ−1 : S → R ein

Ringhomomorphismus.

Beweis: Daß ϕ−1 mit der Addition vertraglich ist, folgt aus Proposition 1.51 d., da

ϕ ein Homomorphismus von der abelschen Gruppe (R,+) nach (S,+) ist. Fur die

Vertraglichkeit mit der Multiplikation kopiere man den dortigen Beweis. Schließlich

gilt {x ∈ R | ϕ(x) = 1S} = {1R} wegen der Bijektivitat von ϕ und da ϕ(1R) = 1S,

und mithin ist ϕ−1(1S) = 1R. �

Lemma 6.22

Ist ϕ : R −→ S ein Ringhomomorphismus, so ist Im(ϕ) ein Unterring von S.

Beweis: Nach Proposition 1.51 ist Im(ϕ) eine Untergruppe von (S,+), so daß

Im(ϕ) abgeschlossen ist bezuglich Addition und Negativen. Zudem gilt

1S = ϕ(1R) ∈ Im(ϕ)

und fur ϕ(a), ϕ(b) ∈ Im(ϕ) gilt

ϕ(a) ·ϕ(b) = ϕ(a · b) ∈ Im(ϕ).

Da ein Ringhomomorphismus ϕ : R −→ S nach Definition ein Gruppenhomomor-

phismus von (R,+) nach (S,+) ist, folgt aus Lemma 1.52 unmittelbar folgendes

Kriterium fur die Injektivitat von ϕ, wobei Ker(ϕ) = {a ∈ R | ϕ(a) = 0S}.

Lemma 6.23

Ein Ringhomomorphismus ϕ : R −→ S ist genau dann ein Monomorphismus, wenn

Ker(ϕ) = {0R}.

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99

Bemerkung 6.24

Ist R ein kommutativer Ring mit Eins, so ist die Abbildung

ι : R −→ R[t] : a 7→ a · t0

ein Ringmonomorphismus, und somit ist R isomorph zum Unterring Im(ι) = {a ·t0 | a ∈ R}. Wir werden diesen Isomorphismus in Zukunft nutzen und die Elemente

von R mit den konstanten Polynomen identifizieren, d.h. wir schreiben z.B. 2t2 + 3

anstatt 2t2 + 3t0.

Aufgabe 6.25

Es seien K ein Korper, R ein kommutativer Ring mit 1R 6= 0R und ϕ : K −→ R ein

Ringhomomorphismus. Zeige, ϕ ist ein Monomorphismus.

Aufgabe 6.26

Es sei S ein kommutativer Ring mit Eins, R ⊆ S ein Unterring und b ∈ S.

a. Wir definieren

f(b) =

n∑

k=0

ak · bk ∈ S

fur f =∑n

k=0 ak · tk ∈ R[t]. Zeige, daß die Abbildung

ϕb : R[t] −→ S : f 7→ f(b)

ein Ringhomomorphismus ist. Wir nennen ϕb einen Einsetzhomomorphismus .

b. Ist b Nullstelle des Polynoms g = tn + αn−1 · tn−1 + . . . + α1 · t + α0 ∈ R[t],

n ≥ 1, so ist

Im(ϕb) ={a0 + a1 · b+ a2 · b2 + . . .+ an−1 · bn−1

∣∣ a0, . . . , an−1 ∈ R}.

Wir bezeichnen diesen Unterring von S mit R[b] = Im(ϕb).

D) Ideale

Ist R ein kommutativer Ring mit Eins und S ein Unterring von R, so ist insbeson-

dere (S,+) ein Normalteiler der abelschen Gruppe (R,+). Wir konnen mithin die

Faktorgruppe (R/S,+) bilden, wobei fur zwei Nebenklassen a, b ∈ R/S die Summe

definiert ist als a + b = a+ b. Wir wurden gerne auch die zweite Operation, die

wir auf R und S haben, auf die Faktorgruppe R/S fortsetzen durch a ·b = a · b und

so R/S zu einem kommutativen Ring mit Eins machen. Das geht aber schief! Denn

das Nullelement von R/S muß notwendig 0 sein, und fur ein beliebiges a ∈ R/S und

b ∈ S muß dann

S = 0 = a · 0 = a · b = a · b = (a · b) + S

gelten. Also ist a · b ∈ S, d.h. S ist abgeschlossen bezuglich der Multiplikation mit

beliebigen Elementen aus R. Da nach Voraussetzung 1R ∈ S, mußte fur ein beliebiges

a ∈ R

a = a · 1R ∈ S

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100

gelten und somit S = R. D.h. der einzige Unterring, fur den die zugehorige Faktor-

gruppe (R/S,+) auf diesem Weg zu einem Ring mit Eins gemacht werden konnte,

ware der Ring R selbst. Dann ware aber R/S der Nullring, und wir konnten uns die

Muhe sparen.

Es bleibt uns nichts anderes ubrig, als den Begriff des Unterrings durch einen ande-

ren Begriff zu ersetzen, der es uns erlaubt, Faktorstrukturen zu bilden. Wir haben

bereits gesehen, daß es wunschenswert ware, daß es sich bei dieser neu zu definie-

renden Unterstruktur um eine Untergruppe von (R,+) handelt, die bezuglich der

Multiplikation mit beliebigen Elementen aus R abgeschlossen ist. Dies fuhrt zu fol-

gender Definition, bei der wir uns wie fur den Rest des Kapitels auf kommutative

Ringe mit Eins beschranken.

Definition 6.27

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und ∅ 6= I ⊆ R eine nicht-leere Teilmenge.

I heißt ein Ideal von R, falls

(1) a+ b ∈ I fur alle a, b ∈ I und

(2) r · a ∈ I fur alle r ∈ R und a ∈ I.

Wir schreiben in diesem Fall I✂R, da Ideale fur Ringe die Analoga von Normalteilern

fur Gruppen sind.

Bemerkung 6.28

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und I✂R. Dann ist (I,+) eine Untergruppe

von (R,+). Dies folgt aus dem Untergruppenkriterium 1.28, da mit −1R ∈ R und

fur a ∈ I auch −a = −1R · a ∈ I.

Beachte auch, daß aus der Definition eines Ideals per Induktion unmittelbarn∑

k=1

rk · ak ∈ I

fur alle rk ∈ R und ak ∈ I folgt.

Beispiel 6.29

a. Ist R ein kommutativer Ring mit Eins, dann sind {0R} und R die trivialen Ideale

von R.

b. nZ ist ein Ideal in Z fur jedes n ∈ Z, da die Menge abgeschlossen bezuglich

+ und bezuglich Multiplikation mit ganzen Zahlen ist.

Da jedes Ideal von (Z,+, ·) insbesondere eine Untergruppe von (Z,+) ist folgt aus

obigem Beispiel und der Klassifikation der Untergruppen von (Z,+) in Proposition

1.38 folgendes Korollar.

Korollar 6.30

Fur eine Teilmenge U ⊆ Z sind die folgenden Aussagen aquivalent:

a. U ist ein Ideal von (Z,+, ·).

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101

b. U ist eine Untergruppe von (Z,+).

c. U = nZ fur eine ganze Zahl n ≥ 0.

Wie bei Untergruppen wollen wir auch bei Idealen wieder wissen, wie sie sich

bezuglich bestimmter mengentheoretischer Operationen verhalten.

Proposition 6.31

Ist R ein kommutativer Ring mit Eins und sind Iλ ✂ R Ideale fur λ ∈ Λ, dann ist⋂λ∈Λ Iλ ✂ R ein Ideal.

Beweis: Seien a, b ∈ ⋂λ∈Λ Iλ und r ∈ R. Dann ist a + b ∈ Iλ und r · a ∈ Iλ, da Iλ

ein Ideal ist. Mithin ist auch

a+ b, r · a ∈⋂

λ∈Λ

Iλ.

Zudem ist 0R ∈ Iλ, da (Iλ,+) eine Untergruppe von (R,+) ist, und mithin ist 0R ∈⋂λ∈Λ Iλ, so daß die Menge nicht leer ist. �

Definition 6.32

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und M ⊆ R eine Teilmenge. Wir definieren

das Erzeugnis von M als

〈M〉R =⋂

M⊆I✂R

I,

den Schnitt aller Ideale von R, die M enthalten.

Proposition 6.33

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und ∅ 6= M ⊆ R. Dann ist das Erzeugnis

〈M〉R =

{n∑

k=1

rk · ak

∣∣∣∣ ak ∈ M, rk ∈ R, n ≥ 1

}✂ R

von M die Menge aller endlichen Linearkombinationen von Elementen in M mit

Koeffizienten in R.

Beweis: Wir setzen

J =

{n∑

k=1

rk · ak | ak ∈ M, rk ∈ R, n ≥ 1

}

und zeigen zunachst, daß J ein Ideal von R ist.

Da M nicht die leere Menge ist, ist auch J nicht leer. Sind nun∑n

k=1 rk ·ak,∑m

k=1 sk ·bk ∈ J mit rk, sk ∈ R und ak, bk ∈ M, so setzen wir einfach rk = sk−n und ak = bk−n

fur k = n+ 1, . . . , n+m und erhalten

n∑

k=1

rk · ak +

m∑

k=1

sk · bk =

n+m∑

k=1

rk · ak ∈ J.

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102

Da zudem fur r ∈ R auch r · rk ∈ R gilt auch

r ·n∑

k=1

rk · ak =

n∑

k=1

(r · rk) · ak ∈ J.

Also ist J ein Ideal von R.

Zudem ist M ⊂ J, da a = 1R · a ∈ J fur alle a ∈ M. Also gilt nach Definition

〈M〉R =⋂

M⊆I✂R

I ⊆ J.

Andererseits gilt fur∑n

k=1 rk · ak ∈ J mit rk ∈ R und ak ∈ M, daß

n∑

k=1

rk · ak ∈ I

fur jedes Ideal I✂ R, das M enthalt, wegen Bemerkung 6.28. Mithin gilt auch

J ⊆⋂

M⊆I✂R

I = 〈M〉R.

Beispiel 6.34

Ist R ein kommutativer Ring mit Eins und a, b ∈ R, dann gelten

〈a〉R = {r · a | r ∈ R}

und

〈a, b〉R = {r · a+ s · b | r, s ∈ R}.

Insbesondere gilt nZ = 〈n〉Z.

Aufgabe 6.35

Zeige, daß

I = {f ∈ Z[t] | f(5) = 0}

ein Ideal von Z[t] ist.

Aufgabe 6.36

Es sei R ein kommutativer Ring. R ist genau dann ein Korper, wenn R genau zwei

Ideale besitzt.

Aufgabe 6.37

Es sei R ein Ring und Ik ✂ R, k ∈ N, seien Ideale mit der Eigenschaft

I0 ⊆ I1 ⊆ I2 ⊆ I3 ⊆ . . . ,

d.h. Ik ⊆ Ik+1 fur alle k ∈ N. Zeige, daß dann auch⋃

k∈N

Ik ✂ R

ein Ideal in R ist.

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103

E) Faktorringe

Satz 6.38

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und I ✂ R ein Ideal. Dann wird auf der

abelschen Gruppe (R/I,+) durch

a · b := a · bfur a, b ∈ R/I eine zweistellige Operation definiert, und (R/I,+, ·) ist ein kommuta-

tiver Ring mit Einselement 1R/I = 1R. Wir nennen R/I den Faktorring von R nach

I.

Beweis: Wir mussen zunachst zeigen, daß die Operation wohldefiniert ist, also nicht

von der Wahl der Reprasentanten der Nebenklassen abhangt. Seien dazu a = a ′ und

b = b ′, dann gilt nach Definition a = a ′ + c und b = b ′ + d mit c, d ∈ I. Damit

folgt dann

a · b = (a ′ + c) · (b ′ + d) = a ′ · b ′ +(a ′ · d+ c · b ′ + c · d)

mit a ′ · d+ c · b ′ + c · d ∈ I. Also gilt

a · b = a · b+ I = a ′ · b ′ + I = a ′ · b ′,

und die Multiplikation ist wohldefiniert. Die Assoziativitat und die Kommutativitat

der Multiplikation folgen dann aus den entsprechenden Eigenschaften der Multipli-

kation auf R. Zudem ist 1 · a = 1 · a = a fur alle a ∈ R/I, so daß (R/I,+, ·) ein

kommutativer Ring mit Eins 1 ist. �

Beispiel 6.39

(Zn,+, ·) ist ein kommutativer Ring mit Eins vermittels

a+ b = a+ b und a · b = a · bfur alle a, b ∈ Z und n ≥ 0.

Beachte, in Z2 ={0, 1

}ist offenbar jedes Element ungleich 0 eine Einheit, so

daß (Z2,+, ·) ein Korper ist. Da zudem jeder Korper K mindestens zwei Elemente,

namlich 0K 6= 1K enthalten muß, ist Z2 der kleinst mogliche Korper.

Aufgabe 6.40

Welcher der folgenden Ringe ist ein Korper?

a. Z4.

b. Z7.

Beweise Deine Vermutung.

Aufgabe 6.41

Fur eine positive ganze Zahl n definieren wir die Abbildung

φn : Z[t] −→ Zn[t] :

m∑

k=0

ak · tk 7→m∑

k=0

ak · tk.

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104

Zeige, daß φn ein Ringepimorphismus ist. Wir nennen φn Reduktion modulo n.

Aufgabe 6.42

a. Bestimme Z∗6.

b. Bestimme Z∗8.

c. Bestimme Z∗15.

d. Stelle eine Vermutung auf, wann eine Element z ∈ Zn fur n ≥ 2 eine Einheit

ist.

e. Zeige, fur alle n ≥ 2 ist n− 1 ∈ Zn eine Einheit.

F) Homomorphiesatz

Satz 6.43 (Homomorphiesatz)

Es sei ϕ : R −→ S ein Ringhomomorphismus zwischen kommutativen Ringen mit

Eins. Dann ist Ker(ϕ) = {a ∈ R | ϕ(a) = 0}✂ R ein Ideal und

ϕ : R/Ker(ϕ) −→ Im(ϕ) : a 7→ ϕ(a)

ein Isomorphismus. Insbesondere gilt R/Ker(ϕ) ∼= Im(ϕ).

Beweis: Nach Proposition 1.51 ist (Ker(ϕ),+) eine Untergruppe von (R,+), al-

so insbesondere nicht leer und abgeschlossen bezuglich der Addition. Sei nun

a ∈ Ker(ϕ) und r ∈ R. Dann gilt

ϕ(r · a) = ϕ(r) ·ϕ(a) = ϕ(r) · 0 = 0.

Also ist r · a ∈ Ker(ϕ) und Ker(ϕ) ist ein Ideal. Aus dem Homomorphiesatz 4.51

folgt dann, daß ϕ ein Isomorphismus abelscher Gruppen ist. Da zudem

ϕ(a · b

)= ϕ

(a · b

)= ϕ(a · b) = ϕ(a) ·ϕ(b) = ϕ

(a)·ϕ(b)

und ϕ(1)= ϕ(1) = 1 gilt, ist ϕ ein Isomorphismus von Ringen. �

Aufgabe 6.44

a. Finde alle Ringhomomorphismen ϕ : Z −→ Z6.

b. Finde alle Ringhomomorphismen ϕ : Z6 −→ Z.

c. Finde alle Ringhomomorphismen ϕ : Q −→ R.

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105

7 Teilbarkeit in Ringen

Wir haben im vorigen Kapitel den Begriff des kommutativen Ringes mit Eins ein-

gefuhrt. Als Modell fur diesen Begriff haben uns die ganzen Zahlen gedient, und sie

sollen auch das Leitbild fur die in diesem Kapitel betrachteten Eigenschaften von

Ringen und ihren Elementen sein.

A) Integritatsbereiche

Der zentrale Begriff wird der der Teilbarkeit sein. Eine uns vertraute Eigenschaft

der naturlichen Zahlen ist, daß das Produkt zweier Zahlen nur dann Null ergeben

kann, wenn eine der Zahlen bereits Null ist. Dies gilt in beliebigen Ringen nicht mehr.

Betrachtet man etwa den Ring Z4, so ist die Restklasse 2 6= 0, aber 2·2 = 4 = 0. Dies

hat unangenehme Folgen, denn 0 laßt sich somit auf mehrere Weisen als Vielfaches

von 2 schreiben:

2 · 2 = 0 = 0 · 2.In einem solchen Ring gelten ganz offensichtlich die Kurzungsregeln fur die Multi-

plikation nicht mehr. Diese sind aber fur den Begriff der Teilbarkeit von zentraler

Bedeutung, schließlich wollen wir einen Teiler auch wegkurzen konnen. Wir fuhren

deshalb einen neuen Begriff fur solche Ringe ein, die sich in dieser Beziehung vernunf-

tig verhalten.

Definition 7.1

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und a ∈ R.

a. a heißt ein Nullteiler , falls es ein 0 6= b ∈ R gibt mit a · b = 0.

b. R heißt Integritatsbereich oder nullteilerfrei, falls 0 der einzige Nullteiler in R

ist.

Beispiel 7.2

a. Ist R nicht der Nullring, so ist 0 ein Nullteiler, da 0 · 1 = 0 und 1 6= 0.

b. Ist a ∈ R∗ eine Einheit, so ist a kein Nullteiler.

Denn da a ein Inverses a−1 ∈ R besitzt, folgt aus a · b = 0 unmittelbar

b = 1 · b =(a−1 · a

)· b = a−1 · (a · b) = a−1 · 0 = 0.

c. Aus b. folgt, daß jeder Korper ein Integritatsbereich ist, da 0 das einzige

Element ist, das keine Einheit ist. Insbesondere sind Q, R und C Integritats-

bereiche.

d. Jeder Unterring eines Integritatsbereichs ist ein Integritatsbereich. Insbeson-

dere sind also Z und

Z[√

−5]=

{a+ b ·

√−5 ∈ C

∣∣ a, b ∈ Z}

Integritatsbereiche.

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e. Ist R ein Integritatsbereich, so ist R[t] ein Integritatsbereich und R[t]∗ = R∗.

Denn sind f, g ∈ R[t] \ {0}, so ist deg(f), deg(g) ≥ 0 und lc(f) 6= 0 6= lc(g).

Aufgrund der Gradformeln fur Polynome 6.16 folgt deshalb

deg(f · g) = deg(f) + deg(g) ≥ 0, (36)

da lc(f) · lc(g) 6= 0 im Integritatsbereich R, und somit ist f · g 6= 0. Also ist

R[t] ein Integritatsbereich. Ist f ∈ R[t]∗ eine Einheit und g das zugehorige

Inverse, so gilt f · g = t0 = 1 und aus (36) folgt, daß deg(f) = 0 = deg(g).

D.h. f und g sind konstante Polynome und mithin gilt f, g ∈ R∗. Ist umgekehrt

f ∈ R∗ ⊆ R[t], so gibt es ein g ∈ R ⊆ R[t] mit f ·g = 1 = t0 und somit f ∈ R[t]∗.

f. Z4 ist kein Integritatsbereich, da 2 wegen 2 · 2 = 0 ein Nullteiler ist.

Lemma 7.3 (Kurzungsregeln)

Ist R ein Integritatsbereich, so gelten die Kurzungsregeln der Multiplikation, d.h. fur

alle a, b, c ∈ R mit a 6= 0 gilt

a · b = a · c =⇒ b = c

und

b · a = c · a =⇒ b = c.

Beweis: Wegen der Kommutativitat der Multiplikation reicht es, eine der

Kurzungsregeln zu zeigen. Seien dazu a, b, c ∈ R mit ab = ac. Dann gilt

0 = ab− ac = a · (b− c). (37)

Da a 6= 0 und R ein Integritatsbereich ist, ist a kein Nullteiler. Mithin folgt aus

(37), daß b− c = 0 und somit b = c gilt. �

Nun konnen wir den Begriff der Teilbarkeit fur Elemente eines Integritatsbereiches

einfuhren. Dabei sollten wir beachten, daß wir in einem Integritatsbereich zunachst

nur die Operationen der Addition und der Multiplikation haben, nicht aber eine

Division. Wir mussen also mit ersteren auskommen um Teilbarkeit zu definieren.

Definition 7.4

Sei R ein Integritatsbereich und a, b ∈ R.

a. Wir sagen b teilt a, falls es ein c ∈ R gibt mit a = b · c. Wir schreiben in

diesem Fall b | a.

b. Wir nennen g ∈ R einen großten gemeinsamen Teiler von a und b, falls die

folgenden beiden Eigenschaften erfullt sind:

(1) g | a und g | b.

(2) Fur alle h ∈ R mit h | a und h | b gilt h | g.

Wir bezeichnen mit

ggT(a, b) = {g ∈ R | g ist großter gemeinsamer Teiler von a und b}

die Menge der großten gemeinsamen Teiler von a und b.

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107

c. Wir nennen k ∈ R ein kleinstes gemeinsames Vielfaches von a und b, falls die

folgenden beiden Eigenschaften erfullt sind:

(1) a | k und b | k.

(2) Fur alle l ∈ R mit a | l und b | l gilt k | l.

Wir bezeichnen mit

kgV(a, b) = {k ∈ R | k ist kleinstes gemeinsames Vielfaches von a und b}

die Menge der kleinsten gemeinsamen Vielfachen von a und b.

d. Wir nennen a und b teilerfremd , wenn 1 ∈ ggT(a, b).

Bemerkung 7.5

Bei der Definition eines großten gemeinsamen Teilers g von a und b bedeutet die

Bedingung (1), daß g uberhaupt ein Teiler von a und von b ist. Die Bedingung (2)

dient dazu den Zusatz großter zu rechtfertigen. Wie soll man in einem beliebigen

Integritatsbereich entscheiden, wann g großer als h ist fur g, h ∈ R? In Z kann man

dazu vielleicht die bekannte Ordnungsrelation “≤” heranziehen, indem man zum

Beispiel fur die Teiler h = 2 und g = 6 der Zahlen a = 12 und b = 30 definiert,

daß wohl 6 der großere Teiler ist. Aber wie sollte man das etwa im Polynomring

Z[t] machen? Ist t + 2 großer als t oder kleiner oder kann man sie vielleicht gar

nicht vergleichen? Man macht sich deshalb zunutze, daß in den ganzen Zahlen der

großte gemeinsame Teiler von a und b von allen gemeinsamen Teilern von a und

b geteilt wird. In obigem Beispiel etwa sind 1, 2, 3 und 6 die einzigen positiven

gemeinsamen Teiler von 12 und 30, und sie alle teilen g = 6. Man kann einen Teiler

also kleiner als einen anderen nennen, wenn ersterer letzteren teilt. In diesem Sinne

legt die Bedingung (2) in Z in der Tat fest, welcher der beiden Teiler g und h großer

ist.

Nach Definition ist ein großter gemeinsamer Teiler zweier Elemente a und b also ein

gemeinsamer Teiler von a und b, der von jedem anderen gemeinsamen Teiler geteilt

wird. Analog ist ein kleinstes gemeinsames Vielfaches von a und b ein gemeinsames

Vielfaches, das jedes andere gemeinsame Vielfache teilt.

Weshalb sprechen wir in der Definition von einem großten gemeinsamen Teiler und

nicht von dem großten gemeinsamen Teiler? Schlicht und ergreifend, weil unsere

Definition ihn nicht eindeutig bestimmt! In obigem Beispiel a = 12, b = 30 ∈ Z ist

zweifellos g = 6 ein großter gemeinsamer Teiler von a und b. Aber auch −6 teilt a

und b und wird von jedem anderen gemeinsamen Teiler von a und b geteilt. In Z

ist nach unserer Definition ein gemeinsamer Teiler nur bis auf sein Vorzeichen (d.h.

bis auf Multiplikation mit einer Einheit in Z) eindeutig bestimmt.

In Q[t] wird das noch schlimmer. Betrachten wir zwei konstante Polynome 0 6=a, g ∈ Q ⊂ Q[t], so ist

a = g · ag

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und somit ist g ein Teiler von a. Zudem gilt fur einen Teiler c ∈ Q[t] von a, daß es

ein d ∈ Q[t] gibt mit a = c·d, und aus der Gradformel 0 = deg(a) = deg(c)+deg(d)

folgt dann notwendig, daß deg(c) = 0 und c ∈ Q\{0}. D.h. die Teiler von a sind genau

die Elemente aus Q \ {0}. Betrachten wir in Q[t] also etwa die konstanten Polynome

a = 2 und b = 5, so sind die rationalen Zahlen 0 6= q ∈ Q genau die gemeinsamen

Teiler von a und b und, da sie sich gegenseitig teilen, sind sie alle auch großte

gemeinsame Teiler von a und b im Sinne der Definition. Da man in diesem Fall von

einem großten gemeinsamen Teiler q zu einem anderen p durch Multiplikation mit

der rationalen Zahl pqgelangt, konnte man auch sagen, daß der großte gemeinsamer

Teiler nur bis auf Multiplikation mit einer rationalen Zahl ungleich Null bestimmt

ist.

In den ganzen Zahlen hat man sich angewohnt, einen der beiden großten gemeinsa-

men Teiler zu bevorzugen, namlich den positiven. Fur einen beliebigen Integritats-

bereich gibt es dazu aber keinen einsichtigen Grund, so daß fur uns jedes Element

der Menge ggT(a, b) gleich gut ist.

Die Betrachtungen zum großten gemeinsamen Teiler lassen sich auch auf ein kleinstes

gemeinsames Vielfaches k von a und b ubertragen. Bedingung (1) bedeutet, daß k

ein Vielfaches sowohl von a als auch von b ist, und (2) rechtfertigt den Zusatz

kleinstes, da jedes andere Vielfache von a und b von k geteilt wird. In Z ist ein

kleinstes gemeinsames Vielfaches wieder nur bis auf sein Vorzeichen bestimmt. ✷

Beispiel 7.6

a. Fur f = t− 1 ∈ Q[t] und g = tn − 1 ∈ Q[t] mit n ≥ 1 gilt

g = f ·(tn−1 + tn−2 + . . .+ t+ 1

)

und somit f | g.

b. Betrachten wir die komplexen Zahlen a = 9, b = 2+√−5, c = 2−

√−5 und

d = 3 in Z[√

−5]. Wegen

a = 9 =(2+

√−5)·(2−

√−5)= b · c

gilt b | a.

Wir wollen nun noch zeigen, daß d kein Teiler von b ist. Nehmen wir das

Gegenteil an, d.h. d | b. Dann gibt es ein e = x+y ·√−5 mit x, y ∈ Z, so daß

b = d · e.

Mit Hilfe des Absolutbetrags komplexer Zahlen erhalten wir damit dann aber

9 = |b|2 = |d|2 · |e|2 = 9 ·(x2 + 5 · y2

).

Es folgt x2 + 5y2 = 1, und da x und y ganze Zahlen sind, muß notwendig

y = 0 und x ∈ {1,−1} gelten. Aber b 6∈ {d,−d}, so daß wir einen Widerspruch

hergeleitet haben.

c. In Z gilt ggT(6, 8) = {−2, 2} und kgV(6, 8) = {−24, 24}.

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Viele Eigenschaften eines Elementes a in einem Integritatsbereich konnen ausge-

druckt werden durch Eigenschaften des von a erzeugten Ideals 〈a〉R = {r ·a | r ∈ R}.

Manche Formulierung und manches Argument wird dadurch deutlich verkurzt.

Lemma 7.7

Sei R ein Integritatsbereich und a, b, g, k ∈ R.

a. b | a genau dann, wenn 〈a〉R ⊆ 〈b〉R.b. Die folgenden Aussagen sind gleichwertig:

(i) a | b und b | a.

(ii) 〈a〉R = 〈b〉R.(iii) Es gibt eine Einheit u ∈ R∗ mit a = u · b.

c. Genau dann ist g ∈ ggT(a, b), wenn die folgenden beiden Eigenschaften erfullt

sind:

(1) 〈a, b〉R ⊆ 〈g〉R.(2) Fur alle h ∈ R mit 〈a, b〉R ⊆ 〈h〉R, gilt 〈g〉R ⊆ 〈h〉R.

d. Genau dann ist k ∈ kgV(a, b), wenn die folgenden beiden Eigenschaften erfullt

sind:

(1) 〈k〉R ⊆ 〈a〉R ∩ 〈b〉R.(2) Fur alle l ∈ R mit 〈l〉R ⊆ 〈a〉R ∩ 〈b〉R, gilt 〈l〉R ⊆ 〈k〉R.

Beweis: a. Falls b | a, so gibt es ein c ∈ R mit a = b · c. Mithin gilt fur jedes

r ∈ R auch r · a = (r · c) · b ∈ 〈b〉R und damit 〈a〉R ⊆ 〈b〉R. Gilt umgekehrt

〈a〉R ⊆ 〈b〉R, so ist a ∈ 〈a〉R ⊆ 〈b〉R und mithin gibt es ein c ∈ R mit a = c ·b.Also wird a von b geteilt.

b. Zunachst konnen wir ohne Einschrankung annehmen, daß a 6= 0 6= b, da die

drei Aussagen sonst offenbar gleichwertig sind. Setzen wir (i) voraus, so folgt

(ii) aus Teil a.. Es gelte nun (ii), so daß a ∈ 〈b〉R und b ∈ 〈a〉R. Es gibt alsou, v ∈ R mit a = u · b und b = v · a. Aber dann gilt

1 · a = a = u · b = (u · v) · a.

Da im Integritatsbereich R die Kurzungsregel gilt und da a 6= 0, folgt 1 = u ·v.Da zudem R kommutativ ist, ist u ∈ R∗ eine Einheit und nach Wahl von u

gilt a = u · b, so daß (iii) erfullt ist. Setzen wir (iii) voraus, so gilt a = u · bund b = u−1 · a. Damit gilt aber b | a und a | b, so daß (i) erfullt ist.

c. Dies ist nur eine Umformulierung der Definition mit Hilfe von Teil a., wenn

man beachtet, daß 〈a, b〉R ⊆ 〈g〉R genau dann, wenn 〈a〉R ⊆ 〈g〉R und 〈b〉R ⊆〈g〉R.

d. Dies ist nur eine Umformulierung der Definition mit Hilfe von Teil a..

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Eine Verallgemeinerung der Betrachtungen zum ggT und zum kgV in Z und Q[t] ist

das folgende Lemma. Zwei großte gemeinsame Teiler unterscheiden sich nur durch

eine Einheit, und das gleiche gilt fur zwei kleinste gemeinsame Vielfache.

Lemma 7.8

Sei R ein Integritatsbereich, a, b ∈ R.

a. Ist g ∈ ggT(a, b), dann ist ggT(a, b) = {u · g | u ∈ R∗}, d.h. ein großter ge-

meinsamer Teiler ist bis auf Multiplikation mit Einheiten eindeutig bestimmt.

b. Ist k ∈ kgV(a, b), dann ist kgV(a, b) = {u · k | u ∈ R∗}, d.h. ein klein-

stes gemeinsames Vielfaches ist bis auf Multiplikation mit Einheiten eindeutig

bestimmt.

Beweis: Der Beweis sei dem Leser als Ubungsaufgabe uberlassen.

Aufgabe 7.9

Beweise Lemma 7.8.

Aufgabe 7.10

a. Bestimme die Nullteiler und die Einheiten in Z24. Ist Z24 ein Integritatsbe-

reich?

b. Ist 3+ 4i ein Teiler von 7+ i in Z[i]?

c. Bestimme alle großten gemeinsamen Teiler von f = t2 − 3t + 2 und g =

t3 − 2t2 − t+ 2 in Z[t].

Die nachste Aufgabe zeigt, daß man in den ganzen Zahlen die Bestandteile großter

beim großten gemeinsamen Teiler bzw. kleinster beim kleinsten gemeinsamen Viel-

fachen auch mittels der Ordnungsrelation in Z definieren kann.

Aufgabe 7.11

Es seien a, b ∈ Z zwei ganze Zahlen. In Notation 4.44 haben wir die Zahl

kgv(a, b) :=

{min{z > 0 | a und b teilen z}, falls a, b 6= 0,

0, falls a = 0 oder b = 0,

eingefuhrt und erganzen sie nun um die Zahl

ggt(a, b) :=

{max

{z > 0

∣∣ z teilt sowohl a als auch b}, falls (a, b) 6= (0, 0),

0, sonst.

Zeige, ggt(a, b) ∈ ggT(a, b) und kgv(a, b) ∈ kgV(a, b).

Aufgabe 7.12

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins, der nur endlich viele Elemente enthalt.

Zeige, dann ist jedes Element von R entweder eine Einheit oder ein Nullteiler.

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111

Aufgabe 7.13

Es sei R ein Integritatsbereich. Wir definieren eine Aquivalenzrelation auf R×(R\{0})

durch

(a, b) ∼ (a ′, b ′) :⇐⇒ a · b ′ = a ′ · b.Die Aquivalenzklasse von (a, b) bezeichnen wir mit a

b, und die Menge aller Aqui-

valenzklassen bezeichnen wir mit Quot(R). Auf dieser Menge definieren wir eine

Addition und eine Multiplikation durch

a

b+

c

d:=

ad+ bc

bdund

a

b· cd:=

ac

bd.

Zeige:

a. ∼ ist eine Aquivalenzrelation.

b. Die Addition und die Multiplikation sind wohldefiniert.

c.(Quot(R),+, ·

)ist ein Korper, der sogenannte Quotientenkorper von R.

B) Faktorielle Ringe

Wir haben bislang weder eine Aussage dazu getroffen, ob ein großter gemeinsamer

Teiler zweier Elemente in einem Integritatsbereich stets existiert, noch wie man

diesen ggf. ausrechnen kann. In der Tat werden wir spater sehen, daß es Integritats-

bereiche gibt, in denen großte gemeinsame Teiler nicht notwendig existieren. Wir

wollen uns aber zunachst dem Problem zuwenden, wie man einen großten gemein-

samen Teiler denn berechnen konnte.

Die in der Schule gangigste Methode zur Berechnung eines großten gemeinsamen

Teilers zweier positiver ganzer Zahlen a und b besteht darin, diese als ein Pro-

dukt von Primzahlen zu schreiben und festzustellen, welche Primzahlen mit welchen

Vielfachheiten sowohl in a, als auch in b vorkommen. Wenn wir dieses Vorgehen

adaptieren wollen, mussen wir zunachst den Begriff der Primzahl auf beliebige In-

tegritatsbereiche erweitern. Dazu sollten wir uns charakterisierende Eigenschaften

des Begriffs Primzahl anschauen. Eine Primzahl ist eine positive ganze Zahl, die

genau zwei positive Teiler besitzt. Dies kann man auch etwas anders ausdrucken als,

p ∈ Z>1 ist eine Primzahl genau dann, wenn fur a, b ∈ Z≥0 gilt:

p = a · b =⇒ a = 1 oder b = 1. (38)

Denn p = a · b bedeutet, daß sowohl a als auch b Teiler von p sind, und fur eine

Primzahl konnen nicht beide gleich p sein.

Es gibt aber noch eine andere Eigenschaft, die Primzahlen charakterisiert, eine Ei-

genschaft, die man verwendet, wenn man den großten gemeinsamen Teiler auf obi-

gem Weg ausrechnet. Wenn namlich eine Primzahl ein Produkt teilt, so teilt sie

schon einen der Faktoren. D.h. p ∈ Z>1 ist eine Primzahl genau dann, wenn fur

a, b ∈ Z≥0 gilt:

p | a · b =⇒ p | a oder p | b. (39)

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112

Den Beweis der Gleichwertigkeit der Eigenschaften (38) und (39) liefert Korol-

lar 7.18.

Wir haben mithin zwei Moglichkeiten, den Begriff der Primzahl auf beliebige Inte-

gritatsbereiche zu verallgemeinern, und wir werden sehen, daß diese beiden Begriffe

nicht notwendig ubereinstimmen. Eine vernunftige Theorie der Teilbarkeit erhalten

wir aber nur, wenn die beiden Begriffe ubereinstimmen, denn nur dann laßt sich die

Primfaktorzerlegung, wie wir sie aus den ganzen Zahlen gewohnt sind, verallgemei-

nern.

Ein Problem bei der Verallgemeinerung der obigen Bedingungen auf beliebige Inte-

gritatsbereiche ist das Fehlen einer Ordnungsrelation >, die es uns erlauben wurde

von positiven Ringelementen zu sprechen. Das erweist sich bei naherem Hinsehen

jedoch als uberflussig, wenn wir in Z auch negative Zahlen zulassen. Die Bedingung

“= 1” bzw. “ 6= 1” kann man dann durch “∈ Z∗” bzw. “ 6∈ Z∗” ersetzen.

Definition 7.14

Sei R ein Integritatsbereich.

a. Ein Element 0 6= p ∈ R \ R∗ heißt irreduzibel , falls aus p = a · b mit a, b ∈ R

folgt, daß a ∈ R∗ oder b ∈ R∗.

b. Ein Element 0 6= p ∈ R \ R∗ heißt prim, falls aus p | a · b mit a, b ∈ R folgt,

daß p | a oder p | b.

c. R heißt ein faktorieller Ring30, falls jedes 0 6= a ∈ R \ R∗ sich als Produkt von

endlich vielen Primelementen schreiben laßt.

Wir werden weiter unten sehen, daß in einem faktoriellen Ring die Zerlegung in ein

Produkt von Primelementen im wesentlichen eindeutig ist.

Beispiel 7.15

a. Wir unterscheiden in Z zwischen Primzahlen, welche nach Definition posi-

tiv sind, und Primelementen, welche auch negativ sein konnen. Aufgrund der

obigen Vorbetrachtungen ist eine ganze Zahl z genau dann prim, wenn sie

irreduzibel ist, und das ist genau dann der Fall, wenn z oder −z eine Prim-

zahl ist. Wie angedeutet, beweisen wir diese Tatsache erst weiter unten in

Korollar 7.18.

b. Ist K ein Korper und f ∈ K[t] mit deg(f) = 1, so ist f irreduzibel.

Denn f = g · h mit g, h ∈ K[t] impliziert 1 = deg(f) = deg(g) + deg(h).

Mithin gilt entweder deg(g) = 0 und deg(h) = 1 oder es gilt deg(g) = 1 und

deg(h) = 0. In ersterem Fall ist g ∈ K \ {0} = K∗ = K[t]∗, in letzterem ist

h ∈ K \ {0} = K∗ = K[t]∗, wobei die Gleichheit K \ {0} = K∗ gilt, da K ein

Korper ist.

30In der Literatur werden faktorielle Ringe auch ZPE-Ringe genannt, wobei ZPE fur eindeutige

Primfaktorzerlegung steht.

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113

c. Das Polynom f = 2t + 2 ∈ Z[t] ist nicht irreduzibel, da f = 2 · (t + 1) und

weder 2 noch t+ 1 ist eine Einheit in Z[t], da Z[t]∗ = Z∗ = {1,−1}.

d. Ist R ein Integritatsbereich und sind p, q ∈ R irreduzibel mit p | q, dann ist

〈p〉R = 〈q〉R, d.h. die beiden unterscheiden sich nur um einen Einheit.

Denn p | q bedeutet, es gibt ein c ∈ R mit q = p · c. Da q irreduzibel ist

und p keine Einheit, muß notwendig c eine Einheit sein. Also unterscheiden

sich p und q nur um eine Einheit.

Wir wollen im folgenden den Zusammenhang der Begriffe prim und irreduzibel un-

tersuchen, und dabei unter anderem zeigen, daß diese im Ring der ganzen Zahlen

ubereinstimmen.

Lemma 7.16

Ist R ein Integritatsbereich und p ∈ R prim, so ist p irreduzibel.

Beweis: Seien a, b ∈ R gegeben mit p = a · b, dann gilt insbesondere p | a · b.Mithin gilt p | a oder p | b. In ersterem Fall gibt es ein c ∈ R mit a = p · c und

somit gilt

p · 1 = p = a · b = p · c · b.Da im Integritatsbereich R die Kurzungsregel gilt, folgt unmittelbar, daß 1 = c · bund b eine Einheit ist. Analog folgt aus p | b, daß a ∈ R∗. Somit ist p irreduzibel. �

Beispiel 7.17

a. Wir wollen nun ein Beispiel dafur geben, daß ein irreduzibles Element nicht

notwendig prim sein muß.

Dazu betrachten wieder die komplexen Zahlen a = 9, b = 2 +√−5, c =

2 −√−5 und d = 3 in Z

[√−5]. Wir haben bereits in Beispiel 7.6 gesehen,

daß d kein Teiler von b ist. Analog zeigt man, daß d kein Teiler von c ist.

Aber d = 3 ist ein Teiler von d2 = a = b · c. Mithin ist d nicht prim, da es

das Produkt b · c, aber keinen der Faktoren teilt.

Sei nun d = f · g mit f = x + y ·√−5 und g = u+ v ·

√−5, x, y, u, v ∈ Z.

Dann gilt

9 = |d|2 = |f|2 · |g|2 =(x2 + 5y2

)·(u2 + 5v2

)

mit x2 + 5y2, u2 + 5v2 ∈ N. Es folgt, daß (x2 + 5y2, u2 + 5v2) ∈ {(9, 1), (1, 9)}.

In ersterem Fall muß u ∈ {1,−1} und v = 0 sein, so daß g eine Einheit in

Z[√

−5]ist. In letzterem Fall muß x ∈ {1,−1} und y = 0 sein, so daß f eine

Einheit in Z[√

−5]ist. Es folgt, daß d irreduzibel ist.

b. Ist R faktoriell, so ist jedes irreduzible Element prim.

Denn falls p ∈ R irreduzibel ist, so ist p nach Voraussetzung ein Produkt

p = q1 · · ·qk von Primelementen. Nehmen wir k ≥ 2 an. Da qk prim ist, ist

es keine Einheit und mithin muß q1 · · ·qk−1 eine Einheit sein. Es gibt also

ein a ∈ R mit 1 = q1 · (q2 · · ·qk−1 · a), so daß dann q1 eine Einheit ist, im

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114

Widerspruch zur Voraussetzung q1 prim. Mithin ist k = 1 und p = q1 ist

prim.

c. Z[√

−5]ist nicht faktoriell, da 3 irreduzibel aber nicht prim ist.

Wir haben bislang lediglich einen Korper mit nur endlich vielen Elementen kennen

gelernt, Z2. Fur Anwendungen in der Kryptographie oder der Kodierungstheorie

sind endliche Korper aber von weit großerem Interesse als unendliche. Wir werden

nun zeigen, daß das Beispiel Z2 verallgemeinert werden kann.

Korollar 7.18

Fur 0 6= n ∈ Z sind die folgenden Aussagen gleichwertig:

a. Zn ist ein Korper.

b. Zn ist ein Integritatsbereich.

c. n ist prim.

d. n ist irreduzibel, d.h. n ist eine Primzahl.

Beweis:

a. ⇒ b.: Ist Zn ein Korper, so ist Zn ein Integritatsbereich nach Beispiel 7.2.

b. ⇒ c.: Gilt n | a · b mit a, b ∈ Z, dann ist

a · b = a · b = 0 ∈ Zn.

Da nach Voraussetzung Zn nullteilerfrei ist, muß a = 0 oder b = 0 gelten. In

ersterem Fall gilt n | a, in letzterem n | b. Also ist n prim in Z.

c. ⇒ d.: Dies folgt aus Lemma 7.16.

d. ⇒ a.: Ist I ein Ideal in Zn, so ist (I,+) eine Untergruppe von (Zn,+) und

die Ordnung von I ist nach dem Satz von Lagrange ein Teiler der Primzahl

n = |Zn|. Also muß |I| entweder 1 oder n sein, d.h. I = {0} oder I = Zn. Da

zudem {0} 6= Zn, hat Zn also genau zwei Ideale und ist nach Aufgabe 6.36 ein

Korper.

Bemerkung 7.19

Ist R ein faktorieller Ring und 0 6= a ∈ R \R∗, dann ist die Darstellung a = p1 · · ·pr

als Produkt von Primelementen im wesentlichen eindeutig, d.h. sind

p1 · · · · · pr = q1 · · · · · qs (40)

zwei solche Darstellungen, so gilt r = s, und nach Umordnen der qi unterscheiden

sich pi und qi nur noch um eine Einheit, d.h. 〈pi〉R = 〈qi〉R. Dies ist leicht einzusehen:da p1 prim und ein Teiler der rechten Seite von (40) ist, muss p1 eines der qi teilen.

Nach Umordnen der qi konnen wir p1 | q1 annehmen. Da beide prim sind, sind sie

nach Lemma 7.16 auch beide irreduzibel und unterscheiden sich nach Beispiel 7.15

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115

nur um eine Einheit. Nun konnen wir p1 aus (40) kurzen und induktiv das gleiche

Verfahren auf das verbleibende Produkt anwenden. ✷

Bemerkung 7.20

Es sei R ein faktorieller Ring und a = u · pm1

1 · · ·pmrr und b = v · pn1

1 · · ·pnrr seien

Elemente in R \ {0} mit u, v ∈ R∗ Einheiten, p1, . . . , pr prim, 〈pi〉R 6= 〈pj〉R fur i 6= j

und m1, . . . ,mr, n1, . . . , nr ∈ N. Dann sieht man wie fur die ganzen Zahlen, daß

pmin{m1,n1}

1 · · ·pmin{mr,nr}r ∈ ggT(a, b)

und

pmax{m1,n1}

1 · · ·pmax{mr,nr}r ∈ kgV(a, b).

Man nennt eine Darstellung von a wie oben auch eine Primfaktorzerlegung von a,

wennmi > 0 fur alle i = 1, . . . , r. Nach Bemerkung 7.19 ist sie bis auf die Reihenfolge

der Faktoren und Multiplikation mit Einheiten eindeutig bestimmt. ✷

Aufgabe 7.21

Es sei R ein Integritatsbereich und es gebe eine naturliche Zahl n ≥ 1 so, daß n·1R =∑nk=1 1R = 0R, d.h. die n-fache Summe des Einselementes ergibt das Nullelement.

Zeige, daß die kleinste positive ganze Zahl p = min{m ∈ Z>0 | m · 1R = 0R} mit

dieser Eigenschaft irreduzibel (d.h. eine Primzahl) ist.

Man nennt diese Zahl p auch die Charakteristik des Ringes.

Aufgabe 7.22

Ist p = x + y · i ∈ Z[i] so, daß q := |p|2 = x2 + y2 eine Primzahl ist, dann ist p ein

Primelement in Z[i]. Finde zudem ein Beispiel fur eine solche Zahl p.

Aufgabe 7.23

Bestimme alle Polynome f in Z2[t] vom Grad 4, deren Leitkoeffizient lc(f) und deren

konstanter Koeffizient f(0) beide 1 sind. Welche dieser Polynome sind irreduzibel?

Aufgabe 7.24

a. Es sei f ∈ Z[t] mit lc(f) = 1. Zeige, falls es eine Primzahl p ∈ Z gibt, so daß

die Reduktion φp(f) von f modulo p irreduzibel in Zp[t] ist (siehe Aufgabe

6.41), so ist f irreduzibel in Z[t].

b. Bestimme alle Polynome f in Z2[t] vom Grad 0 ≤ deg(f) ≤ 4 und schreibe

sie jeweils als Produkt von moglichst vielen Polynomen vom Grad großer oder

gleich 1.

c. Ist f = t4 + 187t3 + 5t2 − 33t+ 3001 ∈ Z[t] irreduzibel?

C) Euklidische Ringe

Faktorielle Ringe verallgemeinern die ganzen Zahlen und wie in Bemerkung 7.20

gesehen, ist die eindeutige Primfaktorzerlegung eines Elements sehr nutzlich. Aller-

dings wissen wir bislang von keinem anderen Ring als den ganzen Zahlen, daß er

faktoriell ist. Uns fehlt ein gutes Kriterium, dies zu entscheiden, ein Kriterium, das

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116

einfacher zu Handhaben ist, als fur jedes Element eine Primfaktorzerlegung anzuge-

ben.

Stellen wir dieses Problem einmal hintan und nehmen an, wir wußten von einem

Ring bereits, daß er faktoriell ist. Unser Ausgangspunkt war, aus der Kenntnis von

Primfaktorzerlegungen einen großten gemeinsamen Teiler zu bestimmen. Um dies

praktisch umzusetzen, fehlt uns mithin noch ein Verfahren, das es uns erlaubt, die

Primfaktorzerlegung eines Elementes tatsachlich auszurechnen. Und obwohl dies in

der Schulzeit bei den ganzen Zahlen das Verfahren war, um den großten gemeinsa-

men Teiler zweier ganzer Zahlen zu bestimmen, wage ich zu bezweifeln, daß Ihr es

auf die folgenden beiden Zahlen anwenden wollt:

a = 1234567890987654321234567890987654321

und

b = 27283950390827160499283950390827065.

Selbst mit einem Taschenrechner halte ich das Unterfangen fur aussichtslos, und

fur Anwendungen in der Kryptographie sind diese beiden Zahlen nahezu winzig.

Dort sind Zahlen mit 500 und mehr Ziffern notwendig, und die Sicherheit neuerer

kryptographischer Verfahren beruht auf der Tatsache, daß es sehr schwer ist, eine

Zahl in ihre Primfaktoren zu zerlegen.

Es gibt aber ein sehr einfaches und effizientes Verfahren, um den großten gemeinsa-

men Teiler zu bestimmen, ohne die Primfaktorzerlegung zu kennen. Dieses Verfahren

wollen wir im folgenden beschreiben. Es funktioniert nicht nur fur die ganzen Zahlen,

sondern fur jeden Integritatsbereich, in dem man eine Division mit Rest hat.

Definition 7.25

Ein Integritatsbereich R heißt ein euklidischer Ring, wenn es eine Funktion

ν : R \ {0} −→ N

gibt, so daß es fur alle a, b ∈ R \ {0} eine Division mit Rest der Form

a = q · b+ r

mit q, r ∈ R gibt, wobei entweder r = 0 oder ν(r) < ν(b). Wir nennen ν dann eine

euklidische Funktion von R.

Beispiel 7.26

Z ist mittels ν : Z \ {0} −→ N : z 7→ |z| und der wohlbekannten Division mit Rest

(siehe Bemerkung 1.39) ein euklidischer Ring.

Bevor wir zeigen, wie uns die Division mit Rest hilft, einen großten gemeinsamen

Teiler zu bestimmen, wollen wir zeigen, daß es außer den ganzen Zahlen noch andere

euklidische Ringe gibt. Das vielleicht wichtigste Beispiel neben Z sind die Polynom-

ringe uber Korpern.

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117

Proposition 7.27 (Division mit Rest im Polynomring)

Ist R ein kommutativer Ring mit Eins und sind 0 6= f, g ∈ R[t] mit lc(f) ∈ R∗, dann

gibt es Polynome q, r ∈ R[t], so daß

g = q · f+ r und deg(r) < deg(f).

Dabei sind q und r eindeutig bestimmt.

Beweis: Seien f =∑n

i=0 ai · ti und g =∑m

i=0 bi · ti mit m = deg(g), n = deg(f) und

an ∈ R∗ eine Einheit. Wir fuhren den Beweis der Existenz einer solchen Division

mit Rest mittels Induktion nach m.

Falls m = n = 0, so sind wir fertig mit q = b0a0

und r = 0, und falls 0 ≤ m < n,

so konnen wir q = 0 und r = g wahlen. Diese Falle schließen den Induktionsanfang

m = 0 ein.

Es reicht nun, den Fall m > 0 und n ≤ m zu betrachten. Definieren wir

g ′ := g−bm

an

· tm−n · f.

Dann heben sich in der Differenz die Leitterme auf, so daß deg(g ′) < deg(g) = m

gilt. Folglich existieren nach Induktionsannahme Polynome q ′, r ′ ∈ R[t], so daß

q ′ · f+ r ′ = g ′ = g−bm

an

· tm−n · f

und deg(r ′) < deg(f). Also

g =(q ′ +

bm

an

· tm−n)· f+ r ′,

und wir sind fertig mit q = q ′ + bman

· tm−n und r = r ′.

Es bleibt nur noch die Eindeutigkeit der Zerlegung zu zeigen. Nehmen wir dazu an,

daß

g = q · f+ r = q ′ · f+ r ′

mit q, q ′, r, r ′ ∈ R[t] und deg(r), deg(r ′) < deg(f). Dann gilt

(q− q ′) · f = r ′ − r

und da der Leitkoeffizient von f als Einheit kein Nullteiler ist, liefert die Gradformel

deg(q− q ′) + deg(f) = deg(r ′ − r) ≤ max{deg(r), deg(r ′)} < deg(f).

Das ist aber nur moglich, wenn q−q ′ = 0. Also gilt q = q ′ und dann auch r = r ′. �

Da in einem Korper jedes Element ungleich Null eine Einheit ist, erhalten somit

unmittelbar folgendes Korollar.

Korollar 7.28

Ist K ein Korper, so ist K[t] ein euklidischer Ring mit deg als euklidischer Funktion.

Der Beweis von Proposition 7.27 ist konstruktiv, d.h. er liefert uns ein Verfahren,

wie wir die Division mit Rest im Polynomring durchfuhren konnen.

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Beispiel 7.29

Seien f = t3 + t+ 1, g = t− 1 ∈ Q[t] gegeben. Wir fuhren Polynomdivision durch

(t3 + t + 1) : (t− 1) = t2 + t+ 2+ rt−1

t3 − t2

t2 + t

t2 − t

2t + 1

2t − 2

3 =: r

und erhalten f = (t2 + t+ 2) · g+ 3. ✷

Nun wollen wir den Euklidischen Algorithmus kennen lernen, der es uns erlaubt, in

euklidischen Ringen einen großten gemeinsamen Teiler auszurechnen. Bevor wir den

Algorithmus allgemein formulieren und beweisen, wollen wir ihn beispielhaft in den

ganzen Zahlen anwenden.

Beispiel 7.30

Wir wollen einen großten gemeinsamen Teiler der ganzen Zahlen r0 = 66 und r1 = 15

berechnen. Dazu fuhren wir Division mit Rest durch

r0 = 66 = 4 · 15+ 6 = q1 · r1 + r2

und erhalten den Rest r2 = 6. Sodann teilen wir r1 durch r2 mit Rest,

r1 = 15 = 2 · 6+ 3 = q2 · r2 + r3,

und erhalten den Rest r3 = 3. Dann teilen wir r2 durch r3 mit Rest,

r2 = 6 = 2 · 3+ 0 = q2 · r3 + r4,

und erhalten den Rest r4 = 0. Das Verfahren bricht ab, da wir r3 nicht weiter durch

r4 = 0 teilen konnen. Wir erhalten als großten gemeinsamen Teiler von r0 und r1

r3 = 3 ∈ ggT(66, 15) = ggT(r0, r1),

d.h. den letzten Rest der sukkzessiven Division mit Rest, der nicht Null war.

Algorithmus 7.31 (Euklidischer Algorithmus)

Input: R ein euklidischer Ring mit euklidischer Funktion ν sowie a, b ∈ R \ {0}.

Output: g ∈ ggT(a, b) ein großter gemeinsamer Teiler von a und b.

1: Setze r0 := a, r1 := b und k := 2.

2: while rk−1 6= 0 do

3: Wahle rk ∈ R und qk−1 ∈ R mit

rk−2 = qk−1 · rk−1 + rk und (rk = 0 oder ν(rk) < ν(rk−1)).

4: Setze k := k+ 1.

5: end while

6: return g := rk−1

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Beweis: Solange rk−1 nicht Null ist, konnen wir Division mit Rest durchfuhren und

erhalten auf dem Wege rk, qk−1 ∈ R, so daß die obigen Bedingungen erfullt sind.

Unsere Konstruktion liefert

r0 = r1q1 + r2, ν(r2) < ν(r1),

r1 = r2q2 + r3, ν(r3) < ν(r2),...

rk−2 = rk−1qk−1 + rk, ν(rk) < ν(rk−1),

und damit eine streng monoton fallende Folge naturlicher Zahlen

ν(r1) > ν(r2) > ν(r3) > . . . .

Da es in den naturlichen Zahlen keine unendlichen streng monoton fallenden Zah-

lenfolgen gibt, muß das Verfahren abbrechen, d.h. der Algorithmus terminiert, und

das ist genau dann der Fall, wenn ein k ≥ 2 gefunden wurde mit rk = 0.

Wenden wir uns nun der Korrektheit des Algorithmus zu. Dazu zeigen wir durch

Induktion nach der Anzahl n der Durchlaufe der While-Schleife, daß der Algorithmus

einen großten gemeinsamen Teiler von r0 = a und r1 = b findet, d.h. wenn rn 6= 0

und rn+1 = 0, dann ist

rn ∈ ggT(r0, r1).

Induktionsanfang : n = 1. Dann ist r2 = 0, also r1 | r0 und r1 ∈ ggT(r0, r1).

Induktionsschluß : Sei nun n ≥ 2 und die Behauptung gelte fur alle Paare, fur die

die While-Schleife einen Durchlauf weniger benotigt. Die Betrachtung der letzten

n− 1 Durchlaufe liefert mithin durch Anwendung der Induktionsvoraussetzung auf

r1 und r2:

rn ∈ ggT(r1, r2).

Insbesondere ist rn ein Teiler von r1 und von r2. Da nach Voraussetzung r0 =

q1 · r1 + r2, ist dann aber rn auch ein Teiler von r0.

Sei nun r ∈ R ein weiterer Teiler von r0 und r1, dann gilt

r | (r0 − q1 · r1) = r2,

und mithin ist r ein Teiler sowohl von r1 als auch von r2. Aber da rn ∈ ggT(r1, r2)

gilt dann

r | rn,

und nach Definition ist deshalb rn ∈ ggT(r0, r1). �

Um den Algorithmus durchfuhren zu konnen brauchen wir nur die Division mit Rest.

Diese konnen wir auch im Polynomring uber einem Korper durchfuhren, so daß wir

großte gemeinsame Teiler auch im Polynomring ausrechnen konnen.

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120

Beispiel 7.32

Betrachte r0 = t4 + t2 ∈ Q[t] und r1 = t3 − 3t2 + t − 3 ∈ Q[t]. Division mit Rest

liefert im ersten Schritt

r0 = t4 + t2 = (t+ 3) · (t3 − 3t2 + t− 3) + (9t2 + 9) = q1 · r1 + r2

mit Rest r2 = 9t2 + 9. Im nachsten Schritt erhalten wir

r1 = t3 − 3t2 + t− 3 =

(1

9· t− 1

3

)· (9t2 + 9) + 0 = q2 · r2 + r3

mit Rest r3 = 0. Das Verfahren bricht ab und r2 = 9t2+9 ∈ ggT(r0, r1) ist ein großter

gemeinsamer Teiler. Man kann diesen normieren, indem man das Polynom durch

seinen Leitkoeffizienten teilt und erhalt dann als normierten großten gemeinsamen

Teiler

t2 + 1 ∈ ggT(t4 + t2, t3 − 3t2 + t− 3

).

Bemerkung 7.33

Ist R ein euklidischer Ring und a, b ∈ R \ {0}, so gilt g ∈ ggT(a, b) genau dann

wenn a·bg

∈ kgV(a, b). Man kann mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus in einem

euklidischen Ring also auch kleinste gemeinsame Vielfache ausrechnen.

Aufgabe 7.34

Zeige, daß Z[i] = {x+i ·y | x, y ∈ Z} ein euklidischer Ring mit euklidischer Funktion

ν : Z[i] −→ N : a 7→ |a|2 ist.

Aufgabe 7.35

Betrachte die Polynome

f = t5 + 3t4 + 2t3 + 5t2 + 7t+ 2 ∈ Z[t]

und

g = t3 + t2 + t+ 1 ∈ Z[t].

a. Bestimme einen großten gemeinsamen Teiler von f und g in Q[t] mittels des

Euklidischen Algorithmus.

b. Betrachte die Koeffizienten von f und g modulo 3 und bestimme einen großten

gemeinsamen Teiler der resultierenden Polynome φ3(f) und φ3(g) in Z3[t].

D) Der Polynomring

Wir haben im letzten Abschnitt gesehen, wie Polynomdivision funktioniert und daß

es sich dabei um eine Division mit Rest handelt, die den Polynomring K[t] uber

einem Korper K zu einem euklidischen Ring macht. In diesem Abschnitt wollen wir

die Division mit Rest ausnutzen, um Nullstellen eines Polynoms als Linearfaktoren

abzuspalten. Um von einer Nullstelle eines Polynoms sprechen zu konnen, mussen

wir erlauben, in Polynomen fur die Unbestimmte t Werte einzusetzen. Fur allgemei-

ne Potenzreihen hatten wir das strikt ausgeschlossen, bei Polynomen konnen wir es

zulassen, da der resultierende Ausdruck nur endlich viele Summanden hat.

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121

Lemma 7.36 (Einsetzhomomorphismus)

Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und b ∈ R. Die Abbildung

ϕb : R[t] −→ R : f 7→ f(b)

ist ein Ringepimorphismus, wobei

f(b) :=

n∑

k=0

ak · bk ∈ R

fur f =∑n

k=0 ak · tk ∈ R[t]. Wir nennen ϕb Einsetzhomomorphismus, und fur ein

konstantes Polynom f = a0 gilt ϕb(f) = a0.

Beweis: Seien zwei Polynome f =∑n

k=0 ak ·tk und g =∑m

k=0 bk ·tk in R[t] gegeben.

Wir konnen ohne Einschrankung annehmen, daß m = n gilt. Dann gilt

ϕb(f+ g) = ϕb

(n∑

k=0

(ak + bk) · tk)

=

n∑

k=0

(ak + bk) · bk

=

n∑

k=0

ak · bk +

n∑

k=0

bk · bk = ϕb(f) +ϕb(g)

und

ϕb(f · g) = ϕb

(2n∑

k=0

i+j=k

(ai · bj) · tk)

=

2n∑

k=0

i+j=k

(ai · bj) · bk

=

n∑

k=0

ak · bk ·n∑

k=0

bk · bk = ϕb(f) ·ϕb(g).

Außerdem gilt fur ein konstantes Polynom a0 · t0

ϕb(a0 · t0) = a0 · b0 = a0.

Damit gilt aber insbesondere ϕb(1) = 1, und ϕb ist ein Ringhomomorphismus. Fur

die Surjektivitat beachten wir nur, daß fur a ∈ R automatisch a = ϕb(a · t0) ∈Im(ϕb). �

Bemerkung 7.37

Der Umstand, daß ϕb ein Ringhomomorphismus ist, impliziert

(f+ g)(b) = f(b) + g(b) und (f · g)(b) = f(b) · g(b).

Beachte auch, daß der Beweis von Aufgabe 6.26 a. trotz der etwas allgemeineren

Voraussetzungen im wesentlichen identisch ist mit obigem Beweis.

Wir sind nun in der Lage zu definieren, was eine Nullstelle ist.

Definition 7.38

Sei R ein kommutativer Ring mit Eins, f ∈ R[t] ein Polynom und b ∈ R. Wir nennen

b eine Nullstelle von f, falls f(b) = ϕb(f) = 0.

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122

Proposition 7.39

Sei R ein kommutativer Ring mit Eins und sei b ∈ R eine Nullstelle des Polynoms

0 6= g ∈ R[t], so gibt es ein q ∈ R[t] mit

g = q · (t− b).

Wir nennen t− b einen Linearfaktor des Polynoms g.

Beweis: Da der Leitkoeffizient von f = t − b eine Einheit ist, liefert Division mit

Rest 7.27 die Existenz zweier Polynome q, r ∈ R[t] mit

g = q · f+ r

und deg(r) < deg(f) = 1. Aus der Gradbedingung folgt unmittelbar, daß r = r0 · t0ein konstantes Polynom ist. Da ϕb(f) = b − b = 0 und da b eine Nullstelle von g

ist, gilt

r0 = ϕb(r) = ϕb(g− q · f) = ϕb(g) −ϕb(q) ·ϕb(f) = 0.

Also ist r das Nullpolynom und g = q · (t− b). �

Korollar 7.40

Ist R ein Integritatsbereich und 0 6= f ∈ R[t] ein Polynom vom Grad deg(f) ≥ 2, das

eine Nullstelle in R besitzt, so ist f nicht irreduzibel.

Beweis: Ist b ∈ R eine Nullstelle von f, so gibt es wegen Proposition 7.39 ein

q ∈ R[t] mit f = q · (t− b). Aus der Gradformel folgt

deg(q) = deg(f) − 1 ≥ 1,

so daß die beiden Faktoren q und t− b beides keine Einheiten in R[t] sind. Also ist

f nicht irreduzibel. �

Beispiel 7.41

Wir wollen nun in zwei Beispielen sehen, wie man mit Hilfe von Polynomdivision

Linearfaktoren abspalten kann.

a. Sei f = t3 + t2 − 5t − 2 ∈ Q[t], dann gilt offenbar f(2) = 8 + 4 − 10 − 2 = 0.

Polynomdivision liefert:

(t3 + t2 − 5t − 2) : (t− 2) = t2 + 3t+ 1.

t3 − 2t2

3t2 − 5t

3t2 − 6t

t − 2

t − 2

Also gilt f = (t2 + 3t+ 1) · (t− 2) und f ist nicht irreduzibel.

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123

b. Ist f = t5 + t4 + t3 + t2 + t+ 1 ∈ Z2[t], so gilt

f(1)= 1+ 1+ 1+ 1+ 1+ 1 = 6 = 0 ∈ Z2.

Also ist 1 eine Nullstelle von f und f ist nicht irreduzibel. Wir konnen den Line-

arfaktor t− 1 mittels Polynomdivision abspalten. Dabei sollte man beachten,

daß 1 = −1 in Z2, also t− 1 = t+ 1:(t5 + t4 + t3 + t2 + t + 1

):(t+ 1

)= t4 + t2 + 1

t5 + t4

t3 + t2 + t + 1

t3 + t2

t + 1

t + 1

Also gilt f =(t4 + t2 + 1

)·(t+ 1

).

Satz 7.42

Ist R ein Integritatsbereich, so hat jedes 0 6= f ∈ R[t] hochstens deg(f) Nullstellen.

Beweis: Wir uberlassen den Beweis dem Leser als Ubungsaufgabe.

Beispiel 7.43

Das Polynome f = t2 + 1 hat in R keine Nullstelle, wahrend es in C die Nullstellen

i und −i hat und sich mithin in C[t] als Produkt von Linearfaktoren schreiben laßt:

f = (t− i) · (t+ i).

Bemerkung 7.44

Es sei K ein Korper. Aufgrund der Definition der Einsetzhomomorphismen liefert

jedes Polynom f ∈ K[t] eine Funktion

Pf : K −→ K : b 7→ f(b),

die durch f definierte Polynomfunktion. Auf diesem Weg erhalten wir eine Abbildung

P : K[t] −→ KK : f 7→ Pf

von der Menge der Polynome uber K in die Menge der Funktionen von K nach K, die

einem Polynom seine Polynomfunktion zuordnet. Aus den Eigenschaften des Ein-

setzhomomorphismus und der Definition der Ringoperationen in KK (siehe Beispiel

6.3) folgt

Pf+g(b) = (f+ g)(b) = f(b) + g(b) = Pf(b) + Pg(b) = (Pf + Pg)(b)

und

Pf·g(b) = (f · g)(b) = f(b) · g(b) = Pf(b) · Pg(b) = (Pf · Pg)(b).

Damit gilt dann aber Pf+g = Pf+Pg und Pf·g = Pf ·Pg. Da zudem P1 die Einsfunktion,

d.h. das Einselement von KK, ist, ist die Abbildung P ein Ringhomomorphismus.

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124

Aus der Schule sind Polynome in aller Regel nur als Polynomfunktionen bekannt,

und der obige Ringhomomorphismus erlaubt es uns, unsere Polynome als Polynom-

funktionen aufzufassen. Im allgemeinen ist es aber nicht richtig, daß zwei verschie-

dene Polynome auch verschiedene Polynomfunktionen definieren! Sei dazu K = Z2,

f = t2 + t ∈ K[t] und g = 0 · t0 ∈ K[t]. Dann gilt

f(1)= 1+ 1 = 0 und f

(0)= 0.

Da K = {0, 1} nur die zwei Elemente 0 und 1 enthalt ist Pf die Nullfunktion, d.h.

Pf = Pg, obwohl f nicht das Nullpolynom ist, d.h. f 6= g.

Ein Polynom ist im allgemeinen nicht festgelegt durch die Polynomfunktion, die es

definiert. Etwas mathematischer ausgedruckt, der Ringhomomorphismus P ist im

allgemeinen nicht injektiv. Der Arger in obigem Beispiel ruhrt daher, daß K nur

endlich viele Elemente besitzt und daß es somit ein Polynom ungleich 0 geben kann,

daß alle diese Elemente als Nullstelle hat.

Ist hingegen K ein Korper mit unendlich vielen Elemente, so ist P injektiv.

Dazu mussen wir nur zeigen, daß der Kern von P nur das Nullpolynom enthalt.

Ware 0 6= f ∈ Ker(P), so ware Pf die Nullfunktion, d.h. jedes Element von K ware

Nullstelle von f. Aus Satz 7.42 wurde dann folgen, daß K hochstens deg(f) Elemente

enthalt, was im Widerspruch zur Voraussetzung steht, daß |K| = ∞.

Arbeitet man mit unendlichen Korper, wie z.B. K = R oder K = C, dann ist es

zulassig, den Polynomring mit seinem Bild unter P in KK zu identifizieren, d.h. man

kann es sich dann erlauben, nicht zwischen Polynomen und Polynomfunktionen zu

unterscheiden. ✷

Wissen uber die Existenz von Nullstellen kann hilfreich sein, um festzustellen, ob

ein Polynome irreduzibel ist oder nicht.

Aufgabe 7.45 a. Ist K ein Korper und f ∈ K[t] ein Polynom mit deg(f) ∈ {2, 3}.

Zeige, f ist genau dann irreduzibel, wenn f keine Nullstelle hat.

b. Ist f = t3 + 3t + 1 ∈ Z[t] irreduzibel? Falls nicht, schreibe f als Produkt von

irreduziblen Polynomen.

c. Ist f5 = t3 + 3 · t + 1 ∈ Z5[t] irreduzibel? Falls nicht, schreibe f5 als Produkt

von irreduziblen Polynomen.

Aufgabe 7.46

Beweise Satz 7.42.

Aufgabe 7.47

Zeige, f = t2 + t + 1 ∈ Z2[t] ist irreduzibel und K = Z2[t]/〈f〉 ist ein Korper mit

4 Elementen. Stelle die Additions- und Multiplikationstabelle fur K auf. Was ist

die Charakteristik (siehe Aufgabe 7.21) von K? Ist K isomorph zum Ring Z4? Ist

K isomorph zum Ring Z2 × Z2 mit komponentenweisen Operationen? Betrachten

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125

wir den Polynomring K[x] uber K in der Unbestimmten x. Ist das Polynom g =

x2 + x+ 1 ∈ K[x] irreduzibel? Hat g eine Nullstelle in K?

Anmerkung, in dieser Aufgabe wollen wir die Elemente 0 und 1 in Z2 der Einfachheit

halber mit 0 und 1 bezeichnen, wobei 1+1 = 0 gilt. Das ist deshalb sinnvoll, weil auch

die Elemente von Z2[t]/〈f〉 wieder Restklassen sind, und die doppelten Restklassen

(z.B. t+ 1) fur unnotige Verwirrung sorgen.

E) Hauptidealringe

In den vorigen Abschnitten haben wir gesehen, daß großte gemeinsame Teiler sowohl

in faktoriellen, als auch in euklidischen Integritatsbereichen existieren. Da stellt sich

die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Begriffen gibt. Es gibt

ihn, und er fuhrt uber die sogenannten Hauptidealringe

Definition 7.48

Ein Integritatsbereich R heißt Hauptidealring, wenn jedes Ideal ein Hauptideal ist,

d.h. von einem Element erzeugt wird.

In einem Hauptidealring R gibt es also fur jedes Ideal I ein Element a ∈ I so, daß

I = 〈a〉R = {r · a | r ∈ R}.

Einfacher kann ein Ideal nicht mehr sein. Die Elemente in I sind alle Vielfache eines

einzigen Elementes a.

Satz 7.49

Jeder euklidische Integritatsbereich ist ein Hauptidealring.

Beweis: Sei I ✂ R ein beliebiges Ideal. Wir mussen zeigen, daß I = 〈b〉R fur ein

geeignetes Element b ∈ I. Da das Nullideal von 0 erzeugt wird, konnen wir I 6= {0}

annehmen. Wenn ν : R \ {0} → N eine euklidische Funktion von R bezeichnet, dann

wahlen wir 0 6= b ∈ I so, daß ν(b) minimal wird. Sei nun 0 6= a ∈ I beliebig, so gibt

es q, r ∈ R so, daß a = q · b+ r mit r = 0 oder ν(r) < ν(b). Aber dann gilt

r = a− q · b ∈ I,

da a ∈ I und b ∈ I. Wegen der Minimalitatsbedingung, der b genugt, muß dann

aber r = 0 gelten. Also ist a = q · b ∈ 〈b〉R, und somit I = 〈b〉R. �

Da wir wissen, daß Z und Polynomringe uber Korpern euklidisch sind, erhalten wir

folgende Korollare.

Korollar 7.50

Z ist ein Hauptidealring.

Korollar 7.51

Ist K ein Korper, so ist der Polynomring K[t] ein Hauptidealring.

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126

Bemerkung 7.52

Fur die ganzen Zahlen war uns diese Aussage bereits vorher bekannt, da wir in Ko-

rollar 6.30 die Ideale in Z als die Untergruppen der additiven Gruppe Z identifiziert

haben, von denen wir bereits aus Proposition 1.38 wußten, daß sie von einem Ele-

ment erzeugt werden. Schaut man sich den Beweis von Proposition 1.38 an, so stellt

man fest, daß er mit dem Beweis von Satz 7.49 identisch ist.

Bemerkung 7.53

Der Ring

Z

[1+

√−19

2

]=

{a+ b · 1+

√−19

2

∣∣∣∣ a, b ∈ Z

}

ist ein Hauptidealring, der nicht euklidisch ist. Der Beweis dieser Aussage ist mit

elementaren Mitteln moglich, ist aber sehr technisch und sprengt den Rahmen dieser

Vorlesung. ✷

Obwohl nicht jeder Hauptidealring euklidisch ist, wollen wir nun zeigen, daß auch

in jedem Hauptidealring R großte gemeinsame Teiler existieren. Sind zwei Elemente

a und b in R gegeben, so muß das von a und b erzeugte Ideal

〈a, b〉R = {r · a+ s · b | r, s ∈ R}

nach Voraussetzung auch von einem einzigen Element erzeugt werden konnen. Ein

solcher Erzeuger entpuppt sich als großter gemeinsamer Teiler von a und b.

Satz 7.54 (Bezout Identitat)

Sei R ein Hauptidealring und g, a, b ∈ R. Die folgenden Aussagen sind gleichwertig:

a. g ∈ ggT(a, b).

b. 〈g〉R = 〈a, b〉R.

Insbesondere gibt es fur g ∈ ggT(a, b) also r, s ∈ R mit

g = r · a+ s · b. (41)

Man nennt (41) auch eine Bezout Identitat des großten gemeinsamen Teilers g von

a und b.

Beweis: Sei g ∈ ggT(a, b) und h ein Erzeuger des Ideals 〈a, b〉R, so gilt nach

Lemma 7.7

〈h〉R = 〈a, b〉R ⊆ 〈g〉R.Aus dem gleichen Lemma folgt dann aber, daß h ein Teiler von a und b ist. Da g

ein großter gemeinsamer Teiler ist, folgt notwendig h | g und damit

〈a, b〉R = 〈h〉R ⊇ 〈g〉R.

Gilt umgekehrt die Gleichung

〈a, b〉R = 〈g〉R,

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127

so folgt aus Lemma 7.7 wieder, daß g ein Teiler von a und von b ist. Ist nun h

irgend ein Teiler von a und von b, so gilt

〈h〉R ⊇ 〈a, b〉R = 〈g〉R,so daß wiederum h ein Teiler von g ist. Damit ist g ∈ ggT(a, b). �

Bemerkung 7.55

Ist R nicht nur ein Hauptidealring, sondern sogar euklidisch, so lassen sich mit Hilfe

des Euklidischen Algorithmus auch r, s ∈ R mit g = r · a + s · b fur g ∈ ggT(a, b)

berechnen. Dazu muß man sich aber die qi und die ri der Zwischenschritte merken

und Ruckeinsetzen. Wir fuhren dies nur am Beispiel vor.

Es seien a = 8 ∈ Z und b = 3 ∈ Z. Der Euklidische Algorithmus liefert:

8 = 2 · 3+ 2

3 = 1 · 2+ 1

2 = 2 · 1+ 0

so daß 1 ∈ ggT(3, 8). Durch Ruckeinsetzen erhalten wir dann:

1 = 3− 1 · 2 = 3− 1 · (8− 2 · 3) = 3 · 3+ (−1) · 8.

Mit Hilfe der Bezout Identitat konnen wir die Einheitengruppe in Zn bestimmen,

auch wenn n keine Primzahl ist.

Proposition 7.56

Fur 0 6= n ∈ Z ist

Z∗n = {a | 1 ∈ ggT(a, n)}

die Einheitengruppe von Zn, d.h. eine Nebenklasse a ∈ Zn ist invertierbar genau

dann, wenn 1 ein großter gemeinsamer Teiler von a und n ist.

Beweis: Sei a ∈ Z∗n. Dann gibt es ein b ∈ Zn mit 1 = a · b = a · b. Mithin gilt

a · b− 1 ∈ nZ

ist ein Vielfaches von n. Also gibt es ein r ∈ Z mit

a · b− 1 = r · n,und deshalb

1 = a · b− r · n ∈ 〈a, n〉Z ⊆ Z = 〈1〉Z.Aber damit ist notwendig

〈1〉Z = 〈a, n〉Z,und wegen Satz 7.54 ist 1 ∈ ggT(a, n).

Sei umgekehrt 1 ∈ ggT(a, n), so gibt es wegen Satz 7.54 b, r ∈ Z mit

1 = b · a+ r · n,und damit gilt

1 = b · a+ r · n = b · a+ r · n = b · a ∈ Zn,

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128

da n = 0. Also ist a ∈ Z∗n eine Einheit. �

Bemerkung 7.57

Der Beweis von Proposition 7.56 ist konstruktiv, d.h. er sagt uns, wie wir das Inverse

von a in Zn finden konnen, wenn a und n teilerfremd sind, namlich mit Hilfe des

Euklidischen Algorithmus. Ist n = 8 und a = 3, so haben wir in Bemerkung 7.55

mittels des Euklidischen Algorithmus folgende Darstellung der 1 bestimmt:

1 = 3 · 3+ (−1) · 8.

Mithin ist 3−1

= 3 ∈ Z8. ✷

Als nachstes wollen wir zeigen, daß jeder Hauptidealring faktoriell ist, so daß insbe-

sondere auch jeder euklidische Integritatsbereich faktoriell ist. Dazu benotigen wir

aber einige Vorbereitungen.

Lemma 7.58

Sei R ein Hauptidealring, a ∈ R irreduzibel und b ∈ R\〈a〉R. Dann ist 1 ∈ ggT(a, b).

Insbesondere gibt es also r, s ∈ R so, daß 1 = r · a+ s · b.

Beweis: Sei g ∈ ggT(a, b). Es reicht zu zeigen, daß g eine Einheit ist. Es gilt

a ∈ 〈a, b〉R = 〈g〉R. Folglich gilt a = c · g fur ein geeignetes c ∈ R. Da a aber

irreduzibel ist, muß entweder c eine Einheit sein oder g. Ware c eine Einheit, so

ware 〈a〉R = 〈c · g〉R = 〈g〉R = 〈a, b〉R im Widerspruch zur Wahl von b 6∈ 〈a〉R. Alsomuß g eine Einheit sein. �

Lemma 7.59

Ist R ein Hauptidealring, so ist jedes irreduzible Element prim.

Beweis: Sei dazu a ∈ R irreduzibel und a | b ·c. Angenommen a 6 | b und a 6 | c, d.h.b ∈ R\〈a〉R und c ∈ R\〈a〉R. Dann gibt es nach Lemma 7.58 Elemente r, s, r ′, s ′ ∈ R

so, daß

1 = r · a+ s · b und 1 = r ′ · a+ s ′ · c.Mithin gilt

a | a · (a · r · r ′ + r · s ′ · c+ r ′ · s · b) + s · s ′ · b · c = 1,

und a ist eine Einheit im Widerspruch zur Irreduzibilitat von a. �

Satz 7.60

Jeder Hauptidealring ist faktoriell.

Beweis: Da nach Lemma 7.59 jedes irreduzible Element prim ist, reicht es zu zeigen

daß jedes 0 6= a ∈ R \ R∗ Produkt von endlich vielen irreduziblen Elementen ist.

Nehmen wir an es gibt ein Element 0 6= a0 ∈ R\R∗, welches sich nicht als Produkt von

endlich vielen irreduziblen Elementen schreiben laßt. Dann ist a0 insbesondere nicht

selbst irreduzibel. Mithin gibt es Elemente 0 6= a1, b1 ∈ R\R∗ so, daß a0 = a1 ·b1. Da

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a0 nicht Produkt von endlich vielen irreduziblen Elementen ist, muß dies ebenfalls

fur mindestens einen der Faktoren a1 und b1 gelten. Wir konnen ohne Einschrankung

annehmen, daß es fur a1 gilt, und erhalten dann

〈a0〉R $ 〈a1〉R,

da b1 keine Einheit ist. Wir konnen nun mit a1 auf die gleiche Weise verfahren wie

mit a0, und auf diesem Wege konstruieren wir induktiv eine aufsteigende Kette von

Idealen

〈a0〉R $ 〈a1〉R $ 〈a2〉R $ 〈a3〉R $ . . . . (42)

Betrachten wir nun die Vereinigung

I =

∞⋃

i=0

〈ai〉R

all dieser Ideale, so erhalten wir wieder ein Ideal. Denn sind b, c ∈ I, so gibt es

i, j ∈ N so, daß b ∈ 〈ai〉R und c ∈ 〈aj〉R. Ohne Einschrankung gilt i ≤ j und damit

〈ai〉R ⊆ 〈aj〉R. Aber dann sind b und c beide in 〈aj〉R und da dieses ein Ideal ist gilt

auch

b+ c ∈ 〈aj〉R ⊆ I.

Mithin ist I abgeschlossen bezuglich der Addition. Außerdem gilt

r · b ∈ 〈ai〉R ⊆ I

fur r ∈ R. Dies zeigt, daß I in der Tat ein Ideal ist.

Da R ein Hauptidealring ist, ist I ein Hauptideal. Es gibt also ein s ∈ R so, daß

I = 〈s〉R. Aber dann gibt es ein i ∈ N, so daß s ∈ 〈ai〉R und folglich

〈ai+1〉R ⊆ I = 〈s〉R ⊆ 〈ai〉R,

im Widerspruch zu (42). �

Bemerkung 7.61

Der Widerspruch im Beweis des obigen Satzes leitet sich aus dem Umstand her, daß

es in einem Hauptidealring keine echt aufsteigende Kette von Idealen

〈a0〉R $ 〈a1〉R $ 〈a2〉R $ 〈a3〉R $ . . .

geben kann. Ringe, in denen jede aufsteigende Kette von Idealen nach endlich vielen

Schritten abbrechen muß, nennt man noethersch. Hauptidealringe sind also Beispiele

fur noethersche Ringe. In der kommutativen Algebra werden noethersche Ringe

genauer untersucht. ✷

Aus Satz 7.60 und Korollar 7.51 erhalten wir unmittelbar folgende Resultate.

Korollar 7.62

Z ist faktoriell.

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130

Eine etwas ausfuhrlichere Fassung dieser Aussage ist der Fundamentalsatz der ele-

mentaren Zahlentheorie, der unter Berucksichtigung von Bemerkung 7.19 und Be-

merkung 7.20 folgt, da Z∗ = {1,−1}.

Korollar 7.63 (Fundamentalsatz der elementaren Zahlentheorie)

Fur jedes 0 6= z ∈ Z gibt es eindeutig bestimmte, paarweise verschiedene Primzahlen

p1, . . . , pk und eindeutig bestimmte positive ganze Zahlen n1, . . . , nk ∈ Z>0, so daß

z = sgn(z) · pn1

1 · · ·pnk

k ,

wobei

sgn(z) :=

{1, z > 0,

−1, z < 0.

Bezeichnen wir mit P die Menge der Primzahlen und fuhren wir fur ein Primzahl

p ∈ P die Notation

np(z) = max{n ∈ N

∣∣ pn | z}

ein, so gilt

np(z) =

{ni, p = pi,

0, sonst

und

z = sgn(z) ·∏

p∈P

pnp(z).

Man beachte bei der Formulierung im Fundamentalsatz, daß das Produkt∏p∈P pnp(z) zwar unendlich viele Faktoren hat, daß aber nur endlich viele davon

ungleich Eins sind. Insofern ist das Produkt definiert, indem man nur die Faktoren

ungleich Eins berucksichtigt.

Aus Bemerkung 7.20 erhalten wir folgendes Korollar zur Bestimmung von großten

gemeinsamen Teilern und kleinsten gemeinsamen Vielfachen mittels Primfaktorzer-

legung.

Korollar 7.64

Es seien a, b ∈ Z \ {0}, so gilt

ggt(a, b) =∏

p∈P

pmin{np(a),np(b)}

und

kgv(a, b) =∏

p∈P

pmax{np(a),np(b)}.

Damit gilt insbesondere

|a · b| = kgv(a, b) · ggt(a, b).

Korollar 7.65

Ist K ein Korper, so ist K[t] faktoriell, d.h. jedes Polynom in K[t] besitzt eine im

wesentlichen eindeutige Primfaktorzerlegung.

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131

Beispiel 7.66

Das Polynom f = t4 + 3 · t3 + 2 ∈ Z5[t] hat die Primfaktorzerlegung

f =(t+ 1

)2 ·(t2 + t+ 2

).

Man beachte dabei, daß t2+t+2 nach Aufgabe 7.45 irreduzibel ist, da das Polynom

keine Nullstelle in Z5 besitzt.

Wir haben in Korollar 7.51 gesehen, daß der Polynomring uber einem Korper ein

Hauptidealring ist. Die Aussage folgender Aufgabe, zeigt, daß die Bedingung an K

nicht nur hinreichend, sondern auch notwendig ist.

Aufgabe 7.67

Fur einen Integritatsbereich R sind die folgenden Aussagen gleichwertig:

a. R ist ein Korper.

b. R[t] ist ein euklidischer Ring.

c. R[t] ist ein Hauptidealring.

Aufgabe 7.68

Es sei K ein Korper und I✁K[[t]] ein Ideal mit I 6= {0} und I 6= K[[t]]. Zeige, es gibt

ein n ≥ 1 mit I = 〈tn〉K[[t]]. Ist K[[t]] faktoriell?

F) Der chinesische Restsatz

Wir wollen in diesem Abschnitt folgende Frage beantworten. Gibt es Polynome f, g ∈Z[t] \ Z∗, so daß

h := t4 + 6t3 + 17t2 + 24t+ 27 = f · g,

d.h. ist h nicht irreduzibel in Z[t]? Wir beachten zunachst, daß fur die Leitkoeffizi-

enten von f und g notwendig

lc(f) · lc(g) = lc(f · g) = 1

gilt, so daß wir ohne Einschrankung lc(f) = 1 = lc(g) annehmen konnen.

Wir gehen das Problem nun durch Reduktion des Polynoms h modulo einer Primzahl

p an, d.h. wir betrachten das Bild von h unter der Abbildung

φp : Z[t] −→ Zp[t] :

n∑

k=0

ak · tk 7→n∑

k=0

ak · tk.

Nach Aufgabe 6.41 diese Abbildung ist ein Ringhomomorphismus, so daß die Glei-

chung h = f · g notwendig zu

φp(h) = φp(f) · φp(g)

fuhrt.

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132

In obigem Beispiel betrachten wir h modulo der Primzahlen 2 und 7, und erhalten

φ2(h) = t4 + 6 · t3 + 17 · t2 + 24 · t+ 27

= t4 + t2 + 1 =(t2 + t+ 1

)2 ∈ Z2[t]

und

φ7(h) = t4 + 6 · t3 + 17 · t2 + 24 · t+ 27

= t4 + 6 · t3 + 3 · t2 + 3 · t+ 6

=(t2 + 5 · t+ 2

)·(t2 + t+ 3

)∈ Z7[t].

Die Faktorisierung von φ2(h) in Z2[t] und von φ7(h) in Z7[t] erhalt man, indem man

die Produkte aller Paare zweier Polynome vom Grad hochstens drei durchprobiert,

deren Grade sich zu vier addieren. Da es nur endlich viele sind, ist das kein wirkliches

Problem, obwohl es durchaus etwas Zeit in Anspruch nimmt, wenn man das von

Hand tun will. Die gefundenen Faktoren von φ2(h) und von φ7(h) sind irreduzibel

nach Aufgabe 7.45, da sie jeweils Grad zwei haben, ohne eine Nullstelle zu besitzen.

Letzteres ist wieder ein einfacher Test in Z2 bzw. in Z7.

Wenn es also Polynome f und g wie oben gibt, so mussen sie notwendig beide Grad

zwei haben, d.h.

f = t2 + b1 · t+ b0 und g = t2 + c1 · t+ c0,

und ferner muß fur die Reduktion modulo 2 bzw. 7 gelten

φ2(f) = φ2(g) = t2 + t+ 1

sowie ohne Einschrankung

φ7(f) = t2 + 5 · t+ 2 und φ7(g) = t2 + t+ 3.

Wir suchen also Zahlen b0, b1, c0, c1 ∈ Z die folgende Kongruenzgleichungssysteme

erfullen:b0 ≡ 1 (mod 2)

b0 ≡ 2 (mod 7)(43)

b1 ≡ 1 (mod 2)

b1 ≡ 5 (mod 7)(44)

c0 ≡ 1 (mod 2)

c0 ≡ 3 (mod 7)(45)

c1 ≡ 1 (mod 2)

c1 ≡ 1 (mod 7)(46)

Sind wir in der Lage, ein Kongruenzgleichungssystem wie (43) zu losen? Die Antwort

darauf gibt der chinesische Restsatz, ein algorithmisches Verfahren zur Losung sol-

cher Kongruenzgleichungssysteme, das in China bereits im 3. Jahrhundert bekannt

war.

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133

Die folgenden Lemmata sind wichtige Bausteine fur den Beweis des chinesischen

Restsatzes.

Lemma 7.69

Seien n1, . . . , nr ∈ Z \ {0} paarweise teilerfremd und sei Ni =n1···nr

ni.

Dann sind ni und Ni teilerfremd und Ni ∈ Z∗ni

fur i ∈ {1, . . . , n}.

Beweis: Sei i ∈ {1, . . . , r} gegeben. Fur j 6= i sind ni und nj teilerfremd. Dies

bedeutet 1 ∈ ggT(ni, nj), und wegen der Bezout Identitat existieren mithin sj, rj ∈ Z

so, daß

1 = ni · rj + nj · sj.Wenn wir j alle Indizes von 1 bis r außer i durchlaufen lassen, so konnen wir die

Zahl 1 in folgender Weise als Produkt von r− 1 Faktoren schreiben:

1 =∏

j 6=i

1 =∏

j6=i

(ni · rj + nj · sj). (47)

Multiplizieren wir das Produkt auf der rechten Seite aus, so erhalten wir eine Summe,

in der bis auf einen einzigen Term jeder Term ni als Faktor enthalt. Der eine Term,

der ni nicht als Faktor hat, ist∏

j 6=i

(nj · sj) = Ni ·∏

j6=i

sj.

Spalten wir ni von den verbleibenden Termen ab, so erhalten wir eine Zahl z ∈ Z,

so daß (47) folgende Form annimmt:

1 = ni · z+Ni ·∏

j6=i

sj ∈ 〈ni,Ni〉Z.

Aber damit gilt 〈ni,Ni〉Z = 〈1〉Z und wegen Satz 7.54 ist 1 ∈ ggT(ni,Ni), d.h. ni

und Ni sind teilerfremd. Aus Proposition 7.56 folgt schließlich, daß Ni eine Einheit

in Zniist. �

Lemma 7.70

Sind n1, . . . , nr ∈ Z \ {0} paarweise teilerfremd und a ∈ Z \ {0} mit ni | a fur

i = 1, . . . , r, so gilt:

n1 · · ·nr | a.

Beweis: Wir fuhren den Beweis durch Induktion uber r, wobei die Aussage fur

r = 1 trivialerweise erfullt ist. Wir konnen also r ≥ 2 annehmen.

Mit der Notation von Lemma 7.69 gilt dann nach Induktionsvoraussetzung

Nr = n1 · · ·nr−1 | a.

Mithin gibt es ganze Zahlen b, c ∈ Z mit a = nr ·b und a = Nr ·c. Da nach Lemma

7.69 zudem nr und Nr teilerfremd sind, liefert die Bezout Identitat ganze Zahlen

x, y ∈ Z mit

x · nr + y ·Nr = 1.

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134

Kombinieren wir die drei Gleichungen, so erhalten wir:

a = a · (x · nr + y ·Nr) = a · x · nr + a · y ·Nr

= Nr · c · x · nr + nr · b · y ·Nr = nr ·Nr · (c · x+ b · y).Mithin wird a von Nr · nr = n1 · · ·nr geteilt. �

Satz 7.71 (Chinesischer Restsatz)

Seien n1, . . . , nr ∈ Z \ {0} paarweise teilerfremd, N = n1 · · ·nr und Ni =Nni.

a. Zu beliebig vorgegebenen ganzen Zahlen a1, . . . , ar ∈ Z existiert eine Losung

x ∈ Z des Kongruenzgleichungssystems

x ≡ a1 (mod n1),

x ≡ a2 (mod n2),...

x ≡ ar (mod nr).

(48)

b. Ist xi = Ni−1 ∈ Zni

fur i = 1, . . . , r, so ist

x ′ =

r∑

i=1

Ni · xi · ai ∈ Z (49)

eine Losung von (48).

c. Genau dann ist x ′′ ∈ Z eine Losung von (48), wenn x ′′ sich von x ′ nur um ein

Vielfaches von N unterscheidet. Insbesondere ist die Losung von (48) modulo

N eindeutig bestimmt.

Beweis: Wir zeigen zunachst, daß x ′ eine Losung von (48) ist und beweisen damit

a. und b.. Nach Lemma 7.69 existiert fur i = 1, . . . , r ein xi ∈ Zmit xi = Ni−1 ∈ Zni

.

Wir konnen deshalb

x ′ :=

r∑

j=1

Nj · xj · aj

betrachten. Wegen ni | Nj fur j 6= i gilt aber in Znidie Gleichung

x ′ =

r∑

j=1

Nj · xj · aj = Ni · xi · ai = ai ∈ Zni,

d.h.

x ′ ≡ ai (mod ni).

Es bleibt also zu zeigen, daß x ′ + NZ die Menge der Losungen von (48) ist. Sei

x ′′ ∈ Z eine beliebige Losung von (48). Dann gilt fur i = 1, . . . , r

x ′ − ai, x′′ − ai ∈ niZ.

Damit gilt aber x ′ − x ′′ ∈ niZ, d. h. ni | (x′ − x ′′), fur alle i = 1, . . . , r. Aus Lemma

7.70 folgt dann N | (x ′ − x ′′), d. h. x ′ − x ′′ ∈ NZ, und damit

x ′ ≡ x ′′ (mod N).

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135

Ist umgekehrt x ′′ = x ′+N ·z fur ein z ∈ Z, so gilt N | x ′−x ′′ und damit ni | x′−x ′′

fur alle i = 1, . . . , r. Da wir bereits wissen, daß x ′ ≡ ai (mod ni) gilt, d.h. ni | x′−ai,

so folgt

ni |((x ′ − ai) − (x ′ − x ′′)

)= (x ′′ − ai),

d.h. x ′′ ≡ ai (mod ni) fur alle i = 1, . . . , r. Also ist x ′′ dann auch eine Losung von

(48). �

Bemerkung 7.72

Da wir das Inverse von Ni in Znimit Hilfe des Euklidischen Algorithmus berechnen

konnen (siehe Bemerkung 7.57), sind wir auch in der Lage ein Kongruenzgleichungs-

system der Form (48) mit Hilfe der Formel (49) zu losen.

In Anwendungen werden die ni meist paarweise verschiedene Primzahlen sein, wie

in dem Eingangsbeispiel des Abschnitts.

Man kann die Aussage des chinesischen Restsatzes auch etwas algebraischer formu-

lieren, wenn man das karthesische Produkt

Zn1× Zn2

× . . .× Znr

mit komponentenweiser Addition und Multiplikation als kommutativen Ring mit

Eins betrachtet. Diese algebraische Formulierung wird in der Vorlesung Elementare

Zahlentheorie eine wichtige Rolle spielen.

In folgendem Korollar werden wir die Restklasse von x in Zm ausnahmsweise mit

xm statt mit x bezeichnen, um deutlich zu machen, in welchem Ring sie lebt.

Korollar 7.73 (Chinesischer Restsatz)

Es seien n1, . . . , nr ∈ Z>0 paarweise teilerfremde positive Zahlen, dann ist die Ab-

bildung

α : Zn1···nr −→ Zn1× . . .× Znr : xn1···nr 7→

(xn1

, . . . , xnr

)

ein Isomorphismus kommutativer Ringe mit Eins.

Ferner ist die induzierte Abbildung

Z∗n1···nr

−→ Z∗n1

× . . .× Z∗nr

: xn1···nr 7→(xn1

, . . . , xnr

)

ein Isomorphismus der Einheitengruppen der Ringe.

Beweis: Die Abbildung

α : Z −→ Zn1× . . .× Znr : x 7→

(xn1

, . . . , xnr

)

ist offensichtlich ein Ringhomomorphismus. Der Chinesische Restsatz 7.71 besagt

nun, daß α surjektiv ist mit

Ker(α) = 〈n1 · · ·nr〉Z.

Die erste Behauptung folgt dann mit dem Homomorphiesatz 4.51.

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Da ein Isomorphismus von Ringen Einheiten auf Einheiten abbildet, gilt

α(Z∗

n1···nr

)= (Zn1

× . . .× Znr)∗= Z∗

n1× . . .× Z∗

nr,

wobei die letzte Gleichheit aus Beispiel 6.4 folgt. Da die Abbildung α die Multipli-

kation respektiert, induziert sie somit einen Gruppenisomorphismus der multiplika-

tiven Gruppen. �

Beispiel 7.74

Wir wollen nun die Kongruenzgleichungssysteme (43), (44), (45) und (46) losen.

Ersteres hat die Form:

b0 ≡ 1 (mod 2)

b0 ≡ 2 (mod 7)

Dabei ist in der Notation des chinesischen Restsatzes n1 = N2 = 2, n2 = N1 = 7,

a1 = 1 und a2 = 2. Auch ohne den Euklidischen Algorithmus anzuwenden sehen wir

1 = 4 · 2+ (−1) · 7.

Mithin gilt x1 = 1 = −1 = N1−1 ∈ Z2 und x2 = 4 = N2

−1 ∈ Z7. Die gesuchte

Losung b0 laßt sich bis auf ein Vielfaches von N = 2 · 7 = 14 mithin beschreiben als

b0 ≡ x1 ·N1 · a1 + x2 ·N2 · a2 = 1 · 7 · 1+ 4 · 2 · 2 = 23 ≡ 9 (mod 14).

Fur die verbleibenden drei Kongruenzgleichungssysteme bleiben die ni, Ni und xi

unverandert, und nur die ai werden ausgetauscht, so daß wie die Losungen modulo

N = 14 unmittelbar angeben konnen:

b1 ≡ x1 ·N1 · 1+ x2 ·N2 · 5 = 1 · 7 · 1+ 4 · 2 · 5 = 47 ≡ 5 (mod 14),

c0 ≡ x1 ·N1 · 1+ x2 ·N2 · 3 = 1 · 7 · 1+ 4 · 2 · 3 = 31 ≡ 3 (mod 14)

und

c1 ≡ x1 ·N1 · 1+ x2 ·N2 · 1 = 1 · 7 · 1+ 4 · 2 · 1 = 15 ≡ 1 (mod 14).

Wußten wir aus irgendwelchen Zusatzuberlegungen bereits, daß die Koeffizienten

zwischen 0 und 13 zu liegen, so konnten wir die Polynome f und g mit Gewissheit

angeben, namlich

f = t2 + b1 · t+ b0 = t2 + 5t+ 9

und

g = t2 + c1 · t+ c0 = t2 + t+ 3.

Da dies nicht der Fall ist, bleibt uns nur, unser Ergebnis zu testen, und in der Tat

gilt

f · g = (t2 + 5t+ 9) · (t2 + t+ 3) = t4 + 6t3 + 17t2 + 24t+ 27 = h.

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137

Bemerkung 7.75

Das in der Einleitung zu diesem Abschnitt angegebene und in Beispiel 7.74 fort-

gefuhrte Beispiel, wie man die Zerlegung eines Polynoms in Z[t] in irreduzible Fak-

toren erreichen kann, funktioniert nicht nur zufallig. Es gibt Satze, die es erlauben,

aus den Koeffizienten des Polynoms h die Große der Koeffizienten potenzieller Tei-

ler von h abzuschatzen. Wahlt man nun hinreichend viele paarweise verschiedene

Primzahlen, so daß deren Produkt großer als diese Schranke ist, so kann man im

wesentlichen in der angegebenen Weise die Zerlegung von f in irreduzible Polynome

in Z[t] bestimmen. Wenn man dann noch ein weiteres Resultat verwendet, welches

sagt, daß ein in Z[t] irreduzibles Polynom auch in Q[t] irreduzibel ist, so kann man

auf diesem Weg Polynome in Q[t] in Primfaktoren zerlegen, indem man zunachst

den Hauptnenner der Koeffizienten ausklammert.

Man beachte, daß es fur die Polynomringe R[t] und C[t] kein derartiges Verfahren

gibt, was einer der wesentlichen Grunde fur die Notwendigkeit numerischer Verfahren

ist. ✷

Wir wollen das Kapitel mit einem etwas langeren Beispiel zum chinesischen Restsatz

abschließen.

Beispiel 7.76

Gegeben sei das folgende Kongruenzgleichungssystem:

x ≡ a1 = 1 (mod 2),

x ≡ a2 = 2 (mod 3),

x ≡ a3 = 4 (mod 7).

Es sind n1 = 2, n2 = 3, n3 = 7 paarweise teilerfremd, und N = 2·3·7 = 42, N1 = 21,

N2 = 14 und N3 = 6.

Die Berechnung der Inversen von Ni in Znigeschieht mit Hilfe des Euklidischen

Algorithmus. Da ni und Ni teilerfremd sind, gilt wegen der Bezout Identitat

xiNi + yini = 1

fur geeignete xi ∈ Z (und yi ∈ Z, die hier nicht interessieren):

x1 = 21−1

= 1−1

= 1 ∈ Z2,

x2 = 14−1

= 2−1

= 2 ∈ Z3,

und

x3 = 6−1

= 6 ∈ Z7.

Es folgt:

x ≡ N1 · x1 · a1 +N2 · x2 · a2 +N3 · x3 · a3

= 21 · 1 · 1+ 14 · 2 · 2+ 6 · 4 · 6 = 221 ≡ 11 (mod 42).

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Also ist x = 11 die modulo 42 eindeutig bestimmte Losung, und die Menge aller

Losungen ist

{11+ z · 42 | z ∈ Z}.

Bemerkung 7.77

Die Voraussetzung des chinesischen Restsatzes, daß die ni paarweise teilerfremd

sein sollen, ist nicht nur fur unseren Beweis notwendig. Ohne diese Voraussetzung

ist die Aussage im allgemeinen falsch, wie folgendes Beispiel zeigt: n1 = 2, n2 = 4,

a1 = 0, a2 = 1, dann impliziert x ≡ a1 (mod 2), daß x eine gerade Zahl ist, wahrend

x ≡ a2 (mod 4) nur fur eine ungerade Zahl moglich ist. Es kann also keine ganze

Zahl x geben, die beide Kongruenzgleichungen zugleich erfullt, was daran liegt, daß

n1 = 2 und n2 = 4 nicht teilerfremd sind.

Wir wollen das Vorlesungsskript mit der alten Erkenntnis abschließen, daß Prim-

zahlen keine Seltenheit sind.

Satz 7.78 (Euklid)

Es gibt unendlich viele Primzahlen in Z.

Beweis: Da 2 eine Primzahl ist, gibt es eine Primzahl. Nehmen wir nun an, daß es

nur endlich viele Primzahlen p1, . . . , pr ∈ Z gibt, und betrachten wir die Zahl

z = p1 · · ·pr + 1 > 1.

Aufgrund des Fundamentalsatzes der elementaren Zahlentheorie besitzt z eine Prim-

faktorzerlegung und es muß mithin mindestens eine Primzahl geben, die z teilt. D.h.

es gibt ein i so, daß pi | z. Aber dann gilt auch

pi | z− p1 · · ·pr = 1,

was nur moglich ist, wenn pi eine Einheit ist. Letzteres steht im Widerspruch zur

Voraussetzung, daß pi eine Primzahl ist.

Dies zeigt, daß es unendlich viele Primzahlen geben muß. �

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Anhang A Grundlegende Begriffe aus der Logik

Die Mathematik verwendet die axiomatische Methode, d. h. gewisse Aussagen nennt

man Axiome. Mit den Regeln der Logik werden daraus neue, wahre Aussagen gewon-

nen. Viele Bemuhungen der Mathematik sind darauf gerichtet, in den unterschiedli-

chen Erscheinungsformen gemeinsame einfache Strukturen und Prinzipien zu finden

und diese axiomatisch zu fassen. Die Mathematik laßt sich aber nicht auf Logik

reduzieren. Mathematik ist wesentlich mehr, als nur aus wahren Aussagen andere

wahre Aussagen korrekt zu folgern. Die Mathematik ist eine außerst kreative Wissen-

schaft, die standig neue Strukturen schafft, deren große Bedeutung sich manchmal

erst viel spater erschließt. Die Mathematik hat ihre gesellschaftliche Relevanz uber

Jahrtausende bewiesen, und zwar nicht durch korrektes logisches Schließen, sondern

durch die Schaffung von wichtigen Strukturen. Was wichtig ist, wird nicht durch

Logik entschieden, sondern uber einen historisch langeren Zeitraum und in einem

komplexeren Ruckkoppelungsprozeß mit der Realitat.

Naturlich ist korrektes logisches Schließen die Grundlage jeder mathematischen Ar-

gumentation. Jeder weiß, wie oft in der Umgangssprache etwa die doppelte Vernei-

nung falsch verwendet wird. Das darf in mathematischen Beweisen auf gar keinen

Fall passieren. Das korrekte Verneinen sollte deshalb besonders geubt werden.

Einige Begriffe und Notationen, die zum taglichen mathematischen Handwerkszeug

gehoren, werden jetzt eingefuhrt.

Definition A.1

Es seien A und B Aussagen, so lassen sich daraus durch folgende Operationen neue

Aussagen gewinnen:

Name Symbol Bedeutung

Konjunktion A∧ B “A und B”; sowohl A als auch B

Disjunktion A∨ B “A oder B” (oder beides); nicht-ausschließendes

Oder

Negation ¬A “nicht A”

Implikation A ⇒ B “aus A folgt B”; “A impliziert B”; in der Bedeu-

tung (¬A)∨ B

Aquivalenz A ⇔ B “A ist aquivalent zu B”; “ A ist gleichbedeutend

zu B”; in der Bedeutung (A ⇒ B)∧ (B ⇒ A)

Bemerkung A.2

Man beachte, daß der Schluß “aus A folgt B” fur jede Aussage B richtig ist, wenn

A falsch ist. Das folgt aus der Definition von “⇒”. Mit der Wahrheit von B hat die

Richtigkeit der Schlußweise nichts zu tun!

Beispiel A.3

Hier nun einige mathematische Aussagen.

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A. Jede gerade Zahl ist Summe zweier ungerader Zahlen.

B. Es gibt unendlich viele Primzahlen.

C. Jede gerade Zahl großer zwei ist Summe zweier Primzahlen.

D. Zu jedem Kreis laßt sich, nur mit Zirkel und Lineal, ein Quadrat konstruieren,

das den gleichen Flacheninhalt hat.

E. Die Gleichung xn + yn = zn besitzt fur n > 2 keine Losung mit positiven

ganzen Zahlen x, y, z.

F. Gegeben sei eine Familie nicht-leerer Mengen. Dann laßt sich aus jeder der

Mengen ein Element auswahlen.

Die Aussage A ist offensichtlich wahr, und auch die Aussage B ist richtig, allerdings

ist dies keine triviale Aussage. Sie muß bewiesen werden. Die Aussage C ist die

bekannte Goldbachsche Vermutung aus dem Jahre 1742. Sie ist bis heute weder

bewiesen noch widerlegt.

Die Aussage D ist unter dem Begriff Quadratur des Kreises bekannt. Sie ist falsch,

was sich daraus ableiten laßt, daß die Kreiszahl π transzendent ist (Lindemann 1882).

Umgangssprachlich sollte man also die Quadratur des Kreises nicht als Synonym fur

etwas extrem Schwieriges verwenden, sondern fur etwas Unmogliches.

Die Aussage E hat jahrhundertelang als Fermatsche Vermutung die Mathematiker

beschaftigt. Sie wurde erst 1995 von dem englischen Mathematiker Wiles als wahr

nachgewiesen. Fur den Beweis wurden modernste und tiefste mathematische Me-

thoden verwendet.

Die Aussage F, mochte man meinen, ist offensichtlich wahr, eher noch als Aussage A.

In gewissem Sinne ist diese Aussage jedoch weder beweisbar noch widerlegbar. Sie

ist im Axiomensystem der Mengenlehre von Zermelo und Fraenkel unabhangig von

den anderen Axiomen. In der Tat kann man die Aussage F, die als Auswahlaxiom

bezeichnet wird, als Axiom der Mengenlehre zulassen (was wir, wie die uberwiegende

Zahl der Mathematiker, tun wollen) oder auch nicht. Da das Auswahlaxiom, wenn

uberhaupt, so nur fur uberabzahlbare Mengen strittig ist, sind Zustimmung oder

Ablehnung kaum von praktischer Relevanz.

Soweit zu einigen interessanten mathematischen Aussagen. Mit den Mitteln der Lo-

gik erhalten wir, daß die nachste Aussage wahr und die ubernachste Aussage falsch

ist.

Beispiel A.4 G. Die Aussage A oder die Aussage D ist wahr. (A∨D)

H. Die Aussagen A und D sind wahr. (A∧D)

Beispiel A.5

Ein typischer Gebrauch des mathematischen “oder” findet sich bei der Multiplikation

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141

von ganzen Zahlen a, b:

a · b = 0 ⇒ a = 0 ∨ b = 0.

Naturlich konnen beide Zahlen null sein.

Neben Aussagen, die wahr oder falsch sein konnen, sind Aussagefunktionen oder

Pradikate wichtig, die erst dann wahr oder falsch werden, wenn spezielle Werte

eingesetzt werden.

Beispiel A.6

So ist etwa fur ganze Zahlen a und b die Aussage a > b erst dann wahr oder falsch,

wenn konkrete Zahlen eingesetzt werden, z. B. 42 > 37.

Aussagefunktionen werden in der Praxis haufig mit Quantoren gebraucht.

Definition A.7∀ oder ∨ : “fur alle”.

∃ oder ∧ : “es gibt”.Ist P eine Aussagefunktion, so bedeutet:

∀ x : P(x) : “fur alle x gilt P(x)”,

∃ x : P(x) : “es gibt ein x, so daß P(x) gilt”.

Beispiel A.8

∀ x,∀ y,∀ z,∀ n : n > 2 ⇒ xn + yn 6= zn.

Dies ist fur positive naturliche Zahlen x, y, z und n die Fermatsche Vermutung.

Bemerkung A.9

Wichtig ist das richtige Verneinen einer Aussage.

¬(∀ x : P(x)

)⇔ ∃ x :

(¬P(x)

).

Die Verneinung der Aussage “fur alle x gilt die Aussage P(x)” ist gleichbedeutend

mit “es gibt ein x, fur das die Aussage P(x) nicht gilt”.

¬(∃ x : P(x)

)⇔ ∀ x :

(¬P(x)

).

Die Verneinung der Aussage “es gibt ein x, fur das die Aussage P(x) gilt” ist gleich-

bedeutend mit “fur alle x gilt die Aussage P(x) nicht” bzw. mit “fur kein x gilt die

Aussage P(x)”.

(A ⇒ B) ⇔ (¬B ⇒ ¬A).

Die Aussage “aus A folgt B” ist gleichbedeutend mit “aus nicht B folgt nicht A”.

Letzteres bezeichnet man auch als Kontraposition von ersterem.

Notation A.10

Als Notation haben sich “,” sowie “und” anstelle von “∧” eingeburgert, und “oder”

statt “∨” sowie “nicht” statt “¬”.

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142

Anhang B Abbildungen und Mengen

Der folgende “naive” Mengenbegriff des deutschen Mathematikers Cantor (1845-

1918) ist praktisch fur alle Zwecke der Mathematik ausreichend. Danach ist eine

Menge eine Zusammenfassung von bestimmten, wohlunterschiedenen Objekten un-

serer Anschauung oder unseres Denkens. Die Objekte heißen Elemente der Menge.

Wir fuhren nun einige wichtige Symbole und Konstruktionen im Zusammenhang

mit Mengen ein.

Definition B.1

Es seien M, N, I, Mi (i ∈ I) Mengen, P eine Aussagefunktion.

{x1, . . . , xn} : Menge aus den (verschiedenen) Elementen x1, . . . , xn

: z. B. {1, 1} = {1}, {1, 2, 3} = {3, 1, 2};

x ∈ M : x ist Element der Menge M;

x 6∈ M : x ist nicht Element der Menge M;

{x ∈ M | P(x)} : Menge aller Elemente x ∈ M, fur die die Aussage P(x)

gilt;

∅ oder { } : leere Menge, die Menge, die keine Elemente enthalt;

M ⊂ N oder M ⊆ N : M ist Teilmenge von N, d. h. jedes Element von M ist

auch Element von N, d. h. x ∈ M ⇒ x ∈ N;

M = N : M ⊆ N und N ⊆ M;

M 6= N : ¬(M = N);

M $ N : M ⊆ N und M 6= N;

M ∩N : Durchschnitt der Mengen M und N, d. h. M ∩ N =

{x | x ∈ M ∧ x ∈ N};⋂i∈I

Mi : Durchschnitt aller Mengen Mi mit i ∈ I, wobei I als

Indexmenge bezeichnet wird, d. h.⋂

i∈I Mi = {x | ∀ i ∈I : x ∈ Mi} = {x | x ∈ Mi ∀ i ∈ I};

M ∪N : Vereinigung der Mengen M und N, d. h. M ∪ N =

{x | x ∈ M∨ x ∈ N};⋃i∈I

Mi : Vereinigung aller Mengen Mi mit i ∈ I, d. h.⋃

i∈I Mi =

{x | ∃ i ∈ I : x ∈ Mi};

M \N : Differenz von M und N, d. h. M\N = {x ∈ M | x 6∈ N};

M×N : kartesisches Produkt von M und N, Menge aller (geord-

neten) Paare, d. h. M×N = {(m,n) | m ∈ M∧n ∈ N};∏i∈I

Mi : kartesisches Produkt aller Mengen Mi mit i ∈ I,

d. h.∏

i∈I Mi ={(xi)i∈I | xi ∈ Mi ∀ i ∈ I};

P(M) : Potenzmenge von M, Menge aller Teilmengen von M,

d. h. P(M) = {N | N ⊆ M}.

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Fuhren wir nun noch einige spezielle Mengen ein:

N := {0, 1, 2, 3, . . .} : die Menge der naturlichen Zahlen;

Z := {0,±1,±2, . . .} : die Menge der ganzen Zahlen;

Q :={

pq| p, q ∈ Z, q 6= 0} : die Menge der rationalen Zahlen;

R : die Menge der reellen Zahlen - diese lassen sich

durch endliche oder unendliche Dezimalbruche

darstellen;

R>0 bzw. R<0 : die Menge der positiven bzw. negativen reellen

Zahlen.

Hier und im Folgenden verwenden wir die folgenden Symbole:

:= : “per definitionem gleich”, d. h. die linke Seite wird durch die rechte

Seite definiert;

:⇔ : “per definitionem aquivalent”, d. h. die linke Seite gilt definitions-

gemaß genau dann, wenn die rechte Seite gilt.

Bemerkung B.2

In Definitionen werden wir haufig statt “:⇔” etwas unexakt “falls” verwenden, siehe

etwa Definition B.8.

Beispiel B.3 a. N $ Z $ Q $ R.

Die Inklusionen sind klar. Daß die Mengen nicht gleich sind, zeigt man

dadurch, daß man ein Element der großeren Menge angibt, das nicht in der

kleineren enthalten ist.

−1 ∈ Z, −1 6∈ N;1

2∈ Q,

1

26∈ Z;

√2 ∈ R,

√2 6∈ Q.

b. Sei fur i ∈ N die Menge Mi := [−i, i] := {x ∈ R | − i ≤ x ≤ i}. Dann gilt:⋂

i∈N

Mi = {0};⋃

i∈N

Mi = R.

c. R× n· · · ×R :=n∏i=1

R :=∏

i∈{1,...,n}

R = {(x1, . . . , xn) | xi ∈ R}.

Aufgabe B.4

Ist M eine Menge und sind A,B ⊆ M Teilmengen, so zeige man

(A \ B) ∪ (B \A) = (A ∪ B) \ (A ∩ B).

Definition B.5

Seien M und N Mengen.

a. Eine Relation zwischen M und N ist eine Teilmenge Γ ⊆ M×N.

b. Sei Γ ⊆ M ×N eine Relation. Das Tripel f = (M,N, Γ) heißt Abbildung von

M in N, falls gilt:

(i) f ist linksvollstandig , d. h. ∀ x ∈ M ∃ y ∈ N : (x, y) ∈ Γ , und

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(ii) f ist rechtseindeutig , d. h. ∀ (x, y) ∈ Γ ∀ (x ′, y ′) ∈ Γ gilt: x = x ′ ⇒y = y ′.

Statt f = (M,N, Γ) schreibt man gemeinhin auch f : M → N, und statt

(x, y) ∈ Γ schreibt man y = f(x) oder x 7→ y.

Die Menge Γf := Γ = {(x, y) ∈ M × N | y = f(x)} heißt der Graph der

Abbildung f.

Wir bezeichnen mit

NM := {f : M → N | f ist Abbildung}

die Menge der Abbildungen von M nach N.

Bemerkung B.6

Eine Abbildung f : M → N besteht also aus drei Daten, dem Definitionsbereich

M, dem Wertebereich N und der Abbildungsvorschrift , die jedem x ∈ M genau

ein y = f(x) ∈ N zuordnet. Man beachte, daß nicht gefordert wird, daß f(x) in

irgendeiner Form aus x (mittels einer universellen Formel) berechenbar sein muß.

Mit den Mitteln der Logik laßt sich beweisen, daß es nicht berechenbare Abbildungen

gibt.

Fur Abbildungen, die auf dem Computer dargestellt werden sollen, kommen

naturlich nur berechenbare Abbildungen in Frage. Mehr noch, man braucht einen

Algorithmus, der aus gegebenem x den Wert f(x) in endlich vielen Schritten berech-

net.

Statt des Begriffs rechtseindeutig verwendet man haufig auch den Begriff wohldefi-

niert .

Man beachte ferner, daß fur zwei Abbildungen f, g : M → N genau dann gilt f = g,

wenn fur alle x ∈ M gilt f(x) = g(x).

Definition B.7 a. Es sei M eine Menge. Die Abbildung idM : M → M : x 7→ x

heißt die Identitat oder identische Abbildung auf M.

Wir schreiben haufig kurz id statt idM, wenn keine Unklarheiten zu befurch-

ten sind.

b. Ist N ⊆ M eine Teilmenge, so nennen wir iN,M : N → M : x 7→ x die

(kanonische) Inklusion von N in M.

Wir schreiben manchmal auch iN oder i statt iN,M, sofern keine Mißverstand-

nisse auftreten konnen.

Definition B.8

Es sei f : M → N eine Abbildung, A ⊆ M, B ⊆ N.

a. f(A) := {f(x) | x ∈ A } heißt das Bild von A unter der Abbildung f.

b. f−1(B) := {x ∈ M | f(x) ∈ B} heißt Urbild von B unter f.

Ist B = {y} fur ein y ∈ N, so schreiben wir auch f−1(y) statt f−1(B).

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c. Die Abbildung f|A : A → N : x 7→ f(x) heißt Einschrankung von f auf A.

Es gilt offenbar Γf|A = Γf ∩ (A×N).

d. f heißt injektiv , falls gilt:

∀ x, x ′ ∈ M : f(x) = f(x ′) ⇒ x = x ′,

d. h. zwei verschiedene Elemente von M konnen durch f nicht auf dasselbe

Element in N abgebildet werden.

e. f heißt surjektiv , falls gilt:

∀ y ∈ N ∃ x ∈ M : y = f(x),

d. h. f(M) = N, d. h. jedes Element von N kommt als Bild unter f vor.

f. f heißt bijektiv , falls f injektiv und surjektiv ist.

Bemerkung B.9

Ist f : M → N eine Abbildung, A ⊆ M und B ⊆ N mit f(A) ⊆ B, dann bezeichnen

wir hin und wieder auch die Abbildung

A → B : x 7→ f(x)

mit f|A und als Einschrankung von f auf A. Das ist zwar etwas unsauber, wird aber

in den konkreten Fallen nicht zu Zweideutigkeiten fuhren.

Beispiel B.10 a. Sei f : R → R die Abbildung, die durch die Vorschrift f(x) = x2

gegeben ist. Der Graph Γf ={(x, y) ∈ R2

∣∣ y = x2}ist die Normalparabel.

x

f(x)

f ist weder surjektiv (da etwa −1 6∈ f(R)) noch injektiv (da z. B. f(−1) = 1 =

f(1)).

b. g : R≥0 → R : x 7→ √x ist eine Abbildung, die injektiv ist (da fur x, x ′ ∈ R≥0

aus√x =

√x ′ folgt, daß x = x ′), aber nicht surjektiv (da f

(R≥0

)= R≥0 6= R).

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x

g(x)

c. h : R≥0 → R≥0 : x 7→ √x unterscheidet sich von g nur durch den Wertebereich.

Aber dies reicht, daß h bijektiv ist.

Definition B.11

Es seien I und M Mengen

a. Eine Familie von Elementen in M mit Indexmenge I ist eine Abbildung F :

I → M.

Fur i ∈ I setze xi := F(i) ∈ M. Dann schreibt man statt F : I → M auch

(xi)i∈I (oder kurz (xi), falls uber I kein Zweifel besteht) und nennt dann (xi)i∈I

eine Familie von Elementen in M mit Indexmenge I.

b. Ist F : I → M eine Abbildung und J ⊆ I, so heißt die Einschrankung F|J von F

auf J auch eine Teilfamilie und wird gemeinhin auch mit (xi)i∈J bezeichnet.

Bemerkung B.12

Beachte, daß in der Familie F = (xi)i∈I fur i, j ∈ I mit i 6= j sehr wohl xi = xj gelten

kann, wahrend dies in der Menge {F} := F(I) = {xi | i ∈ I} nicht der Fall ist.

Wir schreiben meist kurz x ∈ F, wenn wir x ∈ F(I) meinen.

Beispiel B.13 a. Fur J = ∅ spricht man von der leeren Familie.

b. Die Familien in M mit Indexmenge I = {1, . . . , n} werden mittels der Schreib-

weise in Definition B.11 a. mit den Elementen des n-fachen kartesischen Pro-

duktes M× n· · · ×M identifiziert, d. h. eine Familie (xi)i∈I = (x1, . . . , xn) ist

das Gleiche wie ein n-Tupel.

c. Eine Familie mit I = N nennt man eine Folge. Somit ist

MN = {F : N → M | F ist Abbildung} = {(xi)i∈N | xi ∈ M}

die Menge aller Folgen in M.

d. Jede Teilmenge N ⊆ M ist eine Familie mittels der kanonischen Inklusion iN.

e. Ist M = {Mi | i ∈ I} und F : I → M : i 7→ Mi, so heißt F = (Mi)i∈I auch eine

Familie von Mengen.

In Definition B.1 haben wir - ohne dies zu erwahnen - bereits Familien

von Mengen benutzt und den Schnitt, die Vereinigung sowie das kartesische

Produkt von beliebigen Familien von Mengen definiert!

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Definition B.14

Sind f1 : M1 → M2 und f2 : M2 → M3 Abbildungen, so heißt die Abbildung

f2 ◦ f1 : M1 → M3 : x 7→ f2(f1(x)

)die Komposition von f1 und f2.

Lemma B.15

Die Komposition ist assoziativ, d. h. sind f1 : M1 → M2, f2 : M2 → M3 und

f3 : M3 → M4 Abbildungen, so gilt:

(f3 ◦ f2) ◦ f1 = f3 ◦ (f2 ◦ f1).

Wir schreiben fur die beiden Ausdrucke deshalb auch vereinfacht f3 ◦ f2 ◦ f1.

Beweis: Nach Definition der Komposition gilt fur alle x ∈ M1:

((f3 ◦ f2) ◦ f1

)(x) = (f3 ◦ f2)

(f1(x)

)= f3

(f2(f1(x)

))

= f3((f2 ◦ f1)(x)

)=(f3 ◦ (f2 ◦ f1)

)(x).

Bemerkung B.16

Man darf die Reihenfolge der Komposition nicht vertauschen! Betrachte etwa:

f : R → R : x 7→ x+ 1, g : R → R : x 7→ x2.

Dann gilt:

(f ◦ g)(x) = f(x2)= x2 + 1, (g ◦ f)(x) = g(x+ 1) = (x+ 1)2.

Damit ist f ◦ g 6= g ◦ f, da etwa (f ◦ g)(1) = 2 6= 4 = (g ◦ f)(1).

Wir fuhren nun die folgenden Notationen ein.

Definition B.17

Zwei Mengen M und N heißen gleichmachtig , falls es eine bijektive Abbildung f :

M → N gibt. Mit

#M := |M| :=

{Anzahl der Elemente in M, falls M endlich ist,

∞, falls M unendlich viele Elemente enthalt,

bezeichnen wir die Machtigkeit der Menge M.31

Lemma B.18

Es seien M und N zwei endliche Mengen.

a. Genau dann gilt |M| ≤ |N|, wenn es eine injektive Abbildung f : M → N gibt.

b. Genau dann gilt |M| ≥ |N|, wenn es eine surjektive Abbildung f : M → N gibt.

c. Genau dann gilt |M| = |N|, wenn es eine bijektive Abbildung f : M → N gibt.

31Auch fur unendliche Mengen gibt es unterschiedliche Machtigkeiten, sog. Kardinalzahlen, auf

die wir hier aber nicht eingehen wollen.

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Beweis: Es seien M = {x1, . . . , xm} und N = {y1, . . . , yn} mit paarweise verschie-

denen Elementen xi 6= xj fur i 6= j und yi 6= yj fur i 6= j. Es gilt |M| = m und

|N| = n.

a. Ist m ≤ n, so definiere f : M → N durch f(xi) = yi fur i = 1, . . . ,m. Dann

gilt fur i, j ∈ {1, . . . ,m} mit i 6= j

f(xi) = yi 6= yj = f(xj).

Mithin ist f injektiv.

Ist umgekehrt f : M → N eine injektive Abbildung, so gilt f(M) =

{f(x1), . . . , f(xm)} ⊆ N eine Teilmenge von paarweise verschiedenen Elemen-

ten. Mithin enthalt N mindestens m Elemente, und folglich gilt m ≤ n.

b. Ist m ≥ n, so definiere f : M → N durch f(xi) = yi fur i = 1, . . . , n und

f(xi) = y1 fur i = n + 1, . . . ,m. Dann gilt offenbar f(M) = {y1, . . . , yn} = N

und f ist surjektiv.

Ist umgekehrt f : M → N eine surjektive Abbildung, so gilt {y1, . . . , yn} =

N = f(M) = {f(x1), . . . , f(xm)}. Mithin enthalt die Menge {f(x1), . . . , f(xm)} n

verschiedene Elemente, und folglich ist m ≥ n.

c. Die Aussage folgt unmittelbar aus den ersten beiden Teilen.

Bemerkung B.19

Sind M und N endliche Mengen, so folgt aus M $ N mittels Lemma B.18 unmit-

telbar |M| < |N| und M und N sind nicht gleichmachtig.

Dies gilt fur unendliche Mengen nicht mehr, wie das Beispiel N $ Z zeigt. Denn die

Abbildung

f : Z → N : k 7→{

2k, fur k ≥ 0,

−2k− 1 fur k < 0,

ist bijektiv, wie man sich leicht uberzeugt. Also sind N und Z gleichmachtig.

Lemma B.20

Seien M und N zwei nicht-leere Mengen, f : M → N eine Abbildung.

a. f ist genau dann injektiv, wenn es eine Abbildung g : N → M gibt mit g ◦ f =idM.

b. f ist genau dann surjektiv, wenn es eine Abbildung g : N → M gibt mit

f ◦ g = idN.

c. f ist genau dann bijektiv, wenn es eine Abbildung g : N → M gibt mit g ◦ f =idM und f ◦ g = idN.

d. Ist f bijektiv, so ist die nach c. existierende Abbildung g eindeutig bestimmt

und ebenfalls bijektiv. Sie heißt die Inverse oder Umkehrabbildung von f und

wird mit f−1 bezeichnet.

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Beweis: a. “⇒”: Es sei f injektiv. Dann gilt fur y ∈ f(M), daß∣∣f−1(y)

∣∣ = 1,

also f−1(y) = {xy} fur ein geeignetes xy ∈ M und f(xy) = y. Hingegen ist

f−1(y) = ∅ fur y 6∈ f(M). Wahle ein x0 ∈ M 6= ∅ fest und definiere eine

Abbildung

g : N → M : y 7→{

xy, falls y ∈ f(M),

x0, falls y ∈ N \ f(M).

Dann gilt fur x ∈ M:

(g ◦ f)(x) = g(f(x)

)= xf(x) = x = idM(x).

Da x ∈ M beliebig gewahlt war, folgt also g ◦ f = idM.

“⇐”: Es sei nun g : N → M mit g◦f = idM gegeben. Seien ferner x, x ′ ∈ M

mit f(x) = f(x ′), dann gilt:

x = idM(x) = (g ◦ f)(x) = g(f(x)

)= g

(f(x ′))

= (g ◦ f)(x ′)= idM

(x ′)= x ′.

Also ist f injektiv.

b. “⇒”: Es sei f surjektiv. Dann konnen wir zu jedem y ∈ N = f(M) ein xy ∈ M

wahlen mit f(xy) = y. Definiere eine Abbildung

g : N → M : y 7→ xy.

Dann gilt fur y ∈ N:

(f ◦ g)(y) = f(g(y)

)= f(xy) = y = idN(y).

Da y ∈ N beliebig gewahlt war, folgt also f ◦ g = idN.

“⇐”: Es sei nun g : N → M mit f ◦ g = idN gegeben. Fur y ∈ N definiere

x := g(y) ∈ M. Dann gilt:

y = idN(y) = (f ◦ g)(y) = f(g(y)

)= f(x) ∈ f(M).

Also ist f surjektiv.

c. “⇒”: Ist f bijektiv, so gilt fur jedes y ∈ N, daß∣∣f−1(y)

∣∣ = 1 und die Definitio-

nen der Abbildungen g in den beiden obigen Teilen stimmen uberein, so daß

wir eine einzige Abbildung g : N → M erhalten mit:

g ◦ f = idM und f ◦ g = idN .

“⇐”: Dies folgt unmittelbar aus den obigen beiden Teilen.

d. Die Bijektivitat von g folgt aus dem in c. bewiesenen Kriterium fur Bijekti-

vitat. Mithin bleibt die Eindeutigkeit von g zu zeigen, unter der Voraussetzung.

Angenommen, h : N → M sei eine weitere Abbildung mit

h ◦ f = idM und f ◦ h = idN .

Fur y ∈ N beliebig gilt dann:

f(g(y)

)= (f ◦ g)(y) = idN(y) = (f ◦ h)(y) = f

(h(y)

).

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Da aber f injektiv ist, folgt damit g(y) = h(y) und schließlich und g = h.

Bemerkung B.21

Man beachte, daß die Umkehrabbildung f−1 : N → M nur fur eine bijektive Abbil-

dung f : M → N erklart ist, daß aber fur eine beliebige Abbildung h : M → N und

eine beliebige Teilmenge B ⊆ N das Urbild h−1(B) definiert ist.

Fur ein bijektives f stimmen beide Notationen uberein, das heißt das Urbild f−1(B)

von B ⊆ N unter f ist gleich dem Bild f−1(B) von B ⊆ N unter f−1.

Ist f nicht bijektiv, so ist zwar weiterhin fur jedes y ∈ N das Urbild f−1(y) erklart,

aber die Relation{(y, x) ∈ N × M | x ∈ f−1(y)

}ist keine Abbildung, da sowohl

f−1(y) = ∅ (falls f nicht surjektiv ist) als auch∣∣f−1(y)

∣∣ > 1 (falls f nicht injektiv ist)

moglich ist. In ersterem Fall ist die Linksvollstandigkeit verletzt, in letzterem Fall

die Rechtseindeutigkeit.

Beispiel B.22 a. Ist M eine Menge, so ist idM bijektiv, da offenbar idM =

idM ◦ idM.

b. Die Abbildung f : Z → Z : x 7→ 2x ist injektiv, da fur x, y ∈ Z aus 2x = 2y

unmittelbar x = y folgt. f ist aber nicht surjektiv, da etwa die Zahl 1 kein

Urbild besitzt.

c. Im Gegensatz zu b. ist die Abbildung g : Q → Q : x 7→ 2x sowohl injektiv, als

auch surjektiv. Fur letzteres beachte man, daß fur eine rationale Zahl y ∈ Q

die rationale Zahl y2∈ Q ein Urbild von y unter g ist.

Wir kommen noch einmal auf Relationen zuruck. Wir hatten schon Abbildungen

als Relationen mit besonderen Eigenschaften definiert. Andere wichtige Relationen

haben auch einen speziellen Namen.

Definition B.23

Es sei M ein Menge. Eine Ordnungsrelation auf M, auch Halbordnung oder partielle

Ordnung genannt, ist eine Relation R ⊆ M×M, so daß fur alle x, y, z ∈ M gilt:

a. (x, x) ∈ R, (“Reflexivitat”)

b. (x, y), (y, x) ∈ R ⇒ x = y, (“Antisymmetrie”)

c. (x, y), (y, z) ∈ R ⇒ (x, z) ∈ R. (“Transitivitat”)

Notation B.24

Es seiM eine Menge und R ein Ordnungsrelation aufM. Wir definieren fur x, y ∈ M

x ≤ y :⇔ (x, y) ∈ R,

und sprechen hin und wieder auch von der Ordnungsrelation “≤” statt R, sofern

keine Mißverstandnisse zu befurchten sind. Ferner sprechen wir von der partiell oder

(teil-)geordneten Menge (M,≤).

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Mit dieser Schreibweise lassen sich die drei Axiome in Definition B.23 wie folgt

formulieren. Fur x, y, z ∈ M soll gelten:

a. x ≤ x, (“Reflexivitat”)

b. x ≤ y, y ≤ x ⇒ x = y, (“Antisymmetrie”)

c. x ≤ y, y ≤ z ⇒ x ≤ z. (“Transitivitat”)

Gilt fur x, y ∈ M, daß x ≤ y und x 6= y, so schreiben wir auch x < y.

Definition B.25

Es sei M ein Menge.

a. Eine Ordnungsrelation “≤” heißt Totalordnung oder lineare Ordnung , falls je

zwei Elemente aus M vergleichbar sind, d. h. fur je zwei Elemente x, y ∈ M

gilt x ≤ y oder y ≤ x.

b. Ist “≤” eine Ordnungsrelation auf M, A ⊆ M und x ∈ A, so heißt x minimal

(bzw. maximal) in A, falls fur alle y ∈ A mit y ≤ x (bzw. x ≤ y) gilt x = y.

c. Eine Totalordnung heißt Wohlordnung , falls jede nicht-leere Teilmenge von M

ein minimales Element besitzt.

Beispiel B.26

Die reellen Zahlen (R,≤) mit der ublichen Kleiner-Gleich-Relation ≤ sind total

geordnet, aber nicht wohlgeordnet.

Gleiches trifft auf (Z,≤) mit der ublichen Kleiner-Gleich-Relation

. . .− 2 < −1 < 0 < 1 < 2 < . . .

zu. Allerdings definiert die “unubliche” Anordnung

0 < −1 < 1 < −2 < 2 < −3 < 3 < . . .

in der Tat ein Wohlordnung auf Z.

Die naturlichen Zahlen (N,≤) sind bereits mit der ublichen Kleiner-Gleich-Relation

wohlgeordnet.

Beispiel B.27

Ist M eine Menge, so ist die Potenzmenge P(M) von M durch

A ≤ B :⇔ A ⊆ B, fur A,B ∈ P(M),

partiell geordnet, aber im allgemeinen nicht total geordnet. Z. B. sind im FallM = N

die Elemente {2} und {3} in P(N) nicht vergleichbar.

Allgemeiner gilt, ist N eine Menge, deren Elemente wieder Mengen sind, so wird N

mit der analogen Definition von “≤” eine partiell geordnete Menge.

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Anhang C Komplexe Zahlen

Die komplexen Zahlen sind eine Erweiterung des Korpers R der reellen Zahlen,

in ganz ahnlicher Weise wie die reellen Zahlen eine Erweiterung des Korpers Q

der rationlen Zahlen sind. Da man in der Praxis doch ohnehin nur mit endlichen

Dezimalbruchen rechnet, ist die Frage berechtigt, wozu man eigentlich die rellen und

dann gar die komplexen Zahlen braucht.

Die Antwort auf die erste Frage ist schnell gegeben. Wir wissen, daß ganz naturlich

auftretende Großen wie die Lange der Diagonalen eines Quadrates mit Seitenlange

eins, sprich die Zahl√2, oder das Verhaltnis von Umfang zum Durchmesser eines

Kreises, sprich die Kreiszahl π, keine rationalen Zahlen sind. Sie sind aber reelle

Zahlen und die reellen Zahlen sind in gewissen Sinne, eine Vervollstandigung der

rationalen Zahlen. Wir brauchen also die reellen Zahlen, da die rationalen Zahlen

Lucken aufweisen. Die komplexen Zahlen werden nun deshalb eingefuhrt, um einen

Mangel, den die reellen Zahlen immer noch haben, zu beheben. Hierbei geht es um

das Losen von Gleichungen, aber nicht mehr linearen, sondern quadratischen. Es ist

bekannt, daß das Quadrat einer reellen Zahl stets nicht-negativ ist. Also kann es

keine reelle Zahl x geben, die die Gleichung x2 = −1 lost.

Als Losung genau dieser Gleichung wird nun eine neue Große eingefuhrt, die ima-

ginare Einheit i. Definitionsgemaß ist sie diejenige Zahl, fur die i2 = −1 gilt. Wenn

man nun eine solche Große i einfuhrt, dann ist damit alleine gar nichts gewonnen.

Man will ja mit i auch rechnen konnen, und zwar will man moglichst alle Rechenre-

geln von R ubertragen. Man will nicht nur i2 = i·i, sondern auch i+i oder Ausdrucke

wie 37+42i bilden konnen. Dabei sollen die so zu konstruierenden komplexen Zahlen

die reellen Zahlen als Teilmenge enthalten.

Daß es wirklich ein solches Zahlsystem komplexer Zahlen, in unserer Sprache den

Korper der komplexen Zahlen, gibt, ist uberhaupt nicht klar und wurde historisch

erst spat realisiert und auch akzeptiert.32 Gauß hat die Zahlen geometrisch, als

Punkte in der Ebene, eingefuhrt, weshalb die komplexen Zahlen heute noch gauß-

sche Zahlenebene heißen. Wir fuhren die komplexen Zahlen ebenfalls als reelle Zah-

lenpaare ein, definieren die Addition und die Multiplikation aber algebraisch und

werden die Definitionen erst im Anschluß daran geometrisch interpretieren.

Definition C.1

Die Menge C := {(x, y) | x, y ∈ R} zusammen mit der durch

(x, y) + (u, v) := (x+ u, y+ v), fur (x, y), (u, v) ∈ C,

und

(x, y) · (u, v) := (xu− yv, xv+ yu), fur (x, y), (u, v) ∈ C,

32Erstmals taucht√−1 wohl um 1540 bei Cardano auf. Wirklich als Zahlsystem wurden die

komplexen Zahlen aber erst durch Gauß, 1777-1855, etabliert. Hierzu und zu vielen weiteren in-

teressanten Tatsachen um die komplexen Zahlen vgl. [Ebb92] § 3.

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definierten Addition und Multiplikation heißt der Korper der komplexen Zahlen. Fur

z = (x, y) ∈ C heißt Re(z) := x der Realteil von z und Im(z) := y der Imaginarteil.

Satz C.2

(C,+, ·) ist ein Korper.

Beweis: Man sieht sofort, daß (C,+) eine abelsche Gruppe ist mit (0, 0) als neu-

tralem Element und (−x,−y) als Inversem zu (x, y) ∈ C.

Etwas mehr ist zu zeigen, um zu sehen, daß (C \ {(0, 0)}, ·) eine abelsche Gruppe

ist mit (1, 0) als neutralem Element und(

xx2+y2 ,−

yx2+y2

)als Inversem zu (x, y) ∈

C \ {(0, 0)}. Wir uberlassen den Nachweis dem Leser als Ubungsaufgabe. �

Bemerkung C.3

Wir wollen nun sehen, daß C ein Erweiterungskorper von R ist. Dazu betrachten

wir die Abbildung

ϕ : R → C : x 7→ (x, 0).

Man pruft leicht nach, daß ϕ ein Korpermonomorphismus ist.

Wir identifizieren R mit dem Bild ϕ(R) = R × {0} ⊂ R × R = C. Damit ist R ein

Unterkorper von C.

Notation C.4

Praktischer als das Rechnen mit Paaren von Zahlen ist die folgende Notation fur

komplexe Zahlen. Wir setzen x := (x, 0) fur x ∈ R und i := (0, 1). Dann gilt fur

z = (x, y) ∈ C

z = (x, y) = (x, 0) + (0, y) = (x, 0) + (0, 1) · (y, 0) = x+ iy.

Bemerkung C.5

Mit dieser Schreibweise gilt zunachst:

i2 = (0, 1) · (0, 1) = −1.

Ferner ergibt sich die etwas willkurlich anmutende Definition der Multiplikation ganz

“naturlich” aus

(x+ iy)(u+ iv) =(xu+ i2yv

)+ i(xv+ yu) = (xu− yv) + i(xv+ yu).

Bemerkung C.6

Auf R und C hat man noch andere wichtige Strukturen, die man auf beliebigen

Korpern nicht hat.

Auf R hat man die Ordnungsrelation ≤, die eine totale Ordnung auf R ist, und die

mit den Operationen auf R vertraglich ist, d. h. fur x, y, z ∈ R gilt:

a. x ≤ y ⇒ x+ z ≤ y+ z, und

b. 0 < x, 0 < y ⇒ 0 < xy.

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Außerdem hat man auf R die Betragsfunktion

| · | : R → R≥0 : x 7→{

x, x ≥ 0

−x, x < 0.

Die Ordnungsrelation ≤ auf R laßt sich nicht so auf C fortsetzen, daß die obigen

Gesetze a. und b. erhalten bleiben.33 Im Gegensatz dazu besitzt C aber eine Be-

tragsfunktion,

| · | : C → R≥0 : x+ iy 7→√

x2 + y2,

die die Betragsfunktion auf R fortsetzt.

Außerdem gibt es auf C eine weitere wichtige Abbildung, die komplexe Konjugation

· : C → C : z = x+ iy 7→ z := x− iy.

Fur z ∈ C heißt z die zu z konjugiert komplexe Zahl .

Die folgenden Eigenschaften der komplexen Zahlen sind einfach nachzuweisen, und

ihr Nachweis sei dem Leser uberlassen.

Lemma C.7

Fur z,w ∈ C gelten:

a. z+w = z+w,

b. z ·w = z ·w,

c. z = z,

d. z = z ⇔ z ∈ R,

e. z · z = |z|2,

f. |z| · |w| = |zw|,

g. |z+w| ≤ |z|+ |w|, und

h. z = 0 ⇔ |z| = 0.

Teil g. nennt man die Dreiecksungleichung . Sie wird vor allem in der Analysis von

großer Bedeutung sein. Elementargeometrisch wird ihre Bedeutung im Folgenden

augenscheinlich.

Geometrische Deutung der komplexen Zahlen

Wir betrachten z = (x, y) als Richtungsvektor in der Zahlenebene R2.

Die Addition ist einfach die komponentenweise Addition, also die Addition der Vek-

toren.

33Sonst wurde entweder 0 < i oder 0 < −i gelten, und somit 0 < i2 = −1 oder 0 < (−i)2 = −1,

was im Widerspruch zur Definition von ≤ auf R steht.

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155

w

z

w+ z

Zur geometrischen Interpretation der Multiplikation brauchen wir die Betragsfunk-

tion. Der Betrag r := |z| einer komplexen Zahl z ist die Lange des Vektors z (Pytha-

goras). Fur z 6= 0 hat z ′ := z|z|

die Lange eins, und es gilt

z = |z| · z ′ = r · z ′.

D. h. z ist das Produkt eines Vektors von Lange eins mit einer nicht-negativen

reellen Zahl. Dabei ist z ′ vollstandig durch den Winkel α bestimmt, den z ′ mit

der x-Achse einschließt, namlich z ′ =(cos(α), sin(α)

). Also ist jede komplexe Zahl

z 6= 0 eindeutig durch ihren Betrag und den Winkel α =: arg(z), das Argument von

z, bestimmt. Das Paar (r, α) =(|z|, arg(z)

)nennt man die Polarkoordinaten von z.

α

cos(α)

i sin(α)

i

1

z

z ′r z ′ = z

|z|

r = |z|α = arg(z)

Die komplexen Zahlen vom Betrag eins sind genau die Punkte auf dem Einheitskreis.

Fur z ′ ∈ C mit∣∣z ′∣∣ = 1 gibt es also genau ein 0 ≤ α < 2π mit

z ′ = cos(α) + i sin(α) = eiα.

Damit gilt fur ein beliebiges c ∈ C

c = |c| ·(cos(β) + i sin(β)

)= |c| · eiβ,

fur β = arg(c).

Daraus ergibt sich fur die Multiplikationsabbildung mit einer festen komplexen Zahl

z = |z| · eiα,mz : C → C : c 7→ |z| · |c| · ei(α+β).

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156

Die Multiplikation mit z ist also eine Drehstreckung , daß heißt der Vektor c wird

um den Winkel α = arg(z) gedreht und um den Faktor |z| gestreckt.

zc

c · z

α

β

α+ β

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Index

R[b], 99

Sym, 17

deg, 96

ggT, 106

ggt, 110, 130

kgV, 107

kgv, 69, 110

〈M〉, 24〈M〉R, 101lc, 96

φn, 104

ϕb, 99

Aquivalenz, 139

Aquivalenzklasse, siehe Relation

Aquivalenzrelation, siehe Relation

Abbildung, 143

bijektiv, 145, 147, 148, 150

identische, 144

Identitat, 144

injektiv, 32, 145, 147, 148

Inklusion, 144

Inverse, 148

Komposition, 147

linksvollstandig, 143, 150

rechtseindeutig, 144, 150

surjektiv, 145, 147, 148

Umkehrabbildung, 148

vollstandige, 81

wohldefiniert, 144

Abbildungsvorschrift, 144

abelsch, siehe Gruppe

Addition, 85

Alphabet, 77, 78

alternierende Gruppe, 53

Archimedisches Prinzip, 26

Argument, 155

Assoziativitat der Multiplikation, 85

Aussagefunktionen, 141

Auswahlaxiom, 140

Automorphismus, siehe

Gruppenhomomorphismus

Bezout Identitat, 126

Betragsfunktion, 154

bijektiv, siehe Abbildung

Bild, siehe Gruppenhomomorphismus, 30,

144

Boolsche Gruppe, 20

Buchstaben, 78

Charakteristik, 115

Chinesischer Restsatz, 135

Definitionsbereich, 144

Diedergruppe, 54, 83

Differenz, 142

disjunkt, siehe Menge

Disjunktion, 139

Distributivitat, 85

Division mit Rest, 26, 116, 117

Drehstreckung, 156

Drehung, 23

Dreiecksungleichung, 154

Durchschnitt, 142

Einheit, 85

Einheitengruppe, 86

Einschrankung, 145

Einselement, 85

Einsetzhomomorphismus, 99, 121

Element

maximales, 151

minimales, 151

Elemente, 142

endlich, siehe Gruppe

Endomorphismus, siehe

Gruppenhomomorphismus

Epimorphismus, siehe

Gruppenhomomorphismus, siehe

Ringhomomorphismus

Erzeugnis, 24, 101

euklidisch, siehe Ring

euklidische Funktion, 116

Euklidischer Algorithmus, 119

Faktorgruppe, siehe Gruppe

faktoriell, siehe Ring

Faktorring, 103

Familie, 146, 146

leere, 146

Teilfamilie, 146

Fehlstand, 51157

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158

Fermatsche Vermutung, 140

Folge, 146

Fundamentalsatz der elementaren

Zahlentheorie, 130

Gaußsche Zahlen, 97, 120

gaußsche Zahlenebene, 152

gerade, siehe Permutation

gleichmachtig, siehe Menge

Goldbachsche Vermutung, 140

großter gemeinsamer Teiler, 106

Grad, 96

Graph, 144

Gruppe, 9, 9–34

abelsche, 9

alternierende, 72

Boolsche, 20

einelementige, 10

endliche, 9

Faktorgruppe, 66

Gruppenaxiome, 9

Inverses, 9

isomorph, 30

kommutative, 9

neutrales Element, 9

Ordnung, 9

Permutationsgruppe vom Grad n, 17

Produktformel, 62

symmetrische, 43–55

symmetrische Gruppe, 17

unendliche, 9

Untergruppe, 21, 30

normale, 63

Untergruppenkriterium, 21

zyklische, 25, 26, 63, 70, 74–76

Gruppenaxiome, siehe Gruppe

Gruppenhomomorphismus, 28, 30

Automorphismus, 30

Bild, 30

Endomorphismus, 30

Epimorphismus, 30

Homomorphismus, 28

Injektivitatskriterium, 32

innerer Automorphismus, 29

Isomorphismus, 30

Kern, 30, 66

Komposition, 29

Konjugation, 29

Monomorphismus, 30

Morphismus, 28

Halbgruppe, 9, 17

Halbordnung, siehe Relation

Hauptidealring, siehe Ring

Homomorphismus, siehe

Gruppenhomomorphismus

Ideal, 100

Identitat, siehe Abbildung

imaginare Einheit, 152

Implikation, 139

Index, siehe Untergruppe

Indexmenge, 142

Induktion

Induktionsanfang, 14

Induktionsschluß, 14

Induktionsvoraussetzung, 14

vollstandige, 14

Induktionsanfang, siehe Induktion

Induktionsschluß, siehe Induktion

Induktionsvoraussetzung, siehe Induktion

injektiv, siehe Abbildung

Inklusion, siehe Abbildung

innerer Automorphismus, siehe

Gruppenhomomorphismus

Integritatsbereich, siehe Ring

Inverse, siehe Abbildung

Inverses, siehe Gruppe

invertierbar, 85

irreduzibel, 112

isomorph, siehe Gruppe

Isomorphismus, siehe

Gruppenhomomorphismus, siehe

Ringhomomorphismus

Korper, 85, 86, 105, 153

der komplexen Zahlen, 86

der komplexen Zahlen, 153

Unterkorper, 153

Korpererweiterung, 153

Kurzungsregeln, 12

Kardinalzahlen, 147

kartesisches Produkt, 142

Kern, siehe Gruppenhomomorphismus

kleinstes gemeinsames Vielfaches, 107

kommutativ, siehe Gruppe

komplexe Konjugation, 154

Komposition, 147

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kongruent modulo n, 60

Konjugation, siehe

Gruppenhomomorphismus

konjugiert komplexe Zahl, 154

Konjunktion, 139

Kontraposition, 19, 141

Lange, siehe Prufziffercode

leere Menge, 142

Leikoeffizient, siehe Polynom

lineare Ordnung, siehe Relation

Linearfaktor, 122

Linksnebenklasse, 57

Linkstranslation, 29

linksvollstandig, siehe Abbildung

Machtigkeit, siehe Menge

maximal, siehe Element

Menge, 142

disjunkt, 39

gleichmachtig, 147

Machtigkeit, 147

paarweise disjunkt, 39

partiell geordnet, 150

teilgeordnet, 150

minimal, siehe Element

Modulhomomorphismus

Injektivitatskriterium, 32

modulo, siehe Relation

Monoid, 10

Monomorphismus, siehe

Gruppenhomomorphismus, siehe

Ringhomomorphismus

Morphismus, siehe

Gruppenhomomorphismus

Multiplikation, 85

Negation, 139

neutrales Element, siehe Gruppe

Normalparabel, 145

Normalteiler, 63

Nullring, 88

Nullstelle, 122

Nullteiler, 105

nullteilerfrei, siehe Ring

Ordnung, siehe Gruppe, 33, 61

Ordnungsrelation, siehe Relation

paarweise disjunkt, siehe Menge

paarweise disjunkte Zyklen, siehe

Permutation

partielle Ordnung, siehe Relation

Permutation, 17, 43

gerade, 53

Transposition, 44, 49, 52

Zyklenzerlegung, 45

Zyklus, 44

Permutationsgruppe vom Grad n, siehe

Gruppe

Polarkoordinaten, 155

Polynom, 96

Grad, 96

Leitkoeffizient, 96

Polynomfunktion, 124

Polynome, 95

Polynomring, 95

Potenzgesetze, 15

Potenzmenge, 142

Potenzreihen

formale, 89

Pradikate, 141

Prufziffer, 77

Prufziffercode, 78

Lange, 78

prim, 112

Primfaktorzerlegung, 115

Produktformel, 62

Quadratur des Kreises, 140

Quantoren, 141

Rechenregeln

Korper, 88

Ringe, 88

rechtseindeutig, siehe Abbildung

Rechtstranslation, 29

Reduktion modulo n, 104

regulares n-Eck, 23, 54

Relation, 143

Aquivalenzrelation, 36, 40

Aquivalenzklasse, 37

modulo, 37

Reprasentant, 37

Halbordnung, 150

lineare Ordnung, 151

Ordnungsrelation, 150, 153

partielle Ordnung, 150

Totalordnung, 151

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Wohlordnung, 151

Reprasentant, siehe Relation

Restklassenabbildung, 66

Ring, 85

der Abbildungen, 87

der formalen Potenzreihen, 89

Einheitengruppe, 86

euklidischer, 116, 125

faktoriell, 112, 115, 129, 130

Primfaktorzerlegung, 115

Faktorring, 103

Hauptidealring, 125, 125, 126, 129

Integritatsbereich, 105

isomorph, 98

kommutativer, 85

mit Eins, 85

noethersch, 130

Nullring, 88

nullteilerfrei, 105

Unterring, 95

ZPE-Ring, 112

Ring der Gaußschen Zahlen, 97

Ring der Gaußschen Zahlen, 120

Ring mit Eins, 85

Ringhomomorphismus, 97

Epimorphismus, 98

Isomorphismus, 98

Monomorphismus, 98

Satz

chinesischer Restsatz, 134

Division mit Rest, 26

Homomorphiesatz, 71

Isomorphiesatze, 72, 73

von Lagrange, 60

Signum, 51, 53, 72

Vorzeichen, 51

surjektiv, siehe Abbildung

symmetrische Gruppe, siehe Gruppe

teilerfremd, 107

Teilfamilie, siehe Familie

Teilkorper, 95

Teilmenge, 142

teilt, 106

Totalordnung, siehe Relation

Transposition, siehe Permutation

transzendent, 140

Umkehrabbildung, siehe Abbildung

unendlich, siehe Gruppe

Untegruppendiagramm, 61

Untergruppe, siehe Gruppe

Index, 57

Unterkorper, 95

Unterring, siehe Ring

Urbild, 30, 144, 150

Vereinigung, 142

Verknupfungstafeln, 68

vollstandige, siehe Abbildung

vollstandige Induktion, siehe Induktion

Vorzeichen, siehe Signum

Wertebereich, 144

wohldefiniert, siehe Abbildung

Wohlordnung, siehe Relation

Wurzelfunktion, 145

Zahlen

ganze, 10, 86, 143

komplexe, 86, 152–156

naturliche, 143

rationale, 10, 38, 86, 143

reelle, 10, 86, 143

Zerlegung, 39

Zyklenzerlegung, siehe Permutation

zyklisch, siehe Gruppe

Zyklus, siehe Permutation

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